s'Magazin usm Ländle, 25. Februar 2018
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TOURISMUS<br />
XXXXXXXX<br />
Michael (Name vonder Redaktion geändert) erzählte der „Krone“von seinen Erfahrungen als Koch: Unbezahlte Überstunden<br />
seien die Regel, die Entlohnung ausgesprochen dürftig: „Wir wurden behandeltwie moderne Sklaven!“<br />
„Wie moderneSklaverei“<br />
Die heimischen Touristiker suchen händeringend nach Fachkräften, es<br />
fehlen Köche und Kellner. Stellt sich die Frage: Warum sind immer<br />
weniger Vorarlberger bereit, in der Gastronomie zu arbeiten? Ein<br />
Ex-Koch gibt der „Krone“ Einblick in die Schattenseiten der Branche:<br />
Nach 12 Stunden<br />
Schnitzel panieren,<br />
Kartoffeln schälen und<br />
Rösti braten, heißt’s<br />
noch die Küche blitzblank<br />
zu putzen. Gegen 1Uhr in der<br />
Nacht fällt man erschöpft in die Federn.<br />
Am nächsten Tag das gleiche<br />
Spiel –inder Hochsaison läuft das<br />
sechs Tage in der Woche so. Und oft<br />
hat der Chef für die ganzen Mühen<br />
nicht einmal ein Schulterklopfen übrig.<br />
Diese und ähnliche Geschichten<br />
weiß ein junger Kochaus Bludenzzuhauf<br />
zu erzählen. Über Jahre hat er<br />
sich für einen Hungerlohnabgeschuftet,<br />
irgendwann wollte er sich aber<br />
von seinem Arbeitgeber nicht mehr<br />
ausnutzen lassen und ließ den Kochlöffel<br />
fallen. Weil er anonym bleiben<br />
will, wird er in diesem Artikel Michael<br />
genannt. Michael wurde nach<br />
der Lehre und dem Bundesheer von<br />
seinem Ausbildungsbetrieb fix ange-<br />
Strukturproblem<br />
Michaelbetont, dass es sich bei seinem<br />
Schicksal um keinen Einzelfall<br />
handeln würde. Auch Arbeitskollegen<br />
ausanderenBetrieben hättenihm<br />
von regelmäßigen Überschreitungen<br />
der Normalarbeitszeitohne Lohnausgleich<br />
erzählt. Dass man es in der<br />
Gastronomie mit den gesetzlichen<br />
Vorgaben mitunter nicht allzu genau<br />
nimmt, kannauch Tourismusgewerkstellt.<br />
Für seine Rackerei bekam er<br />
1500 Euro netto, wobei sämtliche<br />
Überstunden pauschal miteingerechnet<br />
waren. Die Vereinbarung wurde<br />
zudem nicht vertraglich festgehalten,<br />
sondern nur mündlich getroffen–was<br />
offenbar in der Branche nichts Ungewöhnliches<br />
ist. Dem zuzustimmen<br />
war ein Fehler, wie er später feststellen<br />
sollte...<br />
„Während der Lehre waren es ein<br />
paar Minuten, die wir jedenTag mehr<br />
gearbeitet haben. Mit der Fixanstellung<br />
haben die Überstunden dann<br />
massiv zugenommen. Fast jeden Tag<br />
lag ich gleich mehrere Stunden über<br />
der eigentlichen Regelarbeitszeit.“ In<br />
seinem Betrieb habe beim Personal<br />
ein reges Kommen und Gehen geherrscht.„Kaum,<br />
dass sie angefangen<br />
haben, sind viele auch schon wieder<br />
gegangen.“ Im Optimalfall hätte die<br />
Küchenmannschaft aus zehn bis 12<br />
Personenbestehen sollen,inder Rea-<br />
lität waren es meist nur fünf oder<br />
sechs. Die Konsequenz: „Je weniger<br />
Leute wir waren, desto länger mussten<br />
wir eben arbeiten.“ 12-Stunden-<br />
Tage seien eher Regel denn Ausnahme<br />
gewesen. „Das macht dich kaputt,<br />
wenn dunur am Arbeiten bist und<br />
kaum noch Zeit zum Regenerieren<br />
hast.“ Honoriert wurde der Einsatz<br />
nicht: Niemand vom Küchenpersonal<br />
bekam auch nur eine Überstunde ausbezahlt.<br />
„Wenn ich deswegen zum<br />
Chef gegangen bin, hat er gesagt, ich<br />
kann ja gehen, wenn es mir nicht<br />
passt. Wir wurden behandeltwie moderne<br />
Sklaven.“ Zwei Jahre machte<br />
Michael die Tortur mit, dann warf er<br />
das Handtuch.<br />
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