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<strong>Teilhabe</strong> <strong>und</strong> <strong>Unterstützung</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong><br />

Aktuelle Entwicklungen<br />

<strong>und</strong> Perspektiven<br />

Positionspapier<br />

der v. Bodelschwinghschen<br />

Anstalten Bethel<br />

Juni 2004


Dieses Positionspapier wurde vom<br />

Fachausschuss Behindertenhilfe der<br />

v. Bodelschwinghschen Anstalten<br />

Bethel erarbeitet:<br />

Ottokar Baum<br />

Michael Conty<br />

Hans-Gerd Daubertshäuser<br />

Dr. Gudrun Dobslaw<br />

Ulrich Hentschel<br />

Reinhard Hinz<br />

Hans-Joachim Klamma<br />

Fred Köhler<br />

Rainer Nußbicker<br />

Ursula Roepell<br />

Prof. Dr. Michael Seidel<br />

Prof. Dr. Ingmar Steinhart<br />

Frank Thies<br />

Regine Weißenfeld<br />

Ulrich Wiggers<br />

Bernward Wolf<br />

<strong>Teilhabe</strong> <strong>und</strong> <strong>Unterstützung</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong><br />

Aktuelle Entwicklungen <strong>und</strong> Perspektiven<br />

Positionspapier der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel<br />

Inhalt<br />

Gemeinschaft verwirklichen 4<br />

Vision <strong>für</strong> die Arbeit der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel<br />

Vorwort 5<br />

Woran orientieren wir uns in unserer Arbeit <strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong>,<br />

die behindert sind 7<br />

Jeder Mensch hat den Wunsch, ein gelingendes Leben zu führen<br />

Ressourcen wahrnehmen – Assistenz anbieten<br />

Selbstbestimmung fördern<br />

Beteiligungsformen entwickeln<br />

Das soziale Netz stärken<br />

<strong>Teilhabe</strong> am Leben in der Gesellschaft ermöglichen<br />

Inklusion – Leben in der Gemeinde unterstützen<br />

Ges<strong>und</strong>heit erhalten <strong>und</strong> fördern<br />

Bildungswege gestalten<br />

Berufliche Rehabilitation <strong>und</strong> Beschäftigung<br />

Tagesförderangebote <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> hohem<br />

<strong>Unterstützung</strong>sbedarf<br />

Tagesförderangebote <strong>für</strong> Seniorinnen <strong>und</strong> Senioren<br />

Unsere Arbeit wird von vielen unterstützt<br />

Unsere Kompetenzen <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />

In Partnerschaften lernen<br />

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen 13<br />

Unsere Angebote 17<br />

Betheler Erklärung vom 4. Oktober 2003 19<br />

2<br />

Seite


Gemeinschaft verwirklichen –<br />

Vision <strong>für</strong> die Arbeit der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel<br />

Unsere Vision ist das selbstverständliche Zusammenleben, das gemeinsame Lernen <strong>und</strong> Arbeiten aller <strong>Menschen</strong> in<br />

ihrer Verschiedenheit: Mehr oder weniger ges<strong>und</strong>e, mehr oder weniger behinderte, mehr oder weniger leistungsfähige,<br />

jüngere <strong>und</strong> ältere <strong>Menschen</strong>, <strong>Menschen</strong> unterschiedlicher kultureller Herkunft <strong>und</strong> religiöser Prägung sollen als<br />

Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger <strong>mit</strong> gleichen Rechten <strong>und</strong> Chancen in der Gesellschaft leben.<br />

Unsere Vision gründet im christlichen Glauben <strong>und</strong> beruht auf der Achtung der unveräußerlichen Würde jedes einzelnen<br />

<strong>Menschen</strong> als Geschöpf Gottes. Sie fordert Nächstenliebe, Solidarität <strong>und</strong> einen fairen Interessenausgleich im<br />

Zusammenleben.<br />

Qualifiziert helfen<br />

Wir verstehen unsere Hilfeangebote<br />

als Dienstleistungen <strong>und</strong> uns selbst als<br />

Dienstleisterinnen <strong>und</strong> Dienstleister.<br />

Wir achten das Selbstbestimmungsrecht<br />

der <strong>Menschen</strong>, die unsere Angebote<br />

nutzen. Deshalb gewährleisten<br />

wir umfas-sende Wahl- <strong>und</strong> Mitgestaltungsmöglichkeiten<br />

bei Art <strong>und</strong><br />

Umfang unserer sozialen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen<br />

Dienstleistungen. Wir bieten<br />

Dienstleistungen von hoher<br />

Qualität. Die uns zur Verfügung<br />

stehenden Ressourcen nutzen wir <strong>für</strong><br />

die Umsetzung des bestmöglichen<br />

fachlichen Standards.<br />

Orientierung geben<br />

Als handelnde Kirche gründen wir<br />

unsere Arbeit auf den christlichen<br />

Glauben <strong>und</strong> christliche Werte.<br />

In der Begegnung <strong>mit</strong> dem einzelnen<br />

<strong>Menschen</strong> unterstützen wir Bedürfnisse<br />

nach Wertorientierung, Sinnsuche<br />

<strong>und</strong> religiöser Orientierung.<br />

Dies prägt unser gemeinsames Leben<br />

<strong>und</strong> Arbeiten ebenso wie die Gestaltung<br />

unserer Bildungs- <strong>und</strong> Ausbildungsangebote.<br />

Wir nehmen uns Zeit <strong>und</strong> Raum <strong>für</strong><br />

Seelsorge <strong>und</strong> Gottesdienst, die<br />

Feiern des Kirchenjahres, das Erleben<br />

von Spiritualität. Wir setzen uns ein<br />

<strong>für</strong> eine menschliche Gesellschaft. In<br />

unserem gesellschafts- <strong>und</strong> sozialpolitischen<br />

Engagement sind wir besonders<br />

den Rechten <strong>und</strong> Bedürfnissen<br />

der <strong>Menschen</strong> verpflichtet, die<br />

am schwersten von Krankheit, <strong>Behinderung</strong>,<br />

sozialer Benachteiligung <strong>und</strong><br />

Ausgrenzung betroffen sind.<br />

3<br />

Orte zum Leben gestalten<br />

Wir verstehen Bethel als Idee: Wir<br />

fördern die Integration von sozial benachteiligten<br />

<strong>Menschen</strong> <strong>und</strong> von<br />

<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> <strong>und</strong> Erkrankungen<br />

an verschiedenen Orten<br />

in der Gesellschaft <strong>und</strong> beteiligen uns<br />

an der Gestaltung der jeweiligen Gemeinwesen.<br />

Wo es erforderlich ist,<br />

machen wir dazu eigene Angebote,<br />

kooperieren <strong>mit</strong> anderen Trägern oder<br />

beraten <strong>und</strong> unterstützen Initiativen<br />

vor Ort.<br />

Zugleich verstehen wir Bethel als<br />

Modell. In unseren gewachsenen<br />

Ortschaften gestalten wir exemplarisch<br />

das Zusammenleben unterschiedlicher<br />

<strong>Menschen</strong>: <strong>Menschen</strong>,<br />

die unsere Dienstleistungen in Anspruch<br />

nehmen, <strong>Menschen</strong>, die bei<br />

uns arbeiten, <strong>Menschen</strong>, die aus<br />

anderen Gründen in diesen Ortschaften<br />

leben möchten. Hierbei ermöglichen<br />

wir die Mitwirkung aller<br />

beteiligten Gruppen.<br />

Dezember 2001


Vorwort<br />

Gemeinschaft verwirklichen – auf Augenhöhe<br />

Das selbstverständliche Zusammenleben, das gemeinsame Lernen <strong>und</strong> Arbeiten aller <strong>Menschen</strong> in ihrer Verschiedenheit<br />

– an dieser Vision orientieren wir uns in der Arbeit in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel.<br />

Jeder Mensch wünscht sich ein erfülltes, gelingendes Leben. Da<strong>mit</strong> ein Mensch seinen individuellen Weg finden <strong>und</strong><br />

gehen <strong>und</strong> <strong>mit</strong>gestalten kann, braucht er Spielraum <strong>für</strong> eigene Erfahrungen; er braucht Gelegenheiten zu lernen <strong>und</strong><br />

Alternativen auszuprobieren; er braucht die Möglichkeit der Wahl <strong>und</strong> der eigenen Entscheidung. - Jeder Mensch lebt<br />

in sozialen Beziehungen, nimmt Anteil am Leben anderer <strong>und</strong> gibt Anteil am eigenen Leben. Eine wesentliche Gr<strong>und</strong>lage<br />

da<strong>für</strong> sind Vertrauen zu sich selbst <strong>und</strong> die Verlässlichkeit anderer <strong>Menschen</strong>, so dass jeder Einzelne seine Gaben<br />

<strong>und</strong> Möglichkeiten einbringen <strong>und</strong> seinen eigenen Ort in der Gemeinschaft finden kann.<br />

Zugleich machen wir als <strong>Menschen</strong> die Erfahrung, dass unser Leben bruchstückhaft bleibt. Wir stoßen an Grenzen <strong>und</strong><br />

wir setzen Grenzen. Wir sind angewiesen auf Gemeinschaft <strong>mit</strong> anderen <strong>und</strong> in unterschiedlicher Weise auch auf <strong>Unterstützung</strong><br />

<strong>und</strong> Hilfe. Wir erreichen nicht jedes Ziel, <strong>und</strong> wir werden unseren eigenen Möglichkeiten <strong>und</strong> anderen<br />

<strong>Menschen</strong> nicht immer gerecht.<br />

Erfüllung, Gelingen unseres Lebens kann da spürbar werden, wo wir in dieser Offenheit das eigene Leben annehmen<br />

<strong>und</strong> bejahen können als ein Leben, das einzigartig ist <strong>und</strong> einen Sinn hat, wo wir die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten<br />

nutzen <strong>und</strong> Gemeinschaft erleben. Dies realisiert sich in einer großen Vielfalt individueller Lebenswege.<br />

Der christliche Glaube bietet da<strong>für</strong> Orientierung <strong>und</strong> Ermutigung.<br />

Unsere Angebote richten sich an <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Lernschwierigkeiten ebenso wie an <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> schwerer Mehrfachbehinderung<br />

oder anderen Beeinträchtigungen. Mit unseren Hilfen wollen wir sie dabei unterstützen <strong>und</strong> ihnen<br />

Möglichkeiten eröffnen, ihr Leben selbst zu gestalten <strong>und</strong> zu verantworten. Mit diesem Ziel entwickeln wir unsere<br />

Angebote. Wir sind auf dem Weg. Dabei wissen wir: Dass ein Leben gelingt, ist letztlich nicht planbar, es bleibt ein<br />

Geschenk.<br />

Im internationalen Recht <strong>und</strong> internationaler Politik sind die Rechte von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> einer <strong>Behinderung</strong> in den letzten<br />

Jahren deutlicher in den Blick gekommen. Eine Reihe von Staaten sind uns in ihrer rechtlichen Entwicklung <strong>und</strong> in<br />

der alltäglichen Ermöglichung von <strong>Teilhabe</strong> <strong>und</strong> Selbstbestimmung voraus. Jedoch hat es auch in unserer Gesellschaft<br />

in den vergangenen Jahren – trotz aller finanziellen <strong>und</strong> politischen Schwierigkeiten – eine ganze Reihe positiver Entwicklungen<br />

gegeben, die mehr Selbstbestimmung <strong>und</strong> <strong>Teilhabe</strong> von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> ermöglichen.<br />

Dies nehmen wir zum Ausgangspunkt weiterer Entwicklungen.<br />

Mit diesem Papier beschreiben wir die Position der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage<br />

unterstützen wir <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>.<br />

Bei den Betheler Aktionstagen, die wir im Zusammenhang des Europäischen Jahres der <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> im<br />

Oktober 2003 durchgeführt haben, haben sich viele <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> der Situation behinderter <strong>Menschen</strong> <strong>und</strong> den Notwendigkeiten<br />

weiterer Entwicklungen beschäftigt. Zum Abschluss der Tage haben die Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer<br />

die „Betheler Erklärung“ verabschiedet (s. Seite 19). An der Formulierung waren <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong><br />

beteiligt. Eine Reihe von Anregungen aus der Betheler Erklärung haben wir in diesem Positionspapier bereits aufgenommen.<br />

Wir wünschen uns das Gespräch über unsere Positionen <strong>mit</strong> Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern, <strong>mit</strong> Angehörigen, <strong>mit</strong><br />

externen Fachleuten <strong>und</strong> insbesondere <strong>mit</strong> betroffenen <strong>Menschen</strong>. Auf diese Weise können wir unsere eigenen Konzepte<br />

weiter entwickeln.<br />

Im Folgenden stellen wir im ersten Teil des Positionspapiers den aktuellen Stand unserer fachlichen Entwicklung dar,<br />

die auf den Gr<strong>und</strong>sätzen menschlichen Miteinanders basiert, so wie sie in der Deklaration zu den <strong>Menschen</strong>rechten<br />

oder auch in der Betheler Erklärung 2003 festgehalten sind. Die Umsetzung dieser Rechte bedeutet die gleichberechtigte<br />

<strong>Teilhabe</strong> aller am Leben der Gemeinschaft.<br />

4


Die aktuelle sozial- <strong>und</strong> finanzpolitische Situation auf allen gesellschaftlichen Ebenen erfordert allerdings eine realistische<br />

Abstimmung der Möglichkeiten, notwendige <strong>Unterstützung</strong>sleistungen anzubieten. Deshalb gehen wir im zweiten<br />

Teil des Positionspapiers auf diesen Aspekt gesondert ein.<br />

Im dritten Teil stellen wir unsere Angebote <strong>mit</strong> Kontaktadressen vor.<br />

Am Ende finden Sie schließlich den vollständigen Text der Betheler Erklärung.<br />

Der Fachausschuss Behindertenhilfe der v. Bodelschwingschen Anstalten Bethel hat dieses Positionspapier erarbeitet.<br />

Ich danke allen, die dazu beigetragen haben. – Der Vorstand der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel hat die<br />

Vorlage am 18. Mai 2004 beschlossen.<br />

Bielefeld, im Juni 2004 Bernward Wolf, Vorstand<br />

5


Woran orientieren wir uns in unserer Arbeit <strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong>, die behindert sind.<br />

Jeder Mensch hat den Wunsch, ein gelingendes Leben zu führen<br />

Die Erwartungen, die unsere Klientinnen <strong>und</strong> Klienten 1 an ihr Leben haben <strong>und</strong> ihre Vorstellungen davon, welche<br />

<strong>Unterstützung</strong> sie brauchen, um ihren Zielen näher zu kommen, sind <strong>für</strong> uns handlungsleitend. Dabei sollen <strong>Menschen</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong> möglichst ungehindert gemeinsam <strong>und</strong> nachbarschaftlich zusammenleben können. Wir<br />

bieten professionelle Hilfen an, wenn die Familie oder Fre<strong>und</strong>innen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e eine notwendige <strong>Unterstützung</strong> da<strong>für</strong><br />

nicht in ausreichendem Maße leisten können. In diesem Sinne verstehen wir unsere Arbeit als Ergänzung zu bereits<br />

vorhandenen Hilfen. Wir sehen sie in Verbindung <strong>mit</strong> dem Engagement vieler <strong>Menschen</strong>, die ebenfalls das gemeinsame<br />

Leben in der Gemeinde unterstützen möchten, beispielsweise durch bürgerschaftliches Engagement.<br />

Die Inhalte <strong>und</strong> Methoden unserer Arbeit haben sich <strong>mit</strong> den gesellschaftlichen, gesetzgeberischen <strong>und</strong> auch fachlichen<br />

Entwicklungen ebenfalls verändert. Der Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe von Fürsorge <strong>und</strong> Bevorm<strong>und</strong>ung<br />

hin zu einem rehabilitativen Gr<strong>und</strong>verständnis <strong>und</strong> einer assistierenden <strong>Unterstützung</strong> wird von uns aktiv <strong>mit</strong><br />

vollzogen. Dieser Entwicklungsprozess hält an <strong>und</strong> prägt unser fachliches <strong>und</strong> menschliches Handeln.<br />

Wir bieten ein fachlich weit gefächertes Spektrum von Dienstleistungen, um den Klientinnen <strong>und</strong> Klienten die<br />

<strong>Unterstützung</strong> zu bieten, die sie benötigen. Uns interessiert, ob sie unsere Angebote hilfreich erleben <strong>und</strong> welche<br />

Veränderungsvorschläge sie haben. Ebenso sind die Leistungsvereinbarungen <strong>mit</strong> den Kostenträgern Gr<strong>und</strong>lage unserer<br />

Arbeit. Die vereinbarten Dienstleistungen werden vertraglich festgehalten.<br />

Wir unterstützen Klientinnen <strong>und</strong> Klienten bei der eigenen Suche nach Sinn <strong>und</strong> religiöser Orientierung. Wir tun dies<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage unserer evangelischen Prägung. Unsere Dienste <strong>und</strong> Einrichtungen stehen jedoch nicht nur evangelischen<br />

Christen offen, sondern wenden sich an alle <strong>Menschen</strong>, die unsere Angebote nutzen wollen.<br />

Unsere Gesellschaft <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> auch die Behindertenhilfe unterliegen einem permanenten Wandel <strong>und</strong> sind Themen<br />

öffentlicher Diskussion, an der wir uns beteiligen. In diesem Zusammenhang nehmen wir aktiv Einfluss auf die<br />

Gestaltung des Rechtes <strong>und</strong> auf die Entwicklung des Marktes sozialer Dienstleistungen. Umgekehrt haben diese sich<br />

verändernden Rahmenbedingungen Auswirkungen auf die Realisierung unserer Ziele.<br />

Ressourcen wahrnehmen - Assistenz anbieten<br />

Für die Umsetzung seiner ganz persönlichen Vorstellungen von einem gelingenden Leben bringt jeder Mensch einerseits<br />

Ressourcen <strong>mit</strong>: Persönliche Erfahrungen <strong>und</strong> Fähigkeiten; darüber hinaus braucht er <strong>Unterstützung</strong> durch andere<br />

<strong>Menschen</strong>. In Ergänzung zu ihren individuellen Möglichkeiten benötigen <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> manchmal<br />

Assistenz, um ihre eigenen Vorstellungen vom Leben zu entdecken, zu entfalten <strong>und</strong> zu leben. Wir stellen <strong>mit</strong> ihnen<br />

zusammen den Bedarf an benötigter Hilfe fest <strong>und</strong> machen ihnen entsprechende flexible, Personen orientierte Angebote.<br />

Das setzt einen differenzierten <strong>und</strong> einfühlsamen Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Aushandlungsprozess voraus, vor allem,<br />

wenn die Klientinnen <strong>und</strong> Klienten ihre Wünsche nicht selbst äußern können. Ein wichtiges Ziel ist deshalb <strong>für</strong> uns,<br />

barrierefrei kommunizieren zu lernen.<br />

Selbstbestimmung fördern<br />

Unter Selbstbestimmung verstehen wir den Willen <strong>und</strong> auch die Möglichkeiten eines <strong>Menschen</strong>, sein Leben selbst zu<br />

gestalten, eigenständige Entscheidungen zu treffen <strong>und</strong> so der ganz persönlichen Vorstellung von einem gelingenden<br />

Leben näher zu kommen. Deshalb wollen wir nur so viel <strong>Unterstützung</strong> wie nötig bzw. wie gewünscht leisten.<br />

Selbstbestimmtes Handeln vollzieht sich in der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> anderen <strong>Menschen</strong>. Der Sinn eines solchen<br />

Prozesses besteht darin, dass <strong>Menschen</strong> eigenverantwortlich entscheiden <strong>und</strong> in der Beziehung zum Gegenüber <strong>und</strong><br />

zur Gemeinschaft soweit wie möglich autonom handeln. Da<strong>mit</strong> dies gelingen kann, treten wir da<strong>für</strong> ein, dass<br />

<strong>Menschen</strong> sich in gegenseitigem Respekt begegnen <strong>und</strong> Spielräume <strong>und</strong> Grenzen <strong>mit</strong>einander aushandeln. Wir orientieren<br />

uns dabei an den Handlungsmöglichkeiten des einzelnen <strong>Menschen</strong>.<br />

1 Da wir <strong>mit</strong> unseren Angeboten in einem Dienstleistungsverhältnis zu <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> stehen, wählen wir im Folgenden den Begriff „Klientin bzw. Klient“.<br />

In dieser Begrifflichkeit drückt sich das veränderte Rollenverständnis aus, das im Zuge der sozialpolitischen <strong>und</strong> fachlichen Weiterentwicklung <strong>für</strong> die Arbeit <strong>mit</strong><br />

<strong>Menschen</strong>, die behindert sind, längst notwendig wurde.<br />

6


In dieser Weise im ständigen Austausch <strong>und</strong> Aushandeln <strong>mit</strong> den Klientinnen <strong>und</strong> Klienten zu bleiben, erfordert von<br />

jedem – auch von uns als professionellen Begleiterinnen <strong>und</strong> Begleitern – die Bereitschaft zum Lernen <strong>und</strong> zur<br />

Reflexion.<br />

<strong>Unterstützung</strong> kann auch bedeuten, den Schutz des Klienten oder der Klientin vor sich selbst oder den Schutz der<br />

Mitmenschen zu gewährleisten. Denn <strong>Unterstützung</strong> zur Selbstbestimmung kann immer nur im sozialen Lebenskontext<br />

verstanden werden. Die Grenzen der Selbstbestimmung sind dann erreicht, wenn die Ges<strong>und</strong>heit oder das Leben<br />

von Klienten <strong>und</strong> Klientinnen oder auch Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern gefährdet ist. Die Auseinandersetzung <strong>mit</strong><br />

diesem Thema ist Teil der gesellschaftlichen Realität. Deshalb blenden wir die Erfahrungen <strong>mit</strong> aktiv ausgeübter <strong>und</strong><br />

passiv erlebter Gewalt sowie die Notwendigkeit, <strong>mit</strong> delinquentem Verhalten umzugehen, nicht aus, sondern machen<br />

dies ausdrücklich zum Thema.<br />

Wir stellen uns ausdrücklich auch der Begleitung solcher <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> geistiger <strong>Behinderung</strong>, die <strong>mit</strong> Auflagen aus<br />

dem Maßregelvollzug entlassen werden. Hier werden die Grenzen der Selbstbestimmung <strong>für</strong> uns in besonderem Maße<br />

spürbar.<br />

Wir legen Wert darauf, dass Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter Handlungssicherheit haben <strong>und</strong> berücksichtigen dabei<br />

ethische Gesichtspunkte. Die Bearbeitung der Biografien von <strong>Menschen</strong>, die zum Teil seit Jahrzehnten in unseren<br />

Einrichtungen leben, macht uns selbstkritisch im Blick auf unsere Vergangenheit <strong>und</strong> sensibel <strong>für</strong> heutiges Handeln.<br />

Uns ist bewusst, dass die Beziehungen zwischen Anbietern von Hilfeleistungen <strong>und</strong> Klientinnen <strong>und</strong> Klienten auch<br />

durch Abhängigkeiten geprägt sind. Weil das die Entwicklung von Selbstbestimmung erschwert, wollen wir Abhängigkeiten<br />

minimieren <strong>und</strong> Wahlmöglichkeiten eröffnen. Wir betrachten es als eine besondere Herausforderung, solche<br />

Abhängigkeiten wahrzunehmen <strong>und</strong> uns da<strong>mit</strong> auseinander zu setzen.<br />

Beteiligungsformen entwickeln<br />

Wir setzen uns da<strong>für</strong> ein, dass <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> an Entscheidungsprozessen beteiligt werden, die ihre persönliche<br />

Lebensgestaltung, ihre gesellschaftlichen Aktivitäten <strong>und</strong> ihre politischen Präferenzen betreffen.<br />

Da solche Prozesse sinnvoller Weise nicht immer von Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern angestoßen werden können,<br />

bauen wir das Instrument des „Peer counceling“ auf, bei dem <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> sich gegenseitig<br />

<strong>Unterstützung</strong> <strong>und</strong> Beratung geben können.<br />

Mit Hilfe des Beschwerdemanagements wurde darüber hinaus eine Möglichkeit geschaffen, die Abhängigkeit gegenüber<br />

Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern zu reduzieren. Unabhängige Personen nehmen Beschwerden von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong><br />

<strong>Behinderung</strong> entgegen <strong>und</strong> sorgen da<strong>für</strong>, dass sie bearbeitet werden. Hierzu sehen wir uns auch auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

der Qualitätsgr<strong>und</strong>sätze der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel <strong>und</strong> des Heimgesetzes verpflichtet.<br />

Die Sicherung der Qualität unserer Dienstleistungen erfolgt auch dadurch, dass <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> an der<br />

Gremienarbeit in ihrem direkten Wohnumfeld beteiligt werden. Neben den gesetzlich gesicherten Vertretungsgremien,<br />

wie den Heimbeiräten, ist unser Anspruch, Klientinnen <strong>und</strong> Klienten auch eine aktive Beteiligung <strong>mit</strong> Mitsprache- <strong>und</strong><br />

Abstimmungsrecht in den Leitungsgremien der Einrichtungen zuzusichern.<br />

Wir unterstützen <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> darin, ihre politischen Interessen sowohl individuell als auch kollektiv<br />

selbst zu vertreten <strong>und</strong> sich aktiv an politischen Wahlen zu beteiligen. Für <strong>Menschen</strong>, die ihre Interessen nur eingeschränkt<br />

vertreten können, sehen wir es als unsere Aufgabe an, in Kooperation <strong>mit</strong> Angehörigen <strong>und</strong> gesetzlichen<br />

Betreuerinnen <strong>und</strong> Betreuer, die Anwaltschaft <strong>für</strong> sie wahrzunehmen, soweit sie das wünschen.<br />

Das soziale Netz stärken<br />

Angehörige <strong>und</strong> Vertrauenspersonen gehören zum Leben dazu, sie sind ein wichtiger Bestandteil der eigenen<br />

Biografie. Eltern haben in Bezug auf ihre Söhne <strong>und</strong> Töchter einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, sie kennen ihre<br />

Entwicklungsgeschichte, ihre Vorlieben <strong>und</strong> ihre Wünsche. Eine besondere Verb<strong>und</strong>enheit zwischen Eltern <strong>und</strong><br />

Kindern, aber auch zwischen Geschwistern, bleibt meist das ganze Leben lang erhalten.<br />

Bei minderjährigen Kindern haben die Eltern das Sorgerecht. Bei gravierenden Einschränkungen in der Entscheidungs<strong>und</strong><br />

Handlungsfähigkeit ihrer erwachsen gewordenen Söhne <strong>und</strong> Töchter bzw. ihrer Geschwister nehmen sie in vielen<br />

7


Fällen die gesetzliche <strong>Unterstützung</strong> wahr. In diesen unterschiedlichen Bezügen bleiben die Angehörigen <strong>für</strong> uns wichtige<br />

Ansprechpartnerinnen <strong>und</strong> Ansprechpartner.<br />

Die besondere Stärke der Familie sehen wir darin, dass sie eine Verb<strong>und</strong>enheit, eine emotionale Beziehung <strong>und</strong> Kontinuität<br />

bieten kann, die niemand berufsmäßig zu leisten in der Lage ist.<br />

Das Leben in einer stationären Einrichtung oder in ambulanter Betreuung <strong>mit</strong> professioneller <strong>Unterstützung</strong> bietet<br />

demgegenüber <strong>für</strong> die Klientinnen <strong>und</strong> Klienten andere Möglichkeiten, Lernerfahrungen zu machen <strong>und</strong> ihr Leben<br />

selbst in die Hand zu nehmen. Besonders wenn erwachsene Klientinnen <strong>und</strong> Klienten lernen möchten, außerhalb ihrer<br />

Familie eine neue Lebensphase zu eröffnen, anstehende Aufgaben zu bewältigen, neue Kontakte zu knüpfen <strong>und</strong> im<br />

Rahmen ihrer Möglichkeiten eigene Wege zu gehen, unterstützen wir sie dabei.<br />

Dieser Prozess gelingt nur, wenn eine gute <strong>und</strong> vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Angehörigen <strong>und</strong> uns<br />

praktiziert wird. Das setzt voraus, dass die Beteiligten über ihre unterschiedlichen Rollen sprechen, sie akzeptieren <strong>und</strong><br />

Zuständigkeiten klären. Die Verbindung unserer Klientinnen <strong>und</strong> Klienten <strong>mit</strong> ihrer Familie, den Verwandten <strong>und</strong> Bekannten<br />

ist wichtig <strong>und</strong> wird von uns unterstützt. Manchmal gestalten sich Phasen in diesem Prozess der Zusammenarbeit<br />

jedoch <strong>für</strong> beide Seiten schwierig, z. B. wenn Eltern <strong>und</strong> Angehörige andere Vorstellungen über ein selbstständiges<br />

Leben ihrer erwachsenen Kinder haben als die Söhne <strong>und</strong> Töchter selbst oder aber die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter.<br />

In solchen Fällen fühlen wir uns den Wünschen <strong>und</strong> Möglichkeiten unserer Klientinnen <strong>und</strong> Klienten verpflichtet<br />

<strong>und</strong> unterstützen sie in der Umsetzung ihrer Vorstellungen. Mit den Angehörigen suchen wir auch in schwierigen<br />

Situationen den Dialog.<br />

Das bezieht sich auch auf andere wichtige Personen im Leben unserer Klientinnen <strong>und</strong> Klienten, wie beispielsweise,<br />

Fre<strong>und</strong>innen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e, Partnerinnen <strong>und</strong> Partner, Kinder <strong>und</strong> Personen, die gesetzliche Betreuung wahrnehmen.<br />

<strong>Teilhabe</strong> am Leben in der Gesellschaft ermöglichen<br />

<strong>Teilhabe</strong> beinhaltet, dass jeder Mensch die vielfältigen, in der Gesellschaft gelebten Rollen <strong>und</strong> sozialen Kontakte<br />

wahrnehmen kann. Dies gilt <strong>für</strong> die Vorstellungen zur Gestaltung der individuellen Wohn- <strong>und</strong> Lebensbedingungen<br />

ebenso wie <strong>für</strong> Selbstvertretungsmöglichkeiten, Mitbestimmung, Freizeit, Urlaub, soziale Beziehungen, Kultur,<br />

Weiterbildung, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> auch die Beteiligung an Politik <strong>und</strong> Gesetzgebung.<br />

Wir wollen, dass <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> zu allen Lebensbereichen einen umfassenden Zugang <strong>und</strong> uneingeschränkte<br />

Nutzungsmöglichkeiten haben. Um dies zu erreichen, nutzen sie ihre eigenen sozialen Ressourcen (beispielsweise<br />

Fre<strong>und</strong>e oder Verwandte). Unser professionelles Angebot verstehen wir als Ergänzung zu diesen bestehenden<br />

Hilfesystemen.<br />

Im Vordergr<strong>und</strong> stehen <strong>für</strong> uns die Wünsche unserer Klientinnen <strong>und</strong> Klienten, die wir respektieren <strong>und</strong> ihre<br />

Realisierung soweit wie möglich <strong>und</strong> gewünscht unterstützen. Dies bezieht sich auf alle Bereiche des gesellschaftlichen<br />

Lebens, vor allem auch Sport-, Kultur- <strong>und</strong> Freizeitangebote, die <strong>für</strong> alle Interessierten zugänglich sein sollen.<br />

Inklusion - Leben in der Gemeinde unterstützen<br />

Inklusion meint die uneingeschränkte <strong>Teilhabe</strong> von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> am Leben in der Gemeinschaft.<br />

Inklusion verlangt, die Bedingungen der Umwelt an die Bedürfnisse der betreffenden Personen anzupassen. In der<br />

praktischen Umsetzung bedeutet dies <strong>für</strong> uns die Förderung des Zusammenlebens von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne<br />

<strong>Behinderung</strong> <strong>und</strong> die Beteiligung aller an den Aktivitäten in der Gemeinde. Dies betrifft alle sozialen Lebensbereiche<br />

<strong>und</strong> umfasst die gesamte Lebensspanne eines <strong>Menschen</strong>.<br />

Durch unsere Arbeit möchten wir einen Beitrag zu einem vielfältigen Leben in der Gemeinde leisten <strong>und</strong> <strong>Menschen</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> darin unterstützen, dass sie am Leben in der Gemeinde teilnehmen können.<br />

Noch vor einigen Jahren sind die v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel vorzugsweise der Anfrage nach stationären<br />

Angeboten nachgekommen. Heute besteht unsere diakonische Antwort vor allem in gemeinwesenorientierten<br />

Angeboten.<br />

Für <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> ist der soziale Bezugsrahmen in der Gemeinde genauso wichtig wie <strong>für</strong> alle anderen<br />

<strong>Menschen</strong> auch. Be<strong>für</strong>chtungen <strong>und</strong> Ablehnung beispielsweise in der Nachbarschaft können diesen Prozess gefährden.<br />

8


Wir sehen unsere Aufgabe darin, Inklusion auf Wunsch zu fördern, indem wir beispielsweise die Kontakte zur<br />

Nachbarschaft, zur Kirchengemeinde o.ä. gestalten helfen. Wir erfahren dabei viel <strong>Unterstützung</strong>, erleben aber auch<br />

Widerstände. Viele Be<strong>für</strong>chtungen basieren nicht auf konkreten Erfahrungen <strong>und</strong> können deshalb nur schwer durch<br />

Aufklärung <strong>und</strong> positive Erfahrungen ausgeräumt werden.<br />

<strong>Menschen</strong> leben <strong>und</strong> bewegen sich in verschiedenen Lebenswelten: Familie, Beruf, Freizeit usw. Wir können nicht alle<br />

Hilfeangebote sicherstellen, aber wir achten darauf, dass das Angebot vielfältig ist. In solchen Fällen arbeiten wir gern<br />

<strong>und</strong> vertrauensvoll <strong>mit</strong> anderen Trägern <strong>und</strong> Anbietern zusammen.<br />

Ges<strong>und</strong>heit erhalten <strong>und</strong> fördern<br />

Ges<strong>und</strong>heit ist eine wichtige Voraussetzung von <strong>Teilhabe</strong> am Leben in der Gesellschaft. Der uneingeschränkte Zugang<br />

zu allen erforderlichen Leistungen der ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung – von Prävention über Heilung bis hin zur Rehabilitation<br />

– ist ein gr<strong>und</strong>legendes <strong>Menschen</strong>recht <strong>und</strong> muss auch <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en gewährleistet sein.<br />

<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en sind in einem besonderen Maße auf Leistungen der ges<strong>und</strong>heitlichen Versorgung angewiesen.<br />

<strong>Behinderung</strong>en sind nicht nur Einschränkungen der sogenannten funktionalen Ges<strong>und</strong>heit, sondern <strong>Menschen</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en leiden häufiger als andere <strong>Menschen</strong> an komplexen Beeinträchtigungen ihrer Ges<strong>und</strong>heit, sind im<br />

Laufe ihres Lebens höheren Krankheitsrisiken ausgesetzt <strong>und</strong> werden durch zusätzliche Ges<strong>und</strong>heitsstörungen <strong>und</strong><br />

Krankheiten bei der Bewältigung ihres Alltages besonders belastet. Die Gründe da<strong>für</strong>, im besonderen Umfang auf<br />

ges<strong>und</strong>heitliche Leistungen angewiesen zu sein, sind vielfältig. Sie umfassen auch die oftmals begrenzten Fähigkeiten<br />

von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en, eigenverantwortlich eine ges<strong>und</strong>heitsfördernde Lebensweise zu verwirklichen,<br />

sowie die Begrenzung ihrer individuellen wirtschaftlichen Möglichkeiten. Wir unterstützen <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en<br />

darin, Ges<strong>und</strong>heit so gut wie möglich zu erhalten <strong>und</strong> zu fördern, die Folgen von Krankheit zu beseitigen oder zu<br />

lindern <strong>und</strong> dem Fortschreiten von individuellen <strong>Behinderung</strong>en – wo möglich – vorzubeugen.<br />

Die v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel blicken zurück auf eine lange Tradition beispielhafter sozialer <strong>und</strong> medizinischer<br />

Hilfen <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Epilepsien. Dies erklärt, dass in einigen unserer Teilbereiche überdurchschnittlich viele<br />

Klientinnen <strong>und</strong> Klienten, die an einer Epilepsie leiden <strong>und</strong> deshalb qualifizierte medizinische Begleitung benötigen,<br />

Hilfe gesucht haben.<br />

Da <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en oft in erheblichem Umfang auf pflegerische Hilfen angewiesen sind, gehört Pflege<br />

selbstverständlich zum Spektrum unserer ges<strong>und</strong>heitsbezogenen Hilfen <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en. Dabei verstehen<br />

wir Pflege über die un<strong>mit</strong>telbare Handlungsebene hinaus auch als Prozess zwischenmenschlicher Begegnung<br />

<strong>und</strong> Beziehungsgestaltung. Das trifft insbesondere auf <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> schwersten <strong>und</strong> mehrfachen <strong>Behinderung</strong>en zu.<br />

Wir gestalten Pflege als fachlich qualifizierte Hilfe in einem multiprofessionellen Hilfeprozess. Das schließt ein, dass<br />

pflegerische Maßnahmen auch von Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeitern <strong>mit</strong> nichtpflegerischen Berufsqualifikationen<br />

übernommen werden. Da<strong>mit</strong> sind erhebliche Anforderungen an die Qualitätssicherung der Pflege gestellt.<br />

In einigen unserer Teilbereiche ergänzen <strong>und</strong> unterstützen integrierte ärztliche <strong>und</strong> therapeutische Angebote als integrale<br />

Elemente eines ganzheitlichen Hilfeprozesses die sozialen <strong>und</strong> pädagogischen Hilfen.<br />

Auch über integrierte ärztliche <strong>und</strong> therapeutische Angebote hinaus unterstützen wir die Klientinnen <strong>und</strong> Klienten bei<br />

der Erhaltung <strong>und</strong> Förderung ihrer Ges<strong>und</strong>heit, beispielsweise in der Gestaltung ges<strong>und</strong>heitsfördernder Lebens- <strong>und</strong><br />

Arbeitsbedingungen, in Maßnahmen der Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitserziehung einschließlich vielfältiger<br />

zielgruppenspezifischer Sportangebote <strong>und</strong> bewegungstherapeutischer Maßnahmen bis hin zur Mitwirkung der<br />

v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel am ges<strong>und</strong>heitspolitischen Diskurs auf verschiedenen Ebenen.<br />

Angesicht der allgemein zunehmenden Lebenserwartung <strong>und</strong> der relativen Zunahme älterer <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne<br />

<strong>Behinderung</strong> stellt die <strong>Unterstützung</strong> zum Erhalt <strong>und</strong> zur Förderung der Ges<strong>und</strong>heit eine erhebliche Herausforderung<br />

an die Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter dar. Vom Erfolg dieser Bemühungen hängen das Ausmaß gelingender<br />

Integration, Inklusion <strong>und</strong> <strong>Teilhabe</strong> <strong>und</strong> die Möglichkeiten selbstbestimmten Lebens dieser <strong>Menschen</strong> ab.<br />

Bildungswege gestalten<br />

Alle <strong>Menschen</strong> haben ein Recht auf lebenslange Bildung. Bildung vollzieht sich durch individuelles <strong>und</strong> gemeinsames<br />

Lernen <strong>mit</strong> dem Ziel der Selbstverwirklichung in sozialer Integration.<br />

9


Frühe Hilfen sind besonders lebenswichtig. Wir bieten interdisziplinär arbeitende Frühförderung <strong>für</strong> Kleinkinder <strong>mit</strong><br />

<strong>Behinderung</strong>en oder Kinder, die in ihrer Entwicklung beeinträchtigt sind.<br />

Jeder Mensch <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> hat das Recht auf eine schulische Förderung <strong>und</strong> Bildung, die sich an seinen individuellen<br />

Stärken, Förderbedürfnissen, Interessen <strong>und</strong> seinem eigenen Lerntempo ausrichtet. Wir treten ein <strong>für</strong> das uneingeschränkte<br />

Bildungsrecht von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> geistiger <strong>Behinderung</strong>. Es gibt keine untere Grenze der Bildungsfähigkeit,<br />

niemand ist ohne Gaben.<br />

Wir gehen dabei auch ungewöhnliche Schul-Wege, entwickeln Formen ambulanter Schulpädagogik <strong>und</strong> schulische<br />

Beratungsstrukturen <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> sonderpädagogischem Förderbedarf <strong>und</strong> bauen diese aus. Wir gehen unterschiedliche<br />

Wege in der Organisation des Lernens von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> <strong>und</strong> unterstützen ihre wohnortnahe<br />

Beschulung. Wir fördern Kooperationen zwischen unterschiedlichen Schulformen. Wir nutzen dabei verantwortlich die<br />

Freiräume <strong>und</strong> Gestaltungsmöglichkeiten, die wir als freier Schulträger im Kontext des öffentlichen Schulsystems<br />

haben.<br />

Berufliche Bildung nimmt einen hohen Stellenwert ein. Sie beginnt bereits im berufsorientierenden oder berufswahlvorbereitenden<br />

Unterricht unserer Schulen.<br />

Wir treten <strong>für</strong> das Recht von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> ein, eine berufliche Bildung, einen Arbeitsplatz oder eine<br />

sinngebende Beschäftigung zu haben <strong>und</strong> bereiten sie darauf vor. Wir suchen <strong>für</strong> <strong>und</strong> <strong>mit</strong> den <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong><br />

<strong>Behinderung</strong> individuelle Möglichkeiten der aktiven <strong>Teilhabe</strong> am Arbeitsprozess.<br />

Wir bieten im Bereich der Erwachsenenbildung <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en differenzierte Bildungsprogramme. Sie<br />

enthalten Kursangebote, die vergleichbar denen einer Volkshochschule sind <strong>und</strong> ein breites inhaltliches Spektrum<br />

abbilden. Weitere Schwerpunkte sind auch kurz- <strong>und</strong> längerfristige Fortbildungen in den Bereichen Selbstvertretung/<br />

Selbstbestimmung (z.B. <strong>für</strong> Heimbeiräte <strong>und</strong> Werkstatträte), integrative Studienreisen <strong>und</strong> auf Kommunikation <strong>und</strong><br />

Kreativität ausgerichtete Angebote.<br />

Berufliche Rehabilitation <strong>und</strong> Beschäftigung<br />

Arbeit ist auch <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> eine unverzichtbare Voraussetzung <strong>für</strong> die gesellschaftliche <strong>Teilhabe</strong>.<br />

Für behinderte <strong>Menschen</strong> ist jedoch nicht jede Form der beruflichen Betätigung erschließbar, sie benötigen, bezogen<br />

auf ihre <strong>Behinderung</strong>en <strong>und</strong> Einschränkungen, besondere <strong>Unterstützung</strong>sleistungen.<br />

Wir ermutigen <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> darin, ihre fachlichen Kompetenzen <strong>und</strong> beruflichen Wünsche zu erkennen<br />

<strong>und</strong> sie auch umzusetzen. Unser Ziel ist die Integration von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> auf dem ersten Arbeitsmarkt.<br />

Wenn das auch den Wünschen unserer Klientinnen <strong>und</strong> Klienten entspricht <strong>und</strong> sie einen Arbeitsplatz auf dem ersten<br />

Arbeitsmarkt suchen oder bereits innehaben, bieten wir Beratung <strong>und</strong> <strong>Unterstützung</strong> durch den Integrationsfachdienst<br />

an.<br />

Darüber hinaus bieten wir in Einrichtungen der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel differenzierte Arbeitsplätze in<br />

unterschiedlichen beruflichen Tätigkeitsfeldern an, die sich in Bezug auf die Rahmenbedingungen <strong>und</strong> die<br />

Arbeitsanforderungen flexibel gestalten lassen <strong>und</strong> den Erfordernissen <strong>und</strong> Wünschen jedes Einzelnen angepasst werden<br />

können. Arbeitsplätze finden sich in Betrieben (Außenarbeitsplätze), in der Integrationsfirma, wie auch in den<br />

Werkstätten <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> (WfbM). Gerade auch <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> schwerer Mehrfachbehinderung<br />

bieten wir die Möglichkeit, sich unter gezielter fachlicher Anleitung ihren Wünschen <strong>und</strong> Bedürfnissen entsprechend<br />

sinnvoll zu betätigen. Wir verstehen Werkstattarbeit als einen wechselseitig aufeinander bezogenen Prozess von<br />

<strong>Unterstützung</strong>en in beruflicher Bildung, sozialen, therapeutischen, pflegerischen <strong>und</strong> psychologischen Angeboten <strong>und</strong><br />

wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung in Produktion bzw. Dienstleistung. Werkstattarbeit dient der beruflichen<br />

Rehabilitation <strong>und</strong> Qualifikation. Mit der Werkstattarbeit werden aber auch produktive Leistungen erbracht. Für das<br />

Selbstwertgefühl der Beschäftigten ist <strong>mit</strong> entscheidend, dass sie ökonomisch sinnvolle <strong>und</strong> effiziente Arbeit übernehmen<br />

<strong>und</strong> da<strong>für</strong> angemessen entlohnt werden.<br />

Eine besondere Herausforderung <strong>für</strong> die Werkstätten <strong>und</strong> Firmen stellt die Abkehr von den üblichen Refinanzierungen<br />

durch staatliche Kostenträger dar. Stagnierende Finanzierungsleistungen bei gleichzeitig steigenden Personalkosten<br />

führen dazu, dass zunehmend mehr Erlöse aus der Produktion erwirtschaftet werden müssen, um den geforderten<br />

<strong>und</strong> gewünschten Qualitätsstandard weiter zu entwickeln.<br />

10


Die realitätsnahen Produktions- <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen fördern zum einen das Selbstwertgefühl <strong>und</strong> die<br />

Integrationschancen der <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>. Auf der anderen Seite kann der da<strong>mit</strong> verb<strong>und</strong>ene Leistungs<strong>und</strong><br />

Produktionsdruck <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> nicht immer vollständig weitergegeben werden. Zudem wird es<br />

zunehmend schwieriger, Einfachstarbeiten <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> schweren geistigen <strong>Behinderung</strong>en einzuwerben <strong>und</strong> <strong>mit</strong><br />

knapper werdenden Ressourcen die nötige Förderung <strong>und</strong> Pflege sicher zu stellen. Trotz dieser Rahmenbedingungen,<br />

denen wir uns stellen müssen, sind wir weiterhin darum bemüht, unserem Auftrag nach Integration von Produktivität<br />

<strong>und</strong> Persönlichkeitsentwicklung jedes Einzelnen nachzukommen.<br />

Tagesförderung <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> hohem <strong>Unterstützung</strong>sbedarf<br />

<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> im Erwerbsalter <strong>und</strong> einem sehr speziellem Hilfebedarf, die die Aufnahmekriterien <strong>für</strong> die<br />

WfbM (§ 136 SGB IX) nicht oder noch nicht erfüllen, erhalten ein spezifisches Angebot, z.B. im Förder- <strong>und</strong> Arbeitsangebot<br />

eines Tagesförderverb<strong>und</strong>es. In eigenen Räumlichkeiten <strong>und</strong> Organisationseinheiten werden <strong>Menschen</strong> nach<br />

ihren Möglichkeiten <strong>mit</strong> einfachen Arbeiten vertraut gemacht, <strong>mit</strong> denen sie einen sinnvollen <strong>und</strong> <strong>für</strong> sie selbst erfahrbaren<br />

Beitrag <strong>für</strong> die Gemeinschaft leisten. Das Ziel dieser Förderangebote ist die Anbahnung einer Aufnahme in eine<br />

WfbM.<br />

Tagesförderangebote <strong>für</strong> Seniorinnen <strong>und</strong> Senioren<br />

Spätestens <strong>mit</strong> der Erreichung des 65. Lebensjahres scheiden auch <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> aus dem Erwerbsleben<br />

aus. Wir bieten älteren <strong>Menschen</strong> die Möglichkeit der Tagesstrukturierung außerhalb der Wohneinrichtung an verschiedenen<br />

Standorten an. Das Angebot basiert auf einem gezielten heilpädagogischen Konzept. Im Wochenplan<br />

ver<strong>mit</strong>teln regelmäßig wiederkehrende Bestandteile Sicherheit <strong>und</strong> Orientierung, variable Inhalte werden unter Berücksichtigung<br />

der Interessen der Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher gestaltet. Es werden Themen aufgegriffen, die die Interessen<br />

dieses Personenkreises berücksichtigen: Beschäftigung <strong>mit</strong> der eigenen Biographie, Erhalt von Kompetenzen <strong>und</strong><br />

Mobilität, <strong>Teilhabe</strong> am Leben. Das Angebot wird gern <strong>und</strong> in großem Umfang wahrgenommen.<br />

Unsere Arbeit wird von vielen unterstützt<br />

Wir verstehen unsere Angebote als Ergänzung zu den sozialen Ressourcen, die beispielsweise von Familie, Fre<strong>und</strong>innen<br />

<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en, Bekannten, Vereins<strong>mit</strong>gliedern oder <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> bürgerschaftlichem Engagement erbracht werden<br />

(s.o.). Nicht alle <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> haben ein soziales Bezugssystem, das sie zufrieden stellt. Deshalb sorgen<br />

wir da<strong>für</strong>, dass <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> neben den vereinbarten „professionellen“ Angeboten auch den Kontakt<br />

<strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong> finden, die sich freiwillig, „bürgerschaftlich“ engagieren <strong>und</strong> <strong>mit</strong> vielen Ideen die <strong>Teilhabe</strong> behinderter<br />

<strong>Menschen</strong> an der Gesellschaft unterstützen. Das Engagement <strong>und</strong> die Arbeit dieser „ehrenamtlichen“ Helferinnen <strong>und</strong><br />

Helfer hat eine eigene Qualität <strong>und</strong> wird von uns unterstützt. Trotz zunehmend knapper werdender Ressourcen, die<br />

unsere Handlungsspielräume einschränken, soll ehrenamtliche Arbeit nicht zu Kompensationszwecken eingesetzt<br />

werden.<br />

Spenden helfen uns Standards zu halten <strong>und</strong> außergewöhnliche Projekte <strong>und</strong> Ideen umzusetzen, die aus den<br />

Entgelten nicht finanziert werden können.<br />

Unsere Kompetenzen <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />

Hilfeangebote <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> haben in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel eine lange<br />

Tradition. Wir haben durch permanente Weiterentwicklung unserer Dienstleistungen einen hohen fachlichen Standard<br />

entwickelt. Wir machen differenzierte Angebote <strong>und</strong> bieten fachliche Kompetenz in multiprofessioneller Zusammenarbeit.<br />

Wir sind in unserer Angebotsstruktur beweglich <strong>und</strong> flexibel im Hinblick auf die persönlichen Bedarfslagen<br />

unserer Klientinnen <strong>und</strong> Klienten.<br />

Trotzdem werden wir unseren Zielen manchmal nicht gerecht. Die finanziellen Rahmenbedingungen, aber auch institutionelle<br />

Zwänge <strong>und</strong> persönliche Grenzen bestimmen unser Handeln.<br />

Unser Vorhaben, Hilfeleistungen <strong>und</strong> <strong>Unterstützung</strong>sangebote immer stärker gemeinsam <strong>und</strong> „auf Augenhöhe“ auszuhandeln,<br />

beinhaltet ein verändertes Rollenverständnis <strong>für</strong> alle Beteiligten am Hilfeprozess: Der Klientinnen <strong>und</strong><br />

Klienten, der Angehörigen, des sozialen Umfeldes <strong>und</strong> ebenso der Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter.<br />

11


Um diesen Prozess zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu gestalten, bedarf es der Reflexion unserer eigenen Ziele <strong>und</strong><br />

Bilder <strong>und</strong> unserer eigenen Verhaltensweisen, die wir in die <strong>Unterstützung</strong> eines behinderten <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> einbringen.<br />

Mit einem differenzierten Angebot der Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung werden Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter geschult.<br />

So werden die soziale <strong>und</strong> fachliche Kompetenz ständig weiter entwickelt.<br />

Solche Veränderungen von Haltung <strong>und</strong> Verhalten brauchen auch Zeit: Im Prozess der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> neuen<br />

Konzepten <strong>und</strong> im wechselseitigen Lernen stehen wir in mancher Hinsicht erst am Anfang der Entwicklung. Fehler zu<br />

machen ist natürlich <strong>und</strong> erlaubt <strong>und</strong> ermöglicht weitere Lernprozesse.<br />

In Partnerschaften lernen<br />

Vernetzung ist <strong>für</strong> unsere Arbeit ein wichtiger Ausgangspunkt. Wir verstehen unsere Angebote vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

bereits vorhandener <strong>Unterstützung</strong>ssysteme, seien sie privater oder professioneller Art. An einer Kooperation <strong>und</strong><br />

Ergänzung von <strong>Unterstützung</strong>sleistungen sind wir sehr interessiert.<br />

Wir pflegen partnerschaftliche Beziehungen zu Trägern der Behindertenhilfe in andern Ländern Europas <strong>und</strong> darüber<br />

hinaus <strong>und</strong> entwickeln verbindliche Kooperationen. Im fachlichen <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>schaftlichen Austausch erfahren wir<br />

gegenseitig hilfreiche Anregungen. Unsere Klientinnen <strong>und</strong> Klienten unterstützen wir dabei, die internationalen<br />

Partnerschaften <strong>mit</strong> zu gestalten.<br />

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen<br />

Mit unseren aktuellen Angeboten wie <strong>mit</strong> deren fachlicher Weiterentwicklung sind wir eingeb<strong>und</strong>en in die gesellschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen <strong>und</strong> deren Veränderungen. Die Verteilungskämpfe um Sozialleistungsressourcen<br />

zwischen gesellschaftlichen Gruppen gewinnen an Schärfe. Die Bereitschaft der Gesellschaft zu solidarischem Lastenausgleich<br />

<strong>und</strong> zur Eröffnung von Chancengleichheit wird immer wieder in Frage gestellt. Bewusstsein <strong>und</strong> Verantwortung<br />

brauchen neue Impulse.<br />

Ebenso werden die Globalisierung <strong>und</strong> die fortschreitende Harmonisierung innerhalb der Europäischen Union in vielfältiger<br />

Weise die weitere Entwicklung der Sozialleistungssysteme <strong>und</strong> der <strong>Unterstützung</strong>sangebote <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong><br />

<strong>Behinderung</strong> beeinflussen.<br />

Wir setzen uns da<strong>für</strong> ein, dass <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> nicht aus dem Blick geraten. Wir beteiligen uns an der<br />

Entwicklung sinnvoller Zukunftsstrategien unter Berücksichtigung der begrenzten Budgets <strong>für</strong> die Rehabilitations- <strong>und</strong><br />

<strong>Teilhabe</strong>leistung <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>, da<strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong>würde gewahrt <strong>und</strong> selbstbestimmte wie gleichberechtigte<br />

<strong>Teilhabe</strong> im gesellschaftlichen Leben jedem Bürger <strong>und</strong> jeder Bürgerin unseres Landes möglich wird. Da Standards<br />

<strong>und</strong> Qualität der Arbeit <strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong>, die behindert sind, originär im Zusammenhang <strong>mit</strong> politischen Gr<strong>und</strong>rechten<br />

gesehen werden müssen <strong>und</strong> politischen Entscheidungsprozessen unterworfen sind, ist u. E. an der Steuerfinanzierung<br />

der Behindertenhilfe festzuhalten.<br />

Gesetzliche Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Die <strong>für</strong> die Behindertenhilfe relevanten gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lagen in Deutschland ändern sich in vielen Bereichen positiv.<br />

Gerade in den letzten Jahren hat es eine Fülle von Initiativen gegeben, die die Rechtsposition behinderter <strong>Menschen</strong><br />

im Sinne der Umsetzung von umfassenden Bürger- <strong>und</strong> <strong>Teilhabe</strong>rechten stärken (z.B. Gleichstellungsgesetzgebung,<br />

SGB IX etc.).<br />

Sie nimmt da<strong>mit</strong> internationale Entwicklungen in Politik <strong>und</strong> Recht auf 2 .<br />

Diese Rechtsentwicklung wird von uns ausdrücklich begrüßt. Sie muss jedoch noch Eingang in den Alltag finden, denn<br />

Fortschritte in der Verwirklichung der <strong>Menschen</strong>rechte können letztlich nicht an Gesetzestexten <strong>und</strong> politischen Erklärungen<br />

gemessen werden, sondern an den <strong>Teilhabe</strong>- <strong>und</strong> Entwicklungsmöglichkeiten, die sich <strong>Menschen</strong> in ihrem<br />

2 Vgl.<br />

„UN-Standardregeln“: Standard Rules on the equalisation of opportunities for persons with disabili-ties – Standardregeln zur Herstellung von Chancengleichheit <strong>für</strong><br />

<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en”<br />

Declaration of Rome 2003 der European Association for Mental Health in Mental Retardation<br />

12


konkreten Lebensumfeld bieten. Da stehen die positiven Entwicklungen des Rechts auf vielfache Weise in Spannung<br />

zum wachsenden Kostendruck in der Eingliederungshilfe. Die Umsetzungsprozesse werden Jahre andauern, so dass<br />

die Auswirkungen noch nicht abschließend beurteilt werden können.<br />

So sind auch die politisch gewollten Entwicklungen von Hilfeansätzen, die auf das Individuum bezogen sind <strong>und</strong> Institutionen<br />

so weit wie möglich abbauen sollen, nur zu begrüßen; dazu gehören die individuelle Hilfeplanung, das persönliche<br />

Budget <strong>und</strong> die Stärkung des Vorrangs ambulanter Hilfen. Nicht immer zielen diese Aktivitäten jedoch auf<br />

eine tatsächliche Weiterentwicklung von <strong>Unterstützung</strong>s- <strong>und</strong> Assistenzarrangements <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>.<br />

Vielfach dominiert das Interesse an Kosteneinsparungen. Dadurch werden sinnvolle <strong>und</strong> notwendige Entwicklungen<br />

entwertet <strong>und</strong> behindert.<br />

Dieser Widerspruch kennzeichnet die gegenwärtige Situation.<br />

Finanzielle Rahmenbedingungen<br />

Die Rehabilitations- <strong>und</strong> <strong>Teilhabe</strong>leistungen <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> finden kostenmäßig ihren deutlichsten<br />

Niederschlag in der sozialhilfebasierten Eingliederungshilfe. Vor allem die demographische Entwicklung unserer<br />

Gesellschaft <strong>und</strong> die positiven Auswirkungen des medizinisch-technischen Fortschrittes, die eine spürbar höhere<br />

Lebenserwartung <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> bewirken, führen bis auf Weiteres zu einem deutlichen Anstieg der<br />

Zahl der <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>, die auf <strong>Unterstützung</strong> angewiesen sind. Zum ersten Mal in der Geschichte der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik wird nach den Krankentötungen im Dritten Reich die Population der behinderten <strong>Menschen</strong> vollständig<br />

sein <strong>und</strong> erreicht da<strong>mit</strong> zahlenmäßig ihren Höhepunkt. Danach wird sie einhergehend <strong>mit</strong> dem Sinken der gesamtgesellschaftlichen<br />

Bevölkerungszahl abnehmen 3 .<br />

Die langfristig katastrophale Lage der kommunalen Haushalte schlägt auf die Finanzierung von notwendigen<br />

Leistungen <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> durch: sowohl Bausteine der kommunalen Daseins<strong>für</strong>sorge, wie beispielsweise<br />

die <strong>Unterstützung</strong> <strong>für</strong> Selbsthilfeinitiativen oder Beratungs- <strong>und</strong> Begegnungsstellen <strong>und</strong> ebenso klassische<br />

Leistungen der Eingliederungshilfe, unterliegen einem blockierenden Spardiktat. Gründe liegen vor allem in der unausgewogenen<br />

Verteilung von Versorgungspflichten zwischen den staatlichen Ebenen <strong>und</strong> ihrer finanziellen Ausstattung<br />

im Rahmen der B<strong>und</strong>-/Länder- <strong>und</strong> Gemeindefinanzierung. Der Abbau dieser niedrigschwelligen, gemeinde-integrierten<br />

<strong>Unterstützung</strong>ssysteme (z.B. auch kirchlicher!) birgt die Gefahr, eine weitere umfassende Integration <strong>und</strong> <strong>Teilhabe</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> zu erschweren oder zu verhindern.<br />

Die primären Sozialleistungssysteme wie Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- <strong>und</strong> Pflegeversicherung geraten ihrerseits in<br />

Finanzierungskrisen.<br />

Die <strong>für</strong> die Eingliederungshilfe zuständigen Sozialhilfeträger suchen erkennbar nach Steuerungs- <strong>und</strong> Begrenzungsmöglichkeiten<br />

im Blick auf den erheblichen Anstieg der Sozialhilfeausgaben <strong>für</strong> die Eingliederungshilfe. Eine Verschiebung<br />

von auf Sozialhilfe basierenden Versorgungslasten von der Eingliederungshilfe in die vorgelagerten Systeme ist<br />

weitgehend ausgeschlossen. Vielmehr ist <strong>mit</strong> einer Rückverweisung oder Aufhebung von bislang dort verankerten<br />

Sonderleistungen <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> zu rechnen.<br />

Aktuell ist folgende Entwicklung zu beobachten:<br />

• erheblicher Rationalisierungsdruck auf die Träger der Einrichtungen <strong>und</strong> Dienste,<br />

• verschärfter Wettbewerb zwischen den Anbietern,<br />

• nachhaltige Bestrebungen zu Standardabsenkungen <strong>und</strong> Leistungsabbau.<br />

Dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstärken.<br />

Der politische Druck auf die Eingliederungshilfe steigt <strong>und</strong> die Behindertenhilfe wird schon lange nicht mehr als eine<br />

Aufgabe behandelt, die die Gesellschaft um der <strong>Menschen</strong>würde willen wahrnimmt <strong>und</strong> finanziert <strong>und</strong> deshalb nicht<br />

ernsthaft in Frage stellt, sondern wie ein betriebswirtschaftlicher Kostentreiber <strong>mit</strong> zum Teil verzichtbaren Leistungen.<br />

Immer differenziertere Abrechnungen, immer mehr Statistiken, immer umfangreichere Berichte <strong>und</strong> fragwürdige<br />

3 Zu Beginn des Jahres 2002 befanden sich r<strong>und</strong> 162.000 behinderte <strong>Menschen</strong> in stationärer Betreuung. Bis 2007 wird sich diese Zahl auf 190.000 erhöht haben. Dies<br />

entspricht einer Steigerung um 17 %. Bis zum Ende des Jahres 2002 erhielten rd. 40.000 behinderte <strong>Menschen</strong> ambulante Hilfen in betreuten Wohnformen. Bis 2007<br />

wird <strong>mit</strong> einer Erhöhung auf 54.000 Personen gerechnet, was einer Steigerung um 35 % entspricht. Diese Schätzungen gehen zurück auf Angaben der überörtlichen<br />

Sozialhilfeträger.<br />

Die Kosten <strong>für</strong> Eingliederungshilfe werden sich bis 2007 noch einmal um annähernd ein Drittel erhöhen, sofern alle Neuzugänge stationär betreut würden.<br />

13


Transparenzforderungen prägen den Verkehr zwischen Leistungserbringern <strong>und</strong> Leistungsträgern. Obwohl „mehr<br />

Markt“ <strong>und</strong> mehr Deregulierung gefordert werden, wachsen paradoxerweise die staatlichen Steuerungs- <strong>und</strong> Kontrollimpulse,<br />

was zu Mehraufwand auf staatlicher Seite, aber auch auf Seiten der Träger führt <strong>und</strong> das Gesamtsystem<br />

weiter verteuert.<br />

Zukünftige Entwicklungen<br />

Sichere Prognosen über den weiteren Gang der Entwicklung scheinen derzeit kaum möglich – außer, dass die durchschnittlich<br />

zur Verfügung stehenden materiellen Ressourcen <strong>für</strong> jeden <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> <strong>mit</strong> Sicherheit deutlich<br />

sinken werden.<br />

Dabei lassen sich einige Entwicklungsrichtungen erkennen, die zwar nicht kurzfristig, aber wahrscheinlich doch auf<br />

lange Sicht die Finanzierung der Assistenz <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> bestimmen werden:<br />

1. Vom pauschalen Entgelt zum differenzierten Marktpreis<br />

Die heute vielfach noch übliche Praxis, <strong>für</strong> stationäre / teilstationäre Hilfen relativ pauschale Entgelte<br />

(fortgeschrieben aus Selbstkostendeckungszeiten) abzurechnen, wird sich wesentlich zu einer Berechnung wandeln,<br />

die exakt nach Hilfeempfänger <strong>und</strong> tatsächlicher Leistung differenziert <strong>und</strong> sich an marktüblichen<br />

Preisstandards orientiert.<br />

2. Von der Kalkulation des Inputs zum Nachweis der Wirksamkeit<br />

Bisher orientiert sich das abgerechnete Gesamtentgelt weitgehend an den kalkulierten Personal- <strong>und</strong> Sachkosten.<br />

Zukünftig wird <strong>für</strong> die Leistungsempfänger (oder ihre Finanziers) bestimmend sein, welchen konkreten Eingliederungs-<br />

oder Rehabilitationserfolg der Anbieter zu einem definierten Preis realisieren kann. Für die Sozialleistungsträger<br />

wird es nicht mehr darauf ankommen, wie viel Personal <strong>mit</strong> welcher Qualifikation eingesetzt wurde, sondern<br />

wie wirksam die vereinbarte Maßnahme gewesen ist, insbesondere ob das Ziel der erfolgreichen Befähigung <strong>für</strong> ein<br />

Leben in offener Hilfe <strong>mit</strong> größtmöglicher Selbständigkeit <strong>und</strong> Eigenverantwortung erreicht worden ist.<br />

3. Von Einzelleistungen unterschiedlicher staatlicher Sozial- <strong>und</strong> Rehabilitationsträger zur<br />

Leistungsgewährung aus einer Hand <strong>für</strong> umfangreiche <strong>Teilhabe</strong>leistungen<br />

Die heutige Zersplitterung in der Zuständigkeit der Leistungsgewährung wird sich zu einer Leistungsgewährung aus<br />

einer Hand entwickeln, wo<strong>mit</strong> gleichzeitig eine noch stärkere (Macht-)Position <strong>mit</strong> erweiterten Steuerungsmöglichkeiten<br />

gegenüber den professionellen Anbietern verb<strong>und</strong>en sein wird.<br />

4. Von der allgemeinen Leistungsvereinbarung <strong>mit</strong> Sozialhilfeträgern zur individuellen<br />

Leistungsbeziehung <strong>mit</strong> dem Klienten bzw. der Klientin<br />

Landesrahmenverträge <strong>und</strong> Leistungsvereinbarungen <strong>mit</strong> den Sozialleistungsträgern werden ihre Bedeutung verlieren,<br />

da die individuelle Vertragsbeziehung zum Klienten <strong>und</strong> zur Klientin in den Mittelpunkt rücken wird. Die<br />

Klientin bzw. der Klient (oder die Bevollmächtigten) werden die Auswahl ihrer/ seiner Leistungen <strong>mit</strong>tels eines<br />

persönlichen Budgets oder einem (steuerfinanzierten) Eingliederungsgeld überwiegend selbst vornehmen <strong>und</strong><br />

eigenverantwortlich gestalten.<br />

5. Von der Objektförderung zur Subjektförderung<br />

Die sozialpolitisch erwünschte <strong>und</strong> fachlich überzeugende Entwicklung zu personenbezogenen Budgets wird den<br />

Übergang bringen von der Objektförderung zur Subjektförderung. Da staatliche Förderung bisher wesentlich in<br />

Immobilien (Objekte) floss, konnte nur dort <strong>und</strong> <strong>mit</strong> dem von der Einrichtung gestellten Personal der Bedarf befriedigt<br />

werden. Zukünftig wird <strong>mit</strong> der Förderung des Hilfeempfängers dieser in die Lage versetzt, sich Ort, Zeit <strong>und</strong><br />

Personal der von ihm benötigten Assistenz selbst auszusuchen.<br />

6. Von der starren Aufteilung zwischen ambulanten, teilstationären <strong>und</strong> stationären Hilfen<br />

zu einem durchlässigen Angebot unterschiedlicher Module<br />

Die bisherige Aufteilung in verschiedene Hilfeformen wird aufgegeben werden zugunsten differenzierter Hilfemodule,<br />

die weitgehend individuell zusammengesetzt bzw. gemischt werden können. Die „Verpreislichung“ der<br />

Module wird sich am Markt orientieren <strong>und</strong> wird landeseinheitlich vereinbart.<br />

7. Von der Komplexleistung aus einer Hand zu Dienstleistungsmodulen verschiedener Anbieter<br />

Die bisher vorherrschende Angebotsform einer umfassenden Leistung aus einer Hand unter dem Aspekt der<br />

Ganzheitlichkeit ergab <strong>für</strong> Einrichtungen <strong>und</strong> Dienste die Notwendigkeit, vollständige Hilfesysteme auf Dauer<br />

14


vorzuhalten, wobei das Finanzierungssystem dies ausdrücklich unterstützte. Die zukünftige Modularisierung der<br />

Angebote ermöglicht die Auswahl der jeweils benötigten Elemente nach Qualität <strong>und</strong> Preis bei unterschiedlichen<br />

Anbietern im Rahmen vollständiger regionaler Hilfeensembles.<br />

8. Von der langfristig angelegten ganzheitlichen Betreuung zu flexibel <strong>und</strong> kurzfristig vereinbarten<br />

individuell ausgesuchten Dienstleistungen<br />

Aus der auf Langfristigkeit <strong>und</strong> Beständigkeit aufgebauten Betreuung <strong>und</strong> Förderung, insbesondere in stationären<br />

Einrichtungen, resultierte ein hohes Maß an Planungssicherheit <strong>und</strong> dauerhafter ökonomischer Absicherung. Der<br />

Klient bzw. die Klientin, die verstärkt auf den Vorrang der Selbsthilfe verwiesen werden, können ihr individuell<br />

zusammengestelltes „Dienstleistungsmenü“ (aufgr<strong>und</strong> eines knapp gehaltenen personenbezogenen Budgets)<br />

künftig sowohl kurzfristig verändern als auch flexibel zwischen den verschiedenen Anbietern wechseln, was den<br />

Anbietern eine permanente Ressourcen- <strong>und</strong> Kapazitätsanpassung abverlangt.<br />

9. Von der fachlich dominierten Hilfegewährung ohne Mitspracherecht zum vollständigen Wunsch- <strong>und</strong><br />

Wahlrecht der Leistungsempfänger<br />

In der Arbeit <strong>mit</strong> <strong>Menschen</strong>, die behindert sind, hat in den vergangenen 30 Jahren einen enormen fachlichen<br />

Fortschritt in medizinischer <strong>und</strong> pädagogischer Hinsicht erfahren. Dies führte zu einem erheblichen Bedeutungszuwachs<br />

der Professionellen bei einer gleichzeitig gesellschaftlich noch nicht entwickelten Mitsprache der Betroffenen.<br />

In Zukunft wird sich dieses Blatt wenden zugunsten einer Dominanz des Wunsch- <strong>und</strong> Wahlrechts der<br />

Leistungsempfänger, die – ggf. <strong>mit</strong> Hilfe ihrer Betreuerinnen <strong>und</strong> Betreuer - zu den „Architekten“ ihres eigenen<br />

bedarfsgerechten Assistenzsettings werden, unabhängig von den Ansichten, Einschätzungen <strong>und</strong> Kapazitäten<br />

professioneller Einrichtungen <strong>und</strong> Dienste.<br />

10. Von der Vorrangstellung der Freien Wohlfahrtspflege zum Wettbewerb am Sozialmarkt<br />

Gerade die Aufgabe der Behindertenhilfe wird seit Jahrzehnten schwerpunktmäßig von der Freien Wohlfahrtspflege<br />

wahrgenommen. Die Angleichung der Arbeits- <strong>und</strong> Wettbewerbsbedingungen innerhalb des (europäischen)<br />

Sozialmarktes kann zu einem deutlichen Vordringen auch privater Anbieter in dieses Marktsegment führen <strong>und</strong><br />

einen bisher nicht gekannten Konkurrenzdruck auslösen.<br />

Selbstverständlich ist nicht da<strong>mit</strong> zu rechnen, dass alle aufgezeigten Trends gleichzeitig <strong>und</strong> in vollem Umfang zur<br />

Geltung kommen. Einige werden sich im Laufe der Jahre abschwächen, andere kommen hinzu. Dabei gilt es, aufmerksam<br />

darauf zu achten, dass die Rechte von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> nicht beeinträchtigt <strong>und</strong> ihre Möglichkeiten zu<br />

<strong>Teilhabe</strong>, Selbstbestimmung <strong>und</strong> Zufriedenheit nicht eingeschränkt, sondern weiter entwickelt werden.<br />

Die insgesamt wirksamen Trends werden allerdings - so ist die heutige Einschätzung - einen tief greifenden strukturellen,<br />

organisatorischen <strong>und</strong> ökonomischen Veränderungsprozess unter den Anbietern verursachen. Dabei wird der<br />

Umstrukturierungsprozess von Komplexeinrichtungen zu regionalen Anbietern von gemeinde-integrierten, dezentralen<br />

<strong>und</strong> individuellen Wohn- <strong>und</strong> Beschäftigungsmöglichkeiten <strong>mit</strong> differenzierten Rehabilitations- <strong>und</strong> Assistenzleistungen<br />

ungebrochen weitergehen, verb<strong>und</strong>en <strong>mit</strong> dem Wettbewerb um hohe Qualität <strong>und</strong> günstige Preise.<br />

Die Landschaft der Dienste <strong>und</strong> Assistenzleistungen <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> wird in 20 Jahren <strong>mit</strong> großer<br />

Wahrscheinlichkeit anders aussehen als heute. Der Bedarf <strong>für</strong> diese Dienste wird unzweifelhaft jedoch vorhanden sein.<br />

Für die bestehenden Dienste <strong>und</strong> Einrichtungen wird es daher darauf ankommen, ob sie sich in ihren Strukturen,<br />

Angeboten <strong>und</strong> Kapazitäten auf die kommenden Veränderungen einstellen werden, sich in einer offenen<br />

Konkurrenzsituation <strong>mit</strong> privaten <strong>und</strong> freigemeinnützigen Anbietern wirtschaftlich behaupten können <strong>und</strong> den<br />

Ansprüchen der K<strong>und</strong>en auf Selbstvertretung <strong>und</strong> <strong>Teilhabe</strong> gerecht werden.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> sind Schritte auf unsere Vision „Gemeinschaft verwirklichen“ hin realistisch <strong>und</strong> zielgenau zu<br />

planen <strong>und</strong> umzusetzen. Dabei genießen folgende Aktivitäten Vorrang, die<br />

• die eigene profilierte Interessenvertretung von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> <strong>und</strong> ihren Vertrauenspersonen unter<br />

stützten;<br />

• die Transparenz über die Lage von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> in unserer Gesellschaft herstellen;<br />

• die selbstverständliche Begegnungs- <strong>und</strong> Erfahrungsräume <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong> verankern,<br />

um gesellschaftliche <strong>Teilhabe</strong> zu ermöglichen;<br />

• die bürgerschaftliches Engagement fördern <strong>und</strong> aktiv einbeziehen;<br />

• die eine finanzierungs- <strong>und</strong> unterstützungsadäquate neue Gestaltung von Leistungsprozessen fördern;<br />

• die einen Rückbau bürokratischer Hemmnisse bei der Anpassung <strong>und</strong> Weiterentwicklung personenzentrierter Hilfen<br />

ermöglichen.<br />

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Unsere Angebote<br />

Überblick<br />

In den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel erhalten viele <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> ein auf ihren persönlichen<br />

Bedarf abgestimmtes Angebot an <strong>Unterstützung</strong> im privaten <strong>und</strong> beruflichen Alltag. Art <strong>und</strong> Ausmaß der <strong>Behinderung</strong><br />

spielen dabei keine Rolle.<br />

Spezielle fachliche Schwerpunkte bieten wir <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Epilepsieerkrankung, <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Autismus <strong>und</strong><br />

<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> erworbenen Hirnschädigungen.<br />

Die Hilfeangebote <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> sind in den letzten 10 Jahren stark differenziert <strong>und</strong> dezentralisiert<br />

worden. Das bedeutet die schrittweise Abkehr von einer großen <strong>und</strong> zentral geführten Institution hin zu kleineren <strong>und</strong><br />

auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Angeboten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Form der <strong>Unterstützung</strong><br />

den <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> weitaus mehr Perspektiven <strong>für</strong> ein selbstbestimmtes Leben eröffnet.<br />

Unsere Hilfen <strong>und</strong> Dienste sind in verschiedenen Regionen Nordrhein-Westfalens, aber auch in anderen B<strong>und</strong>esländern<br />

vertreten:<br />

• in der Region östliches Westfalen<br />

• in der Region westliches Westfalen<br />

• in Berlin- Brandenburg<br />

• im Rheinland<br />

Zurzeit erhalten r<strong>und</strong> 6300 <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> ambulant, teilstationär <strong>und</strong> stationär <strong>Unterstützung</strong> durch uns.<br />

Sie erhalten Hilfen, die auf ihre Bedürfnisse <strong>und</strong> ihren Bedarf abgestimmt sind.<br />

Zu unseren Angeboten zählen:<br />

• Ambulante <strong>Unterstützung</strong> von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>, die in ihrer eigenen Wohnung leben,<br />

• stationäre Wohnangebote in Wohngruppen, in Paarwohnungen oder auch in Einzelwohnungen,<br />

• stationäre <strong>Unterstützung</strong> von Müttern bzw. Eltern <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en <strong>und</strong> ihren Kindern,<br />

• stationäre <strong>Unterstützung</strong> <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> erworbenen Hirnschädigungen,<br />

• stationäre Kurzzeitbetreuung/-pflege,<br />

• Tagesförderstätten,<br />

• Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen<br />

• Berufliche Ausbildung<br />

• Maßnahmen zur beruflichen Integration<br />

• Arbeitsmöglichkeiten <strong>und</strong> Arbeitsstätten<br />

• Frühförderung <strong>für</strong> Kinder im Vorschulalter,<br />

• Schulische Erziehung <strong>und</strong> Bildung,<br />

• Beratungsstellen,<br />

• Familienentlastende Dienste,<br />

• Organisierte Freizeit- <strong>und</strong> Kulturangebote,<br />

• Fortbildungsmöglichkeiten,<br />

• (therapeutische) Dienste (Medizin, Psychologische Beratung/Therapie, Musiktherapie, Logopädie, Sport-<br />

<strong>und</strong> Bewegungstherapie).<br />

In der Vernetzung <strong>mit</strong> anderen Diensten <strong>und</strong> Einrichtungen verfügen wir auch über Angebote der Ges<strong>und</strong>heitsversorgung,<br />

die speziell auf die Interessen von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en ausgerichtet sind:<br />

• Sozialpädiatrisches Zentrum an der Kinderklinik<br />

• epilepsiespezifische Versorgung.<br />

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Kontaktadressen <strong>für</strong> die Stiftungsbereiche:<br />

Unsere Angebote sind in vielen Regionen zu finden. Die jeweiligen Kontaktadressen <strong>für</strong> die Regionen können Sie der<br />

nachstehenden Tabelle entnehmen. Dort erhalten Sie weitere Informationen zu den örtlichen Angeboten.<br />

Region<br />

Ostwestfalen<br />

Westl. Westfalen,<br />

Ruhrgebiet,<br />

Siegerland<br />

Rheinland<br />

Berlin<br />

Brandenburg<br />

Berlin<br />

Kontaktadresse<br />

Geschäftsführung<br />

Stiftungsbereich<br />

Behindertenhilfe<br />

Maraweg 9<br />

33617 Bielefeld<br />

Stiftungsbereich<br />

Vor Ort<br />

Von-der-Tann-Str. 38<br />

44143 Dortm<strong>und</strong><br />

In der Gemeinde<br />

leben gGmbH*<br />

Erkrather Str. 107<br />

40233 Düsseldorf<br />

Hoffnungstaler<br />

Anstalen Lobetal e. V.<br />

16321 Lobetal<br />

Ev. Krankenhaus<br />

Königin Elisabeth<br />

Herzberge gGmbH<br />

& Gemeindepsychiatrischer<br />

Verb<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

Altenhilfe GPVA<br />

gGmbH<br />

Herzbergstr. 79<br />

10365 Berlin<br />

Telefon Fax E-Mail Internet<br />

0521 144-3080<br />

0231 534250-107<br />

0211 6020788<br />

03338 66100<br />

0521 144-4594<br />

0231 534250-109<br />

0211 6020734<br />

03338 66102<br />

* gemeinsame Tochter der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel <strong>und</strong> der Diakonie Düsseldorf<br />

17<br />

Gf.sbbehindertenhilfe@<br />

bethel.de<br />

ingmar.steinhart@<br />

bethel.de<br />

info@iglduesseldorf.de<br />

behindertenhilfe@<br />

lobetal.de<br />

www.behindertenhilfe-bethel.de<br />

www.igl-duesseldorf.de<br />

030 54722101 030 54722126 www.keh-berlin.de


Betheler Erklärung<br />

Im Rahmen des Europäischen Jahres der <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en fanden in den v. Bodelschwinghschen Anstalten<br />

Bethel vom 1. – 5. Oktober 2003 die Betheler Aktionstage statt. Kooperationspartner <strong>für</strong> diese Veranstaltung war der<br />

B<strong>und</strong>esverband Evangelische Behindertenhilfe. In diesem Zusammenhang wurde die Betheler Erklärung verfasst. Es haben<br />

sich daran annähernd 500 <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne <strong>Behinderung</strong> aus zwölf europäischen Staaten beteiligt (Belgien, Dänemark,<br />

Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Schweiz, Ungarn, Weißrussland <strong>und</strong> Deutschland).<br />

Sie richtet sich an alle Mitmenschen in Europa. Die Betheler Aktionstage standen unter dem Motto „Gemeinschaft verwirklichen<br />

– Auf Augenhöhe“. Das sind unsere Thesen:<br />

1. Alle <strong>Menschen</strong> sollen unabhängig vom Ausmaß ihrer <strong>Behinderung</strong> über ihr Leben selbst bestimmen.<br />

Das muss <strong>für</strong> alle <strong>Menschen</strong> in Europa Wirklichkeit werden.<br />

2. Jeder Mensch ist eine eigene Persönlichkeit. Wir haben mehr gemeinsam, als uns unterscheidet. Nicht alle<br />

<strong>Menschen</strong> achten uns. Es muss mehr Möglichkeiten der Begegnung geben, da<strong>mit</strong> alle <strong>Menschen</strong> lernen, sich<br />

zu respektieren.<br />

3. Alle <strong>Menschen</strong> wollen selbstständig leben. Über notwendige <strong>Unterstützung</strong> bestimmen wir selbst <strong>und</strong> fordern<br />

sie ein. Das bezieht sich auf alle Lebensbereiche (Beispiele: alltägliche Situationen, politische<br />

Mitwirkung, Mobilität).<br />

Um entscheiden zu können, brauchen wir Informationen, die wir verstehen.<br />

4. Alle <strong>Menschen</strong> haben das Recht, eine Schule <strong>mit</strong> individueller Förderung zu besuchen <strong>und</strong> einen angemessenen<br />

Beruf zu erlernen. Jeder Mensch hat sein eigenes Lerntempo. Deshalb müssen Wünsche <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit<br />

berücksichtigt werden. Ein Leben lang müssen Lernen <strong>und</strong> der Zugang zu Bildung <strong>für</strong> alle ohne<br />

Schwierigkeiten möglich sein.<br />

5. Wir wollen überall in Europa die Möglichkeit haben, eine sinnvolle Arbeit zu tun. Wer arbeitet, erfährt<br />

Bestätigung durch die Arbeit <strong>und</strong> Anerkennung bei Kollegen <strong>und</strong> Kolleginnen <strong>und</strong> durch die Öffentlichkeit.<br />

Dazu gehört ein angemessener Lohn.<br />

6. Alle <strong>Menschen</strong> haben auch im Alter Anspruch auf ein würdevolles Leben. Dazu gehören Kontakte,<br />

Zuwendung, selbstbestimmtes Wohnen <strong>und</strong> individuelle Tagesgestaltung sowie wirtschaftliche Sicherheit<br />

<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Versorgung.<br />

7. Wir wollen an allen Sport-, Kultur- <strong>und</strong> Freizeitmöglichkeiten teilhaben können. Sie müssen <strong>für</strong> jeden <strong>und</strong><br />

jede zugänglich <strong>und</strong> bezahlbar sein.<br />

8. Wir sind in den Augen Gottes alle gleich. Alle <strong>Menschen</strong> müssen ihren Glauben frei leben können.<br />

9. Wir wollen in Politik <strong>und</strong> Gesellschaft <strong>mit</strong>wirken. Nichts soll ohne uns über uns geplant <strong>und</strong> entschieden<br />

werden.<br />

10. Selbstbestimmtes Leben erfordert viele gute Ideen, aber eben auch Geld. Deswegen muss jedes Land in<br />

Europa ausreichend Geld zur Verfügung stellen.<br />

Diese Erklärung wurde am 4. 10. 2003 Frau Ursula Schmidt, B<strong>und</strong>esministerin <strong>für</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziale Sicherung (vertreten<br />

durch den parlamentarischen Staatssekretär Herrn Franz Thönnes), sowie Herrn Harald Schartau, Landesminister NRW<br />

<strong>für</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit, stellvertretend <strong>für</strong> alle Regierungen <strong>und</strong> Entscheidungsgremien in der EU im Rahmen der Abschlussveranstaltung<br />

der Betheler Aktionstage überreicht. Wir erwarten, dass diese Betheler Erklärung einfließt in weitere<br />

(ges<strong>und</strong>heits-)politische <strong>und</strong> gesellschaftliche Entscheidungsprozesse sowie gesetzgeberische Maßnahmen zur Gleichstellung<br />

von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> in allen Staaten der Europäischen Union.<br />

Bielefeld-Bethel, 4. Oktober 2003<br />

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