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Magazin 2018 druckpdf

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Bundeswehr in der Schule<br />

Ein Streitthema<br />

Thema<br />

Die Bundeswehr im Klassenzimmer - ein Bild, das seit Abschaffung der Wehrpflicht<br />

immer häufiger zu sehen ist. Sogenannte Kooperationsvereinbarungen zwischen der<br />

Bundeswehr und den Ländern regeln die Einbindung der Bundeswehr in den schulischen<br />

Unterricht. Allerdings sind die Besuche von Jugendoffizieren in den Schulen auch umstritten.<br />

Die Gewerkschaft GEW und Friedensorganisationen kritisieren die Einbeziehung der Bundeswehr<br />

in den schulischen Alltag und sehen darin einen Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention.<br />

Sie fordern mehr Friedensbildung an deutschen Schulen statt Werbung für den Militärdienst.<br />

Auch innerhalb des BDKJ gibt es unterschiedliche Positionen zu diesem Thema. Was meint ihr?<br />

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!<br />

Ein Meinungsbeitrag von Schulpfarrer und Kurat der DPSG Fulda Sebastian Bieber<br />

PRO<br />

Gewaltlosigkeit<br />

läßt sich leicht fordern<br />

von dem,<br />

der keine Gewalt<br />

zu fürchten braucht!<br />

6<br />

Kläffende Stimme, wenig Worte, stämmige<br />

Figur. Gegerbte Haut. Würde er<br />

antreten lassen? T minus drei. Noch drei<br />

Minuten bis zur Erstbegegnung. Achtung!<br />

Die Tür öffnet sich. Eintritt der Herr<br />

Hauptmann M.<br />

T plus zwo. Und da steht ein Mann<br />

vor einem, der gar nicht dem Klischee<br />

entspricht, das sich ein großer Teil des<br />

Kurses gemacht hatte. Ja: Dass die<br />

Vernichtung des Gegners, sofern nach<br />

rechtlicher und ethischer Prüfung sowie<br />

Legitimierung durch den Deutschen<br />

Bundestag genehmigt, und die Durchsetzung<br />

der Interessen unseres Landes zum<br />

Kerngeschäft der Bundeswehr gehören,<br />

das verschweigt er nicht. Warum sollte<br />

er auch? Die Bundeswehr ist mit ihren<br />

Soldaten Teil nicht nur unseres demokratischen<br />

Rechtstaates, sondern auch ein<br />

unverzichtbarer Teil unseres Gemeinwesens,<br />

der die von außen bedrohte Sicherheit<br />

Deutschlands tagtäglich verteidigt.<br />

In der Bibel fällt mir in der Vorbereitung<br />

des Besuchs des Jugendoffiziers<br />

eine Stelle ein: „Suche Frieden, jage ihm<br />

nach!“ Die Worte des Psalms weisen dabei<br />

darauf hin, daß der Frieden uns Menschen<br />

nicht in den Schoß fällt, sondern<br />

immer wieder erkämpft werden muß. In<br />

diesem Zusammenhang bin ich glücklich<br />

über die politische und philosophische<br />

Entwicklung, die zunehmend erkennt,<br />

dass ein radikaler Pazifismus, dem immer<br />

BDKJ-Thema<br />

noch so häufig das Wort geredet wird,<br />

allein nicht dazu in der Lage ist, Frieden<br />

zu sichern und Unrecht zu beseitigen.<br />

Es gibt jene Situationen und Lagen, in<br />

denen wir durch Unterlassen schuldig<br />

werden, wenn wir nicht einschreiten, um<br />

der Gerechtigkeit den Weg zu bahnen.<br />

Ja, und es gibt auch jene Situationen, in<br />

denen wir uns – wie es die großen griechischen<br />

Tragödien seit Jahrtausenden<br />

vor Augen führen – in Entscheidungssituationen<br />

begeben, in denen wir Schuld<br />

auf uns nehmen müssen, um größeres<br />

Unrecht zu verhindern.<br />

Schaut man sich die Entwicklung<br />

des internationalen Terrors an, der in<br />

jüngster Zeit in den Angriffen des sogenannten<br />

Islamischen Staates immer neue<br />

Beispiele von Brutalität und bestialischer<br />

Grausamkeit liefert, so wird deutlich,<br />

dass die Hände nicht im Schoß liegenbleiben<br />

dürfen. Da wo Unrecht herrscht,<br />

da wo Unterdrückung ausufert und ganze<br />

Landstriche und Volksgruppen versklavt<br />

werden, da ist der Pazifismus keine<br />

moralisch legitime Option mehr. Ich<br />

komme nicht umhin zu sagen: Es spricht<br />

den Opfern Hohn, wenn wir aus einer<br />

befriedeten und ruhigen Gesellschaft<br />

heraus einen Pazifismus einfordern, den<br />

wir selbst in unserem Leben niemals<br />

werden einlösen müssen, da wir von<br />

kriegerischen Handlungen in absehbarer<br />

Zeit nicht betroffen sein werden.<br />

Das Geschenk des Friedens, das wir<br />

auf bundesdeutschem Staatsgebiet seit<br />

1945 erleben und für uns zur unhinterfragten<br />

Selbstverständlichkeit geworden<br />

ist, wird jeden Tag teuer erkauft. Ich<br />

denke an die 103 Bundeswehrsoldaten,<br />

die in Ausübung ihres Dienstes fielen.<br />

Opfer, die auch in unserer Region erbracht<br />

wurden, wenn ich an den im Jahre<br />

2008 gefallenen Stabsgefreiten Patric<br />

Sauer aus Fulda denke, der im afghanischen<br />

Kundus seinen Dienst versah.<br />

T plus 90. Von Verherrlichung<br />

des Krieges, von antidemokratischen<br />

Stimmungen, von rauchenden Colts und<br />

leichtfertigen Fingern am Abzug habe<br />

ich nichts gespürt. Die Schüler übrigens<br />

auch nicht, und die haben weiß Gott selten<br />

eine einheitliche Meinung zu diesem<br />

Thema. Spürbar war das Ringen eines<br />

jungen Offiziers, das Richtige zu tun.<br />

Und die Bereitschaft, dafür – und für<br />

unsere Sicherheit – alles einzusetzen,<br />

was ihm lieb und teuer ist. {<br />

Sebastian Bieber<br />

forschte nach seinem<br />

Studium der Theologie<br />

und Philosophie in Fulda,<br />

Oxford und Rom am militärwissenschaftlichen<br />

Institut,<br />

Lehrstuhl für Militärstrategie,<br />

des King’s College London zu<br />

asymmetrischen Bedrohungslagen. Dort<br />

regelmäßige Kontakte zur Königlichen<br />

Militärakademie Sandhurst. Der Autor<br />

gibt seine private Meinung wieder.<br />

BDKJ magazin • 1.<strong>2018</strong>

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