2018-05 Pfarrblatt
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Editorial Interview<br />
Priorität hat die Situation der Menschen<br />
Nach dreieinhalb Jahren Auslandseinsatz<br />
für Comundo ist Familie<br />
Moresino nun wieder zurück in<br />
die Schweiz gekommen. Über<br />
ihre Rückkehr und weiteren Pläne<br />
sprachen Sie mit Christina<br />
Mönkehues-Lau.<br />
Flavio und Andrea, seit Februar<br />
seid ihr zurück in der Schweiz.<br />
Wie waren die letzten Wochen für<br />
euch?<br />
Andrea (A): Es ist eigenartig vertraut<br />
und fremd zugleich. Man erinnert<br />
sich langsam wieder wie der Billettautomat<br />
für die Zugfahrt funktioniert<br />
und ist gleichzeitig erst einmal<br />
irritiert über die Höflichkeit der Mitreisenden,<br />
die fragen, ob sie neben<br />
einem sitzen dürfen.<br />
Flavio (F): Der Wechsel war gewaltig<br />
von der Millionenstadt Bogotá in die<br />
kleine Gemeinde Greppen, in der<br />
wir nun auf einem Bauernhof wohnen,<br />
wo wir sehr herzlich empfangen<br />
wurden. Für mich ist es speziell,<br />
nach 26 Jahren wieder in der Region<br />
zu wohnen, in der ich aufgewachsenen<br />
bin. Wir haben auch sehr schnell<br />
neue Jobs gehabt (Anm. d. R. Flavio<br />
Moresino als Pastoralassistent der<br />
Luzerner Seepfarreien und Andrea<br />
Moresino-Zipper als Mitarbeiterin<br />
der Dienststelle Fidei-Donum in<br />
Freiburg) und hatten wenig Zeit, darüber<br />
viel nachzudenken. Es war erst<br />
einmal alles neu – besonders auch<br />
für die Kinder, die natürlich die neue<br />
Freiheit geniessen, aber auch ihre<br />
Freunde vermissen.<br />
Gibt es etwas, das ihr an Kolumbien<br />
besonders vermisst?<br />
A: Die feinen Suppen ... Nein, ich<br />
gehe ernsthaft öfter in Gedanken<br />
durch die vertrauten Quartiere in<br />
Bogotá und überlege mir, was die<br />
Leute gerade so machen. Natürlich<br />
macht einen das auch etwas traurig.<br />
F: Über WhatsApp sind wir natürlich<br />
weiterhin mit den Leuten in Kontakt.<br />
In manchen Situationen fällt einem<br />
jemand ein – dann schreibt man ihm<br />
oder ihr. Das ist eine gute Möglichkeit.<br />
Eine Sache, die mir als Unterschied<br />
schon auffällt, ist die Kinderbetreuung,<br />
die in Bogotá von 6.30<br />
bis 15.00 Uhr gewährleistet war. Hier<br />
sind die Tage etwas zerstückelter.<br />
Könnt ihr schon sagen, wie euer<br />
Auslandseinsatz euch verändert<br />
hat? Oder eure Sichtweisen?<br />
A: Ich bin sicherlich geduldiger geworden<br />
und rege mich nicht mehr<br />
so schnell auf. In vielen Situationen<br />
habe ich die Menschen im Hinterkopf,<br />
die ich kennengelernt habe<br />
und die Umstände, unter denen<br />
sie leben, womit sie auskommen<br />
müssen, was sie haben und nicht<br />
haben. Auch ein verspäteter Bus<br />
ist ein Grund zur Aufregung – das<br />
ist eigentlich kein grosses Problem.<br />
Auf der anderen Seite habe ich eine<br />
grössere Wertschätzung gegenüber<br />
den kleinen Dingen, die Menschen<br />
füreinander tun können, um sich gegenseitig<br />
zu unterstützen.<br />
F: Es gibt Einstellungen, die ich bei<br />
Casitas Bíblicas gelernt habe, die ich<br />
beibehalten möchte: Dass die Situation<br />
der Leute Priorität hat. Auch<br />
wenn ich gerade an einer anderen<br />
Sache bin, will ich aufmerksam sein,<br />
wenn jemand zu mir kommt und<br />
von sich erzählt. Es geht ja nicht nur<br />
darum, ein Programm abzuspulen<br />
– deswegen sind wir ja Seelsorger<br />
und nicht Organisatoren. Ein weiterer<br />
Punkt ist die Bedeutung der<br />
Gemeinschaft. Viele Menschen bei<br />
Casitas haben schwierige Situationen<br />
nur überstanden, weil sie zusammengehalten<br />
haben, z.B. füreinander<br />
eingekauft haben.<br />
In den nächsten Wochen seid ihr<br />
mit Mitarbeitern von Casitas Bíblicas<br />
in Deutschland, Österreich und<br />
der Schweiz unterwegs. Was sind<br />
eure Erwartungen?<br />
A: Ich finde es gut, dass Casitas nun<br />
die Möglichkeit hat, auch die Realität<br />
hier zu sehen, von der wir nur erzählen<br />
konnten. Es ist ja sonst auch<br />
kein wirklicher „Austausch”, wenn<br />
nur wir beide Sichtweisen haben<br />
können.<br />
F: Ich bin gespannt, wie sie auf das<br />
Leben in Europa reagieren. Was fällt<br />
ihnen auf? Was wird sie irritieren? Sicher<br />
ist es auch gut zu sehen, dass<br />
nicht alles besser ist. Ich hoffe auch,<br />
Andrea und Flavio Moresino mit ihren<br />
Kindern Maurizio und Leandro<br />
lebten bei uns in Freiburg, bevor<br />
sie sich vor dreieinhalb Jahren aufmachten,<br />
um in Bogotá im Projekt<br />
Casitas Bíblicas tätig zu sein. Ihren<br />
Einsatz unterstützte und begleitete<br />
die Organisation „Comundo”.<br />
Im Februar kehrten Sie zurück und<br />
wohnen nun in Greppen (LU).<br />
dass sie eine intensivere Wertschätzung<br />
gegenüber der eigenen Kultur<br />
entwickeln. Sicher ist es wichtig,<br />
dass sie weiter Kontakt nach Europa<br />
knüpfen können. Comundo wird<br />
nur noch einen Jahrespraktikanten<br />
in das Projekt schicken, aber keinen<br />
Einsatz, wie wir ihn gemacht haben,<br />
ermöglichen. Casitas bleibt abhängig<br />
von Spenden und Unterstützern<br />
wie z.B. Adveniat, weil sie ja auch<br />
nicht gewinnorientiert arbeiten<br />
dürfen. Das ist auch nicht Sinn der<br />
Sache. Sie wollen ja gerade etwas<br />
anbieten für die, die wenig haben<br />
(zum Projekt Casitas Bíblicas ► S. 6).<br />
Wie bleibt ihr Casitas verbunden?<br />
F: Wir werden sicher den Kontakt zu<br />
den Leuten aufrechterhalten. Zusätzlich<br />
wollen wir weiter die Weihnachtsnovene,<br />
die sie jährlich schreiben,<br />
übersetzen und verteilen. Ich denke<br />
darüber nach, einen Freundeskreis<br />
zur Unterstützung zu gründen.<br />
Möchten Sie Familie Moresino und<br />
die Equipe von Casitas Bíblicas treffen<br />
und kennenlernen? Dann haben<br />
Sie dazu die Möglichkeit am Sa, 26.<br />
Mai, beim 17.00 Uhr-Gottesdienst<br />
in Christ-König und ab 18.00 Uhr im<br />
grossen Saal ► S. 6)<br />
Kath. Pfarreiseelsorge Freiburg Stadt und Umgebung | Mai <strong>2018</strong> 3