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Bundeswehr in der Schule<br />
Ein Streitthema<br />
Thema<br />
Die Bundeswehr im Klassenzimmer - ein Bild, das seit Abschaffung der Wehrpflicht<br />
immer häufiger zu sehen ist. Sogenannte Kooperationsvereinbarungen zwischen der<br />
Bundeswehr und den Ländern regeln die Einbindung der Bundeswehr in den schulischen<br />
Unterricht. Allerdings sind die Besuche von Jugendoffizieren in den Schulen auch umstritten.<br />
Die Gewerkschaft GEW und Friedensorganisationen kritisieren die Einbeziehung der Bundeswehr<br />
in den schulischen Alltag und sehen darin einen Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention.<br />
Sie fordern mehr Friedensbildung an deutschen Schulen statt Werbung für den Militärdienst.<br />
Auch innerhalb des BDKJ gibt es unterschiedliche Positionen zu diesem Thema. Was meint ihr?<br />
Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!<br />
Ein Meinungsbeitrag von Schulpfarrer und Kurat der DPSG Fulda Sebastian Bieber<br />
PRO<br />
Gewaltlosigkeit<br />
läßt sich leicht fordern<br />
von dem,<br />
der keine Gewalt<br />
zu fürchten braucht!<br />
6<br />
Kläffende Stimme, wenig Worte, stämmige<br />
Figur. Gegerbte Haut. Würde er<br />
antreten lassen? T minus drei. Noch drei<br />
Minuten bis zur Erstbegegnung. Achtung!<br />
Die Tür öffnet sich. Eintritt der Herr<br />
Hauptmann M.<br />
T plus zwo. Und da steht ein Mann<br />
vor einem, der gar nicht dem Klischee<br />
entspricht, das sich ein großer Teil des<br />
Kurses gemacht hatte. Ja: Dass die<br />
Vernichtung des Gegners, sofern nach<br />
rechtlicher und ethischer Prüfung sowie<br />
Legitimierung durch den Deutschen<br />
Bundestag genehmigt, und die Durchsetzung<br />
der Interessen unseres Landes zum<br />
Kerngeschäft der Bundeswehr gehören,<br />
das verschweigt er nicht. Warum sollte<br />
er auch? Die Bundeswehr ist mit ihren<br />
Soldaten Teil nicht nur unseres demokratischen<br />
Rechtstaates, sondern auch ein<br />
unverzichtbarer Teil unseres Gemeinwesens,<br />
der die von außen bedrohte Sicherheit<br />
Deutschlands tagtäglich verteidigt.<br />
In der Bibel fällt mir in der Vorbereitung<br />
des Besuchs des Jugendoffiziers<br />
eine Stelle ein: „Suche Frieden, jage ihm<br />
nach!“ Die Worte des Psalms weisen dabei<br />
darauf hin, daß der Frieden uns Menschen<br />
nicht in den Schoß fällt, sondern<br />
immer wieder erkämpft werden muß. In<br />
diesem Zusammenhang bin ich glücklich<br />
über die politische und philosophische<br />
Entwicklung, die zunehmend erkennt,<br />
dass ein radikaler Pazifismus, dem immer<br />
BDKJ-Thema<br />
noch so häufig das Wort geredet wird,<br />
allein nicht dazu in der Lage ist, Frieden<br />
zu sichern und Unrecht zu beseitigen.<br />
Es gibt jene Situationen und Lagen, in<br />
denen wir durch Unterlassen schuldig<br />
werden, wenn wir nicht einschreiten, um<br />
der Gerechtigkeit den Weg zu bahnen.<br />
Ja, und es gibt auch jene Situationen, in<br />
denen wir uns – wie es die großen griechischen<br />
Tragödien seit Jahrtausenden<br />
vor Augen führen – in Entscheidungssituationen<br />
begeben, in denen wir Schuld<br />
auf uns nehmen müssen, um größeres<br />
Unrecht zu verhindern.<br />
Schaut man sich die Entwicklung<br />
des internationalen Terrors an, der in<br />
jüngster Zeit in den Angriffen des sogenannten<br />
Islamischen Staates immer neue<br />
Beispiele von Brutalität und bestialischer<br />
Grausamkeit liefert, so wird deutlich,<br />
dass die Hände nicht im Schoß liegenbleiben<br />
dürfen. Da wo Unrecht herrscht,<br />
da wo Unterdrückung ausufert und ganze<br />
Landstriche und Volksgruppen versklavt<br />
werden, da ist der Pazifismus keine<br />
moralisch legitime Option mehr. Ich<br />
komme nicht umhin zu sagen: Es spricht<br />
den Opfern Hohn, wenn wir aus einer<br />
befriedeten und ruhigen Gesellschaft<br />
heraus einen Pazifismus einfordern, den<br />
wir selbst in unserem Leben niemals<br />
werden einlösen müssen, da wir von<br />
kriegerischen Handlungen in absehbarer<br />
Zeit nicht betroffen sein werden.<br />
Das Geschenk des Friedens, das wir<br />
auf bundesdeutschem Staatsgebiet seit<br />
1945 erleben und für uns zur unhinterfragten<br />
Selbstverständlichkeit geworden<br />
ist, wird jeden Tag teuer erkauft. Ich<br />
denke an die 103 Bundeswehrsoldaten,<br />
die in Ausübung ihres Dienstes fielen.<br />
Opfer, die auch in unserer Region erbracht<br />
wurden, wenn ich an den im Jahre<br />
2008 gefallenen Stabsgefreiten Patric<br />
Sauer aus Fulda denke, der im afghanischen<br />
Kundus seinen Dienst versah.<br />
T plus 90. Von Verherrlichung<br />
des Krieges, von antidemokratischen<br />
Stimmungen, von rauchenden Colts und<br />
leichtfertigen Fingern am Abzug habe<br />
ich nichts gespürt. Die Schüler übrigens<br />
auch nicht, und die haben weiß Gott selten<br />
eine einheitliche Meinung zu diesem<br />
Thema. Spürbar war das Ringen eines<br />
jungen Offiziers, das Richtige zu tun.<br />
Und die Bereitschaft, dafür – und für<br />
unsere Sicherheit – alles einzusetzen,<br />
was ihm lieb und teuer ist. {<br />
Sebastian Bieber<br />
forschte nach seinem<br />
Studium der Theologie<br />
und Philosophie in Fulda,<br />
Oxford und Rom am militärwissenschaftlichen<br />
Institut,<br />
Lehrstuhl für Militärstrategie,<br />
des King’s College London zu<br />
asymmetrischen Bedrohungslagen. Dort<br />
regelmäßige Kontakte zur Königlichen<br />
Militärakademie Sandhurst. Der Autor<br />
gibt seine private Meinung wieder.<br />
BDKJ magazin • 1.<strong>2018</strong>