Ratgeber Auto
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FREITAG, 4. MAI 2018<br />
SEITE 31<br />
Exklusiv im Test: Mercedes x-Klasse und Renault Alaskan<br />
Cooler Schlitten: Die X-Klasse von Mercedes macht nicht nur im Gelände eine gute Figur, aber eben da am meisten Spaß.<br />
schmuck. Der Schönling kann<br />
zwar tatsächlich feste anpacken.<br />
Aber wer seinen Wagen<br />
so liebt, wie wir es tun, würde<br />
es nicht übers Herz bringen,<br />
den Fußboden der X-Klasse<br />
vollzumottern und seine Armaturen<br />
mit dreckigen Fingern<br />
zu beschmieren.<br />
Lifestyle-Pickups mit<br />
tatsächlicher Funktion<br />
Die vom Nissan Navarra<br />
übernommene Innenraumausstattung<br />
im Renault wirkt<br />
da etwas weniger poliert,<br />
arbeitsmäßiger. Vor allem ist<br />
der große Touchscreen im<br />
Renault auf Anhieb intuitiv<br />
und schneller zu bedienen,<br />
als der im Mercedes. Wohlfühlen<br />
kann man sich in<br />
beiden Wagen. Nur in den<br />
Renault steigt man eben bedenkenlos<br />
mit dreckigen Stiefeln<br />
ein, die ölverschmierten<br />
Hände packt man trotzdem<br />
aufs Armaturenbrett und<br />
grabbelt an den Knöpfen der<br />
Klimaanlage herum. Dafür ist<br />
er da, um dreckig gemacht<br />
und benutzt zu werden. Die<br />
X-Klasse wirkt dagegen eher<br />
wie der harte Kerl (welcher er<br />
auch ist) mit sanftem Kern.<br />
Allerdings sollen mit Sicherheit<br />
nicht nur körperlich hart<br />
arbeitende Menschen oder<br />
Stuntfrauen- und Männer<br />
als potenzielle Käufer dieser<br />
<strong>Auto</strong>s angesprochen werden.<br />
Beworben werden sie oftmals<br />
als Lifestyle-Pickups mit tatsächlicher<br />
Funktion. Wer jetzt<br />
an urbane Gegenden statt<br />
Ackerflächen denkt, an Städte<br />
statt ans platte Land, der wird<br />
sich vielleicht noch einmal genauere<br />
Gedanken beim Kauf<br />
machen wollen. Denn mit<br />
etwas mehr als 5,30 Metern<br />
Länge und einer Höhe von etwas<br />
mehr als 1,80 Meter sind<br />
beide im Stadtverkehr, nunja,<br />
nicht gerade optimal zu<br />
bewegen.<br />
Andererseits: Wem ähnlich<br />
verklärte USA-Vorstellungen<br />
von mobiler Freiheit inklusive<br />
unendlicher Pisten im<br />
Kopf herum wabern wie uns,<br />
möchte sich aus Stil-Gründen<br />
einen Pickup kaufen. Vernunft<br />
spielt dann eine untergeordnete<br />
Rolle. X-Klasse und<br />
Alaskan sind dann mehr als<br />
empfehlenswert. Denn die<br />
wirklich gewaltigen US-Urviecher<br />
a la Dodge Ram oder Ford<br />
F150 sind mit ihren großen<br />
Motoren und einem Durchschnitt-Durst<br />
von locker 15 Litern<br />
Benzin pro 100 Kilometer<br />
keine wirkliche Alternative<br />
bei Spritpreisen von etwa 1,35<br />
Euro für den Liter. So ergibt<br />
sich eine weitere Zielgruppe:<br />
die „Stadt-Cowboys and Girls“.<br />
Zumal durch ein auf die Ladefläche<br />
geschnalltes Hard Top<br />
fast im Handumdrehen aus<br />
dem Pritschenwagen ein vollkommen<br />
überdimensionierter<br />
Kombi werden kann. Ist auch<br />
cool – aber in der Stadt dennoch<br />
meistens unpraktisch.<br />
Wer also mit X-Klasse oder<br />
Alaskan einfach nur in Städten<br />
auffallen will, sollte das<br />
bedenken, im positiven wie<br />
auch im negativen Sinne.<br />
Die hauptsächliche Zielgruppe<br />
für Pickups sind wohl<br />
dennoch Leute, die ihr <strong>Auto</strong><br />
für die Arbeit benötigen. Bisher<br />
hatten sie die Wahl zwischen<br />
Toyota Hilux, Nissan<br />
Navarra, Mitsubishi L200,<br />
VW Amarok und dem Ford<br />
Ranger. X-Klasse und Alaskan<br />
bereichern da die Vielfalt in<br />
einem wachsenden Segment<br />
des deutschen <strong>Auto</strong>marktes.<br />
Klar, Mercedes und Renault<br />
wollen ein Stück von diesem<br />
Kuchen abhaben. Ob ihnen<br />
das gelingt? Möglich. Der<br />
190-PS-Diesel in beiden Fahrzeugen<br />
ist ausreichend.<br />
Mercedes-Kunden warten<br />
auf einen größeren Moter<br />
Bei Mercedes in Neubrandenburg<br />
konnten wir vor diesem<br />
Test erfahren, dass bereits<br />
rund ein Dutzend der Test-Ausführung<br />
verkauft wurde. Die<br />
meisten Kunden hätten aber<br />
Interesse am 350d. Sprich:<br />
Der 6-Zylinder-Diesel mit<br />
3 Litern Hubraum wird bevorzugt.<br />
Die 2,3 Liter Hubraum<br />
in den beiden Testfahrzeugen<br />
sind okay, fahren sich recht<br />
spritzig. Generell waren wir<br />
erstaunt, wie leichtfüßig sie<br />
im Handling trotz ihrer Größe<br />
daherkamen. Wer aber die<br />
linke Spur auf der <strong>Auto</strong>bahn<br />
für sich haben will: Lasst es,<br />
das reicht nicht. Windwiderstand<br />
wie ein Garagentor und<br />
mehr als zwei Tonnen Leergewicht<br />
gehören da nicht hin.<br />
Und wer regelmäßig schwer<br />
zulädt und größere Lasten<br />
zieht, etwa Pferdeanhänger,<br />
möchte vielleicht etwas mehr<br />
Hubraum. Der 3-Liter-Diesel<br />
dürfte da die bessere Wahl<br />
sein. Für den Renault ist kein<br />
größerer Motor angekündigt,<br />
die Ausstattung im Mercedes<br />
ist etwas umfangreicher. Vor<br />
allem die Kamera an der Front<br />
ist super, um an engen Kreuzungen<br />
oder Ausfahrten Fußgänger<br />
oder Radfahrer links<br />
und rechts früh zu erkennen,<br />
noch bevor man auf dem Gehweg<br />
steht.<br />
Das hat aber auch seinen<br />
Preis, die X-Klasse lässt sich<br />
mit viel Ausstattung auch<br />
schnell auf einen Preis von<br />
knapp 51 000 Euro konfigurieren.<br />
Der Renault ist ein<br />
wenig günstiger, aber etwas<br />
mehr als 46 000 Euro kommen<br />
mit ein paar Extras<br />
auch schnell zusammen. In<br />
beiden Fällen mit dem gleichen<br />
2,3-Liter-Diesel-Motor.<br />
Wer nun denkt, dass das doch<br />
archaische Mörder-Maschinen<br />
sind, die die Luft verpesten,<br />
wie können die das testen<br />
und gut finden? Ja! Was denn<br />
sonst? Ein Pickup muss Kraft<br />
haben, der Verbrauch sollte<br />
im Rahmen bleiben, und die<br />
Technik muss robust sein. Genau<br />
das kann ein Diesel.<br />
Kontakt zum <strong>Auto</strong>r<br />
l.reuter@nordkurier.de<br />
Viele Kunden warten noch auf die 3-Liter-Variante der X-Klasse.<br />
Die Pritsche wirkt wie maßgeschneidert für Europaletten.<br />
Besonders die 360-Grad-Funktion der Kamera beeindruckt.<br />
X-Klasse und Alaskan – die<br />
Abkömmlinge des Nissan Navara<br />
Mercedes-Benz und Renault<br />
sind in das Geschäft mit den<br />
Pickups eingestiegen. Damit<br />
die Entwicklungskosten<br />
nicht so hoch sind und sie von<br />
grundauf anfangen müssen,<br />
bedienen sich beide Hersteller<br />
bei einem echten Arbeitstier,<br />
dem Nissan Navara.<br />
Den Navara gibt es seit<br />
1986, bei Nutzfahrzeugen<br />
blickt Nissan ohenhin auf eine<br />
sehr lange Tradition zurück.<br />
Die aktuelle Variante kann auf<br />
der Ladefläche gut eine Tonne<br />
an Zuladung schultern und<br />
bis zu 3,5 Tonnen ziehen. Wie<br />
gut er zieht, hängt aber von<br />
der Zuladung ab – und davon<br />
wiederum, wie der Kunde sein<br />
Fahrzeug bestellt. Der 2,3-Liter-Turbodiesel,<br />
der auch in<br />
der Mercedes X-Klasse und<br />
dem Renault Alaskan zum<br />
Einsatz kommt, ist wahlweise<br />
mit 163 oder 190 PS erhältlich.<br />
Wer also häufig schwer auflädt<br />
und auch noch Anhänger<br />
zieht, greift besser zu mehr<br />
Leistung. Schließlich wiegt<br />
der Pickup selbst schon rund<br />
zwei Tonnen leer. Die günstigste<br />
Ausstattungsvariante<br />
des Navara mit dem 190-PS-<br />
Motor gibt es laut Nissan ab<br />
35 360 Euro.<br />
Das Nissan-Urgestein ist<br />
die Grundlage für die X-Klasse<br />
und den Alaskan: Plattform,<br />
Antriebsstrang und Pritsche<br />
wurden vom Navara übernommen.<br />
Mercedes hat Innenraum<br />
selbst gestaltet, um in<br />
die Benz-Linie zu passen. Die<br />
Karosserie wurde bei der X-<br />
Klasse ebenfalls eigenständig<br />
designt, Ähnlichkeiten zum<br />
Navara und dem Alaskan, den<br />
Renault bis auf Logos größtenteils<br />
von Nissan übernommen<br />
hat, sucht man beim Mercedes<br />
vergeblich. Renault hat bei der<br />
Front, den Scheinwerfern und<br />
der Heckklappe Hand angelegt.<br />
Der Innenraum stammt<br />
komplett vom Navara.<br />
Förster, Landschaftsgärtner und Jäger könnten an dem Mercedes<br />
mit Ladefläche Gefallen finden.