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Wer bin ich

Psychologie und Philosophie künstlerisch verpackt. In der ersten CrazyLife Ausgabe, setzt sich das Magazin mit der Frage, wer bin ich auseinander. Was ist Identität und wie entwickle ich diese? Was bedeutet es in Rollen zu agieren und wer bin ich in diesen Rollen? Das Leben ist ein Prozess und aus verschieden Perspektiven zu sehen. Es gibt nicht nur schwarz und auch nicht nur weiß. Zwischen drin ist eine große Palette voll Farben, die alle zusammen das Leben ergeben. Ein Magazin für alle, die gerne lange und intensiv Bilder schauen, sich durch Sprüche motivieren lassen und aus emotionalen Erfahrungen lernen möchten. Ein Magazin, das zum nachdenken anregt und neue Denkanstöße liefert.

Psychologie und Philosophie künstlerisch verpackt.
In der ersten CrazyLife Ausgabe, setzt sich das Magazin mit der Frage, wer bin ich auseinander. Was ist Identität und wie entwickle ich diese? Was bedeutet es in Rollen zu agieren und wer bin ich in diesen Rollen?

Das Leben ist ein Prozess und aus verschieden Perspektiven zu sehen. Es gibt nicht nur schwarz und auch nicht nur weiß. Zwischen drin ist eine große Palette voll Farben, die alle zusammen das Leben ergeben.

Ein Magazin für alle, die gerne lange und intensiv Bilder schauen, sich durch Sprüche motivieren lassen und aus emotionalen Erfahrungen lernen möchten. Ein Magazin, das zum nachdenken anregt und neue Denkanstöße liefert.

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Ausgabe 1<br />

The<br />

Crazy Life<br />

März 2018


Foto: S.-L. Warrelmann Model: Ayleen W.<br />

Ayleen Bild


Ohne Zugang zum eigenen Ich kann man auch<br />

keinen Zugang zu anderen finden!<br />

- Anne Lindebergh<br />

Editorial<br />

Hallo lieber Reisender,<br />

wer s<strong>ich</strong> selbst n<strong>ich</strong>t versteht, hat Schwierigkeiten darin seine Gefühle und Bedürfnisse<br />

mitzuteilen oder diese überhaupt zu (be)greifen. Das wusste auch die<br />

Flugpionierin Anne Morrow Lindebergh, welche zu den ersten Frauen in der<br />

Luft zählte. Sie ist in einer Zeit hervorgestochen, in welcher es für Frauen undenkbar<br />

war, eine bedeutende Position einzunehmen. Die Pionierin musste ihre<br />

Persönl<strong>ich</strong>keit verstehen, um s<strong>ich</strong> in der Männerdomäne behaupten zu können.<br />

Ein Zugang zu s<strong>ich</strong> selbst zu finden, ist allerdings le<strong>ich</strong>ter gesagt als getan. Zuerst<br />

darf dieser ominöse Zugang gefunden werden, was schon eine Herausforderung<br />

für s<strong>ich</strong> ist. Hat man ihn dann endl<strong>ich</strong> entdeckt steht man vor einem weiteren<br />

Problem, näml<strong>ich</strong> dem, seiner Öffnung. Denn was bringt ein Zugang, den<br />

man n<strong>ich</strong>t begehen kann und aus dem man somit keinen Nutzen ziehen kann?<br />

Da kann er ja auch verschlossen bleiben. Solche besonderen Zugänge sind<br />

meist n<strong>ich</strong>t einfach durch eine simple Druckbewegung an einer bestimmten<br />

Muskelstelle zu öffnen, wodurch s<strong>ich</strong> die verborgenen Gedanken, Gefühle und<br />

Erkenntnisse auf einem Silbertablett präsentieren, nein auch dieser Mechanismus,<br />

darf erst verstanden werden und ist bei jedem Individuum unterschiedl<strong>ich</strong>.<br />

Es gibt keine Formel, auch keine Schritt-für-Schritt-Anleitung, die D<strong>ich</strong> zu Dir<br />

selbst führt. Das ist das Leben eben. Aber es gibt zahlre<strong>ich</strong>e Erfahrungen von<br />

welchen Du tagtägl<strong>ich</strong> Lesen kannst. Ein weiser Mensch sagte einst:<br />

„Es re<strong>ich</strong>t wenn Du aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernst und<br />

n<strong>ich</strong>t ihre Fehler erneut begehst.“<br />

Viel Spaß, Erkenntnis,Wissen und vor allem Geduld auf der Safari, deines Lebens.<br />

3 | CrazyLife


4 | CrazyLife


Inhalt<br />

Gesundheit<br />

44 Einfluss der Lebensmittel auf die Psyche<br />

45 Gesunde Lebensmittel<br />

Ausgabe 1 - 2018 <strong>Wer</strong> <strong>bin</strong> <strong>ich</strong>?<br />

Genetik<br />

34 Freunde, die vorhersebahren Spiegel<br />

deiner Selbst<br />

Ergreifende Reportage über<br />

die Abgründe des Lebens<br />

24<br />

Psychologie<br />

15 Negatives Denken und sein Einfluss auf<br />

die Persönl<strong>ich</strong>keit<br />

36 Gespräch mit den Gefühlen<br />

48 Selbstreflexion<br />

Schicksalschläge<br />

24 Aus der Zerstörung zum Leben<br />

39 In der Rolle einer Mutter<br />

Philosophie<br />

8 <strong>Wer</strong> <strong>bin</strong> <strong>ich</strong>?<br />

3 Editorial<br />

Menschen<br />

14 Simona Maier<br />

30 Der Unbestimmte<br />

Reise<br />

20 Das europäische New York<br />

Aus der Redaktion<br />

Empfehlungen<br />

31 Peaceful Warrior, der Film<br />

Hast du d<strong>ich</strong><br />

jemals gefragt<br />

<strong>Wer</strong> du bist?<br />

46 Wie ein Magazin entsteht<br />

5 | CrazyLife


Leitartiek


l Bild<br />

Foto: S.-Latifa A. Warrelmann


Leitartikel<br />

Was bedeutet es <strong>ich</strong> zu sein?<br />

Die Ergründung eines Menschen wirft genauso viele Fragen auf, wie<br />

die Erforschung des Universums. Als wäre jedes Individuum selbst ein<br />

kleiner Planet.<br />

Was für eine interessante Vorstellung. Wir alle, kleine Planeten, die im<br />

Sonnensystem Erde herum schweben. Alle haben wir eine noch n<strong>ich</strong>t<br />

definierte Funktion, die dennoch irgendwie das Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>t zusammenhält.<br />

Interessant, denn der Mensch wirkt mit seinen komplexen<br />

Mechanismen, wie ein noch unbekannter Planet. Ein paar Daten sind<br />

bekannt. Der Grund seiner Existenz, wie auch seine Funktion ist noch<br />

unschlüssig.<br />

Illustration: S.-L. A. Warrelmann<br />

Forscher, Abenteurer, Geistl<strong>ich</strong>e,<br />

Wissenschaftler, Ritter und Könige<br />

aller Epochen waren bereits auf der<br />

Suche nach der Antwort. Die eine<br />

Antwort auf die Frage: <strong>Wer</strong> <strong>bin</strong> <strong>ich</strong>?<br />

Doch anstatt einer Antwort erhielten<br />

Generationen vor uns, wie auch<br />

die Aktuelle, nur noch mehr Fragen.<br />

Sind wir ein Geist, der ein Körper bewohnt,<br />

um eine überirdische Aufgabe<br />

auf diesem Planeten, zu erfüllen?<br />

Sind wir das Ergebnis chemischer,<br />

biologischer Prozesse oder doch ein<br />

lebendiges Puzzle, das aus Puzzleteilen<br />

voll Zellen, Atomen, Bakterien<br />

und andere Organismen besteht?<br />

<strong>Wer</strong>den wir von etwas oder jemanden<br />

gesteuert oder sind wir tatsächl<strong>ich</strong><br />

frei ins unseren Entscheidungen<br />

und Handlungen?<br />

Als wären diese Fragen n<strong>ich</strong>t schon<br />

genug, um Kopfschmerzen in den<br />

Gehirnen der nächsten hundert<br />

Generationen auszulösen, verwandelt<br />

s<strong>ich</strong> die Frage „<strong>Wer</strong> <strong>bin</strong> <strong>ich</strong>?“<br />

in ein niederdrückendes Rätsel.<br />

Oder mehr noch, in ein lernfähiges<br />

computergesteuertes Labyrinth,<br />

das den Ausgang schließt,<br />

sobald man ihm näher kommt. Wo<br />

einmal der Ausgang stand, bilden<br />

s<strong>ich</strong> innerhalb Sekunden zwanzig<br />

neue Wege, zu einer weiteren Tür.<br />

Auch sie wird wahrscheinl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

zum Ende des Herumirren führen.<br />

Genauso verhält es s<strong>ich</strong> mit der<br />

Suche nach der einen Antwort,<br />

dieser einen Antwort, die einem<br />

endl<strong>ich</strong> vers<strong>ich</strong>ert, wer man ist.<br />

8 | CrazyLife<br />

Keine einfache Frage!<br />

- Aber warum?<br />

Das Ich, ist wie alles Lebende ständig<br />

in Wandel. Es formt s<strong>ich</strong>, passt<br />

s<strong>ich</strong> an seine Gegebenheiten an,<br />

lernt immer wieder dazu und verändert<br />

s<strong>ich</strong> mit jedem Augenblick.<br />

Illustration: S.-L. A. Warrelmann<br />

Es ist so komplex und mit Sinnen<br />

allein n<strong>ich</strong>t zu beschreiben. Es funktioniert<br />

auf eine unbekannte Weise<br />

und steuert dabei Prozesse, die<br />

unseren Alltag definieren und uns<br />

selbst bilden. Es formt s<strong>ich</strong> selbst<br />

in jeder Sekunde. Das Ich ist körperl<strong>ich</strong><br />

und spiegelt s<strong>ich</strong> in unserer<br />

äußeren Erscheinung, unserem<br />

Kleidungsstil, unseren körperl<strong>ich</strong>en<br />

Fitness und so weiter, wider. Es ist<br />

aber genauso geistig, n<strong>ich</strong>t greifbar<br />

und wir wissen nur deshalb, dass<br />

es existiert, weil wir es mit unseren<br />

Gefühlen, Eindrücken, Wünschen,<br />

Erfahrungen und unserem<br />

Verlangen wahrnehmen können.<br />

Das ICH, ein bemerkenswertes<br />

Konstrukt, dessen Vorgehensweise<br />

und Bedeutung von CrazyLife<br />

in dieser Ausgabe ergründet wird.<br />

Ich denke, also <strong>bin</strong> <strong>ich</strong>,<br />

erkannte einst der Naturwissenschaftler<br />

und Philosoph René<br />

Descartes aus dem 17.ten Jahrhundert.<br />

Er hat s<strong>ich</strong> in seiner Lebenszeit<br />

mit der Bedeutung des<br />

Ichs auseinandergesetzt. Ist das<br />

ICH an den Körper gebunden<br />

oder entsteht es durch die im Verstand<br />

vorhandenen Gedanken?<br />

Nachdem ihm bewusst wurde,<br />

dass das ICH auch ohne Gliedmaßen<br />

und Körper existiert, wie<br />

zum Beispiel im Traumzustand,<br />

schlussfolgerte er, dass das ICH<br />

ein denkendes Ding ist. Also ein<br />

Wesen mit Empfindungen, Sehnsüchten,<br />

Zweifel und Wünschen.<br />

„Be yourself, finde deine Persönl<strong>ich</strong>keit<br />

und entdecke dein Potenzial!“,<br />

heißt es in den <strong>Wer</strong>betexten<br />

und Motivationstexten, die den<br />

Trend hin zur Individualität widerspiegeln.<br />

In der heutigen Zeit steht<br />

das ICH oder auch das Individuum<br />

im Vordergrund, wo noch wenige<br />

Jahrzehnt zuvor die Gruppe Vorherrschaft<br />

hatte. Früher war es keine<br />

Frage, dass die Einzelnen ihr Verlangen<br />

und Sehnsüchte an die der<br />

Gesellschaft bzw. einer bestimmten<br />

Gruppe oder dem Staat anpassen.<br />

Illustration: S.-L. A. Warrelmann


Das Potenzial seiner selbst zu leben<br />

und zu finden galt früher vor<br />

allem in den bürgerl<strong>ich</strong>en Sch<strong>ich</strong>ten<br />

eher als Freizeitbeschäftigung,<br />

wozu nur die wenigsten<br />

Zeit fanden. Im Strom schwimmen<br />

hieß die Devise und mit dem<br />

Storm folgten S<strong>ich</strong>erheit & Schutz.<br />

<strong>Wer</strong> s<strong>ich</strong> an die Regeln der Gesellschaft<br />

anpasste wurde meistens<br />

von dieser anerkannt und konnte<br />

somit auch seinen Lebensunterhalt<br />

bestreiten. <strong>Wer</strong> s<strong>ich</strong> allerdings<br />

auflehnte und nach seiner eigenen<br />

Pfeife tanzen wollte, wurde ganz<br />

schnell verstoßen. Heute aber<br />

scheinen die Gesetzte zumindest in<br />

den westl<strong>ich</strong>en Zivilisationen umgekehrt,<br />

denn Individualität ist so<br />

gefragt wie nie zuvor. Durch das<br />

Internet und soziale Plattformen<br />

wie Facebook & Instagram gefördert,<br />

liegt der Fokus immer mehr<br />

auf der Einzelperson, ihren Fähigkeiten,<br />

ihren Talente und ihrem USP<br />

(unique selling point) also ihrem<br />

Alleinstellungsmerkmal, das was sie<br />

aus der Masse herausstechen lässt.<br />

Illustration: S.-L. A. Warrelmann<br />

Doch was macht eine Person<br />

überhaupt aus und was<br />

bedeutet es ICH zu sein?<br />

Schließl<strong>ich</strong> kann man ein Alleinstellungsmerkmal<br />

gar n<strong>ich</strong>t verkünden,<br />

wenn man s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t bewusst<br />

ist, wer man eigentl<strong>ich</strong> ist.<br />

Bekommen wir im Alltag die Frage<br />

gestellt, wer wir sind, lautet<br />

die Antwort meist wie folgt: „Ich<br />

<strong>bin</strong> Handwerker. Ich <strong>bin</strong> 22 Jahre<br />

alt. Ich <strong>bin</strong> Studentin. Ich <strong>bin</strong><br />

Künstlerin. Ich <strong>bin</strong> reiselustig.“<br />

Wir definieren unser ICH meist über<br />

unseren Beruf, unsere Herkunft<br />

und über Freizeitaktivitäten, dabei<br />

lassen wir oftmals bisher erlebe Erfahrungen,<br />

Ziele & Wünsche, Gefühle,<br />

das Verhalten und subjektive<br />

Wahrnehmungen der eigenen<br />

Persönl<strong>ich</strong>keit vollkommen aus,<br />

obwohl auch sie das ICH prägen.<br />

Das Ich verkörpert mehr als nur Hobby,<br />

Beruf, Herkunft, Persönl<strong>ich</strong>keit<br />

und Identität. Es ist so vielsch<strong>ich</strong>tig<br />

wie der Kosmos selbst, den so mancher<br />

als Ursprung des menschl<strong>ich</strong>en<br />

Geist sieht. Würden wir das ICH<br />

unter einem Mikroskop ansehen,<br />

würden wir vermutl<strong>ich</strong> unterschiedl<strong>ich</strong>e<br />

Dimensionen bzw. Sch<strong>ich</strong>ten<br />

erkennen, die alle für s<strong>ich</strong> eine eigenen<br />

Welt bilden, die ihren eigenen<br />

Gesetzten und Regeln befolgen.<br />

Illustration: S.-L. A. Warrelmann<br />

So würde man in der ersten Sch<strong>ich</strong>t<br />

körperl<strong>ich</strong>e bzw. äußere Merkmale<br />

wie Alter, Statur, Haut- und Haarfarbe<br />

und die Länge der Fingernägel<br />

erkennen, also alles was unseren<br />

Körper ausmacht. In der zweiten<br />

Sch<strong>ich</strong>t kann man die Sexualität des<br />

Ichs ablesen. Also Hetero, Homo,<br />

Asexuell, Bi oder doch Pansexuell?!<br />

Blicken wir eine Ebene tiefer sehen<br />

wir unsere unterschiedl<strong>ich</strong>en Rollen,<br />

die der Mutter, des Vater, der<br />

Tochter, des Berufstätigen, des Studenten,<br />

des Musikers, der Frau oder<br />

des Ehemannes, die das ICH im Laufe<br />

des Lebens einnimmt. Schließl<strong>ich</strong><br />

verhalten wir uns in der Rolle der<br />

Schwester oder des Bruders anders,<br />

als in der Rolle des Liebespartners.<br />

Auch wenn s<strong>ich</strong> das ICH n<strong>ich</strong>t verändert,<br />

können wir Unterschiede im<br />

Verhalten erkennen, wenn wir andere<br />

Rollen einnehmen. Aber weiter<br />

geht es mit den Sch<strong>ich</strong>ten, schließl<strong>ich</strong><br />

sind wir noch n<strong>ich</strong>t am Kern<br />

angelangt. In der vierten Sch<strong>ich</strong>t<br />

werden die Charaktereigenschaften<br />

s<strong>ich</strong>tbar. Man kann ablesen wie gesellig,<br />

offen und/oder gewissenhaft<br />

das ICH ist, während in der fünften<br />

Sch<strong>ich</strong>t die Emotionalität und die<br />

Gefühle zum Vorschein kommen.<br />

Das Bewusstsein also die Fähigkeit<br />

s<strong>ich</strong> und/oder seine Umwelt<br />

zu erkennen zeigt die sechste<br />

Sch<strong>ich</strong>t, in der mikroskopischen<br />

Ans<strong>ich</strong>t des Ichs. In der letzten Dimension<br />

vor dem Kern stecken<br />

die Erfahrungen einer Person und<br />

der Umgang mit ihnen. Auch die<br />

kulturellen Eigenschaften spiegeln<br />

s<strong>ich</strong> auf dieser Ebene wider.<br />

Hat man s<strong>ich</strong> dann durch all die<br />

Sch<strong>ich</strong>ten durchgewühlt, erkennt<br />

man das ICH, das all diese Sch<strong>ich</strong>ten<br />

trägt, steuert und im Alltag entscheidet<br />

was von den jeweiligen Sch<strong>ich</strong>ten<br />

genutzt oder gebraucht wird.<br />

Das ICH ist demnach mehr, als<br />

nur eine kurze Beschreibung<br />

des ausgeübten Berufs oder einer<br />

Eigenschaft. Es ist alles und<br />

geht über das Denken hinaus.<br />

Illustration: S.-L. A. Warrelmann<br />

Doch was bedeutet es jetzt ICH<br />

zu sein?<br />

Bei all den Sch<strong>ich</strong>ten, Wandel, äußeren<br />

Faktoren, Gefühlen und Dimensionen<br />

ist es doch unmögl<strong>ich</strong>,<br />

in einem Leben die Antwort auf<br />

die Frage wer man ist, zu finden!<br />

Da ist es wohl kein Wunder, dass<br />

bereits seit Jahrhunderten Menschen<br />

im Labyrinth einen Ausweg<br />

suchen. Selbst unsere modernsten<br />

Geräte, Errungenschaften und<br />

Erkenntnisse, haben die endgültige<br />

Antwort noch n<strong>ich</strong>t greifbar<br />

gemacht. Aber müssen sie das?<br />

Auch wenn wir n<strong>ich</strong>t wissen, wer<br />

wir sind, wissen wir das wir sind. In<br />

unserer Identität oder Geist steckt<br />

eine noch unentdeckte Kraft und<br />

ein unerschöpfl<strong>ich</strong>es Potenzial. Ich<br />

sein, ist ein Prozess, der mit der<br />

9 | CrazyLife


mit der Geburt, ja schon bei der Befruchtung<br />

beginnt und wahrscheinl<strong>ich</strong><br />

mit dem Tod endet, schließl<strong>ich</strong><br />

wissen wir ja noch n<strong>ich</strong>t was nach<br />

unserem Ableben passiert. Ein<br />

Prozess, der n<strong>ich</strong>t nur von jedem<br />

einzelnen Individuum abhängig<br />

ist, sondern auch von den Erkenntnissen<br />

der anderen. Auch wenn<br />

wir heute glauben, <strong>ich</strong> zu sein und<br />

s<strong>ich</strong>er sind, was es bedeutet, kann<br />

es durch ein Ereignis, eine Erkenntnis<br />

morgen etwas ganz anderes<br />

sein. Ich sein ist eine Frisur, ein Beruf,<br />

eine Rolle und ein Hobby aber<br />

genauso auch ein Gefühl oder ein<br />

Bedürfnis, ja sogar ein Verlangen.<br />

Es ist ein Gedanke am Morgen und<br />

ein Gedanke am Abend, eine Krankheit,<br />

die man ausbrütetet oder ein<br />

vitaler Zustand voller Energie. Ich<br />

sein, ist alles und n<strong>ich</strong>ts. Es ist n<strong>ich</strong>t<br />

greifbar und dennoch wissen wir in<br />

jedem Moment, zu jeder Zeit, dass<br />

wir ICH sind. Wir sind etwas vondem<br />

wir gar n<strong>ich</strong>t wissen, was es ist.<br />

Wir leben einen Rhythmus, von<br />

dem wir n<strong>ich</strong>t wissen, warum wir<br />

ihn folgen und wir sind etwas, das<br />

wir n<strong>ich</strong>t in Worte fassen können.<br />

Weil unsere Existenz schwammig<br />

ist, ist es auch die Antwort auf die<br />

Frage, was es bedeutet <strong>ich</strong> zu sein.<br />

Je, nachdem aus welcher Perspektive<br />

man diese Frage behandelt oder<br />

in welcher Dimension man s<strong>ich</strong> gerade<br />

befindet, kann die Antwort<br />

ein einfacher Satz aber auch eine<br />

komplexe Fragestellung sein. Eine<br />

Fragestellung, die mit der Zusammensetzung<br />

der Kosmus beginnt<br />

und mit den Milliarden an Bakterien<br />

und Zellen endet, die den menschl<strong>ich</strong>en<br />

Körper zusammenhalten.<br />

Für die CrazyLife-Redaktion bedeutet<br />

Ich sein, s<strong>ich</strong> fallen zu lassen,<br />

seinen Impulsen zu folgen<br />

und seiner Realität zu glauben. Es<br />

heißt s<strong>ich</strong> zu verstehen, im Wandel<br />

zu bleiben, immer wieder zu lernen<br />

und seine Existenz zu s<strong>ich</strong>ern, ohne<br />

dabei andere Welten zu zerstören.<br />

Ich zu sein ist ein Balanceakt, ein<br />

Spagat zwischen R<strong>ich</strong>tig und Falsch,<br />

Gut oder Schlecht. Es bedeutet s<strong>ich</strong><br />

schon am Morgen zu fragen, wo<br />

man überhaupt hin möchte und<br />

am Abend froh zu sein, den Tag<br />

überhaupt bestanden zu haben. Es<br />

bedeutet Entwicklungen zu durchstehen<br />

ganz gle<strong>ich</strong>, ob vom Kind<br />

zum Teenie, vom Anfänger zum<br />

Fortgeschrittenen, vom Ahnungslosen<br />

zum Wissenden oder vom<br />

Schüler zum Lehrer und dabei dennoch<br />

keine Entwicklungsstufe zu<br />

vergessen. Ich sein ist ein so facettenre<strong>ich</strong>es<br />

Prozess und eine so umfangre<strong>ich</strong>e<br />

Aufgabe, die wir sekündl<strong>ich</strong><br />

einfach irgendwie meistern.<br />

Ego sum, qui sum.<br />

Ich <strong>bin</strong>, der <strong>ich</strong> <strong>bin</strong>.<br />

Illustration: S.-L. A. Warrelmann<br />

10 | CrazyLife<br />

Dschuang Dsi, taoistischer Philosoph


Es ist niemals zu spät,<br />

die Person zu sein,<br />

die man im Herzen<br />

immer sein wollte.<br />

Foto: S.-Latifa A. Warrelmann<br />

11 | CrazyLife


Portrait<br />

... Einer Frau, die s<strong>ich</strong> selbst in einem radikalen Prozess fand.


Simona Aurelia Maier (27)<br />

Winzermeisterin aus Heidelberg<br />

Foto: S.-Latifa A. Warrelmann


Simona Aurelia Maier<br />

Ein Strahlemensch, der n<strong>ich</strong>t nur innerl<strong>ich</strong>e Barrieren bezwang<br />

Blonde Locken, rote Lippen und ein Lächeln,<br />

das jeden in den Bann zieht. Simona<br />

Maier ist eine großgewachsene, sympathische<br />

Frau, die mit ihrer vielsch<strong>ich</strong>tigen Persönl<strong>ich</strong>keit<br />

beeindruckt.<br />

Die 27 Jahre junge Kurpfälzerin ist Winzermeisterin<br />

und Inhaberin ihrer eigenen<br />

Weinmanufaktur am Heiligenstein. Tägl<strong>ich</strong><br />

arbeitet sie auf ihrem fünf Hektar großem<br />

Weinberg. Manchmal hilft ihre Mutter beim<br />

Pflegen und Kultivieren der Weinreben,<br />

doch den Großteil der Aufgaben, darunter<br />

die Herstellung und Vermarktung des<br />

Weines, übernimmt die taffe Frau alleine.<br />

Foto: S.L.A. Warrelmann<br />

Ein eigenes Unternehmen zu führen<br />

ist n<strong>ich</strong>t einfach. Es bedarf einer<br />

Menge Disziplin, Ehrgeiz Durchhaltevermögen<br />

und einem eisernen Willen.,<br />

Dass diese Eigenschaften in ihr vorhanden<br />

sind, beweist sie tägl<strong>ich</strong> und<br />

das n<strong>ich</strong>t nur als Winzermeisterin, denn<br />

die einfühlsame Frau wurde im Körper<br />

eines Mannes geboren. Erst seit<br />

einem Jahr lebt sie amtl<strong>ich</strong> als Frau.<br />

Es dauerte 25 Jahre bis Simona ihre wahre<br />

Persönl<strong>ich</strong>keit, ihr wahres Ich nach außen<br />

tragen konnte und als die Person leben<br />

konnte, die sie im Inneren schon immer<br />

gewesen ist.<br />

„Vor noch einem Jahr hättest du m<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t so glückl<strong>ich</strong> und strahlend vor der<br />

Kamera stehen gesehen.“, sagt sie während<br />

den Fotoaufnahmen und spielt damit<br />

auf die Strapazen der letzten Jahre an. Die<br />

Zeit vor und nach ihrem Outing, die hormonellen<br />

Veränderungen, die Suche nach<br />

passenden Ärzten und die alltägl<strong>ich</strong>en<br />

Vorurteile gegenüber Transgender-Menschen<br />

zerrten an ihren Nerven.<br />

Sie musste s<strong>ich</strong> ein dickes Fell zulegen<br />

und s<strong>ich</strong> darunter ihrer selbst ganz und<br />

gar bewusst werden. Das heißt: Zu ihrem<br />

wahren Ich zu stehen. Damit sie n<strong>ich</strong>t<br />

nur ihrem Traum der vollkommenen Frau<br />

näher kommt, sondern auch in der noch<br />

immer konservativen Winzerbranche etabliert<br />

wird.<br />

Simona Aurelia Maier gibt n<strong>ich</strong>t auf und<br />

positioniert s<strong>ich</strong> mit starkem Auftreten in<br />

der Gesellschaft. „Ich <strong>bin</strong> <strong>ich</strong>! Ich fühle<br />

m<strong>ich</strong> als Frau und <strong>bin</strong> es auch. Durch<br />

meine Transsexualität <strong>bin</strong> <strong>ich</strong> keine andere<br />

Person, <strong>ich</strong> passe meinen Körper<br />

ledigl<strong>ich</strong> an meine Persönl<strong>ich</strong>keit an!“<br />

N<strong>ich</strong>t viele Menschen wissen, wer sie<br />

sind, Simona Aurelia Maier aber hat s<strong>ich</strong><br />

ihr Leben lang mit ihrer Identität auseinandergesetzt<br />

und kann s<strong>ich</strong>, nach<br />

kostspieligen Investitionen und innerem<br />

Bergeversetzen, ganz klar zu s<strong>ich</strong> selbst<br />

positionieren. Somit ist sie n<strong>ich</strong>t nur Vorbild<br />

für Transgender-Menschen, wie in<br />

der Jugendgruppe, die sie betreut, sondern<br />

vielle<strong>ich</strong>t auch für alle anderen, die<br />

an s<strong>ich</strong> zweifeln.<br />

Von: S.L.A. Warrelmann<br />

14 | CrazyLife


Negatives Denken und sein Einfluss auf die Persönl<strong>ich</strong>keit<br />

Kassandras Kampf gegen die alten Strukturen<br />

Kassandra, 35 Jahre alt (Name aus Diskretionsgründen geändert) steht am ungewollten Beginn eines neuen Lebensabschnitts,<br />

nachdem sie ihre Arbeitsstelle nach zwanzig Jahren wegen Überforderung und Zusammenbrüchen<br />

aufgeben musste. Seit mehr als drei Jahren ist sie s<strong>ich</strong> ihrer Veränderung bewusst. Immer häufiger<br />

wurde sie hysterisch, griff nach der Flasche und traute s<strong>ich</strong> kaum noch aus dem Haus. Auch ihre sozialen Interaktionen<br />

nahmen in den letzten Monaten ab, sodass sie nun demotiviert und von Zukunftsängsten geplagt lebt.<br />

Einer destruktiven Lebensphase<br />

gehen meist negative Gedanken<br />

und belastende Lebenssituationen<br />

voraus. Die aktuelle Lebenssituation<br />

ist das Ergebnis vorhergegangener<br />

Entscheidungen. Auch wenn<br />

s<strong>ich</strong> Kassandra dessen bewusst ist,<br />

ändert es n<strong>ich</strong>ts daran, dass es ihr<br />

durch den Verlust der Arbeit an<br />

finanziellen Mitteln mangelt. So<br />

kann sie n<strong>ich</strong>t in der Urlaub fahren<br />

oder andere Unternehmungen<br />

ausüben, die ihre Sinne mit neuen<br />

Reizen und Erfahrungen füllen<br />

könnten. Der eintönige und ärml<strong>ich</strong>e<br />

Alltag bringt zusätzl<strong>ich</strong>en<br />

Stress wie auch selbstschädigende<br />

Gedanken. Ein neuer Job muss her,<br />

die Psyche soll neu konfiguriert<br />

werden und das negative Denken<br />

verabschiedet. Das ist allerdings<br />

kein einfaches Unterfangen, wenn<br />

s<strong>ich</strong> schon seit geraumer Zeit Zweifel,<br />

das Gefühl von <strong>Wer</strong>tlosigkeit,<br />

Nutzlosigkeit und Unattraktivität<br />

manifestierten. So sind alltägl<strong>ich</strong>e<br />

Situationen zur Herausforderung,<br />

ja sogar zur Belastung für Kassandras<br />

geschwächte Psyche geworden.<br />

Wie Kassandra geht es auch<br />

Millionen anderer Deutsche. Das<br />

bestätigt auch eine Umfrage der<br />

AOK, die das Institut für seinen<br />

„Fehlzeiten-Report 2017“ in Auftrag<br />

gab. Durch Schicksalsschläge,<br />

Stress oder in der Kindheit<br />

angelegten destruktiven Gedanken-<br />

und Verhaltensmuster,<br />

kommt es zu Persönl<strong>ich</strong>keit belastende<br />

Zustände. Negatives<br />

Denken beeinflusst n<strong>ich</strong>t nur das<br />

Verhalten einer Person, es kann<br />

auch zu einer vom Scheitern geprägten<br />

Laufbahn führen und körperl<strong>ich</strong>e<br />

Krankheiten verursachen.<br />

Grafik aus der TKK-Studie 2016<br />

Eine Studie der Techniker Krankenkasse,<br />

des Universitätsklinikum<br />

Hamburg und der Roehampton<br />

Universität in England von 2009<br />

bestätigt die Auswirkungen von<br />

Stress und seinen Einfluss auf unter<br />

anderem Karzinomen, Herzkrankheiten<br />

und chronischer Müdigkeit.<br />

Grafik aus der TKK-Studie 2016<br />

Gedanken wie: Ich <strong>bin</strong> n<strong>ich</strong>t gut.<br />

Ich kann n<strong>ich</strong>ts. Ich <strong>bin</strong> wertlos,<br />

schütten Adrenalin wie auch<br />

Noradrenalin aus, welche auch<br />

als Stresshormone bekannt sind.<br />

Langanhaltende negative Gedanken<br />

führen zur ansteigenden Cortisolproduktion,<br />

was als Signal für<br />

einen hohen Energieverbrauch<br />

steht. Der hohe Energieverbrauch<br />

von Stress ist ausschlaggebend<br />

für Demotivation. Denn ein gestresster<br />

Körper ist mit der Regulierung<br />

beschäftigt und kann s<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t mehr auf andere Funktionen<br />

konzentrieren. Neben den biochemischen<br />

Prozessen löst man<br />

mit negativen Gedanken Gefühle<br />

aus, die einen schlecht fühlen lassen.<br />

Denkt man von s<strong>ich</strong>, dass man<br />

wertlos sei, produziert man neben<br />

Adrenalin auch noch Minderwertigkeitsgefühle,<br />

Scham und noch<br />

womögl<strong>ich</strong> Selbsthass mit dazu.<br />

Mit den Gedanken entstehen Gefühle<br />

und andersrum. Dass Menschen<br />

mit negativer Haltung meist<br />

kurzlebige Beziehungen führen<br />

und seltener Aufstiegsmögl<strong>ich</strong>keiten<br />

in Form von Beförderungen<br />

oder Gehaltserhöhungen erleben,<br />

vermutet auch der Coach und Autor<br />

Robert Betz. Er ist s<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong>er,<br />

dass der Mensch seine Realität<br />

zeugt und diese bei Personen mit<br />

negativen Tendenzen von Schuldgefühlen,<br />

Ängsten, Zweifeln,<br />

Scham und so weiter gefüllt ist.<br />

Die innere Haltung tragt der<br />

Mensch nach außen, auch wenn<br />

er das n<strong>ich</strong>t unbedingt bemerkt.<br />

Von seiner Umwelt wird ein zweifelnder,<br />

uns<strong>ich</strong>ere, wütender<br />

oder ängstl<strong>ich</strong>er Mensch meist<br />

unterbewusst als unattraktiv<br />

Feature Negatives Denken<br />

15 | CrazyLife


Negativ D<br />

Foto: S.-L. Warrelmann<br />

Bild<br />

Bin <strong>ich</strong>, was <strong>ich</strong> denke?<br />

Cogito ergo sum- „Ich denke, also <strong>bin</strong> <strong>ich</strong>.“<br />

René Descartes


enken


Feature Negatives Denken<br />

wahrgenommen und gemieden. Somit erhält<br />

er wenig Chancen seine Laufbahn in<br />

eine andere erfolgre<strong>ich</strong>e R<strong>ich</strong>tung zu lenken,<br />

da er s<strong>ich</strong> selbst im Weg steht. Erst<br />

durch das Verstehen und Erkennen der<br />

eigenen Gedanken- und Verhaltensmuster,<br />

kann dem entgegengewirkt werden.<br />

In eine andere R<strong>ich</strong>tung zu agieren ist allerdings<br />

n<strong>ich</strong>t einfach. Das menschl<strong>ich</strong>e Gehirn ist<br />

auf die Spe<strong>ich</strong>erung negativer Ereignisse konzipiert,<br />

um aus den Erfahrungen zu lernen und<br />

s<strong>ich</strong> in Zukunft vor Gefahren schützen zu können.<br />

Es braucht fünf positive Ereignisse, um ein<br />

Negatives zu relativieren. Das allerdings, bedarf<br />

Übung. Ein großer Teil der Menschheit ist<br />

es schon gewohnt, den Fokus auf die Dinge zu<br />

r<strong>ich</strong>ten, die n<strong>ich</strong>t so gut laufen. Das kann auch<br />

Kassandra bestätigen. Jahrelang dachte sie<br />

schlecht über s<strong>ich</strong> und ihre Umwelt, wodurch<br />

sie heute an mangelndem Selbstbewusstsein<br />

leidet. In der Vergangenheit konzentrierte s<strong>ich</strong><br />

ihr Denken immer wieder auf ihre Defizite. In<br />

Anwesenheit anderer wurde sie Eifersucht,<br />

hegte Groll und Misstrauen. Sie konnte anderen<br />

ihr Glück n<strong>ich</strong>t gönnen, schließl<strong>ich</strong> war sie<br />

es selbst n<strong>ich</strong>t. Sie wollte n<strong>ich</strong>t andere glückl<strong>ich</strong><br />

sehen, wenn sie selbst am Abgrund stand.<br />

Ihre Umwelt sollte fühlen, was auch sie fühlte.<br />

Also litt n<strong>ich</strong>t nur sie an ihren negativen Gedanken,<br />

sondern auch ihre Liebsten und jeder<br />

der ihr begegnete. Die Welt mit positiven Augen<br />

zu sehen ist für Kassandra anstrengend.<br />

„Mir war gar n<strong>ich</strong>t bewusst, wie schwer<br />

es ist die guten Seiten des Lebens zu sehen.<br />

Jeden Tag schreibe <strong>ich</strong> mir auf, was<br />

mir an diesem Tag gefallen hat. Ich muss<br />

gestehen, am Anfang dauerte es Stunden,<br />

bis <strong>ich</strong> zwei schöne Ereignisse finden<br />

konnte. Das brachte m<strong>ich</strong> zur Verzweiflung<br />

und machte mir klar, wie sehr<br />

<strong>ich</strong> schon auf das Negative getrimmt <strong>bin</strong>.“<br />

Destruktives Denken beeinflusst Körper und<br />

Geist und ist ein Symptom tief greifender Verletzungen.<br />

Es behindert den Erfolg, obwohl<br />

es ein durch die Evolution angelegtes Muster<br />

ist. Außerdem führt es zu Stress, welcher s<strong>ich</strong><br />

wiederum schädl<strong>ich</strong> auswirkt und organische<br />

wie auch psychische Krankheiten verursacht.<br />

Verallgemeinerung, Alles-Oder-N<strong>ich</strong>ts-Denken,<br />

eingeengte Wahrnehmung, Leugnen<br />

des Positiven, Überreibungen von Fehlern<br />

und mit zweierlei Maß messen sind gängige<br />

Ausdrucksformen des negativen Denken.<br />

Illustration: S.-L.A. Warrelmann<br />

Der Verlust ihrer Arbeitsstelle hat Kassandra zunächst<br />

in ein psychisches Loch geworfen. Doch<br />

mit der Zeit verstand sie, was sie durch den Verlust<br />

gewonnen hat. Sie hat ein Bewusstsein für<br />

ihren tatsächl<strong>ich</strong>en psychischen Zustand entwickelt.<br />

Sie durfte durch die Extremsituation ihre<br />

Gefühle und Gedanken näher kennenlernen.<br />

Negative Ereignisse können sehr belastend sein,<br />

sie können aber auch ein Tür zu neuen Wegen<br />

öffnen. Denn durch die Erkenntnis über ihre Verhaltens-<br />

und Gedankenmuster ist Kassandra jetzt<br />

in der Lage mit dem <strong>Wer</strong>kzeug „Positiv Denken“<br />

das Leben mit einer Le<strong>ich</strong>tigkeit anzugehen.<br />

Von Sahra-Latifa A. Warrelmann<br />

18 | CrazyLife


Auf dem Weg ins europäische New York<br />

Reiseber<strong>ich</strong>t<br />

von S.-L. A. Warrelmann<br />

Es ist kalt. Ich <strong>bin</strong> müde, aber yeah der Bus kommt<br />

gle<strong>ich</strong>. Ich <strong>bin</strong> zwar noch total genervt, aber <strong>ich</strong> freue<br />

m<strong>ich</strong> gle<strong>ich</strong> im Bus zu sein. Oh ja. W-LAN, meine Hörbücher,<br />

ein kuscheliger Platz am Fenster und dank<br />

meines wundervollen Mannes Reiseproviant in Form<br />

von Osmotische, Chips, Schokolade und Gummibärchen.<br />

Ja! So kann <strong>ich</strong> es mir gle<strong>ich</strong> gut gehen lassen.<br />

Okay, jetzt hat der Bus bereits fünfzehn Minuten<br />

Verspätung, langsam frieren mir die Finger<br />

ab und <strong>ich</strong> kann einfach n<strong>ich</strong>t mehr lächeln.<br />

„Hey freust du d<strong>ich</strong> auf dein Brot?“, sagt mein<br />

Mann lächelnd neben mir. Mein Gehirn versucht<br />

diesen Satz zu verarbeiten, währenddessen<br />

stammle <strong>ich</strong> vor m<strong>ich</strong> hin. „Was? Brot?“<br />

Jetzt hat es Klick gemacht. Ah ja, Brooooot. Mein Brot,<br />

das <strong>ich</strong> mir, meinem Mann und seiner Mutter wenige<br />

Stunden zuvor gebacken hatte. Wie geil! Ich kann<br />

es kaum erwarten zu essen, wenn <strong>ich</strong> in meinem<br />

Holz-Bungalow zwanzig Minuten von der Stadt verputze.<br />

Ja das wird toll. Sonnenblumen-Kräuter-Kidneybohnen-Zwiebel-Brot<br />

& Tomatensoße, kann es<br />

etwas Schöneres geben? Noch vor m<strong>ich</strong> hin träumend<br />

fällt mir ein das <strong>ich</strong> dabei war zu Antwort.<br />

„Ja, das Brot. Ich freue m<strong>ich</strong> schon total darauf,<br />

sage <strong>ich</strong> viel zu spät.“ Er lächelt m<strong>ich</strong> mit seinem liebevollen<br />

Blick an, der gle<strong>ich</strong>zeitig bedeutet, dass er<br />

m<strong>ich</strong> verstanden hat. Ach seine Auge, seine wunderschönen<br />

braunen Augen. Ihr fahre durch sein Haar,<br />

drucke m<strong>ich</strong> eng an ihn und gebe ihm einen Kuss.<br />

Es ist schön, dass er hier ist. Es ist schön, dass er<br />

m<strong>ich</strong> begleitet, auch wenn nur für einen Moment.<br />

„Hey der Bus kommt!“, ruft er und dreht m<strong>ich</strong> dabei<br />

sanft auf die Seite. Der Bus! Okay, wo ist mein Ticket<br />

und wo der Koffer. Während <strong>ich</strong> noch dabei <strong>bin</strong><br />

m<strong>ich</strong> zu sortieren, schlappt mein Begleiter mit mir<br />

an der Hand voraus. Nach der Eincheck-Prozedur<br />

kommt die Verabschiedung. Kurz und schmerzlos. Ein<br />

Kuss, ein paar liebe Worte und schon <strong>bin</strong> <strong>ich</strong> im Bus.<br />

Trotz der vollen Belegung finde <strong>ich</strong> einen Platz an<br />

Fenster. Juhu. Ich kann meinen Kopf anlehnen und<br />

aus dem Fenster schauen ohne an jemanden vorbeischauen<br />

zu müssen und darauf achten zu müssen,<br />

dass <strong>ich</strong> den Kopf zu sehr in seine oder ihre R<strong>ich</strong>tung<br />

drehe, weil sie oder er sonst das Gefühl bekommt<br />

von mir angestarrt zu werden und dann …<br />

… Ja und dann gibt es ein ewiges Hin und Her von<br />

prüfenden Blicken. In regelmäßigen oder unregelmäßigen<br />

Abständen schaut mein Sitznachbar/in in meine<br />

R<strong>ich</strong>tung, um s<strong>ich</strong> zu vergewissern, dass <strong>ich</strong> ihn oder<br />

sie n<strong>ich</strong>t anstarre. Ganz schlimm wird es dann, wenn<br />

sie oder er auf die Idee kommt ein Gespräch mit mir<br />

zu führen. Denn <strong>ich</strong> will einfach nur schlafen. Kein Gespräch,<br />

kein komisches rüber schauen, einfach nur<br />

meine Hörbücher, ein bisschen Musik und Schlaf,<br />

sodass <strong>ich</strong> morgen fit in der Stadt ankomme, auf die<br />

<strong>ich</strong> bereits seit Monaten warte. Seit Monaten plane<br />

<strong>ich</strong> meine Reise dort hin und immer wieder kommt<br />

etwas dazwischen. Immer wieder fällt die Reise ins<br />

Wasser, dabei ist es nur ein Kurztrip und am Wochenende<br />

ohne Probleme besuchbar. Wie dem auch sei,<br />

jetzt <strong>bin</strong> <strong>ich</strong> endl<strong>ich</strong> auf dem Weg, mit Proviant, meinen<br />

Hörbüchern, meiner Musik und dem Platz neben<br />

dem Fenster. Kann es etwas Besseres geben?<br />

Mein Schlafplatz<br />

Illustration: S.-L.A.Warrelmann<br />

Klick. Klick. Klick. Zu früh gefreut. Was soll das denn<br />

jetzt? Der Herr vor mir, der alleine in einem vollen Bus<br />

zwei sitze belegt und das, obwohl noch einige Reisegäste<br />

während er Fahrt zusteigen werden, schiebt<br />

seine Sitze nach hinten und vorne. Geht‘s dem zu<br />

gut? Hallo. Ich habe hier hinten kein Platz. Meine<br />

Füße sind eingequetscht und mein Hinter drückt<br />

s<strong>ich</strong> durch meine Sitzposition in die Sitze. Mann!<br />

Das tut weh. Okay. Ganz ruhig. Er wird s<strong>ich</strong>erl<strong>ich</strong><br />

einen schlechten Tag gehabt haben oder sonstige<br />

Probleme und will auch einfach nur s<strong>ich</strong> ausbreiten<br />

und schlafen. Also ganz ruhig. Ich passe m<strong>ich</strong> einfach<br />

an die neuen Bedingungen an. Gesagt getan.<br />

Ich winkle meine Beine nach oben und sitze<br />

irgendwie in Embryonalstellung im Reisebus.<br />

Wie das wohl von außen betrachtet aussieht?<br />

20 | CrazyLife


Egal. Nun kann <strong>ich</strong> endl<strong>ich</strong>, endl<strong>ich</strong> Hörbuch hören<br />

und schlafen. Durch meine Kopfhörer schallt die<br />

Stimme von zwei Männern, die in einem Radiosender<br />

über Identität und ihre Bedeutung sprechen. Es<br />

ist wahnsinnig spannend und gle<strong>ich</strong>zeitig macht es<br />

m<strong>ich</strong> schläfrig. So schläfrig, dass <strong>ich</strong> schon nach zehn<br />

Minuten zusammengekauert im Bus einschlafe. Bis<br />

<strong>ich</strong> von einsteigenden Gästen geweckt werde. Ja, es<br />

sind neue Fahrgäste eingestiegen. Neben mir ist noch<br />

ein Platz frei, der schnell von einer englisch sprechenden<br />

jungen Frau belegt wird. Sie ist allerdings so ganz<br />

und gar n<strong>ich</strong>t zufrieden mit ihrer Sitzgelegenheit für<br />

die nächsten 8 Stunden, denn sie hat wie <strong>ich</strong>, keinen<br />

Platz. Ein Glück <strong>bin</strong> <strong>ich</strong> kleiner uns schlanker als sie,<br />

wodurch <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> noch irgendwie anpassen kann.<br />

Illustration: S.-L.A.Warrelmann<br />

Sie allerdings ist gezwungen wie angewurzelt in einer<br />

Position auszuharren oder unseren Sitznachbar vor<br />

uns zu bitten, die Sitze vorzuziehen. Der allerdings<br />

scheint im Schlaf zu sein, zumindest so lange bis alle<br />

eingestiegen sind und wirkl<strong>ich</strong> kein Platz mehr ist. Als<br />

der Bus wieder losfährt, r<strong>ich</strong>tet s<strong>ich</strong> der Mann vor uns<br />

auf, als sei n<strong>ich</strong>ts gewesen und positioniert s<strong>ich</strong> wieder<br />

auf den Fenstersitz. Ganz schön schlau macht er das ja<br />

schon. Er stellt s<strong>ich</strong> schlafen und liegt dabei über beide<br />

Sitze. Die meisten Menschen wecken niemanden einfach<br />

im Schlaf auf, wenn es n<strong>ich</strong>t noch eine Mögl<strong>ich</strong>keit<br />

gibt, einen anderen Sitz zu bekommen. Zumindest war<br />

es hier der Fall. In ganze 4 von 5 Haltestellen hatte er es<br />

geschafft, seinen Platz mit dieser Taktik zu verteidigen.<br />

Aufstehen, hinlegen. Krass. Sein Verhalten geht gar<br />

n<strong>ich</strong>t. Er hat zwei Sitze und schiebt diese noch soweit<br />

nach hinten, dass vor ihm und hinter ihm die Menschen<br />

unter Platzmangel leiden und alle machen es mit?! Mit<br />

mir n<strong>ich</strong>t. Ich drücke meinen Fuß durch, um Platz zu<br />

bekommen. Es funktioniert. Sein Sitz ist nach vorne geschoben<br />

und mein Fuß in seinem Rücken. Offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong><br />

nervt ihn mein Verhalten. Er versucht durch Gegendruck<br />

meinen Fuß zum Aufgeben zu bewegen, doch <strong>ich</strong><br />

bleibe Standhaft. Ganze dreißig Minuten zieh <strong>ich</strong> das<br />

durch. Bis <strong>ich</strong> irgendwann aufgebe, weil es mir zu blöd<br />

wird. Ich verschwende damit meine Energie, er sitzt am<br />

längeren Hebel und <strong>ich</strong> will doch einfach nur schlafen.<br />

Also wieder Kopfhörer in die Ohren und Musik an.<br />

Meine Playlist spiel eine Violinenstück ab. Das<br />

ist so beruhigend, dass <strong>ich</strong> wieder nach wenigen<br />

Minuten einschlafe. Aber vielle<strong>ich</strong>t liegt es<br />

auch daran, dass <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> hundemüde <strong>bin</strong>.<br />

Bähm. Knie ins Ges<strong>ich</strong>t. Ich <strong>bin</strong> wach. Ohne Witz jetzt!<br />

Jetzt hat er s<strong>ich</strong> stark gegen den Sitz fallen lassen,<br />

sodass mein Knie, durch meine eigenartige Haltung<br />

in meinem Ges<strong>ich</strong>t landet. Was soll das? Er hat doch<br />

schon zwei Plätze, genug Raum für s<strong>ich</strong>, warum muss<br />

er noch so hin und her wackeln, als wären wir in einer<br />

Diskothek. Mann! Ich habe gerade so schön geschlafen.<br />

Ich schaue aus dem Fenster. Wir haben gerade eine<br />

Haltestelle verlassen. Menschen sind ausgestiegen<br />

und Mister „Ich-brauche- so- viel-Platz“, musste s<strong>ich</strong> ja<br />

wieder so tun, als würde er über zwei Sitzen schlafen,<br />

damit ihn ja keiner seinen zweiten Platz klaut. Jetzt <strong>bin</strong><br />

<strong>ich</strong> schon wieder wach. Aber dieses Mal stört es m<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t so wirkl<strong>ich</strong>. Dieses Mal trinke <strong>ich</strong> einen Schluck<br />

von meinem Smoothie, denke dabei an meinen Mann<br />

und begrüße innerl<strong>ich</strong> all die Menschen in meinem<br />

Leben, denn es ist Morgen. Die Sonne ist gerade am<br />

Aufgehen und wir sind fast da. Nur noch wenige Minuten<br />

trennen m<strong>ich</strong> von meinem Zielort. Bald <strong>bin</strong> <strong>ich</strong><br />

endl<strong>ich</strong> da, wo <strong>ich</strong> schon seit Monaten sein wollte.<br />

Die letzten Male an diesem Ort waren eine Katastrophe.<br />

Entweder habe <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> mit jemanden gestritten,<br />

hab auf dem Bahnhof Babysitter spielen dürfen<br />

oder musste kurzfristige Abreisen, weil <strong>ich</strong> es dort<br />

n<strong>ich</strong>t mehr länger ausgehalten habe. Egal wie oft <strong>ich</strong><br />

diese Stadt besuchte, war <strong>ich</strong>, da wurde es zu einem<br />

Horror-Hangover-Trip. Nervig. Dabei ist die Stadt so inspirierend,<br />

so anders, so multikulturell und einzigartig.<br />

Mit ihrem verzweigten Grachtensystem, der Meeresluft<br />

und der Kunst. Bin <strong>ich</strong> dort, habe <strong>ich</strong> das Gefühl, die<br />

Zeit würde stillstehen, auch wenn alles so rasant und<br />

schnell passiert. Ja, dort ist es einfach wunderschön.<br />

Gle<strong>ich</strong> <strong>bin</strong> <strong>ich</strong> da. Endl<strong>ich</strong>. Nur noch wenige Minuten<br />

trennen m<strong>ich</strong> von meinem New York von Europa. Alleine,<br />

darf <strong>ich</strong> dieses Mal die Stadt erkunden, m<strong>ich</strong><br />

ans Schreiben setzen und zur Ruhe kommen. M<strong>ich</strong><br />

sortieren und neue Eindrücke aufnehmen. Juhu. Was<br />

für eine Skyline und was für eine Architektur. Würfelartige<br />

Hochhäuser, Wohngebäude die einer Treppe<br />

gle<strong>ich</strong>en und all das auf einem Steg. Auf dem Wasser.<br />

Illustration: S.-L.A.Warrelmann<br />

Der Bus hält an. Ich verlasse sie als Letzte. Ich <strong>bin</strong><br />

n<strong>ich</strong>t in Eile. Ich muss n<strong>ich</strong>t hetzen, denn <strong>ich</strong> <strong>bin</strong> endl<strong>ich</strong><br />

angekommen. Ich <strong>bin</strong> endl<strong>ich</strong> in Amsterdam.<br />

21 | CrazyLife


Foto: S.-L. Warrelmann<br />

Reportage Bil<br />

& Spruch<br />

Reportage<br />

Aus der Zerstoerung zum Le


d<br />

ben


Aus der Zerstörung zum Leben<br />

Eine junge Mutter ist am Ende ihrer Kräfte. N<strong>ich</strong>ts in ihrem Leben scheint ihr Freude zu bringen, n<strong>ich</strong>ts scheint sie<br />

am Leben zu halten. Der Alltag ist geprägt von Selbstmordversuchen, blutigen Rasierklingen und Ausbrüchen der<br />

Zerstörung. Ihr letzter Versuch aus dem Leben zu scheiden, legt den Grundstein ihrer neuen Persönl<strong>ich</strong>keit.<br />

- Von Sahra-Latifa A. Warrelmann<br />

Alles ist ruhig, nur durch den Fernseher wird der Raum<br />

beleuchtet. Dennoch ist das Chaos durch das schwache<br />

L<strong>ich</strong>t erkennbar. Auf dem Boden liegen Kleidungsstücke,<br />

manche sind zerschnitten, manche zerrissen. CD-Hüllen<br />

sind überall verteilt und Papier bedeckt den Boden.<br />

Die Luft riecht nach kaltem, abgestandenem Rauch und<br />

Schweiß. Die Fenster sind geschlossen und die Rollläden<br />

heruntergelassen, sodass kein L<strong>ich</strong>t von außen das<br />

Wohnzimmer erhellt. Ein schriller Schrei unterbr<strong>ich</strong>t die<br />

Stille. Im Film, der nur nebenbei läuft wird gerade ein<br />

Mann umgebracht, der schon seit Stunden von seinem<br />

Angreifer verfolgt wird. Ein passender Film, zu der Szene,<br />

die s<strong>ich</strong> in der Realität abspielt. Unberührt von dem<br />

Schrei sitzt eine Frau zusammengekauert in der Ecke<br />

und st<strong>ich</strong>t mit einem Messer auf Bilder in einem Bilderrahmen<br />

und Kuscheltiere ein. Ihre Haare sind zerzaust,<br />

das Ges<strong>ich</strong>t und die Hände voller Blut. Aus ihrer Nase<br />

läuft Sekret und ihre Augen sind durch Tränen feucht.<br />

„Alles muss weg! Alles muss raus! Ich brauche gar<br />

n<strong>ich</strong>ts! Ich <strong>bin</strong> gar n<strong>ich</strong>ts! Was weiß der schon, was<br />

wissen die schon?! Wozu soll <strong>ich</strong> all den Scheiß hier<br />

brauchen. Wozu soll <strong>ich</strong> all die Erinnerungen brauchen?!<br />

Ich will sowieso n<strong>ich</strong>t mehr, verdammt <strong>ich</strong><br />

kann doch n<strong>ich</strong>t mehr!“, sagt sie leise schon beinahe<br />

im Mantra vor s<strong>ich</strong> hin. Um so öfter sie die Sätze wiederholt,<br />

desto energischer st<strong>ich</strong>t sie auf alles ein, was<br />

sie um s<strong>ich</strong> herum finden kann. Wieder hallt ein Schrei<br />

durch den Raum, dieses Mal stammt der Schrei n<strong>ich</strong>t<br />

aus dem Fernseher, sondern von der jungen Frau in<br />

der Ecke. Während sie s<strong>ich</strong> mit beiden Händen an den<br />

Haaren zieht, den Kopf zu Boden senkt und ihren Mund<br />

weit aufreißt, versucht sie immer wieder Schreie loszuwerden,<br />

doch sie verstummen schon in ihrer Kehle.<br />

„Ich kann n<strong>ich</strong>t mehr, bitte erlöse m<strong>ich</strong>! Bitte <strong>ich</strong><br />

kann n<strong>ich</strong>t mehr!“, murmelt sie, während sie immer<br />

noch fest an ihren Haaren zieht. Vollkommen verzweifelt<br />

und erschöpft sinkt sie in das vor ihr liegende Chaos.<br />

In Embryonalstellung liegt sie auf Glassplittern, zerrissenen<br />

Bildern, geköpften Teddybären, zerschnittenen<br />

Kleidungsstücken und schaut dabei auf ihre Unterarme,<br />

die sie mit einer Rasierklinge wenige Minuten zuvor<br />

aufgeschnitten hat. Noch immer fließt das Blut langsam<br />

aus ihren Adern. Auch wenn sie weiß, dass die Schnitte<br />

sie n<strong>ich</strong>t töten, beruhigt es sie ihr Blut zu sehen, denn es<br />

ist ihr Blut: ein Ausdruck des Hasses, Hass der s<strong>ich</strong> gegen<br />

sie selbst r<strong>ich</strong>tet und im ganzen Raum spürbar ist. Jeder<br />

der diesen Raum betritt, kann sofort die Essenz der<br />

Verwesung, des Leids und des Hasses wahrnehmen.<br />

Die Frau, die in dem Wohnzimmer liegt, das auch aus<br />

einem Horrorfilm entspringen könnte versucht mit aller<br />

Gewalt s<strong>ich</strong> selbst und ihre Vergangenheit auszulöschen.<br />

Sie möchte n<strong>ich</strong>ts mehr von s<strong>ich</strong> übrig wissen,<br />

n<strong>ich</strong>ts von ihr in Erinnerung behalten und s<strong>ich</strong> selbst in<br />

einem Albtraum verwandeln, der in irgendeinem Kopf<br />

hin und wieder herumspukt. N<strong>ich</strong>ts darf von ihr übrig<br />

bleiben, n<strong>ich</strong>t einmal sie selbst, auch wenn sie dazu<br />

noch n<strong>ich</strong>t den Mut hat. Den Mut, die Klinge so tief zu<br />

ziehen, dass so viel Blut aus ihren Adern strömt, dass sie<br />

einfach nur noch für immer schlafen kann. Auch wenn<br />

es n<strong>ich</strong>ts gibt, wonach sie s<strong>ich</strong> in diesem Moment mehr<br />

sehnen würde. Wobei, vielle<strong>ich</strong>t doch. Denn tief in ihr<br />

steckt ein Wunsch, ein Wunsch, von dem sie glaubt, dass<br />

s<strong>ich</strong>, wenn er in Erfüllung geht alles ändern wird und sie<br />

endl<strong>ich</strong> glückl<strong>ich</strong> wird. Doch sie glaubt n<strong>ich</strong>t daran, dass<br />

er wahr werden könnte. Sie glaubt n<strong>ich</strong>t daran, dass tatsächl<strong>ich</strong><br />

jemand durch die Tür treten würde, der sie in<br />

den Arm nimmt und ihr sagt: „Du bist gut so wie du<br />

bist! Ich verstehe deinen Schmerz, <strong>ich</strong> verstehe dein<br />

Leid! Steh auf und wir schaffen es gemeinsam.“ Sie<br />

hat schon lange aufgegeben, schon lange den Glauben<br />

an die Wand genagelt und darüber eine Decke gehängt.<br />

Seit beinahe 10 Jahren findet sie s<strong>ich</strong> fast tägl<strong>ich</strong> am<br />

Ende ihrer Kräfte wieder. Es vergeht kaum eine Woche<br />

in der s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t versucht, s<strong>ich</strong> auf irgendeine Weise das<br />

Leben zu nehmen. Drei Jahre zuvor hatte sie die wohl<br />

heftigste Selbstmord-Versuch-Phase hinter s<strong>ich</strong> und eigentl<strong>ich</strong><br />

hatte sie s<strong>ich</strong> danach geschworen, nie wieder<br />

so mit s<strong>ich</strong> umzugehen.<br />

Es war in Berlin und es war Sommer. Ein grauenhafter<br />

Sommer, indem sie die einzige Entscheidung fällte, die<br />

sie noch heute bitter bereut. Nach einer kuriosen Beziehung,<br />

die so schnell ihr Ende gefunden hatte, wie sie<br />

auch begonnen hatte, traf sie einen verheerenden Entschluss:<br />

ihr Sohn sollte in eine Inobhutnahme. Sie hatte<br />

s<strong>ich</strong> natürl<strong>ich</strong> lange darüber Gedanken gemacht und<br />

eigentl<strong>ich</strong> wollte sie ihn nur für ein Wochenende abgeben,<br />

da sie mit ihren Nerven durch all die Strapazen<br />

fertig war und einfach mal etwas Ruhe brauchte, um<br />

durchzuatmen. Sie hatte keine Verwandten oder Freunde<br />

in Berlin, weil sie gerade erst in die große Hauptstadt<br />

gezogen war, also sollte eine vorübergehende Inobhutnahme<br />

ihres Sohnes, ihr wieder Kraft schenken. „Einfach<br />

mal durchatmen, einfach mal auf andere Gedanken<br />

kommen und den Kleinen n<strong>ich</strong>t mit meinen<br />

24 | CrazyLife


Tränen und meiner Leere konfrontieren. Klar habe<br />

<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> um ihn gekümmert und auch alles für ihn<br />

stehen und liegen gelassen, es hat ihm an n<strong>ich</strong>ts gemangelt,<br />

aber <strong>ich</strong> war fertig. Einfach nur fertig und<br />

wollte n<strong>ich</strong>t, dass er unter meiner Depression leidet.<br />

Ich wollte n<strong>ich</strong>t, dass er m<strong>ich</strong> weinen sieht, dass er<br />

s<strong>ich</strong> um m<strong>ich</strong> sorgt. Also habe <strong>ich</strong> ihn in die Wohngruppe<br />

gebracht.“, erzählt sie unter Tränen. Auch wenn<br />

es nur eine vorübergehende Unterbringung sein sollte,<br />

wusste sie schon bereits auf dem Weg, dass sie ihren<br />

Sohn so schnell n<strong>ich</strong>t wieder sehen würde. „Er schrie,<br />

er weinte und er sah m<strong>ich</strong> an mit einem Blick, den <strong>ich</strong><br />

noch heute zu verdrängen versuche, weil er mir mein<br />

Herz aufreißt und mir Tränen in die Augen schießen<br />

lässt. Er konnte n<strong>ich</strong>t verstehen was passiert und<br />

wollte nur bei mir bleiben. Ich aber ging.“, sagt sie<br />

mit gebrochener Stimme. Auf dem Nachhauseweg kam<br />

sie an einem Geschäft vorbei und kaufte s<strong>ich</strong> für 100<br />

Euro Alkohol und Rasierklingen. Das ganze Wochenende<br />

betrank sie s<strong>ich</strong> und versuchte, s<strong>ich</strong> das Leben zu<br />

nehmen, doch sie konnte n<strong>ich</strong>t, weil sie wusste, dass sie<br />

s<strong>ich</strong> am Montag wieder um ihren Sohn kümmern sollte.<br />

Doch dieser sollte n<strong>ich</strong>t mit<br />

so einer Mutter zusammenleben,<br />

einer Mutter die in ihren<br />

Augen auf allen Ebenen versagt<br />

hatte. Also rief sie das Jugendamt<br />

an und sagte, dass<br />

sie n<strong>ich</strong>t kommen könne und<br />

ihr Sohn dort bleiben müsse.<br />

Mit Abs<strong>ich</strong>t versäumte sie alle<br />

Termine, die in den kommenden<br />

Tagen vereinbart wurden,<br />

damit sie als unzuverlässig<br />

galt und eine Rückführung<br />

ausgeschlossen wurde. Denn<br />

auch wenn sie ihren Sohn<br />

über alles liebte, hasste sie<br />

s<strong>ich</strong> noch mehr und dieser<br />

Hass, war Gift für ihren Sohn. Kein Kind der Welt, sollte<br />

erleben wie seine Mutter leidet. Kein Kind der Welt<br />

sollte die Depressionen einer Mutter miterleben müssen,<br />

davon war sie überzeugt. Sie glaubte n<strong>ich</strong>t daran,<br />

dass sie von der psychischen Krankheit geheilt werden<br />

würde, sie glaubte n<strong>ich</strong>t daran, dass sie irgendwann<br />

doch noch die Kurve bekommen sollte, so wie<br />

sie es mit der Geburt ihres Sohnes geschafft hatte.<br />

Als sie mit 15 Jahren schwanger geworden war,<br />

hatte sie alle schlechten Angewohnheiten beiseite<br />

gelegt, wieder die Schulbank gedrückt und diese<br />

als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Nach der<br />

mittleren Reife hatte sie das Gymnasium besucht<br />

und das alles als alleinerziehende junge Mutter.<br />

Von diesem Ehrgeiz war in Berlin allerdings n<strong>ich</strong>ts<br />

mehr zu spüren oder zumindest n<strong>ich</strong>t mehr<br />

in einer positiven Form. Aus einem Wochenende<br />

ohne Sohn, wurden zwei Wochen. Nun<br />

stand für sie fest, dass es kein zurück mehr gab. Sie<br />

hatte s<strong>ich</strong> für den Weg entschieden, also wollte sie<br />

ihn auch gehen. Den Weg der Selbstzerstörung. Innerhalb<br />

von drei Monaten tat sie Dinge, die sie eigentl<strong>ich</strong><br />

hätten töten sollen, doch sie starb n<strong>ich</strong>t. All ihr Geld<br />

investierte sie in Schlaftabletten, Alkohol, Drogen<br />

(diese konsumierte sie dort zum ersten Mal), Rattengift,<br />

Waschpulver, Rohreiniger und Spritzen. Jeden Tag<br />

zog sie s<strong>ich</strong> alles rein, was sie nur fand und war n<strong>ich</strong>ts<br />

zur Hand spritzte sie s<strong>ich</strong> Waschpulver und Alkohol.<br />

Die Venen wären dabei jedes Mal beinahe geplatzt.<br />

Es brannte als würde sie gerade Feuer verschlucken,<br />

doch der Schmerz war n<strong>ich</strong>ts gegen den Schmerz, den<br />

sie in s<strong>ich</strong> spürte. Dennoch wachte sie nach Tagen, Stunden<br />

oder Minuten der Ohnmacht wieder auf. Sie zog s<strong>ich</strong><br />

Plastiktüten über den Kopf, sprang von Brücken und<br />

wurde immer wieder in die psychiatrische Notaufnahme<br />

gebracht. Dort konnte sie aber meist nach einem kurzen<br />

Gespräch wieder gehen, weil sie den Psychologen vormachte,<br />

sie hätte ja Ziele, sie wolle ihren Sohn bald wieder<br />

zu s<strong>ich</strong> holen und hätte s<strong>ich</strong> nur von einer Brücke<br />

gestürzt, die Medikamente genommen oder was auch<br />

immer getan, weil ihre Emotionen<br />

übergelaufen waren.<br />

Ihr wurde geglaubt, aber vielle<strong>ich</strong>t<br />

hatte man s<strong>ich</strong> auch<br />

n<strong>ich</strong>t dafür interessiert. Also<br />

wurde sie mit einer Empfehlung,<br />

zu einem Ambulanten<br />

Psychologen zu gehen, wieder<br />

nach Hause geschickt. In<br />

das Zuhause, dass sie schon<br />

vollgekotzt hatte, die Raten<br />

n<strong>ich</strong>t mehr zahlen konnte und<br />

Männer ein und aus gingen,<br />

welche sie für Sex bezahlten,<br />

weil sie das Geld versoffen<br />

hatte und die Erniedrigung<br />

Foto: S.-L. A. Warrelmann am ganzen Leib spüren wollte.<br />

Sie hoffte, dass irgendwann einer dabei sein würde, der<br />

in Wirkl<strong>ich</strong>keit ein Serienkiller war oder den sie solange<br />

Provozieren konnte, bis er sie tot prügelte. Aber das<br />

war nie der Fall. Ganze drei Monate dauerte die Phase<br />

der Selbstzerstörung an, ganze drei Monate in welchen<br />

sie 30 Tage lang n<strong>ich</strong>ts aß, 7 Tage lang keinen Schluck<br />

trank und dazu noch jeden Tag Löffel mit Salz schluckte,<br />

was s<strong>ich</strong> anfühlte, als würde ihr Hals aus Schmirgelpapier<br />

mit Glassplittern bestehen. Schreckl<strong>ich</strong>. Jeder<br />

Schluck, war eine Qual. Selbst als sie es n<strong>ich</strong>t mehr aushielt<br />

und an den Wasserhahn an der Badewanne kroch,<br />

weil sie kaum noch Kraft hatte zu laufen, konnte sie die<br />

Tropfen nur einzeln und dosiert durch ihre Kehle herunterlaufen<br />

lassen, da es s<strong>ich</strong> anfühlte, als würde sie<br />

Metall mit einer scharfen Kante schlucken. Nach den<br />

drei Monaten waren ihre Arme übersät mit Narben,<br />

ihre Beine zwei mal gebrochen und ihr Gew<strong>ich</strong>t auf<br />

43 KG reduziert. Es hätte n<strong>ich</strong>t mehr viel gefehlt und<br />

sie hätte ihr Ziel erre<strong>ich</strong>t. Doch es sollte n<strong>ich</strong>t so sein.<br />

25 | CrazyLife


Fürchte d<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t, denn es<br />

Schaudere n<strong>ich</strong>t, denn es is<br />

Urteile n<strong>ich</strong>t, denn es ist Le


ist Leben.<br />

t Leben.<br />

ben!


Nachdem sie zum X-ten Mal einen Sturz über 30<br />

Meter, manchmal auch mehr je nach Brücke, überlebt<br />

hatte, obwohl sie s<strong>ich</strong> fallen ließ, gab sie auf.<br />

„Es sollte n<strong>ich</strong>t sein. Egal was <strong>ich</strong> tat und <strong>ich</strong> tat<br />

wirkl<strong>ich</strong> alles, n<strong>ich</strong>ts funktionierte. Ich lebte weiter.<br />

Unter Schmerzen, aber <strong>ich</strong> war am Leben.<br />

Also rief <strong>ich</strong> meine Mutter an, erzählte ihr, die<br />

Situation und bat sie meinen Sohn zu s<strong>ich</strong> zu holen.<br />

Gott sei dank, tat sie das auch. Es vergingen<br />

noch ein paar Wochen, bis mein Sohn und <strong>ich</strong><br />

wieder in Baden-Württemberg lebten, doch seither<br />

ist n<strong>ich</strong>ts mehr wie es vorher einmal gewesen<br />

war. Ich <strong>bin</strong> zwar n<strong>ich</strong>t in Berlin gestorben, also<br />

mein physischer Körper, aber einen Teil von mir,<br />

einen sehr w<strong>ich</strong>tigen Teil von mir, habe <strong>ich</strong> dort<br />

begraben.“, erzählt sie während sie dabei ins Leere starrt.<br />

Noch immer ist der Fernseher, das einzige was den<br />

Raum beleuchtet, doch die Frau mit dem zerzausten<br />

Haar ist mittlerweile in die aufrechte Position gewechselt.<br />

Sie schaut in den Spiegel, der an der Wand<br />

hängt und betrachtet s<strong>ich</strong> wie eine fremde Person.<br />

Das Blut an ihrem Unterarm ist schon getrocknet.<br />

„Nein, so möchte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr leben! So möchte<br />

<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr sein! Ich hatte mir geschworen,<br />

mir nie wieder auf diese Weise zu schaden!“,<br />

sagt sie zu s<strong>ich</strong> selbst. Sie öffnet die Fenster.<br />

Kalte Nachtluft durchströmt den Raum, sodass sie das<br />

erste Mal seit Stunden wieder das Gefühl hat lebendig<br />

zu sein. bendig zu sein. Noch geschwächt räumt<br />

sie das ganze Chaos zusammen, öffnet die Wohnzimmertür<br />

und läuft in die Küche um eine Mülltüte zu holen.<br />

Mit der Mülltüte in der Hand geht sie zurück ins<br />

Foto: S.-L. A. Warrelmann<br />

Wohnzimmer und wird beim eintreten von ihrem<br />

eigenen Geruch der Verwesung eingehüllt. Sie verzieht<br />

ihr Ges<strong>ich</strong>t und hält s<strong>ich</strong> vor Ekel die Hand<br />

vor die Nase. Es dauert ein paar Stunden, bis von<br />

dem Chaos n<strong>ich</strong>ts mehr zu sehen ist und sie in die<br />

Badewanne steigen kann um auch s<strong>ich</strong> selbst rein<br />

zu waschen. Frisch gebadet und in bequemer Kleidung<br />

setzt sie s<strong>ich</strong> in das Wohnzimmer, das noch<br />

immer le<strong>ich</strong>t nach kaltem Rauch riecht aber schon<br />

einladender wirkt. Aus der Kommode holt sie s<strong>ich</strong><br />

einen Block und einen Stift. Den Fernseher schaltet<br />

sie aus und dafür ihr Handy ein, um ihre Lieblingsmusik<br />

laufen zu lassen. Auf einem leeren Blatt notiert<br />

sie s<strong>ich</strong> ihre Ziele, Wünsche und Träume und<br />

schreibt in fetten und großen Buchstaben: „Es kann<br />

n<strong>ich</strong>t mehr so weiter gehen! Ich brauche Hilfe!“<br />

Dies war der Tag an dem <strong>ich</strong> für m<strong>ich</strong> erkannte, dass<br />

<strong>ich</strong> nur dann glückl<strong>ich</strong> werde, wenn <strong>ich</strong> beginne<br />

m<strong>ich</strong> selbst zu lieben. Wenn <strong>ich</strong> anfange, mir selbst<br />

meine beste Freundin zu werden und endl<strong>ich</strong> mir<br />

selbst verzeihe. Dieser Tag ist nun über drei Jahre her.<br />

Alle 11 Monate regenerieren s<strong>ich</strong> die Körperzellen,<br />

bis auf Zähne und bestimmte Knochenteile. Das<br />

Ich, welches Zerstörung und Auslöschung lebte,<br />

ist heute n<strong>ich</strong>t mehr existent. Alles was noch von<br />

der Frau von vor drei, zwei oder einem Jahr übrig<br />

ist, ze<strong>ich</strong>net s<strong>ich</strong> auf meinem Unterarm ab oder ist<br />

noch in meinen Träumen real, der Rest hat s<strong>ich</strong> zu<br />

dem geformt was <strong>ich</strong> heute <strong>bin</strong>. Sahra-Latifa Anita<br />

Warrelmann, die positive Lebensfrau, die s<strong>ich</strong><br />

selbst liebt und für ihren Sohn endl<strong>ich</strong> die Mutter<br />

sein kann, die er schon immer verdient hat.<br />

Foto: S.-L. A. Warrelmann<br />

28 | CrazyLife


Die Zukunft wird durch die Entscheidung<br />

von heute geformt.<br />

Es ist niemals zu spät, neu anzufangen<br />

und ein neues Lebensende zu schreiben.<br />

Was ist kann verändert werden,<br />

wenn man nur fest genug daran glaubt.<br />

29 | CrazyLife


Das Portrait eines Unbestimmten<br />

Ein Mann der N<strong>ich</strong>t Anwesend sein Muss,<br />

Um auf das Leben andere zur Wirken!<br />

Illustration S.-L. A. Warrelmann<br />

Seine Präsenz füllt den ganzen Raum. Man kann n<strong>ich</strong>t<br />

von ihm weg sehen, man kann aber auch n<strong>ich</strong>t hinsehen,<br />

weil seine Augen einen sofort in den Bann ziehen.<br />

Sie sind tief, sie sind braun und erzählen eine Gesch<strong>ich</strong>te.<br />

Seine Gesch<strong>ich</strong>te.<br />

Auf den ersten Blick wirkt der junge Südländer wie ein<br />

Gangster aus der Hip-Hop Szene. Ein wenig kindl<strong>ich</strong>,<br />

ein wenig albern, aber dennoch mit Stil. Eigen. Aber geschmackl<strong>ich</strong>.<br />

Er wirft lockere Sprüche und hört aufmerksam<br />

zu, jedoch, nur wenn man die Wahrheit spr<strong>ich</strong>t. Ansonsten<br />

schaltet er ab und überlegt wie er sein Gegner<br />

wissen lässt, dass er um die Lüge weiß und ihn dabei ertappen<br />

möchte. Er spielt ein Spiel. Er spielt gerne Spiele.<br />

Der Name des Unbestimmten ist unbekannt. Zu lange<br />

wurde sein Name n<strong>ich</strong>t mehr ausgesprochen und ist deshalb<br />

vergessen. Er ist fast dreißig Jahre alt, ein Weltenbummler<br />

und irgendwie auch ein Philosoph. Suchend<br />

und doch gestrandet geht er Tag für Tag seinen Alltag<br />

an. Er bildet s<strong>ich</strong> durch das Internet aber mehr noch<br />

durch das Leben. Wann immer er die Mögl<strong>ich</strong>keit hat,<br />

packt er seinen Sportbeutel mit dem w<strong>ich</strong>tigsten Hab<br />

und Gut und macht s<strong>ich</strong> auf dem Weg, um zu verstehen.<br />

Er möchte das Leben verstehen, den Menschen verstehen<br />

und auch s<strong>ich</strong> selbst. Ein Namenloser auf der Suche<br />

nach Identität, auf der Suche nach einem Sinn. Der Bestimmung,<br />

seiner Bestimmung. Trotz all dem Suchen,<br />

scheint er seiner Bestimmung und auch seiner Identität<br />

n<strong>ich</strong>t näher gekommen zu sein und das, ja und das, obwohl<br />

seine Augen so mächtig, so klar und so weise wirken.<br />

Als hätte er die Welt gesehen und darüber hinaus.<br />

Als wäre alles bisher gesammelte Wissen in diesen braunen<br />

Augen vorhanden. Intuitiv findet er die Schwachstellen<br />

in jeder Person. Es re<strong>ich</strong>t ein Blick und er versteht,<br />

wie ein Mensch tickt, was seine Sehnsüchte und vor<br />

allem seine Begierden sind. Er fühlt, was andere Wünschen.<br />

Stammen die Wünsche von Personen mit reinem<br />

Herzen, hilft er sie zu erfüllen und tritt als charmanter,<br />

hilfsbereiter Begleiter in das Leben der Menschen ein.<br />

Sind die Wünsche durchtrieben oder wie er es nennen<br />

würde verdorben, setzt er alles darauf an, die Person<br />

in den Abgrund zu führen. Schritt für Schritt testet<br />

er, wie lange die Menschen bereit sind, ihm in das<br />

N<strong>ich</strong>ts zu folgen, zur Schattenseiten. Als wäre er Gott,<br />

als hätte er das Recht zwischen Gut und Böse zu entscheiden.<br />

Als wäre er der objektivste Mensch auf Erden.<br />

Dabei ist er selbst trotz seines Wissens, seinen Erfahrungen<br />

und seiner Macht auch n<strong>ich</strong>ts weiter als ein<br />

aus Wasser, Zellen und Knochen bestehender Körper.<br />

Ein Mensch mit Sehnsüchten, ein Mensch mit Zweifeln<br />

und ein Mensch mit Ängsten. Ein Mensch der Fehler begeht,<br />

ein Mensch der andere verletzt und ein Mensch,<br />

dem es schwer fällt seine wahren Gefühle zuzulassen. In<br />

welchem Angst vor Ablehnung innewohnt und er diese<br />

zu kaschieren versucht, indem er so wenig Informationen<br />

wie mögl<strong>ich</strong> über s<strong>ich</strong> preisgibt. Selbst Menschen,<br />

die er als seine Familie beze<strong>ich</strong>net, dürfen n<strong>ich</strong>ts über<br />

seinen Wohnort erfahren, wissen was er berufl<strong>ich</strong> macht<br />

oder seine Telefonnummer besitzen. Alles in seinem Leben<br />

ist so geordnet, so getaktet, dass er allein die Kontrolle<br />

besitzt. Kontrollverlust, ist sein Damoklesschwert,<br />

dass ihn niederzwingt und ihn vergessen lässt, wer er ist.<br />

Dringt jemand in sein Leben ein und verursacht Chaos,<br />

katapultiert er diesen Menschen so schnell es geht wieder<br />

heraus. Ganz gle<strong>ich</strong> was er ihm bedeutet. Ganz gle<strong>ich</strong>,<br />

ob ihm das Chaos dabei helfen kann, neue Perspektiven<br />

zu sehen, Vertrauen zu lernen oder das Geschenk der<br />

Liebe zu erfahren. Die Sturheit des Unbestimmten ist<br />

genauso groß wie sein Wissen und seine Herzl<strong>ich</strong>keit.<br />

Der Unbestimmte, ein Mann der für manch einen<br />

n<strong>ich</strong>t mehr als eine Erscheinung im Leben bleibt.<br />

Ein Mann, der selbst dann noch präsent ist,<br />

wenn sein Name längst vergessen wurde. Ein<br />

Mann, der in den Träumen erscheint und s<strong>ich</strong><br />

in der Realität anderer Menschen manifestiert.<br />

Er ist da und trotzdem so weit entfernt, dass die Frage<br />

aufkommt: Kann er jemals vergessen werden?<br />

30 | CrazyLife


Rezension<br />

Peaceful Warrior – Der Pfad des friedvollen Kriegers<br />

„Sag mir, dass du jemand sein willst, der seinen ganzen Verstand und seinen Körper auf eine<br />

Art und Weise verwendet, zudem die meisten Menschen nie den Mut hätten und <strong>ich</strong> bilde d<strong>ich</strong><br />

aus, Dan und mache d<strong>ich</strong> zu einem echten Krieger.“ -Zitat aus dem Film.<br />

„Der Pfad des friedvollen Kriegers“ von Victor Salva mit Nick Nolte als Sokrates und Scott Mechlowicz<br />

in der Rolle des Dan Millman ist ein US-amerikanisches Sportdrama, aus dem Jahr 2006.<br />

Dan Millman ist ein erfolgre<strong>ich</strong>er Sportstudent.<br />

Er kommt gut bei den Frauen an, wird von<br />

seinem Vater finanziert und steht kurz davor<br />

s<strong>ich</strong> für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.<br />

Alles scheint im Leben des überhebl<strong>ich</strong>en<br />

jungen Mannes perfekt zu laufen. Dan Millman<br />

lebt riskant, ist stur und setzt wann immer er<br />

möchte seinen Willen durch, auch wenn das<br />

bedeutet seine engsten Freunde zu verlieren.<br />

Er fühlt s<strong>ich</strong> mit seinem Verhalten immer im<br />

Recht, auch wenn er Grenzen aufgezeigt bekommt.<br />

Einzig und allein die schlaflosen Nächte<br />

bremsen den jungen Sportler aus und tragen<br />

dazu bei, dass er n<strong>ich</strong>t in der Lage ist sein<br />

volles Potenzial auszuschöpfen. Dan eckt mit<br />

seinem Auftreten an, ledigl<strong>ich</strong> ein grauhaariger<br />

Tankwart, der von Dan wegen seiner mysteriösen<br />

Erscheinung, Weisheit und seinen Talenten<br />

Sokrates genannt wird, schafft es den sonst so<br />

willensstarken Studenten zum Klo putzen zu<br />

bewegen.<br />

„Der Pfad des friedvollen Kriegers“ ist ein, auf<br />

dem autobiografischen Roman basierter Film,<br />

des Autors Dan Millman, welcher als junger<br />

Student trotz eines heftigen Unfalls, der sein<br />

Leben veränderte unvorstellbare sportl<strong>ich</strong>e,<br />

wie mentale Leistungen vollbrachte. Das alles<br />

mit Hilfe des durchsetzungsfähigen Sokrates,<br />

welcher ihm lehrte seine inneren Grenzen zu<br />

überwinden, s<strong>ich</strong> seinen Ängsten zu stellen,<br />

s<strong>ich</strong> in Geduld zu üben und das große Ganze<br />

stets im Auge zu behalten. Das Sportdrama<br />

vermittelt den Leidensweg des jungen Studenten<br />

in spannend aufgebauten Szenen, die den<br />

Zuschauer jedes Mal aufs neue mitreißen.<br />

Ilustration von S.-L.A. Warrelmann<br />

Ein Film, der zum Nachdenken anregt.<br />

Die weisen Worte des Sokrates hallen selbst<br />

Wochen, nachdem man den Film gesehen hat<br />

im Kopf nach. Durch den Kampf des Sportstudenten,<br />

der im Laufe des Films einige Höhepunkte<br />

und Tiefpunkte erlebt, fühlt man s<strong>ich</strong><br />

an das eigene Leben erinnert, das gerne ebenfalls<br />

wie eine Achterbahnfahrt verläuft. Scott<br />

Mechlowicz spielt seine Rolle authentisch. Mal<br />

zweifelt er an s<strong>ich</strong> und ist kurz davor alles kurz<br />

und klein zu schlagen, mal scheint es als würde<br />

sein Hochmut ihn das Leben kosten und in<br />

einem anderen Moment zeigt er s<strong>ich</strong> vollkommen<br />

demütig. Man kann seine innere Auseinandersetzung<br />

nachempfinden, die er in Kauf<br />

nimmt um seine Ziele zu erre<strong>ich</strong>en und seine<br />

Träume zu verwirkl<strong>ich</strong>en. Das Sportdrama, das<br />

s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so einfach in ein Genre stecken lässt,<br />

da es sowohl etwas von einer Komödie als auch<br />

Thriller Stimmung hat, spornt zur inneren Veränderung<br />

an und regt die eigene Motivation an.<br />

„Peaceful Warrior-Der Pfad des friedvollen Kriegers“,<br />

ein außergewöhnl<strong>ich</strong>er Film, der für<br />

Sportliebhaber, Philosophie-Fans und alle die<br />

daran interessiert sind, ihren Horizont zu erweitern<br />

und ihr inneres Potenzial zu entdecken,<br />

geeignet ist. Er zeigt, wozu der Mensch<br />

im Stande ist, wenn er an s<strong>ich</strong> glaubt, seinen<br />

Müll im Kopf loslässt und beginnt s<strong>ich</strong> auf die<br />

wirkl<strong>ich</strong> w<strong>ich</strong>tigen Dinge zu fokussieren.<br />

31 | CrazyLife


„Jede harmonische Bewegung unseres Körpers, jede sanfte Empfindung<br />

der Freude, der Liebe, der zärtl<strong>ich</strong>en Sympathie verschönert uns; jede allzu<br />

heftige oder unordentl<strong>ich</strong>e Bewegung, jede ungestüme Leidenschaft, jede<br />

neidische, übeltätige Gesinnung verzerrt unsere Ges<strong>ich</strong>tszüge, vergiftet unseren<br />

Blick, würdigt die schöne menschl<strong>ich</strong>e Gestalt zur s<strong>ich</strong>tbaren Ähnl<strong>ich</strong>keit<br />

mit irgendeiner Art von Vieh herab. Solange die Güte des Herzens und<br />

Fröhl<strong>ich</strong>keit die Seele eurer Bewegungen bleiben, werdet ihr die schönsten<br />

unter den Menschenkindern sein.“<br />

Christoph Martin Wieland


Foto: S.-L.A. Warrelmann


Essay Freundschaft<br />

Freunde, die vorhersehbaren Spiegel deiner Selbst!<br />

Ist Freundschaft vorhersehbar und was sagen unsere Freunde über uns aus?<br />

Ein Freund ist ein Mensch, der die Melodie deines Herzens (er)kennt<br />

und sie dir vorspielt, wenn du sie vergessen hast. - Albert Einstein -<br />

Foto: S.-L. A. Warrelmann<br />

Boah! Mein Kumpel nervt m<strong>ich</strong> total. Immer muss er<br />

mit seinem „Egoverhalten“ anecken. Er stellt s<strong>ich</strong> immer<br />

in den Vordergrund und muss immer an erster Stelle<br />

stehen. Das dachte <strong>ich</strong> nach einem Besuch bei einem<br />

Kumpel. Er ging mir mit seiner Überhebl<strong>ich</strong>keit auf die<br />

Nerven. Die Gespräche waren Monologe und die Toilette<br />

konnte <strong>ich</strong> auch n<strong>ich</strong>t aufsuchen. Jedes Mal, wenn <strong>ich</strong><br />

aufstand, kam er mit einer neuen Gesch<strong>ich</strong>te auf m<strong>ich</strong><br />

zu und weil wir gerade schon standen konnte er mir ja<br />

auch gle<strong>ich</strong> etwas zeigen. Man, warum hat man solche<br />

Menschen in seinem Freundeskreis? Der passt doch gar<br />

n<strong>ich</strong>t zu mir und gestresst <strong>bin</strong> <strong>ich</strong> auch total oft, wenn<br />

wir Zeit miteinander verbringen. Komischerweise habe<br />

<strong>ich</strong> dennoch häufig mit ihm Kontakt. Merkwürdig.<br />

Wir sind niemals unter den falschen Menschen, wir<br />

sind uns ledigl<strong>ich</strong> ihrer Funktion noch n<strong>ich</strong>t bewusst.<br />

Freunde sollen eine Funktion haben? Ist das n<strong>ich</strong>t zu<br />

funktionell gedacht? Schließl<strong>ich</strong> ver<strong>bin</strong>den wir mit ihnen<br />

oftmals starke Gefühle in jegl<strong>ich</strong>er R<strong>ich</strong>tung, oder?<br />

Wir wollen uns alle weiterentwickeln, Wünsche erfüllen<br />

und Ziele erre<strong>ich</strong>en. Wir haben alle diese eine<br />

Vorstellung, von der wir hoffen, dass sie eines Tages<br />

in Erfüllung geht. Denken wir an sie, empfinden wir<br />

Freude, ganz gle<strong>ich</strong> wie lange das Gefühl andauert. Im<br />

34 | CrazyLife<br />

Alltag allerdings nehmen wir die Menschen in unserer<br />

Umgebung eher unterbewusst wahr oder halten sie womögl<strong>ich</strong><br />

noch für überflüssig, obwohl sie alle eine Rolle<br />

spielen. Auch wenn wir das vielle<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t auf den ersten<br />

oder zweiten Blick erkennen, helfen sie uns, unsere Ziele<br />

zu erre<strong>ich</strong>en. Das erkennen wir meist erst dann, wenn sie<br />

n<strong>ich</strong>t mehr Teil unseres Alltags sind. Wir beginnen sie zu<br />

vermissen, mehr noch wir vermissen das, was sie in uns<br />

auslösen. Das, was wir in ihrer Gegenwart empfanden und<br />

wie dies, auf irgendeine Weise unser Leben beeinflusste.<br />

Wie die alte Dame im Café, die jeden Tag einen kurzen<br />

Moment Mitleid hervorruft und einen daran erinnert,<br />

dass man alles daran setzt, später n<strong>ich</strong>t alleine seine<br />

Stunden verbittert im Café absitzen zu müssen, wie<br />

sie es jeden Morgen, an der gle<strong>ich</strong>en Stelle sitzend und<br />

schon fast blind aus dem Fenster schauend, macht. Oder<br />

die Gute-Nacht-Nachr<strong>ich</strong>t eines Freundes, die einen irgendwie<br />

mit einem warmen Gefühl einschlafen lässt.<br />

Aber auch der Kumpel erfüllt seinen Zweck, den, dass er<br />

pausenlos von s<strong>ich</strong> spr<strong>ich</strong>t und es einem somit ermögl<strong>ich</strong>t<br />

still zu sein. Durch ihn kann man einfach mal zuhören<br />

und muss n<strong>ich</strong>t von s<strong>ich</strong> sprechen, wenn einem sowieso<br />

gerade n<strong>ich</strong>t danach ist, sondern Gesellschaft Vorrang hat.<br />

Fallen diese schon gewohnten Figuren weg, erkennen wir


ihre Bedeutung, sei ihre Rolle noch so klein in unserem<br />

Lebensfilm. Wir verstehen, dass er oder sie auf irgendeine<br />

Weise in unserem Leben gewirkt hat und uns in diesem<br />

Moment ein Stückchen näher an die Ziele gebracht hat.<br />

Schließl<strong>ich</strong> sind wir, egal wo wir uns gerade befinden,<br />

deshalb dort, weil wir dort sein wollen und es uns ein<br />

Stückchen näher an diese eine Vorstellung bringt.<br />

Geht man n<strong>ich</strong>t deshalb zur Arbeit, weil man schon<br />

lange von einer Reise träumt, eine größere Wohnung<br />

beziehen möchte oder s<strong>ich</strong> das Konzert des Lieblingskünstlers<br />

leisten möchte? Nimmt man n<strong>ich</strong>t<br />

deshalb Kontakt zu anderen Menschen auf, weil wir<br />

glauben, mit ihnen unsere Ziele erre<strong>ich</strong>en zu können<br />

oder ein Bedürfnis durch sie gestillt werden kann? Bedürfnisse<br />

wie das nach Liebe, Nähe, Austausch oder<br />

das der Motivation in Form eines Trainingspartners.<br />

Das unsere Freunde einen Grund in unserem<br />

Leben haben glauben auch<br />

die US-Forscher N<strong>ich</strong>olas<br />

A. Christakis von der Universität<br />

Yale und James H.<br />

Fowler von der Universität<br />

Kalifornien. Sie haben<br />

im Rahmen einer Studie<br />

herausgefunden, dass die<br />

DNA unserer Freunde,<br />

der DNA unserer Familienangehörigen<br />

ähnelt.<br />

Freunde sind uns genetisch<br />

ähnl<strong>ich</strong>, so wie wir<br />

zu unseren Cousins und<br />

Cousinen vierten Grades.<br />

Ein Mensch, der n<strong>ich</strong>t mit uns<br />

verwandt ist, den wir auch auf<br />

dem anderen Teil des Globus<br />

kennenlernen könnten,<br />

Foto: S.-L. A. Warrelmann<br />

kann eine hohe genetische Schnittmenge mit uns<br />

aufweisen. Auch die DNA-Sequenzen, die für die Geruchswahrnehmung<br />

verantwortl<strong>ich</strong> sind, stimmen bei<br />

Freunden überein, was die Studie der Forscher zeigt.<br />

Freunde können s<strong>ich</strong> demnach n<strong>ich</strong>t nur<br />

riechen, sie sind auch in ihrer DNA ähnl<strong>ich</strong>.<br />

Nach Meinung der US-Forscher steckt die Evolution<br />

dahinter. Bei der Bildung des Sozialverhaltens<br />

haben s<strong>ich</strong> wahrscheinl<strong>ich</strong> auch Freundschaften<br />

entwickelt. Als die ersten Menschen das Feuer<br />

nutzten, war es hilfre<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong> mit den Artgenossen<br />

zusammenzuschließen, die dasselbe Ziel verfolgten,<br />

näml<strong>ich</strong> das der Wärme und des Schutzes. Jemand,<br />

der ohne L<strong>ich</strong>t und warmes Feuer auskam<br />

und vielle<strong>ich</strong>t noch ein ausgeze<strong>ich</strong>neter Krieger<br />

war, sah keine Notwendigkeit darin Holz zu hacken,<br />

Steine zu sammeln und ein Feuer zu entfachen.<br />

Andere aber brauchten das Feuer, schlossen s<strong>ich</strong> zusammen<br />

und unterstützten s<strong>ich</strong>, um ihr Ziel zu erre<strong>ich</strong>en<br />

und die Chance ihr Überleben zu s<strong>ich</strong>ern, zu erhöhen.<br />

Also doch alles funktionell?! Unsere Freunde, nur ein Abbild<br />

unserer Sehnsüchte, Erfahrungen und Zeile! Haben<br />

wir dann überhaupt in der Hand wer in unser Leben tritt?<br />

Anhand der Ergebnisse konnten Christakis und Fowler<br />

Freundschaften auch prognostizieren. Sie konnten aus<br />

der DNA herauslesen, wie zwei Menschen zueinander<br />

stehen oder welche Ver<strong>bin</strong>dungen sie miteinander haben<br />

könnten, sollten sie noch keinen Kontakt zueinander<br />

gehabt haben. Die Erfolgsprognose der Quote war<br />

so hoch wie etwa die der Krebsprognose.<br />

<strong>Wer</strong> in unser Leben tritt, beziehungsweise, wem wir<br />

gestatten darin wirken zu dürfen, scheint bereits in<br />

unserer DNA vorbestimmt zu sein. Vielle<strong>ich</strong>t riechen wir<br />

Vielle<strong>ich</strong>t riechen wir<br />

unsere potenziellen<br />

Freunde in einem<br />

Raum voller Unbekannter,<br />

noch bevor es<br />

uns bewusst ist, welche<br />

Rolle sie in unserem<br />

Leben einnehmen<br />

werden. Noch bevor<br />

wir mit dem Verstand<br />

einem Menschen eine<br />

bestimmte Funktion<br />

zusprechen, hat unsere<br />

DNA bereits die Ver<strong>bin</strong>dung<br />

zu ihm oder ihr erkannt<br />

oder sie womögl<strong>ich</strong><br />

bewusst gelegt.<br />

Auch wenn die Wissenschaft<br />

noch n<strong>ich</strong>t weiß,<br />

wie der menschl<strong>ich</strong>e Organismus dies bewerkstelligt,<br />

scheint doch eines immer deutl<strong>ich</strong>er zu werden: keine<br />

Begegnung ist falsch und geschieht ohne Grund. Wir<br />

können nur noch n<strong>ich</strong>t verstehen, welcher Grund dahinter<br />

steckt. Wie auch <strong>ich</strong> erst verstehen musste, dass<br />

mein Kumpel mein Bedürfnis nach einfacher Gesellschaft<br />

stillt.<br />

Von S.-L. A. Warrelmann<br />

35 | CrazyLife


Im Gespräch mit den Gefühlen<br />

Kommunikation mit den Emotionen Kolummne<br />

Sahra-Latifa A. Warrelmann schreibt in der ersten Kolumne<br />

von CrazyLife über den Alltag mit Gefühlen.<br />

Sahra-Latifa Warrelmann im Gespräch<br />

Ludwigsburg – Der Alltag mit Gefühlen scheint wie ein ganz normaler Alltag, da sie ständiger Begleiter des eignen<br />

Ichs sind. Die meisten Menschen, leben mit ihren Emotionen und schenken ihnen erst dann Beachtung, wenn<br />

sie überhand nehmen und das eigene Verhalten so sehr steuern, dass man glaubt n<strong>ich</strong>t mehr „normal“ zu sein.<br />

Vor zwei Jahren, also im Jahr 2016 habe <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auf eine aufregende Reise begeben. Eine Reise mit<br />

dem Ziel, meine Emotionen genauer kennenzulernen und ihren Einfluss auf mein Verhalten zu verstehen.<br />

Seitdem ist kein Tag wie der andere, kein Tag an dem <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> mit mindestens zwei starken<br />

Emotionen auseinandersetzen darf, die mehr Einfluss auf mein Leben besitzen als <strong>ich</strong> dachte.<br />

Die Reise verlangt schon am Morgen meine vollste Aufmerksamkeit, denn je nach Stimmung und wie <strong>ich</strong> mit<br />

dieser umgehe wird mein Tag zu einem Trauerspiel, einem Wutrausch oder zu 24 Stunden voller Glückseligkeit.<br />

Nachdem die Nacht ihr Ende nimmt und <strong>ich</strong> aus dem Traumland erwache, braucht es einige Minuten, bis <strong>ich</strong> in<br />

der Wachrealität angekommen <strong>bin</strong>. Diese Minuten sind besonders wertvoll, da <strong>ich</strong> in dieser Zeit n<strong>ich</strong>t denke,<br />

sondern ausschließl<strong>ich</strong> fühle. Ich spüre meinen Körper, wie er versucht die Umweltgeräusche einzuordnen und<br />

den Raum scannt. Manchmal passiert es, dass <strong>ich</strong> von der Sonne geweckt werde und m<strong>ich</strong> beflügelt fühle. Ja,<br />

ganz und gar glückl<strong>ich</strong>, bevor mein Gehirn beginnt meine Gedanken zu einem Plan zu formen. „Aufstehen, ins<br />

Bad, Tee trinken und an den Schreibtisch“, denkt mein Verstand noch zaghaft. Bis <strong>ich</strong> unter der Dusche stehe,<br />

habe <strong>ich</strong> meist noch keine Ahnung, welche Gewalt den Emotionen innewohnt. Doch wenn die ersten Wassertropfen<br />

meine Haut umhüllen, beginnt das Rad s<strong>ich</strong> zu drehen.<br />

Es dauert n<strong>ich</strong>t lange und unzählige Gedanken dringen plötzl<strong>ich</strong> in meinen Verstand ein, die von Gefühlen begleitet<br />

werden. Szenen aus vergangen Zeiten spielen in meinem Kopfkino, sodass <strong>ich</strong> auf einmal Traurigkeit,<br />

Melancholie aber auch Freude spüren kann. Sofort habe <strong>ich</strong> das Verlangen gegen die Traurigkeit zu agieren.<br />

Denn sie behindert nach meinem Empfinden meinen Tagesablauf. Schließl<strong>ich</strong> gibt es noch viel zu tun und<br />

mit einer traurigen Stimmung lässt s<strong>ich</strong> beim besten Willen n<strong>ich</strong>t arbeiten. Traurigkeit ist lähmend, sie schreit<br />

nach Ruhe, melodischer sanfter Musik und einer kuscheligen Atmosphäre. Das ist mit dem Arbeitsalltag n<strong>ich</strong>t<br />

zu vereinen, denn in diesem Modus sind Hoffnung, Motivation, Zielstrebigkeit und Zufriedenheit gefordert.<br />

Wie lässt s<strong>ich</strong> Traurigkeit in Hoffnung oder gar Zufriedenheit verwandeln und das unter der Dusche?<br />

Das ist gar n<strong>ich</strong>t mal so einfach, da das warme Wasser dazu verleitet noch ein paar Minuten länger unter dem umhüllenden<br />

Nass zu stehen. „Kontraproduktiv!“, schreit es in solchen Momenten aus einer tiefen Ecke meines Bewusstseins.<br />

„Jetzt hast du andere Prioritäten, als d<strong>ich</strong> diesem Gefühl hinzugeben“, sage <strong>ich</strong> mir innerl<strong>ich</strong> und<br />

versuche damit meiner Traurigkeit zu sagen: „Hey <strong>ich</strong> verstehe, dass <strong>ich</strong> X und Y vermisse. Ja es wäre schön,<br />

wenn er oder sie da wären, doch das ist n<strong>ich</strong>t so. In Traurigkeit zu versinken und deshalb die Arbeit schleifen<br />

zu lassen, hilft mir auch n<strong>ich</strong>t weiter. Also fokussiere d<strong>ich</strong> auf die Dinge, die d<strong>ich</strong> gerade bere<strong>ich</strong>ern.“<br />

Natürl<strong>ich</strong> wehrt s<strong>ich</strong> die Traurigkeit, denn sie fühlt s<strong>ich</strong> berechtigt, jetzt an diesem Morgen in Erscheinung zu<br />

treten und denkt gar n<strong>ich</strong>t daran, zu verschwinden.<br />

Daher sehe <strong>ich</strong> Gefühle, wie unzählige kleine Kinder in mir, die manchmal eine strenge Hand aber<br />

auch einfühlsame Worte brauchen. Wieder gehe <strong>ich</strong> in den inneren Dialog: „Hör zu liebe Traurigkeit,<br />

wir können heute Abend ganz viel Eis essen, uns melancholische Musik reinziehen und im<br />

Bett liegen und weinen, doch jetzt brauche <strong>ich</strong> Energie, <strong>ich</strong> brauche Motivation und Inspiration.<br />

Also gedulde d<strong>ich</strong> bitte, geh in einen anderen Raum und lasse Platz für die anderen Gefühle.“<br />

Es funktioniert! Noch ehe <strong>ich</strong> aus der Dusche ausgestiegen <strong>bin</strong>, kann <strong>ich</strong> die aufsteigende Motivation spüren<br />

und das Lächeln auf meinen Lippen.<br />

14 Monate zuvor, wäre die Szene in der Dusche ganz anders abgelaufen. Hätte m<strong>ich</strong> die Traurigkeit eingeholt,<br />

wäre <strong>ich</strong> in ihr versunken und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hätte anstatt ein paar Minuten gerne auch<br />

36 | CrazyLife


Foto: S.-L.A. Warrelmann


mal zwei Stunden in der Dusche verbracht, um die Vergangenheit geweint, m<strong>ich</strong> gefragt, warum das Gefühl jetzt<br />

gerade auftritt und dies als Grund genommen, den Tag im Bett zu verbringen. Schließl<strong>ich</strong> geht es mir ja schlecht.<br />

Wie soll man auch etwas angehen, wenn einem ein so flaues Gefühl im Magen herumschwirrt und man alle paar<br />

Minuten, durch einen Song getriggert, anfängt zu weinen?<br />

Dasselbe gilt natürl<strong>ich</strong> auch für andere Gefühle, wie zum Beispiel Wut. Ich glaube jeder Mensch kennt die noch in ihm<br />

tobende Wut nach einem heftigen Streit mit einer Person, die irgendwie den eigenen Nerv getroffen hat. Da könnte<br />

man noch Stunden später in die Luft gehen. Das lähmt natürl<strong>ich</strong> den Alltag und behindert einen, an den alltägl<strong>ich</strong>en<br />

Aufgaben dran zu bleiben. Deshalb habe <strong>ich</strong> gelernt meinen Gefühlen Raum zugeben, sie nach ihren Bedürfnissen<br />

und ihren Gründen für eine Überreaktion zu fragen. Mit ihnen zu kommunizieren, auch wenn das etwas suspekt<br />

klingt, da man ein Gespräch mit seinen Emotionen n<strong>ich</strong>t oft führt. Wie klingt das auch: Ich rede mit meinen Gefühlen?<br />

Komischer Klang hin oder her, der Erfolg spr<strong>ich</strong>t für s<strong>ich</strong>. <strong>Wer</strong> bewusst mit seinen Emotionen umgeht, ihnen Zeit<br />

gibt wird feststellen, dass s<strong>ich</strong> seinen Emotionen zu stellen n<strong>ich</strong>t unbedingt einfach ist, aber langfristig gesehen,<br />

den Alltag erle<strong>ich</strong>tert. Außerdem stärkt der bewusste Umgang die Persönl<strong>ich</strong>keit und lässt m<strong>ich</strong> zum Epiker meiner<br />

Welt werden.<br />

38 | CrazyLife


In der Rolle einer Mutter<br />

In vielen Frauen wächst irgendwann einmal der Wunsch heran,<br />

Mutter zu werden. Dabei stellen sie s<strong>ich</strong> vor wie es ist, ihr kleines<br />

Baby zu füttern, es durch die ersten Entwicklungsjahre zu begleiten<br />

und immer wieder ein Lächeln ihres Kindes für ihren Einsatz zu<br />

ernten. Sie malen s<strong>ich</strong> aus wie es ist, mit ihrem Fleisch und Blut zu<br />

spielen und ihm schöne Kleider anzuziehen. Eine Vorstellung, die<br />

der eines Kindes gle<strong>ich</strong>t, wenn es gemeinsam mit seinen Kindergartenfreunden<br />

in der Puppenecke Mutter-Vater-Kind spielt, denn<br />

die Realität sieht meist doch ganz anders aus. Mutter sein ist schon<br />

während der Schwangerschaft eine Herausforderung und nach der<br />

Geburt ein Kraftakt. Was es bedeutet Mutter zu sein, erzählt Maren<br />

Albers (Name geändert) (44) aus Schwäbisch Hall. Sie ist vierfache<br />

Mutter und bereits Oma eines zehn jährigen Enkels, den sie seit<br />

einigen Jahren auch mit erzieht.<br />

Ich treffe Maren in einem gemütl<strong>ich</strong>en Café am Ende der Stadt. Es<br />

ist Dienstag und Fasching. Die Bedienung begrüßt uns freundl<strong>ich</strong><br />

in einem Clownskostüm.<br />

CrazyLife: Hallo Maren, schön, dass du trotz<br />

deines turbulenten Alltags Zeit für das Interview<br />

findest. Mit 18 Jahren wurdest du das erste<br />

Mal Mutter und mit 34 Jahren das erste Mal<br />

Oma. Wie war es für d<strong>ich</strong> erstmalig in die Rolle<br />

der Mutter zu schlüpfen und das relativ jung?<br />

Maren Albers: Ich habe m<strong>ich</strong> bereits in der Schwangerschaft<br />

auf meine Mutterschaft vorbereitet. Dazu<br />

habe <strong>ich</strong> mir viele Gedanken gemacht, mir vorgestellt,<br />

wie mein zukünftiges Leben als Mutter sein könnte. Allerdings<br />

war die Rolle der Mutter keine wirkl<strong>ich</strong>e Umstellung,<br />

da <strong>ich</strong> schon immer ein sehr fürsorgl<strong>ich</strong>er Mensch<br />

gewesen <strong>bin</strong>. Eine Umstellung wurde die Mutterrolle<br />

erst mit dem zweiten Kind. Auch wenn <strong>ich</strong> wusste, was<br />

auf m<strong>ich</strong> zukommt, war es eine Herausforderung, zwei<br />

Kindern die gle<strong>ich</strong>e Aufmerksamkeit zu schenken. Jedes<br />

für s<strong>ich</strong> ist anders und hat andere Bedürfnisse, das<br />

war schon schwierig. Vor allem, weil das erste Kind zunächst<br />

mit Ablehnung und Eifersucht auf den Familienzuwachs<br />

reagiert hatte.<br />

CrazyLife: Das ist s<strong>ich</strong>erl<strong>ich</strong> ein Spagat, den man tägl<strong>ich</strong><br />

leistet und unterschiedl<strong>ich</strong>e Aufgaben, die man<br />

tägl<strong>ich</strong> meistern muss. So schlüpfst du in die Rolle der<br />

Streitschl<strong>ich</strong>terin, der Entertainerin und in viele mehr.<br />

Respekt, dass du all das in deinem jungen Alter gemeistert<br />

hast.<br />

Was hat s<strong>ich</strong> für d<strong>ich</strong> als Mutter verändert? Trat etwas<br />

unvorhersehbares ein, etwas mit dem du so gar n<strong>ich</strong>t<br />

als Mutter gerechnet hättest?<br />

Maren Albers (lächelt): Mein Schlafverhalten hat<br />

s<strong>ich</strong> geändert, so dass <strong>ich</strong> wegen jeder Kleinigkeit wach<br />

werde. Vor der Geburt meiner ältesten Tochter hatte <strong>ich</strong><br />

sorge, dass <strong>ich</strong> sie nachts n<strong>ich</strong>t hören würde, da <strong>ich</strong> eine<br />

Aufnahme von Maren A. an die Redaktion geschickt.<br />

Tiefschläferin war. Es gab n<strong>ich</strong>ts, was m<strong>ich</strong> wecken<br />

konnte, wenn <strong>ich</strong> es n<strong>ich</strong>t wollte. Diese Bedenken haben<br />

s<strong>ich</strong> aber schnell erübrigt. Meine Tochter erblickte<br />

das L<strong>ich</strong>t der Welt und mein Tiefschlaf verabschiedete<br />

s<strong>ich</strong>. Außerdem habe <strong>ich</strong> das Leben als „N<strong>ich</strong>t-Mutter“<br />

weniger ernst gesehen, als <strong>ich</strong> es heute empfinde. Bzw.<br />

früher habe <strong>ich</strong> die Dinge mit einer Le<strong>ich</strong>tigkeit betrachtet.<br />

Alles kommt und geht, wenn <strong>ich</strong> etwas heute n<strong>ich</strong>t<br />

schaffe, kann <strong>ich</strong> es morgen noch immer erledigen. Seit<br />

meiner Mutterschaft ist das ein wenig verändert. Natürl<strong>ich</strong><br />

sehe <strong>ich</strong> vieles immer noch le<strong>ich</strong>ter, gehe meine<br />

Aufgaben allerdings gewissenhafter an, aber das kann<br />

auch mehr mit dem menschl<strong>ich</strong>en Reifeprozess zusammenhängen,<br />

als mit der Mutterrolle. Ansonsten konnte<br />

<strong>ich</strong> mit der Mutterrolle die Worte und Erziehungsmethoden<br />

meiner eigenen Mutter nachvollziehen. Als<br />

Kind konnte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t verstehen, warum es w<strong>ich</strong>tig ist<br />

regelmäßige Schlafenszeiten einzuhalten oder warum<br />

<strong>ich</strong> jetzt n<strong>ich</strong>t noch das x-te Stück Kuchen verputzen<br />

sollte, heute als Mutter allerdings, kann <strong>ich</strong> es nachvollziehen.<br />

Kinder testen immer wieder Grenzen aus und<br />

zeigen einem auch die eigenen Grenzen, das ist r<strong>ich</strong>tig<br />

und w<strong>ich</strong>tig. Dennoch gehören konsequentes Handeln<br />

und auch mal einen Punkt setzen, zur Erziehung dazu,<br />

das habe <strong>ich</strong> erst als Mutter realisiert.<br />

CrazyLife: Ja, manchmal darf man erst in den Schuhen<br />

eines anderen Laufen, um zu verstehen, was es bedeutet<br />

seine Schritte zu gehen. Wie ist es bei dir, verhältst<br />

du d<strong>ich</strong> in deiner Mutterrolle anders, als in deiner Rolle<br />

als Maren?<br />

Maren Albers (schüttelt den Kopf): Nein, <strong>ich</strong> <strong>bin</strong><br />

als Mutter dieselbe wie auch als Maren, meine Charaktereigenschaften<br />

sind dieselben. Das liegt vielle<strong>ich</strong>t<br />

daran, dass <strong>ich</strong> schon früh Verantwortung für<br />

meine jüngeren Geschwister übernommen habe,<br />

39 | CrazyLife


Eine Mutter versteht auch was ein Kind<br />

Worte gibt es n<strong>ich</strong>t für Mutterliebe - Aber Gefüh


n<strong>ich</strong>t ausspr<strong>ich</strong>t<br />

le!


die fünf und zehn Jahre jünger als <strong>ich</strong> sind. Ich wurde<br />

auch früh mit in die Alltagsaufgaben mit einbezogen<br />

und habe m<strong>ich</strong> um den Haushalt gekümmert,<br />

weshalb <strong>ich</strong> es gewohnt war für andere da zu sein.<br />

CrazyLife: Wie sieht es mit deiner Persönl<strong>ich</strong>keit aus,<br />

hast du das Gefühl als Mutter einen Teil deiner Persönl<strong>ich</strong>keit<br />

zu verlieren oder sie sogar zu erweitern?<br />

Maren Albers: Sowohl als auch. Obwohl <strong>ich</strong> sagen<br />

würde, dass s<strong>ich</strong> die Prioritäten verschieben. Zum Beispiel<br />

war <strong>ich</strong>, bevor <strong>ich</strong> Mutter wurde gerne künstlerisch<br />

tätig. Ich beschäftigte m<strong>ich</strong> viel mit Ze<strong>ich</strong>nen und Malen,<br />

wie auch mit dem Modedesign. Außerdem singe <strong>ich</strong> leidenschaftl<strong>ich</strong><br />

gerne und hätte mir auch eine professionelle<br />

Ausbildung in diesem Bere<strong>ich</strong> gewünscht. Durch<br />

die frühe Schwangerschaft hieß es allerdings umdenken<br />

und m<strong>ich</strong> an die neuen Umstände anpassen. Jede,<br />

die Mutter geworden ist kann, glaube <strong>ich</strong>, verstehen,<br />

dass man die ersten Monate fast ausschließl<strong>ich</strong> mit der<br />

Versorgung seines Kindes beschäftigt ist. Kommt dann<br />

eines, zwei oder wie in meinem Fall drei dazu und das<br />

in kurzen Abständen, ist es kaum noch mögl<strong>ich</strong> seinen<br />

Talenten oder Fähigkeiten nachzugehen. Zumindest<br />

n<strong>ich</strong>t mehr auf die Art und Weise, wie man sie vorher<br />

ausgelebt hatte. Also ja, ein Teil meiner Persönl<strong>ich</strong>keit<br />

oder das was m<strong>ich</strong> früher ausgemacht hat, hat s<strong>ich</strong> geändert.<br />

Es hat s<strong>ich</strong> aber vielmehr verändert. Kreativ <strong>bin</strong><br />

<strong>ich</strong> noch heute nur auf eine andere Art und Weise. So<br />

habe <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> bei den Kindergeburtstagen ausgetobt,<br />

bei der Freizeitgestaltung und der Bewältigung des Alltags<br />

mit vier Kindern. So wurde aus der Kreativität und<br />

Kunst, die s<strong>ich</strong> auf dem Papier ausdrückte, eine Kunst<br />

die s<strong>ich</strong> in meinem Leben manifestierte und m<strong>ich</strong> zur<br />

Überlebenskünstlerin formte. Ich habe durch meine<br />

Kinder meine Persönl<strong>ich</strong>keit entwickeln können, zwar<br />

n<strong>ich</strong>t so wie <strong>ich</strong> es mir selbst als Kind ausgemalt habe,<br />

doch so wie es r<strong>ich</strong>tig ist. Wenn <strong>ich</strong> mein Leben so ansehe,<br />

dann gle<strong>ich</strong>t es einer Autobahn, einer Lebensautobahn.<br />

Mit unzähligen Abzweigungen, Ausfahrten, die<br />

<strong>ich</strong> irgendwie alle genommen habe, aber dennoch <strong>bin</strong><br />

<strong>ich</strong> immer wieder auf meiner Lebensspur gelandet.<br />

CrazyLife: Das ist eine schöne Art seine persönl<strong>ich</strong>e<br />

Entwicklung zu betrachten. Nun hast du d<strong>ich</strong> lange<br />

um die Erziehung deiner Kinder gekümmert und ihre<br />

Bedürfnisse in den Vordergrund gestellt, bis zum Jahr<br />

2009. In diesem Jahr hast du begonnen deinen Wünschen<br />

nachzugehen und hast im Alter von 35 Jahren<br />

noch einmal die Schulbank gedrückt und eine Ausbildung<br />

zur Heilerziehungspflegerin begonnen. Wie war<br />

es für d<strong>ich</strong> dieses Kapitel zu beginnen? Wie konntest du<br />

diese neue Herausforderung meistern? Schließl<strong>ich</strong> waren<br />

deine Kinder selbst in der Pubertät und deine älteste<br />

Tochter ist mit 15 selbst zur Mutter geworden.<br />

Maren Albers: Es war ganz und gar n<strong>ich</strong>t einfach. Meine<br />

älteste Tochter, die in der Pubertät sehr schwierig<br />

war, hat glückl<strong>ich</strong>erweise in einer Mutter-Kind-Einr<strong>ich</strong>tung<br />

gelebt, weshalb <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> um sie und meinen<br />

Enkel weniger sorgen musste, auch wenn man das als<br />

Mutter immer tut. Meine drei anderen Kinder befanden<br />

s<strong>ich</strong> mitten in der Pubertät und brachten typische<br />

Probleme mit, die Kinder in der Pubertät mitbringen.<br />

Türen knallen, wenn man wütend ist, s<strong>ich</strong> über zu wenige<br />

Klamotten in Kleiderschrank beschweren, die Musik<br />

bis nachts aufdrehen, weil man eben gerade in der<br />

Stimmung ist und so weiter, man weiß bei pubertären<br />

Kindern nie was in der nächsten Stunde passiert. Zum<br />

Glück waren derartige „Ausbrüche“ bei den Dreien, die<br />

zu Hause lebten im Rahmen. Die meiste Zeit haben sie<br />

s<strong>ich</strong> an die Regeln des Haushalts gehalten und sind respektvoll<br />

miteinander umgegangen. Sie haben m<strong>ich</strong><br />

auch immer wieder unterstützt. In der Schule war es<br />

eine Umstellung für m<strong>ich</strong> wieder lange zu sitzen und<br />

m<strong>ich</strong> dabei mehrere Stunden auf den Unterr<strong>ich</strong>t zu<br />

konzentrieren, schließl<strong>ich</strong> war <strong>ich</strong> es nun mehr als 16<br />

Jahre gewohnt ständig in Bewegung zu sein und auf<br />

die Ereignisse zu reagieren. Mein Leben war turbulent<br />

und abwechslungsre<strong>ich</strong>, da waren ruhige Stunden sitzend,<br />

eher die Ausnahme. Auch an die Zusammenstellung<br />

der Klasse musste <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> erst gewöhnen, da der<br />

Großteil im Alter meiner Kinder war. Meine Mitschülerinnen<br />

und Mitschüler hatten ganz andere Prioritäten,<br />

als <strong>ich</strong> sie hatte und legten einen anderen Fokus auf den<br />

Unterr<strong>ich</strong>t. Von den Meisten wurde der Ausbildungsgang<br />

nur deshalb gewählt, damit sie eine Ausbildung<br />

in der Tasche haben, was sie genau wollten oder wohin<br />

es sie in ihrem Leben führt, war einigen n<strong>ich</strong>t klar.<br />

Aber wie soll man das auch in dem Alter wissen. Es war<br />

interessant zu sehen wie s<strong>ich</strong> das Alter und die Lebenserfahrung<br />

auf eine Person auswirken. Dennoch war die<br />

Ausbildung kein Zuckerschlecken für m<strong>ich</strong>, was man in<br />

meinem Alter meinen könnte. Ich war lange aus dem<br />

Schulalltag draußen, musste m<strong>ich</strong> neu ans lernen, an<br />

Klausuren gewöhnen und die ein oder anderen alten<br />

Fertigkeiten auffrischen.<br />

CrazyLife: Bewundernswert. Zwei Jahre nachdem du<br />

deine Ausbildung begonnen hattest und d<strong>ich</strong> an die<br />

Rolle der Auszubildenden gewöhnen konntest trat eine<br />

weitere ungeplante Herausforderung in dein Leben. Du<br />

hast deinen drei jährigen Enkelsohn zu dir aufgenommen,<br />

nachdem er von seiner Mutter, deiner Tochter<br />

n<strong>ich</strong>t mehr versorgt werden konnte. Er lebt bis heute<br />

bei dir. Mittlerweile ist er schon beinahe zehn Jahre alt,<br />

du hast deine Ausbildung mit sehr guten Noten beendet<br />

und deine Kinder sind schon junge Erwachsene im<br />

Studium und in der Ausbildung. Nun übst du als Oma<br />

die Rolle der Mutter aus, wie geht es dir damit?<br />

Maren Albers: Die Anfangszeit war sehr schwierig,<br />

vor allem, weil mein Ekelsohn unter der Trennung von<br />

seiner Mutter und den neuen Umständen litt. Es dauerte<br />

Monate ihn an sein neues Leben zu gewöhnen und<br />

es ist, ehrl<strong>ich</strong> gesagt, heute noch ein Kraftakt.<br />

42 | CrazyLife


Am Anfang hatte <strong>ich</strong> mir sogar überlegt meine Ausbildung<br />

zu beenden und m<strong>ich</strong> nur auf den Kleinen zu konzentrieren,<br />

denn er tat mir leid und brauchte einfach<br />

volle Aufmerksamkeit. Natürl<strong>ich</strong> machte m<strong>ich</strong> das traurig<br />

und <strong>ich</strong> war auch enttäuscht, schließl<strong>ich</strong> habe <strong>ich</strong><br />

so lange für die Ausbildung gekämpft, die <strong>ich</strong> für m<strong>ich</strong><br />

tat, um n<strong>ich</strong>t nur als Hilfskraft durchs Leben zu gehen.<br />

Zum Glück unterstützten m<strong>ich</strong> mein Mann und meine<br />

anderen drei Kinder, die zu dieser Zeit alle im Haushalt<br />

lebten.<br />

Jeder von ihnen steckte zurück, packte mit an und trug<br />

zu einem fast reibungslosen Alltag mit bei, sonst wäre<br />

die Situation wohl n<strong>ich</strong>t mögl<strong>ich</strong> gewesen. So hatte <strong>ich</strong><br />

die Mögl<strong>ich</strong>keit meine Ausbildung erfolgre<strong>ich</strong> zu beenden.<br />

Auch als es danach um die Anstellung ging, hatte<br />

<strong>ich</strong> das Glück im ambulanten Bere<strong>ich</strong> einer Einr<strong>ich</strong>tung<br />

beginnen zu können, wodurch <strong>ich</strong> meine Arbeitszeiten<br />

relativ flexibel gestalten konnte und somit meine Arbeit<br />

auf die neuen Umstände anpassen konnte.<br />

Das ist für s<strong>ich</strong> schon eine Herausforderung, doch für<br />

m<strong>ich</strong> persönl<strong>ich</strong> liegt die Schwierigkeit im sozialen Alltag.<br />

Bei der Erziehung meiner Kinder, war <strong>ich</strong> alleine für<br />

sie verantwortl<strong>ich</strong>. Die Verantwortung für alle Angelegenheiten,<br />

die meine Kinder betrafen, lag bei mir. Die<br />

Entscheidung was sie tragen, welche Nahrung sie zu<br />

s<strong>ich</strong> nehmen, wann sie zu Bett gehen, wie <strong>ich</strong> bei Krankheit<br />

auf sie zugehe, doch bei meinem Enkelsohn gibt es<br />

ja noch Mama und Papa. Beide sind im Alltagsgeschehen<br />

n<strong>ich</strong>t beteiligt, doch sie sind die Eltern und sehen<br />

die ein oder anderen Dinge anders als <strong>ich</strong>. Das heißt für<br />

m<strong>ich</strong>, in fast jeder Situation abzuwägen, was die Eltern<br />

wohl dazu sagen würden.<br />

Natürl<strong>ich</strong> entscheide <strong>ich</strong> heute freier und mehr aus meinem<br />

Bauch heraus, als noch am Anfang. Letztendl<strong>ich</strong><br />

trage <strong>ich</strong> die Kämpfe bei Diskussionen aus, tröste ihn,<br />

wenn er geärgert wurde, lerne mit ihm auf Tests und<br />

Arbeiten und kümmere m<strong>ich</strong> bei Krankheit um ihn.<br />

Dennoch sind seine Eltern immer präsent. Hat er warme<br />

Kleider an? Passt er auf, wenn er irgendwo hinaufklettert?<br />

Trägt er seinen Helm? Hoffentl<strong>ich</strong> passiert dem<br />

Jungen n<strong>ich</strong>ts wenn er… tut, denke <strong>ich</strong> mir tägl<strong>ich</strong>.<br />

Mehr, als <strong>ich</strong> es bei meinen eigenen Kindern tat. Bei ihnen<br />

hatte <strong>ich</strong> die Haltung: Geht raus und lebt! Ihr<br />

müsst Fehler machen merken, dass die Kochplatte<br />

heiß ist, um aus euren eigenen Erfahrungen<br />

lernen zu können.<br />

Bei meinem Enkel hingegen fällt es mir schwer diese<br />

Le<strong>ich</strong>tigkeit zuzulassen. Schließl<strong>ich</strong> kommen die Eltern<br />

dann auf m<strong>ich</strong> zu, wenn er s<strong>ich</strong> bei einem Sturz verletzt<br />

oder in der Schule n<strong>ich</strong>t die Leistung erbringt, die sie<br />

s<strong>ich</strong> vielle<strong>ich</strong>t wünschen. Ich trage also die Verantwortung<br />

anderer zu meiner eigenen, das ist die Schwierigkeit.<br />

Ich würde lieber die Rolle der Oma einnehmen, wie sie<br />

beispielsweise meine Tochter gerade ausübt. Sie ist da,<br />

schenkt ihm für eine bestimmte Zeit volle Aufmerksamkeit,<br />

unternimmt mit ihm, die aufregendsten Dinge,<br />

was sie auch kann, weil sie die Besuchszeiten auf<br />

ihn abstimmt. Sie muss s<strong>ich</strong> wenig mit Diskussionen<br />

auseinandersetzen oder Konflikte lösen. Sie bekommt<br />

auch n<strong>ich</strong>t den Ärger des Jungen ab, denn<br />

er hat, weil er n<strong>ich</strong>t in einer klassischen Familiensituation<br />

lebt oder wenn er mal keine Lust auf das<br />

Ger<strong>ich</strong>t hat, das <strong>ich</strong> gekocht habe, weil er wie jedes<br />

Kind halt jetzt lieber Pizza essen möchte. Doch diese<br />

Rolle kann <strong>ich</strong> derzeit n<strong>ich</strong>t ausüben, weil mein<br />

Enkel das von mir fordert, was er von einer Mutter<br />

fordert. Er braucht Grenzen, er braucht Struktur und<br />

einen geregelten Alltag, den <strong>ich</strong> ihm biete. Ich mache<br />

all das n<strong>ich</strong>t, weil <strong>ich</strong> gerne noch einmal in die Rolle<br />

der Mutter wollte, sondern weil <strong>ich</strong> meine Tochter<br />

unterstütze, weil es für m<strong>ich</strong> keine Option war,<br />

das ein Teil unserer Familie in einer Pflegefamilie<br />

kommt oder in einer Unterbringung aufwächst. Meine<br />

Motivation dabei, ist die Liebe zu meiner Familie.<br />

CrazyLife: Ich <strong>bin</strong> gerührt von deiner Aufopferung,<br />

die es ja irgendwo auch ist und beeindruckt<br />

von deiner Stärke, die in dir lebt. Meinen Respekt<br />

an deine Leistung. Eine Frage aber bleibt mir noch:<br />

Woher nimmst du deine Kraft und wo bleibst du?<br />

Maren Albers: Für m<strong>ich</strong> gibt es wenig Zeit, daher<br />

<strong>bin</strong> <strong>ich</strong> um jedes Zeitgeschenk dankbar, das <strong>ich</strong> erhalte.<br />

Meine Kraft? Ich denke, die war schon immer in<br />

mir enthalten und <strong>ich</strong> <strong>bin</strong> überzeugt, dass <strong>ich</strong> sie von<br />

Gott bekommen habe. Schon in der kleinen jungen<br />

Maren war dies erkennbar. Wenn <strong>ich</strong> etwas möchte,<br />

dann muss <strong>ich</strong> mein Bestes tun um es zu erre<strong>ich</strong>en.<br />

Ich möchte, dass es meiner Familie gut geht und <strong>ich</strong><br />

möchte auch für m<strong>ich</strong>, am besten noch bevor <strong>ich</strong> in<br />

Rente gehe, ein erfülltes und glückl<strong>ich</strong>es Leben. Daher<br />

setze <strong>ich</strong> alles daran, dass es auch so passiert.<br />

Interview geführt von S.-L. A. Warrelmann<br />

43 | CrazyLife<br />

Interview mit Maren Albers


Psyche und Nahrungsmittel<br />

Lebensmittel wirken s<strong>ich</strong> auf die Psyche aus!<br />

Revolutionäre Studie soll dies belegen<br />

Können wir schon bald unsere Essgewohnheiten an unsere Psyche anpassen<br />

und unsere Stimmung durch unsere Lebensmittel beeinflussen?<br />

Ber<strong>ich</strong>t<br />

Universitäten aus vier Ländern Europas<br />

haben s<strong>ich</strong> 2016 für das Forschungsprojekt<br />

„MoodFood“ zusammengeschlossen,<br />

um die Auswirkungen der Nahrungsmittel,<br />

auf die Psyche zu untersuchen.<br />

Schon der antike Arzt Hippokrates, ordnete<br />

bei Depressionen Eselsmilch an. Nun wollen<br />

europäische Forscher herausfinden,<br />

ob und wie s<strong>ich</strong> unsere Ernährung auf die<br />

Psyche ausschlägt. Dabei fokussiert s<strong>ich</strong><br />

die Studie auf an Depressionen erkrankte<br />

und übergew<strong>ich</strong>tige Menschen. Hierfür<br />

werden 1000 Teilnehmer in einer, über<br />

fünf Jahre angelegten Studie, getestet.<br />

Die Teilnehmer sind in zwei Gruppen aufgeteilt:<br />

eine Kontrollgruppe, die Placebos<br />

erhält und eine Gruppe von Menschen,<br />

die neben einer Ernährungsberatung<br />

Nahrungsergänzungsmittel in Form von<br />

Tabletten einnehmen. Nahrungsergänzungsmittel,<br />

also die Nahrung in Tablettenform<br />

erhalten die Probanden, da es zu<br />

umständl<strong>ich</strong> wäre, jeden einzelnen bei der<br />

tägl<strong>ich</strong>en Nahrungsaufnahme zu begleiten<br />

bzw. zu beobachten.<br />

In den Tabletten befinden s<strong>ich</strong> Mineralstoffe,<br />

Vitamine und Spurenelemente<br />

wie Folsäure, Kalzium, Selen und Omega-3-Fettsäuren.<br />

Gezielt wurden diese<br />

Nahrungsergänzungsmittel gewählt, da<br />

die Studienlage zu ihnen am klarsten ist.<br />

So ist über Kalzium bekannt, dass es die<br />

neuronalen Ver<strong>bin</strong>dungen, die für die<br />

Emotionsregulation zuständig sind, verändert.<br />

In Selen vermutet man die Fähigkeit,<br />

Freie-Radikale-Moleküle, die unter<br />

anderem für den Alterungsprozess<br />

verantwortl<strong>ich</strong> sind und Krankheiten<br />

verdecken, zu <strong>bin</strong>den und zu beseitigen.<br />

Folsäure ist ein Vitamin, dass für den<br />

menschl<strong>ich</strong>en Körper essenziell w<strong>ich</strong>tig<br />

ist, da es an der Bildung von Neurotransmittern,<br />

also den Botenstoffen an den<br />

Nerven, beteiligt ist.<br />

Die Ausschüttung von Serotonin soll<br />

durch Omega-3-Fettsäuren erhöht werden.<br />

Dieser Botenstoff findet s<strong>ich</strong> vor allem<br />

in Fisch und Meeresfrüchten und soll<br />

für die Stimmung des Menschen zuständig<br />

sein, denn ohne Serotonin sind wir<br />

häufiger schlecht gelaunt, ängstl<strong>ich</strong> und<br />

sogar depressiver, was eine spanische<br />

Studie mit dem Titel „Predimed-Projekt“<br />

von den Jahren 2003 – 2011 bestätigt.<br />

Noch können die Forscher keine Ernährungsempfehlungen<br />

abgeben, doch Anfang<br />

des Jahres möchten die Projektleiter<br />

der „MooDFOOD“-Studie die ersten<br />

Ergebnisse des letzten Jahres bekannt<br />

geben.<br />

44 | CrazyLife


Lebensmittel, die Körper und Geist beflügeln<br />

Salbei (Salvia officinalis):<br />

Die Lippenblütenpflanze hat mit<br />

seinen Inhaltsstoffen eine desinfizierende,<br />

krampflösende aber<br />

auch blutstillende Wirkung. Seine<br />

Blätter können in einem Tee<br />

wahre Wunder vollbringen.<br />

Anwendungsbere<strong>ich</strong>e:<br />

Halsentzündungen<br />

Halsschmerzen<br />

Hitzewallungen<br />

Rosmarin (Rosmarinus officinalis):<br />

Auch Rosmarin gehört zu der Familie<br />

der Lippenblüten. Seine seltene<br />

anregende Wirkung wird zur<br />

Behandlung von niedrigem Blutdruck<br />

eingesetzt. Sowohl seine<br />

Blätter als auch seine Blüten können<br />

verwendet werden.<br />

Anwendungsbere<strong>ich</strong>e:<br />

Migräne<br />

Unruhe<br />

Kreislaufbeschwerden u.v.m.<br />

Johanniskraut (Hypericum perforatum):<br />

Johanniskraut, die Glückspflanze<br />

des Sommers. Seine Blüten und<br />

das blühende Kraut können beispielsweise<br />

in einem Tee sogar<br />

das Nervensystem ankurbeln. Es<br />

wirkt schmerzstillend, beruhigend<br />

und schleimlösend.<br />

Anwendungsbere<strong>ich</strong>e:<br />

Angstzustände<br />

Muskelzerrungen<br />

Juckreiz u.v.m.<br />

Ingwer (Zingiber officinale):<br />

Das Gewürz und die Heilpflanze<br />

aus dem Fernen Osten. Sie kann<br />

in einem Tee zubereitet werden,<br />

in das Essen verarbeitet oder<br />

durch ein Wasserbad bei verstopften<br />

Nasennebenhöhlen inhaliert<br />

werden.<br />

Anwendungsbere<strong>ich</strong>e:<br />

Magenbeschwerden<br />

Reisekrankheit<br />

Periodenkrämpfe<br />

Banane (Musa)<br />

Der Sonnenschein aus den Tropen<br />

kann mit seinen Inhaltsstoffen<br />

Tryptophan und Dopamin,<br />

die Stimmung erhellen.<br />

Außerdem regt die Pflanze das<br />

Verdauungssystem an und hilft<br />

dabei Bauchschmerzen zu vermeiden.<br />

Anwendungsbere<strong>ich</strong>e:<br />

Stress<br />

Sodbrennen<br />

Nährstoffmangel<br />

Leinsamen<br />

Die Samen des „Gemeiner Lein“<br />

(Linum usitatissimum), sind ein Allrounder<br />

als Heilmittel. Als Öl,<br />

im Teig oder einer Soße geben<br />

sie Omega-3-Fettsäuren, Vitamine<br />

und andere w<strong>ich</strong>tige Nährstoffe.<br />

Sie werden auch in der<br />

Krebsbehandlung eingesetzt.<br />

Anwendungsbere<strong>ich</strong>e:<br />

Regulierung Cholesterinspiegels<br />

Ausschlägen<br />

Verdauungsbeschwerden<br />

45 | CrazyLife


Es beginnt alles mit einer Idee<br />

Ein Magazin entsteht<br />

„5 meinungsbetonte Texte, 5 tatsachenbetonte Texte,<br />

vielle<strong>ich</strong>t ein einheitl<strong>ich</strong>es Thema aber auf jeden Fall einen<br />

roten Faden und ihr habt noch mehr als drei Monate<br />

Zeit. Es soll ein Magazin entstehen, eure Abschlussarbeit!“,<br />

erklärte meine Dozentin in den ersten Kursstunden.<br />

Selfie vor dem Interview<br />

Juhu! Ein Magazin. Ich wollte schon immer mal<br />

eines entwerfen, gestalten und dann auch noch<br />

herausbringen. Über was soll <strong>ich</strong> schreiben? Welches<br />

Thema interessiert m<strong>ich</strong> gerade? Schließl<strong>ich</strong><br />

gibt es so vieles. Ich könnte über die Autolandschaften<br />

schreiben, die in jeder Region existieren.<br />

Überall gibt es Autohäuser oder Lagerplätze, wo<br />

einfach mal so mehrere Hektar Platz für Autos reserviert,<br />

die von den Menschen in der Stadt n<strong>ich</strong>t<br />

gekauft werden. Es sind zu viele Autos und zu wenige<br />

Menschen. Aber so ist es mit allem, über all wo<br />

Kapitalismus oder einfach der Grundsatz herrscht:<br />

„Es kann von n<strong>ich</strong>ts genug geben.“ Es gibt keine<br />

Stadt (zumindest hier in Deutschland) mit einer<br />

Produktionsstätte, Einkaufszentren, die n<strong>ich</strong>t etwas<br />

in Übermaß besitzt. Schon allein die Kaufhäuser.<br />

<strong>Wer</strong> soll all diese Kleidung tragen, die Lebensmittel<br />

essen und mit dem Spielzeug spielen? S<strong>ich</strong>erl<strong>ich</strong><br />

die Konsumgesellschaft ist ein interessantes<br />

Thema, aber kann <strong>ich</strong> damit ein Magazin füllen<br />

ohne dabei ganz und gar politisch zu werden? Ich<br />

könnte Innovation vorstellen, die weniger Platz<br />

einnehmen, die hergestellt werden, um langfristig<br />

zu halten. Ich könnte über Alternativen schreiben<br />

und aus der S<strong>ich</strong>t eines Bürgers schreiben. Aber<br />

interessiert das die Menschen überhaupt? Ich meine<br />

sie sehen es ja tägl<strong>ich</strong>. Sie sehen tägl<strong>ich</strong> wie ein<br />

LKW nach dem anderen mit seinen Lieferungen die<br />

Malls der Stadt füllt. Wir sehen, die Container mit<br />

Backwaren, die tägl<strong>ich</strong> auf den Müll landen. Wir<br />

sehen die zig Shops, die nebeneinander auf kilometerlangen<br />

Straßen auf Kundschaft warten. Wir<br />

sind uns doch alldem Ungle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>t bewusst, es<br />

interessiert uns nur n<strong>ich</strong>t. Andere Dinge sind w<strong>ich</strong>tiger.<br />

Überleben ist w<strong>ich</strong>tiger. Die tägl<strong>ich</strong>en Auseinandersetzungen<br />

sind w<strong>ich</strong>tiger. Der Kopfschmerz<br />

am Morgen, nach dem Aufstehen ist w<strong>ich</strong>tiger und<br />

auch die Frage, ob Kaffee oder Tee am Morgen ist<br />

w<strong>ich</strong>tiger, als die Thematik Konsumgesellschaft.<br />

Schließl<strong>ich</strong> ist alles Unglück der Welt n<strong>ich</strong>t so einnehmend<br />

wie das eigene Unglück. Selbst wenn es nur daraus<br />

besteht, dass die Bahn n<strong>ich</strong>t kommt, man im Stau<br />

steht, man von einem Passanten angerempelt wurde,<br />

oder der Geldbeutel irgendwo liegen gelassen wurde.<br />

Solche Ereignisse können, selbst wenn kurz vorher jemand<br />

durch einen Sprung von einer Brücke tödl<strong>ich</strong> verunglückt<br />

ist, w<strong>ich</strong>tiger sein, als das Leben, das gerade sein<br />

Ende fand. Ganz einfach, weil das weniger von Bedeutung<br />

ist. Es tangiert uns n<strong>ich</strong>t. Ja es ist traurig. Es löst vielle<strong>ich</strong>t<br />

eine Gänsehaut aus, doch es hat mit einem selbst n<strong>ich</strong>ts<br />

zu tun, also ist es bedeutungslos. Genauso verhält es s<strong>ich</strong><br />

auch mit meiner Themensuche. Bin <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t von einem<br />

Thema überzeugt, kann es noch so spannend, w<strong>ich</strong>tig<br />

und gut durchleuchtet sein, würde mir dennoch n<strong>ich</strong>ts<br />

einfallen wie und worüber genau <strong>ich</strong> schreiben sollte.<br />

Also weiter auf der Themensuche. Wie wäre es vielle<strong>ich</strong>t mit<br />

einer Idee? Die Idee als Leitthema des Magazins. Schließl<strong>ich</strong><br />

beginnt alles mit einer Idee. Ich würde heute n<strong>ich</strong>t auf<br />

meiner Tastatur Worte tippen, hätte n<strong>ich</strong>t irgendwann einmal<br />

jemand die Idee gehabt einen Computer, eine Tastatur,<br />

nein besser noch die Schrift zu erfinden. Hätte s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

irgendjemand hingesetzt die Sterne beobachtet und die<br />

Idee gehabt, dass es dahinter mehr gibt als ein blaues Feld<br />

mit hellleuchtenden Punkten, würden wir wahrscheinl<strong>ich</strong><br />

immer noch n<strong>ich</strong>t wissen, dass die Erde ein Ellipsoid ist.<br />

Wenn alles mit einer Idee entsteht, wäre es doch s<strong>ich</strong>erl<strong>ich</strong><br />

interessant wie der Vorgang funktioniert. Wie wir überhaupt<br />

auf Ideen kommen. Warum manche Gehirne zu tieferen Denken<br />

und abstrakteren Denken in der Lage sind und manche<br />

den Wald vor lauter Bäumen n<strong>ich</strong>t sehen? Was für Ideen haben<br />

uns bere<strong>ich</strong>ert und welche wurden wieder verworfen?<br />

Wo hätte s<strong>ich</strong> alles hinentwickelt, hätten wir an andere Ideen<br />

geglaubt und wie verhält es s<strong>ich</strong> mit den eigenen Ideen?<br />

Ja auch das wäre s<strong>ich</strong>erl<strong>ich</strong> ein spannendes Thema geworden,<br />

zumindest für m<strong>ich</strong>. Aber irgendwie fehlt auch<br />

da was. Es ist n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> greifbar. Ich sehe dazu n<strong>ich</strong>ts<br />

46 | CrazyLife


und mir fallen auch keine Bilder ein, keine Muster, die <strong>ich</strong><br />

dazu entwickeln könnte. Also fällt auch diese Idee weg.<br />

Ich schreibe eine Liste und notierte mir Themen wie:<br />

Ich <strong>bin</strong> eins und alles – Was steckt alles in uns (Gene)<br />

Träume werden wahr – Wie aus einem Gedanken Realität<br />

wird! Konsumwahn – Haben wir n<strong>ich</strong>t alle die Gle<strong>ich</strong>en<br />

Chancen verdient? Der Einfluss von Macht – Wie<br />

entsteht sie und was hat sie für Auswirkungen? Schubladendenken<br />

– Gefangen in Vorurteilen! Rassismus –<br />

Die Entscheidung andere zu hassen.<br />

Es dauerte einen ganzen Monat, bis <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> mit einem<br />

Thema angefreundet habe und irgendwie das Gefühl<br />

hatte, dass es zu mir und meiner aktuellen Gefühlslage<br />

passt. <strong>Wer</strong> <strong>bin</strong> <strong>ich</strong>?<br />

Schon allein der Klang dieser Frage wirkt irgendwie<br />

mystisch, irgendwie mächtig, weil es keine offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>e<br />

Antwort darauf gibt. <strong>Wer</strong> <strong>bin</strong> <strong>ich</strong>? Ich kann<br />

so viel sein und gle<strong>ich</strong>zeitig n<strong>ich</strong>ts. Es ist genau das<br />

Thema, das <strong>ich</strong> suche und s<strong>ich</strong>erl<strong>ich</strong> für den ein oder<br />

anderen spannend sein wird. Was bedeutet es <strong>ich</strong> zu<br />

sein? Aus welchen Perspektiven kann man s<strong>ich</strong> sehen?<br />

Wie setzt s<strong>ich</strong> so eine Persönl<strong>ich</strong>keit zusammen<br />

und was bedeutet es überhaupt Mensch zu sein?<br />

Illustration S.-L. Warrelmannn<br />

Ist Mensch sein damit verbunden, jeden Tag zu einer<br />

bestimmten Uhrzeit aufzustehen, in Panik zu geraten,<br />

weil in wenigen Stunden oder Minuten die Arbeit anfängt<br />

und man eigentl<strong>ich</strong> lieber noch ein paar Minuten<br />

im Träumeland verbringen möchte? Heißt Mensch sein,<br />

irgendwas zu tun, Hauptsache man tut es? Hauptsache<br />

man ist irgendwie beschäftigt, damit Zahnräder weiterlaufen<br />

und die Gesellschaft irgendwie funktioniert? Ist<br />

es überhaupt w<strong>ich</strong>tig s<strong>ich</strong> solche Fragen zu stellen oder<br />

sollte man s<strong>ich</strong> einfach auf das konzentrieren, was ist?<br />

N<strong>ich</strong>t denken, n<strong>ich</strong>t hinterfragen und einfach weiter in<br />

der Hoffnung, dass die Rente bald vor der Tür steht, noch<br />

genügend Geld auf dem Sparkonto vorhanden und die<br />

restl<strong>ich</strong>en Lebensjahre doch noch ein Traum werden?<br />

In einer TKK-Studie teilten gerade junge Menschen mit,<br />

dass sie einfach nur Durchhalten. Sie versuchen die Wochen<br />

und Tage auszublenden und s<strong>ich</strong> auf das Wochenende<br />

zu freuen oder auf sonst ein großes Ereignis, dass<br />

ihnen Freude oder wenigstens Entspannung garantiert.<br />

Ist es n<strong>ich</strong>t traurig, das der Großteil unserer Gesellschaft,<br />

die meiste seiner Zeit versucht durchzuhalten, sie am<br />

liebsten ausradieren möchte und s<strong>ich</strong> wünscht, das<br />

bald alles vorbei ist? Dass bald die Arbeit vorbei ist,<br />

dass bald die Woche vorbei ist. Ist es n<strong>ich</strong>t traurig, dass<br />

man s<strong>ich</strong> 70 % seiner Zeit auch einfach aus dem Kalender<br />

stre<strong>ich</strong>en darf, weil man keine Freude daran hat?<br />

Wann leben diese Menschen überhaupt in den letzten<br />

30 % Zeit, die ihnen noch zur Verfügung steht? Wann<br />

nehmen sie s<strong>ich</strong> Zeit ihre Ziele zu definieren, s<strong>ich</strong> bewusst<br />

zu werden, wer sie sind und einfach zu leben?<br />

Befragung in Stuttgart Stadtmitte<br />

Zeit, sie ist wie auch die Fragestellung „<strong>Wer</strong> <strong>bin</strong> <strong>ich</strong>?“<br />

weder greifbar noch definierbar. Sie ist schwammig<br />

und wird von jedem Individuum anders wahrgenommen.<br />

Mehr als drei Monate hatte <strong>ich</strong> Zeit, um dieses<br />

Magazin zu entwickeln und ehrl<strong>ich</strong> gesagt, fühle <strong>ich</strong><br />

m<strong>ich</strong>, als hätte <strong>ich</strong> erst gestern die Idee ausgereift. Als<br />

hätte <strong>ich</strong> erst gestern die Shootings, Castings, einzelnen<br />

Textsorten geplant. Als wäre <strong>ich</strong> gestern durch die<br />

Läden gestiefelt, um Outfits für die Modelle zusammenzustellen,<br />

um kleine Gifts für die Interviewpartner herzustellen<br />

und <strong>ich</strong> darüber aufgeregt, dass <strong>ich</strong> einfach<br />

eine Schreibblockade habe. Als wäre es gestern gewesen,<br />

dass <strong>ich</strong> den ganzen Tag damit verbracht habe<br />

Termine zu vereinbaren, Anzeigen zu erstellen und mit<br />

Menschen über ihre Gesch<strong>ich</strong>ten zu sprechen. Ja, <strong>ich</strong><br />

<strong>bin</strong> viel herumgekommen, durfte einiges sehen und<br />

viel erfahren für das Magazin. Ich durfte m<strong>ich</strong> einige<br />

Male aufregen, weil es n<strong>ich</strong>t so klappte, wie <strong>ich</strong> wollte<br />

und das ganze Unterfangen als gescheitert erklären. Ich<br />

durfte Tage, ohne auch nur einmal an der frischen Luft<br />

gewesen zu sein, in meiner Wohnung verbringen und<br />

ein Wort nach dem anderen tippen, Bilder malen und<br />

meine Kreativität freien lauf lassen. Drei Monate in welchen<br />

<strong>ich</strong> ein Monat für die Ideensuche brauchte, einen<br />

weiteren für die Planung/Recherche und einen dritten<br />

für die Erstellung der Texte und Bilder. Drei Monate<br />

des tägl<strong>ich</strong>en Schaffens, die mit einer Idee begannen.<br />

Schreiben im Café<br />

47 | CrazyLife


Arbeitsbere<strong>ich</strong> - Selbstreflexion<br />

Und wer bist du?<br />

In der heutigen Zeit zählt die Selbstreflexion zu einer essenziellen Kompetenz, die jeder beherrschen sollte. Wie<br />

aber eignet man s<strong>ich</strong> diese Kompetenz an? Schließl<strong>ich</strong> wird sie weder in der Schule noch für gewöhnl<strong>ich</strong> im Elternhaus<br />

beigebracht.<br />

S<strong>ich</strong> selbst zu reflektieren ist gerade für ungeübte mit sehr viel Zeit und Geduld verbunden. Es wird viel Ruhe benötigt,<br />

damit die Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich auch erfolgre<strong>ich</strong> ist. Aber Achtung: <strong>Wer</strong> s<strong>ich</strong> selbst reflektieren<br />

möchte, s<strong>ich</strong> näher kennenlernen möchte und wissen will, warum man handelt, wie man handelt, darf n<strong>ich</strong>t<br />

erwarten, dass der Prozess mit einer Reflexionstunde zu Ende ist. Selbstreflexion passiert ständig und darf dauerhaft<br />

bei langfristiger Wirkung praktiziert werden.<br />

Auch wenn es zu Beginn mühsam ist und es eine Weile dauert, bis s<strong>ich</strong> Routine eingeschl<strong>ich</strong>en hat, ist es dennoch<br />

lohnend damit anzufangen.<br />

Was gewinnst du durch Selbstreflexion?<br />

Innerer Wachstum, Glück, Erfolg, Selbstbewusstsein und noch mehr sind die Früchte der Selbstreflexion. Sie ist im<br />

Alltag sehr vorteilhaft, da sie es ermögl<strong>ich</strong>t aus Fehlern zu lernen und beispielsweise Ziele anzupeilen. Sie lässt authentisch<br />

werden, da man s<strong>ich</strong> seiner selbst bewusst ist und sorgt somit für mehr Selbsts<strong>ich</strong>erheit.<br />

Selbsterkenntnis beugt Konflikte vor und hilft dabei Entscheidungen zu treffen. Die meisten Konflikte basieren auf<br />

Kommunikationsproblemen. Jemand sagt etwas und ein anderer interpretiert etwas hinein. Ist man uns<strong>ich</strong>er, von<br />

Zweifeln und Ängsten geplagt, dann können während eines Gesprächs Konflikte entstehen, die gar n<strong>ich</strong>t sein müssten.<br />

Auch Entscheidungen können durch Selbstreflexion schneller und sorgfältiger getroffen werden, denn wer<br />

weiß, wer er ist und wo er hin möchte, kann seine Entscheidungen zielführend treffen.<br />

Wie beginnst du?<br />

Zunächst mache dir bewusst, dass durch Selbstreflexion keine Wunder entstehen. Du wirst n<strong>ich</strong>t von heute auf<br />

morgen die Welt erobern und alles erre<strong>ich</strong>en, nur weil du dir ein Stückchen näher bist. Du wirst auch n<strong>ich</strong>t plötzl<strong>ich</strong><br />

zu mehr Selbstvertrauen kommen und deshalb endl<strong>ich</strong>e die Dinge angehen, für die du dir schon lange Mut<br />

wünschst. Nein! Es braucht seine Zeit und ist am Anfang langwierig.<br />

Nimm dir Zeit für die Verarbeitung und auch für d<strong>ich</strong>. Reflektierst du d<strong>ich</strong>, dann tue dies in Ruhe. Beispielsweise am<br />

Abend vor dem zu Bett gehen oder am Morgen nach dem Aufwachen. Schaffe die Routine, indem du Rituale einführst.<br />

Das kann jeden Abend zu einer bestimmten Uhrzeit eine Meditation sein oder am Morgen ein Eintrag in dein Tagebuch.<br />

W<strong>ich</strong>tig ist, dass du d<strong>ich</strong> an deine Rituale hältst. Gehe dabei ehrl<strong>ich</strong> mit dir um, denn Selbsterkenntnis ist das<br />

Ergebnis eines ehrl<strong>ich</strong>en Umgangs mit dir selbst. Es werden keine Erfolge s<strong>ich</strong>tbar, wenn du d<strong>ich</strong> selbst belügst oder<br />

die Wahrheit beschönigst. Nimm d<strong>ich</strong> in egal welcher Gefühlslage ernst, denn jedes deiner Gefühle und Gedanken<br />

hat seine Berechtigung. Sie sind da, weil sie dir etwas sagen wollen, du darfst ihnen aufmerksam zuhören.<br />

Vergiss n<strong>ich</strong>t deine eigene Wahrnehmung mit der deines Umfelds abzugle<strong>ich</strong>en. Es kommt oft vor, dass wir Menschen<br />

uns überschätzen oder unterschätzen. Deshalb ist es gar n<strong>ich</strong>t so verkehrt s<strong>ich</strong> von Menschen egal, ob enger<br />

Freund oder entfernter Bekannter ein Feedback einzuholen. Umso mehr Einschätzungen du von außen gewinnst,<br />

umso besser kannst du d<strong>ich</strong> reflektieren. Sei allerdings vors<strong>ich</strong>tig, denn die Meinung eines anderen muss kein Urteil<br />

sein. Sie soll dir ledigl<strong>ich</strong> al R<strong>ich</strong>tlinie dienen, um d<strong>ich</strong> besser einschätzen zu können.<br />

Dann auf, los gehts!<br />

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Ab sofort im Handel


Ausgabe 2 The Mai 2018<br />

Crazy Life<br />

Impressum<br />

The CrazyLife Magazin Erste Ausgabe März 2018<br />

Herausgeber: TheCrazyLife<br />

Gesamtleitung: Sahra-Latifa Anita Warrelmann<br />

Droste-Hülshoff-Straße 2<br />

71642 Ludwigbsurg<br />

Redaktion: TheCrazyLife<br />

Rechtl<strong>ich</strong>es<br />

Chefredakteuer: Sahra-Latifa Anita Warrelmann<br />

Autoren dieser Ausgabe: Sahra-Latifa Anita Warrelmann<br />

Grafik: Sahra-Latifa Anita Warrelmann<br />

Bildredaktion: Sahra-Latifa Anita Warrelmann<br />

Layout: Sahra-Latifa Anita Warrelmann<br />

Zielsetzung<br />

Freue d<strong>ich</strong> auf die nächste Ausgabe mit<br />

dem Titelthema Zielsetzung.<br />

Psychologen, Coaches und Politiker sprechen<br />

über Erfolg, Ziele und Persönl<strong>ich</strong>keitsentwicklung.<br />

Außerdem hat CrazyLife eine Liste und<br />

Anleitung zusammengestellt, die dir dabei<br />

hilft deine Ziele in den Alltag zu integrieren.<br />

Die Bilder sind in vielen Fällen Fotografien, die entweder von mir<br />

nach gemalt wurden oder mittels Photoshop von mir bearbeitet<br />

wurden.<br />

Modelle im Magazin:<br />

Ayleen W.; Dena T.; Anja W.;Lisa P.; Kerstin S.; Elisabeth S.<br />

Make-UP erstelltn von:<br />

Natalja Hardt; Kathrin Reinink; Svetlana Barna<br />

Insperation des Coverfoto und Titelbild, sowie des Rückseitenfoto<br />

und Bild neben der Rezension von:<br />

Cristina Hoch Fotografie, pikabu.ru & Alessio Albi Fotografie<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

TheCrazyLife,<br />

Droste-Hülshoff-Straße 2<br />

71642 Ludwigsburg<br />

sahra-latifawa@thecrazylife.de<br />

<strong>Wer</strong>beanzeigen: <strong>Wer</strong>beanzeigen wurden von Sahra-Latifa Anita<br />

Warrelmann eigenständig erstellt. Es handelt s<strong>ich</strong> um <strong>Wer</strong>beanzeigen<br />

für die Firma CrazyLife, die von Sahra-Latifa Anita Warrelmann<br />

gegründet wurde.<br />

Druck: www.diedruckerei.de, Neustadt a. d. Aisch<br />

Abschlussarbeit des Texterkurs:<br />

TX1017s1 an der Deutsche POP Akademie, Stammheimer Str. 10,<br />

70806 Kornwestheim<br />

Copyright: 2018 Für den gesamten Inhalt, soweit n<strong>ich</strong>t anders<br />

angegeben, by: Sahra-Latifa Anita Warrelmann.<br />

Erklärung eigene Erstellung:<br />

Die Abschlussarbeit wurde von Sahra-Latifa Anita Warrelmann<br />

selbständig verfasst und desigt. Es wurden keine anderen Hilfsmittel<br />

als angegeben verwendet. Fotos wurden selbstständig<br />

aufgenommen und bearbeitet. Bildl<strong>ich</strong>e Darstellungen sowie<br />

Quellen aus dem Internet wurden kenntl<strong>ich</strong> gemacht.<br />

51 | CrazyLife


You know life is crazy?

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