Von einem der das <strong>Kreuz</strong> auf sich nahm T e x t P E T E R V O T H
Es war, als hätte Johannes der Täufer mit mahnender und gewaltiger Prophetenstimme aus den Kerkern des Herodes auf den Appellplatz von Buchenwald gerufen, berichteten Überlebende. „So spricht der Herr: Ich bin die Auferstehung und das Leben“ waren die Worte, die den Häftlingen durch Mark und Bein gingen. Es war Ostersonntag – und die Stimme gehörte Pfarrer Paul Schneider. aul Schneider, der Prediger von Buchenwald, und Dietrich Bonhoeffer, der Widerstandskämpfer, waren Zeitgenossen und gelten als die bekanntesten Märtyrer des zweiten Weltkrieges. Doch während Bonhoeffer enormen Zuspruch (auch unter Evangelikalen) erhält, ist Paul Schneider weit weniger bekannt und nur verhältnismäßig wenige kennen seine Geschichte. Auf den ersten Blick scheinen beide Lebensbilder sehr ähnlich zu sein. Beide waren evangelische Pastoren und beide starben in einem KZ unter dem nationalsozialistischen Regime Adolf Hitlers. Doch trotz aller (augenscheinlichen) Parallelen unterschieden sich Leben, Wandel und Umstand des Martyriums der beiden Pastoren auf erstaunliche Weise. „Das <strong>Kreuz</strong> auf sich nehmen“ war für Paul Schneider nie ein leeres Kanzelwort, das halt so im Neuen Testament steht und das man einfach predigen und dem man eine abstrakte Deutung geben muss (wie es heute so vielfach der Fall ist). Nein, er predigte und lebte es. Diese Worte aus Matthäus 16,24 waren für ihn kein Versuch oder vages Vorhaben. Es war sein radikales Statement und nahm damit allen Namenschristen in der Nazizeit den Wind aus den Segeln. Während Bonhoeffer seine Hand zum Hitlergruß hob, um nicht auffällig zu werden, nahm Schneider auf dem Appellplatz des KZ nicht mal seine Mütze ab, um dem „Hakenkreuz“ die Ehre zu erweisen (was ihm schreckliche Strafen einbrachte). Paul Schneiders Geschichte ist so beeindruckend, heroisch, anrührend und „tragisch“, als wäre sie direkt aus der Bibel. Ein zerschlagener Zweifler Paul wurde am 29. August 1897 in bescheidene, aber behütete Verhältnisse hineingeboren. Sein Vater war Pfarrer auf dem Land und unterhielt auch einen Hof, auf dem Paul schon früh mithalf. Nachdem er als Soldat aus dem 1. Weltkrieg zurückgekehrt war (er wurde für seinen Soldatendienst mit dem Eisernen <strong>Kreuz</strong> Zweiter Klasse ausgezeichnet), studierte Paul Theologie in Gießen, Marburg und Tübingen. Infolgedessen lernte er auch seine Frau Margarete kennen, die er kurz vor seiner Amtseinführung als Pfarrer in Hochelheim (Schneider übernahm dort das Pastorat seines Vaters, als dieser starb) im August 1926 heiratete. Davor war Paul Schneider fast ein Jahr bei der Stadtmission in Berlin als Helfer tätig. Diese Zeit sollte ihn entscheidend prägen, denn er kam mit der Erweckungsbewegung in Berührung, in der er erstmals eine sprichwörtliche Hingabe an Christus erlebte. Er berichtete seinerzeit: „Sie machen den Eindruck von wirklich Erlösten. Sie bewähren Ihr Christentum in großer Opferkraft und Freudigkeit. Ganz kindlich verkehren sie mit dem Heiland wie mit dem nahen und wirklich lebendigen Freund, der gewiss all ihr Anliegen erhört.“ 1 Paul Schneiders Geschichte ist so beeindruckend, heroisch, anrührend und „tragisch“, als wäre sie direkt aus der Bibel. <strong>Timotheus</strong> • 19