Unser oberster Priester T e x t S e b a s t i a n H e c k
Die dritte Strophe des bekannten Liedes „Welch ein Freund ist unser Jesus“ endet: „ …o, so ist uns Jesus alles: König, Priester und Prophet!“ 1 Woher kommt diese Redeweise und inwiefern stimmt es, dass Jesus Christus als unser König, unser Priester und unser Prophet „uns alles ist“? Und wenn es stimmt, was hat das mit dem christlichen Leben, unserem Leben im Hier und Jetzt zu tun? as „dreifache Amt“ Christi Die Sendung und das Werk Christi in diesem Dreiklang der Ämter zusammenzufassen geht zurück auf die Kirchenväter, die es so dem Alten und Neuen Testament entnahmen. In der Reformation gab es eine Rückbesinnung der Kirche auf Christus als ihr einziges Haupt – entgegen den Ansprüchen des Papsttums – und damit auf die Ämter Christi. Noch bevor der Reformator Johannes Calvin in seinem Handbuch der Theologie, dem „Unterricht in der christlichen Religion“, zur eigentlichen Heilslehre kommt 2 , behandelt er die grundlegende Frage, „wozu Christus uns vom Vater gesandt ward“ 3 . Darin entfaltet er das so genannte „dreifache Amt Christi“. Gemäß Calvin, ist diese Lehre kein Luxus, sondern eine echte Notwendigkeit für unseren Glauben. Wir haben keinen ganzen Christus, und deshalb auch kein ganzes Heil, wenn wir Christus nicht als König, Priester und als Propheten kennen. So Calvin: „Soll also der Glaube in Christus wirklich den festen Grund alles Heils finden, soll er ganz auf ihm ruhen, so muss der Grundsatz gelten: das Amt, das ihm der Vater vertraut hat, umfasst drei Aufgaben. Er ist uns nämlich zum Propheten, zum König und zum Priester gesetzt.“ 4 Das Werk Christi können wir nicht verstehen, wenn wir nicht die Person Christi begreifen. Das Heil hätte nicht von irgendeiner Person vollbracht werden können, sondern nur vom fleischgewordenen ewigen Gottessohn. Umgekehrt gilt: der Sohn Gottes hätte nicht irgendein Heil vollbringen können, sondern nur dies eine und nur auf eine Weise. Person und Werk Christi gehören untrennbar zusammen. Seine Person aber müssen (und können) wir nur verstehen auf Grundlage der alttestamentlichen Verheißungen über ihn, sowie der schattenhaften Vorausdeutungen seiner Person und seines Werks in den Institutionen des Alten Bundes. Was sind die fundamentalen Institutionen, die Gott seinem Volk gegeben hat? Von Anfang an sind es drei: es ist die göttliche Lehre, vermittelt durch den Mund der Propheten; die Gottesherrschaft und Regierung, ausgeübt durch Könige, teilweise auch Richter; und schließlich der Gottesdienst mit seinem Opferkult, ausgeführt durch die Priester. Könige, Priester und Propheten waren die Säulen des gesellschaftlichen, politischen und religiösen Leben des Volkes Israels. Diese drei Einrichtungen sind natürlich nicht willkürlich, sondern reflektieren etwas Wesentliches vom Wesen Gottes. Er ist ein Gott, der redet und sich offenbart. Das ist der „prophetische“ Aspekt. Dann ist er aber auch ein Gott, der regiert und herrscht als König. Und schließlich ist er ein Gott, der – bereits vor dem Sündenfall – die Gemeinschaft mit dem Menschen und dessen „priesterliche“ Anbetung sucht. Diese Wesenszüge hat Gott selber dann aber auch dem Menschen eingestiftet, den er in seinem Abbild, „ihm ähnlich“ geschaffen hat (vgl. 1Mos 1,26-27). Er hat ihn zum „Vizekönig“ bestimmt, zum königlichen Herrscher (1Mos 1,26-28), der im Heiligtum des Paradiesgartens einen priesterlichen Dienst verrichtet und auch als Prophet aktiv wird (vgl. 1Mos 2,19-20). Doch die drei Hauptämter im Volk Israel sind nicht nur das Spiegelbild dreier Eigenschaften Gottes oder – analog dazu – dreier Aufträge des Menschen als Ebenbild dieses Gottes. Die große Gemeinsamkeit dieser Ämter im Volk Gottes besteht darin, dass sie jeweils zu diesem Amt von Gott selbst gesalbt wurden. Propheten wurden gesalbt (z.B. Ps 105,15; Jes 61,1; 1Kön 19,15- 16); Könige wurden gesalbt (z.B. die Salbung Davids: 1Sam 16,1-13); und Priester ebenso (z.B. Aaron: 2Mos 29,21; 3Mos 8,12; 3Mos 4,3.16). Die Salbung war die göttliche Legitimation für den Dienst. Sie war aber auch untrennbar verbunden mit der Gabe des Heiligen Geistes. Bei der Salbung Davids etwa lesen wir: „Und der Geist des HERRN kam über David, von diesem Tag an und weiterhin“ (1Sam 6,13). Bereits im Alten Testament finden wir „Grenzüberschreitungen“ zwischen diesen drei Hauptämtern. Priester, die auch Könige waren (Ps 110); Richter, die auch Propheten waren (Samuel); Könige, die auch Propheten waren (David). Vor allem sehen wir das bei Melchisedek – einem wichtigen Vorboten Christi – der „König von Salem, ein Priester Gottes, des Allerhöchs- <strong>Timotheus</strong> • 13