Uni-Magazin 3_2009.indd - Zentrale Universitätsverwaltung - Martin ...
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3/09<br />
UNI<br />
MAGAZIN<br />
Campus statt Kaserne:<br />
Willkommen am Weinberg<br />
Spinnfäden mit Metall:<br />
Die Spider-Man-Seide<br />
Wissenschaft publizieren:<br />
360 Grad studentisch<br />
Alarmierende Aussichten:<br />
Sparen an der Bildung<br />
scientia halensis
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26.09.2010 Bis zum Südpolar-<br />
16 Tage kreis<br />
Foto: Hurtigruten | Collage: vivid designz Anja Weidner
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
unabhängig davon, wo Sie Ende September<br />
Ihr Kreuz gemacht haben: Grün scheint Ihnen<br />
zu gefallen, jedenfalls im <strong>Uni</strong>magazin.<br />
Die Reaktionen auf unseren Farbwechsel und<br />
generell die Neugestaltung des Heftes fielen<br />
größtenteils sehr positiv aus. Genaueres lässt<br />
sich erst sagen, wenn die Online-Umfrage ausgewertet<br />
ist – an der sich mehr als 800 Leser<br />
beteiligt haben. Dafür ein großes Dankeschön!<br />
Mit unserem Titelthema beleuchten wir diesmal<br />
den universitären Großumzug an den<br />
Standort Heide-Süd auf dem Weinberg Campus.<br />
So erfahren Sie etwas über Umzugsprofis,<br />
alte Hasen und Campus-Liebhaber. Dass der<br />
Weinberg seinen Namen durchaus zu Recht<br />
trägt, obwohl dort heute überraschenderweise<br />
Bier gebraut wird – auch das ist in diesem<br />
Heft nachzulesen.<br />
Impressum<br />
scientia halensis<br />
<strong>Magazin</strong> der <strong>Martin</strong>-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
Halle-Wittenberg (MLU)<br />
Ausgabe 3/09, 17. Jahrgang<br />
ISSN 0945-9529<br />
erscheint viermal im Jahr<br />
sowie im Internet:<br />
www.unimagazin.uni-halle.de<br />
Herausgeber:<br />
Rektor der <strong>Martin</strong>-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
Halle-Wittenberg<br />
Redaktion:<br />
Carsten Heckmann (V.i.S.d.P.),<br />
Dr. Petra Hoffmann, Silvio Kison,<br />
Ute Olbertz, Paolo Schubert<br />
Zudem wartet die Ausgabe mit vielen Helden<br />
auf. Spider-Man kommt vor, ebenso Helden<br />
des Alltags und der Forschung. Das Redaktionsteam<br />
offeriert Ihnen eine bunte Themenmischung<br />
– und wünscht viel Spaß beim Lesen!<br />
Fast wäre ich versucht, Ihnen zudem bereits<br />
ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen. Aber<br />
nein, das käme dann doch ein wenig früh.<br />
Obwohl dies bereits das letzte <strong>Uni</strong>magazin im<br />
Jahr 2009 ist. Es wird keine vierte Ausgabe<br />
geben, denn wir stellen den Erscheinungsrhythmus<br />
um: Ab sofort können Sie mit der<br />
scientia halensis stets im ersten Monat eines<br />
Quartals rechnen, der Abstand zwischen zwei<br />
Ausgaben wird somit immer der gleiche sein.<br />
Statt im Dezember erscheint das nächste Heft<br />
also im Januar, rechtzeitig vor dem Ende der<br />
Vorlesungszeit.<br />
Kontakt:<br />
<strong>Martin</strong>-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
Halle-Wittenberg<br />
Stabsstelle des Rektors / Pressestelle<br />
<strong>Uni</strong>versitätsplatz 9, 06108 Halle (Saale)<br />
Telefon: 0345 55-21004<br />
Fax: 0345 55-27066<br />
E-Mail: magazin@uni-halle.de<br />
Mediadaten:<br />
www.pr.uni-halle.de/mediadaten<br />
Redaktionsbeirat:<br />
Prof. Dr. Wulf Diepenbrock (Rektor),<br />
Prof. Dr. Dr. Gunnar Berg (Altrektor),<br />
Carsten Heckmann, Prof. Dr. Andrea<br />
Jäger, Prof. Dr. Gerhard Lampe, Ramona<br />
Mitsching (VFF), Jens Müller,<br />
Ute Olbertz, Katrin Rehschuh,<br />
Dr. Ralf-Torsten Speler<br />
Layout und Satz:<br />
Digital Druckservice Halle GmbH<br />
Druck:<br />
dmv / druck-medienverlag GmbH<br />
Grafik-Design:<br />
Barbara Dimanski, Dipl.-Grafik-<br />
Designerin AGD/BBK<br />
Steffen Schenk (Inhaltsverzeichnis)<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />
geben die Meinung der Autoren wieder.<br />
Die Redaktion behält sich Änderungen<br />
eingesandter Texte vor. Bei unverlangt<br />
eingesandten Texten/Fotos besteht<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Zwischen zwei Ausgaben passiert an der<br />
MLU natürlich sehr viel – und falls Sie darüber<br />
auf dem Laufenden sein wollen, kann ich<br />
Ihnen nur den Newsletter empfehlen, den die<br />
Pressestelle anbietet. Er erscheint mit Beginn<br />
des Wintersemesters in überarbeiteter Form,<br />
mit neuem Layout und festen Rubriken – noch<br />
dazu wöchentlich statt wie bisher alle 14 Tage.<br />
Demnächst kommt noch eine Datenbank<br />
hinzu, sodass Sie im Newsletter-Archiv recherchieren<br />
können. Wie wäre es mit einem<br />
Probe-Abo?<br />
www.pr.uni-halle.de/newsletter<br />
Auf Wiederlesen!<br />
Carsten Heckmann<br />
Leiter der Pressestelle<br />
Der <strong>Uni</strong>versitätscampus am Von-Danckelmann-Platz. Foto: Maike Glöckner<br />
keine Gewähr für einen Abdruck. Der<br />
Nachdruck von Artikeln ist bei Angabe<br />
der Quelle gestattet. Die Redaktion bittet<br />
um ein Belegexemplar.<br />
scientia halensis erscheint mit freundlicher<br />
Unterstützung der Vereinigung der<br />
Freunde und Förderer der <strong>Martin</strong>-Luther-<br />
<strong>Uni</strong>versität Halle-Wittenberg e. V. (VFF)<br />
Das Titelbild zeigt Franziska<br />
Setzer, Studentin der Angewandten<br />
Geowissenschaften und MLU-<br />
Studienbotschafterin, im Geologischen<br />
Garten am Von-Seckendorff-Platz.<br />
Foto: Maike Glöckner<br />
3<br />
V ORWORT
4<br />
I NHALT<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
8<br />
Varia<br />
„Erleuchtung der Welt“<br />
Die <strong>Uni</strong>versität Leipzig begeht am<br />
2. Dezember den 600. Jahrestag der<br />
Gründung ihres Bestehens. Von der<br />
ruhmreichen Geschichte der MLU-Partneruniversität<br />
erzählt die Jubiläumsausstellung<br />
„Erleuchtung der Welt“, in der<br />
auch Exponate aus Halle zu sehen sind,<br />
zum Beispiel das Rektorenbildnis von<br />
Christian Wolff (Foto: Marion Wenzel,<br />
<strong>Uni</strong>versität Leipzig).<br />
Kontroverse Debatte<br />
setzt sich fort<br />
Leser schreiben zum Thema<br />
Naturkundemuseum<br />
Bilderrätsel 7<br />
Sprachsalat 7<br />
Zur „Erleuchtung der Welt“ 8<br />
Jubiläumsausstellung der <strong>Uni</strong>versität<br />
Leipzig mit MLU-Beteiligung<br />
„Facetten der Gerechtigkeit“ 9<br />
Vortragsreihe vor dem Hintergrund<br />
zweier Jubiläen<br />
Fruchtbare Partnerschaft 9<br />
Senshû <strong>Uni</strong>versität Tokio wird 130<br />
Jahre alt<br />
6<br />
10<br />
Titelthema<br />
Mit dem Lkw ins Grüne 10<br />
Ein Umzugsbericht über emsige Arbeiter,<br />
kurze Wege und große Potenziale<br />
Kolumne von Dr. Zeitgeist 16<br />
Warum „Weinberg Campus“? 16<br />
Die Geschichte des heutigen<br />
Wissenschaftsareals<br />
Kenntnisse, Kontakte – Karriere 17<br />
Die Studentische Förderinitiative der<br />
Naturwissenschaften<br />
Der Gipfel des guten<br />
Geschmacks<br />
Das Studentenwerk ist ab 2010 mit zwei<br />
Mensen auf dem Weinberg vertreten<br />
Wachstumsschub für den Weinberg Campus<br />
Für Agrar- und Ernährungswissenschaftler, Physiker und Chemiker war die<br />
vorlesungsfreie alles andere als eine stressfreie Zeit: Für sie stand der Umzug<br />
zum Weinberg Campus an. In den dortigen Standort Heide-Süd flossen<br />
in den letzen Jahren 70 Millionen Euro. Nun leben sich 3000 Studierende<br />
und 400 Beschäftigte am Von-Danckelmann-Platz ein. Ein Bericht über emsige<br />
Arbeiter, kurze Wege und große Potenziale. Ergänzend dazu: ein Weinberg-Mensa-Report<br />
und Informationen über die Studentische Förderinitiative<br />
der Naturwissenschaften (Abbildung: Auszug aus einer 3-D-Darstellung des<br />
Weinberg Campus, Gesamtansicht und Informationen dazu auf S. 14/15).<br />
18<br />
Hochschulpolitik<br />
Alarmierende Aussichten 20<br />
Landesetat: Weitere Belastungen für die<br />
Hochschulen<br />
Studieren, lehren, leben<br />
Frauenpower für studentische<br />
Experten<br />
Projekt „PraxisBilder“: Studierende<br />
beraten Unternehmer<br />
Moderne IT für den „Student<br />
Life Cycle“<br />
Campusmanagement an der MLU wird<br />
weiterentwickelt<br />
21<br />
22<br />
Nach den Sternen greifen 24<br />
Ein Physiker bringt zukünftigen Lehrern<br />
die Astronomie näher
25 Spider-Man-Seide<br />
aus Halle<br />
Spinnfäden haben erstaunliche<br />
Eigenschaften. Sie sind<br />
wahnsinnig stark und dennoch<br />
elastisch. Aber auch Gutes<br />
kann noch besser werden: Mit<br />
Metall gestärkte Spinnfäden<br />
sind reißfester und dehnbarer<br />
(Foto: Max-Planck-Institut für<br />
Mikrostrukturphysik).<br />
Forschen und publizieren<br />
Die Spider-Man-Seide<br />
aus Halle<br />
Wissenschaftler machen Spinnfäden<br />
reißfester und dehnbarer<br />
25<br />
„Telefonieren kann nicht jeder“ 26<br />
Sprechwissenschaftler helfen Call-<br />
Center-Agenten<br />
Gerechte Verteilung im<br />
Gesundheitswesen?<br />
Vereinigung der Freunde und Förderer<br />
unterstützt wichtige Tagung<br />
28<br />
Meldungen 29<br />
Stillgestanden! 30<br />
Biologen klären Rolle eines Enzyms für<br />
die Stabilität von Genomen<br />
42<br />
Magdeburger Dom gibt<br />
Geheimnisse preis<br />
MLU-Forscher begleiten erfolgreichen<br />
Ausgrabungsprozess<br />
(Fach-)Literaturfabrik<br />
<strong>Uni</strong>versität<br />
Some stories are also available in English<br />
on our international website<br />
www.international.uni-halle.de<br />
Please look for the fl ag!<br />
22<br />
32<br />
34<br />
360 Grad studentisch 36<br />
Studierende publizieren ihre wissenschaftlichen<br />
Arbeiten<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Modernes System für das<br />
Campus-Management<br />
„Dorthin, wo es stinkt und knallt“<br />
Derzeit werden an der MLU verschiedene Serviceangebote<br />
für Studierende durch mehrere Softwareprodukte<br />
gewährleistet. Nach außen sichtbar ist<br />
dieses Campus-Management-System unter anderem<br />
durch Stud.IP und das Löwenportal. Deren Funktionalitäten<br />
sollen in Zukunft gebündelt und erweitert<br />
werden (Zeichnung: Oliver Weiss).<br />
Jahr für Jahr bietet die MLU ein breit gefächertes Spektrum an Ausbildungsplätzen.<br />
Fachangestellte für Bürokommunikation, Feinmechaniker und Gärtner werden<br />
genauso ausgebildet wie Laboranten. Doreen Rüdel ist eine von 19 neuen Auszubildenden.<br />
Sie arbeitet seit August im Bereich Lebensmittel- und Umweltchemie<br />
(Foto: Paolo Schubert).<br />
Personalia<br />
Über die Hängebrücke<br />
in die Klinik<br />
Ole Hensel hilft in Nepal aus<br />
37<br />
Meldungen 38<br />
Ehrensenator Gerhard Holland<br />
verstorben<br />
39<br />
Neu berufen 39<br />
20 Fragen an Petra Lohse 41<br />
Verbales Portrait einer Zeitgenossin<br />
„Dorthin, wo es stinkt<br />
und knallt“<br />
Doreen Rüdel ist eine von 19 neuen<br />
Auszubildenden<br />
42<br />
5<br />
I NHALT
6<br />
V ARIA<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Kontroverse Debatte setzt sich fort<br />
Leser schreiben zum Thema Naturkundemuseum<br />
Die naturhistorischen Sammlungen der MLU gehören mit über fünf Mio. Objekten zu den zehn<br />
größten derartigen Kollektionen Deutschlands. In einer neuen <strong>Zentrale</strong>n Einrichtung sollen drei<br />
dieser Sammlungen vereint werden. Geplant ist darüber hinaus ein Naturkundliches <strong>Uni</strong>versitätsmuseum<br />
am Friedemann-Bach-Platz. In Ausgabe 2/09 des <strong>Uni</strong>versitätsmagazins erläuterten<br />
die Dekane der Naturwissenschaftlichen Fakultäten I und III ihre unterschiedlichen Auffassungen<br />
zu dem Projekt. Diskussionsstoff für viele Leser. Drei von ihnen kommen hier zu Wort.<br />
Sie nehmen Bezug auf den Beitrag von Prof. Dr. Elmar Wahle („Beeindruckend, aber nicht<br />
bezahlbar“).<br />
ıGenuiner Teil einer weltweiten Forschungsinfrastruktur„<br />
Reinhold Leinfelder<br />
Foto: privat<br />
<strong>Uni</strong>versitäten tun sich<br />
manchmal schwer mit<br />
ihrem kulturellen und<br />
wissenschaftlichen Erbe,<br />
vor allem wenn es Ressourcen<br />
kostet.<br />
Umso bemerkens- und<br />
begrüßenswerter, dass<br />
die <strong>Uni</strong>versität Halle<br />
plant, ein neues naturkundliches<br />
Museum zu<br />
eröffnen. Allerdings zeugt die Position von<br />
Elmar Wahle hierzu von einem fundamentalen<br />
Missverständnis sowohl (1) zur Rolle<br />
eines Museums, (2) zur Forschungsrelevanz<br />
der halleschen und anderer Sammlungen, aber<br />
auch (3) bezüglich seiner Auffassung zur Ausrichtung<br />
moderner Biowissenschaften.<br />
(1) Die Statuten sowie der Code of Ethics<br />
des International Council of Museums<br />
(ICOM) sind eindeutig: „Ein Museum<br />
ist eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit<br />
zugängliche Einrichtung im<br />
Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung,<br />
die zu Studien-, Bildungs- und<br />
Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse<br />
von Menschen und ihrer Umwelt<br />
beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt<br />
macht und ausstellt.“ Sammlungsbasierte<br />
Forschung ist von einem Museum nicht<br />
wegzudenken. Schon allein der Vorschlag<br />
Herrn Wahles, die Sammlungen vom Mu-<br />
ıVon Armut zu Armseligkeit„<br />
Das kennt man ja. Es betrifft Sachen, Personen,<br />
Ideen und Geschichte. Das, was stört,<br />
wird eliminiert. Was stört? Das, was nicht<br />
oder nicht mehr in die Zeit passt. Und das,<br />
was Geld kostet und was keines oder wenig<br />
bringt. Weg damit, was Effizienzkriterien<br />
nicht gehorcht. Verwertbarkeit und Gewinn<br />
als Kriterien auch in der Wissenschaft?<br />
Biologie ohne Systematik und Taxonomie?<br />
Zoologie ohne Tiere – lebende, genadelte<br />
und ausgestopfte?<br />
Ob der Genius loci damit beschädigt oder<br />
ausgelöscht wird, spielt keine Rolle. Aber der,<br />
seum zu trennen und vielleicht an eine<br />
weit entfernt liegende Institution zu übergeben,<br />
macht das geplante Museum von<br />
vornherein zur Farce.<br />
(2) Kann es sein, dass Herr Wahle die halleschen<br />
Sammlungen nicht zur Genüge<br />
kennt?<br />
Wie sonst kann er unberücksichtigt lassen,<br />
dass die paläontologischen Geiseltal-Sammlungen<br />
sowohl von der ästhetischen<br />
Qualität als insbesondere von der<br />
Forschungsrelevanz her ein weltweites<br />
<strong>Uni</strong>kat darstellen – soll dieser Schatz des<br />
weltberühmten Geiseltals auch abgegeben<br />
werden?<br />
Des weiteren sind nicht nur die Insekten-,<br />
sondern auch die sonstige naturkundliche<br />
Sammlung von hoher wissenschaftlicher<br />
Relevanz – dass die Institutskollegen dort<br />
derzeit vielleicht nicht mit ihr forschen,<br />
steht auf einem anderen Blatt, umso wichtiger,<br />
sie der globalen Forschungsgemeinschaft<br />
als Ressource zu erschließen.<br />
(3) Mir steht es nicht an, die wissenschaftliche<br />
Ausrichtung der Fakultät zu kritisieren.<br />
Wenn der Dekan auf die Erforschung<br />
„eines mechanistischen Verständnisses<br />
von Lebensvorgängen“, auf „Modellorganismen“<br />
setzt, oder meint, dass sammelnde<br />
und „beschreibende Tätigkeit“ (er<br />
meint wohl die Forschungsrichtungen Taxonomie<br />
und Phylogenetik) in die Zeit des<br />
Kolonialismus gehörte, und dass dies alles<br />
gerade der, kann ein wichtiger Standortfaktor<br />
sein. Und: Der Schritt von Armut zu Armseligkeit<br />
ist nur ein kleiner.<br />
Einem Professor an einer deutschen <strong>Uni</strong>versität<br />
und einem Dekan dazu würde man Unrecht<br />
tun, wenn man ihm eine solche Haltung unterstellen<br />
würde. Auf den ersten Blick und entlang<br />
der Oberfläche des vorliegenden Textes<br />
liegt diese Deutung allerdings nahe.<br />
Es gibt aber auch einen zweiten Blick und<br />
Subtext. Dieser zeugt von der misslichen Lage<br />
des Dekans, Mittel für den Erhalt der Zoologischen<br />
Sammlung bereit zu stellen. So gese-<br />
Naturkundliches <strong>Uni</strong>versitätsmuseum am<br />
Friedemann-Bach-Platz. Entwurfsskizze von Dr.<br />
Frank Steinheimer.<br />
„die Entwicklung der Wissenschaft widerspiegelt“,<br />
ist dies seine Sache.<br />
Eine wirklich moderne Ausrichtung der Zoologie<br />
wäre allerdings etwas anderes. Die Zeit<br />
der rein mechanistischen Beschreibungen, der<br />
Reduktionen auf Modellorganismen, ist zwar<br />
noch nicht zu Ende, moderne Entwicklungen<br />
gehen jedoch von ganzheitlichen Ansätzen aus.<br />
Die Genforschung geht in die Genom-Forschung<br />
über, anstelle vom Gen zum Phän zu<br />
kommen, müssen ganzheitliche Ansätze in der<br />
Evolutionären Entwicklungsbiologie zum Einsatz<br />
kommen, statt möglichst einfache Modellökosysteme<br />
zu erforschen, muss die nicht linear-mechanistische<br />
Dynamik vernetzter Ökosysteme<br />
und ganzer Biome erforscht werden.<br />
Naturkundliche, sammlungsbasierte Forschung<br />
gliedert sich hier überall ein. Schon längst hat<br />
die Molekularbiologie bis hin zu automatisierten<br />
Verfahren (DNA-BarCoding, Metagenomics),<br />
aber auch die Biogeochemie (Isotopen<br />
etc.) in Sammlungen Einzug gehalten.<br />
Die <strong>Uni</strong>versität Halle wäre sehr gut beraten,<br />
ihre Sammlungen als Teil einer weltweiten<br />
vernetzten Forschungsinfrastruktur und eines<br />
Weltkulturerbes zu begreifen.<br />
Prof. Dr. Reinhold Leinfelder, Generaldirektor<br />
des Museum für Naturkunde Berlin, Vorsitzender<br />
des Konsortiums „Deutsche Naturwissenschaftliche<br />
Forschungssammlungen“<br />
hen, scheinen mir die Einlassungen von Professor<br />
Wahle als Ruf nach Solidarität. Nur<br />
diese Lesart kann und will ich gelten lassen.<br />
Sie zeugt von großem Verantwortungsbewusstsein<br />
und organisiert pfiffig Unterstützung<br />
für sein eigentliches Vorhaben. Der Widerspruch<br />
und das Missverständnis sind also<br />
wohl kalkuliert und gewollt.<br />
Ich glaube, dass ich also die Botschaft verstanden<br />
habe und unterstütze gern seine Mission,<br />
die Sammlung erhalten und drohender<br />
Armseligkeit die Stirn bieten zu wollen.<br />
PD Dr. Christoph Gallschütz,<br />
MLU-Bio-Matrikel 1973
ıFehlentwicklungen erkennen„<br />
Im Heft 2/09 hat Prof. Dr. Elmar Wahle ein<br />
Statement zu den Zoologischen Sammlungen<br />
abgegeben, das darauf abzielt, die Sammlungen<br />
künftig nicht weiter zu führen. Als<br />
Kustodin der Wirbellosensammlungen kann<br />
ich diese Meinung nicht teilen. In einer sich<br />
verändernden Welt müssen wir einen dramatischen<br />
Rückgang der Artenvielfalt verzeichnen.<br />
Allein vor diesem Hintergrund ist es verwerflich,<br />
die Naturkundlichen Sammlungen<br />
unserer <strong>Uni</strong>versität, die einzigartige Archive<br />
der Natur darstellen, als Relikte zu bezeichnen,<br />
die mitgeschleppt werden müssten. Der<br />
Bilderrätsel<br />
Was zeigt dieses Bild?<br />
Wie in den letzten Heften ist des Rätsels<br />
Lösung wieder in diesem <strong>Uni</strong>magazin<br />
versteckt.<br />
Viel Vergnügen beim Lesen und Glück<br />
beim Betrachten der Bilder! Wer der Redaktion<br />
als erste(r) per Telefon, E-Mail, Fax<br />
oder (Haus-) Post die richtige Lösung übermittelt,<br />
auf die oder den wartet ein GUT-<br />
SCHEIN im Wert von 15 Euro, einzulösen<br />
im <strong>Uni</strong>-Shop im Marktschlösschen.<br />
Das Rätselfoto in der scientia halensis<br />
2/09, Seite 8, zeigte einen Teil des 800-<br />
MHz-Spektrometers, mit dem MLU-Physiker<br />
u. a. die Strukturen von Proteinen<br />
erforschen (Ausschnitt eines Fotos von<br />
S. 34). Am schnellsten erkannt hat das<br />
Maren Hübner, Lehramtsstudentin im 12.<br />
Semester (Englisch/Sozialkunde). Den versprochnen<br />
Zuschuss zum nächsten Einkauf<br />
im <strong>Uni</strong>-Shop hat sie bereits erhalten.<br />
Welttreuhandfonds für Kulturpflanzenvielfalt<br />
baut in Norwegen eine Datenbank auf, sammelt<br />
Samen und anderes biologisches Material,<br />
bewahrt es auf, um für viel Geld einen<br />
Gen-Pool zu schaffen, damit einerseits Genreserven<br />
erhalten bleiben und andererseits Fehlentwicklungen<br />
korrigiert werden können.<br />
Wie wollen wir aber diese Entwicklungen erkennen,<br />
wenn das Vergleichsmaterial fehlt?<br />
Im Jahr 2002 feierte die MLU ihr 500-jähriges<br />
Bestehen. Mit Stolz präsentierte die <strong>Uni</strong>versität<br />
ihre großen Erfolge in der Vergangenheit<br />
und darauf aufbauend in der Gegenwart mit<br />
In Interviews wird gern nach den drei Büchern<br />
für die Insel gefragt. Bei mir wäre auf jeden<br />
Fall Klemperers LTI (Lingua Tertii Imperii,<br />
die „Sprache des Dritten Reichs“) dabei. Dass<br />
trotz der Fülle wissenschaftlicher und unterhaltsamer<br />
Sprach-Bücher eine in adäquater<br />
Weise den heutigen Alltagswortschatz auslotende<br />
LQI noch immer ein Desiderat darstellt,<br />
sollen hier ein paar mediale Beispiele (mag<br />
auch das eine oder andere ironisch gemeint<br />
sein) belegen:<br />
► In der kleinen feinen Rubrik „Gedanken<br />
zum Tag“ auf der Titelseite der Mitteldeutschen<br />
Zeitung (MZ) wurde am 18. Juni 2009<br />
Friedrich Nowottny zitiert: „Damit unsere<br />
Sprache nicht noch mehr militarisiert wird,<br />
müssen wir aufpassen wie die Schießhunde.“<br />
► Im Juli 2009 militarisierte die MZ mehrfach<br />
das Thema Bildung: Am 8. Juli legte<br />
Katja Müller <strong>Uni</strong>-Rektor Diepenbrock die<br />
Worte in den Mund: „Die Rekrutierung von<br />
Eliten müsse in den verschiedenen Bereichen<br />
[...] geschehen …“; am 11. Juli kommentierte<br />
Manuela Bank die Diskussion um die sachsen-anhaltische<br />
Schulstruktur (wie explosiv es<br />
zugehen wird) mit militanter Streitlust: „Die<br />
Fronten sind eindeutig …, … ein Bombardieren<br />
mit wissenschaftlichen Theorien …“,<br />
„Ich hoffe, dass wir aus den Schützengräben<br />
kommen …“ (Zitat von Adolf Spotka), „Die<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
ıBitte einmal gemischten Sprachsalat ⁄„<br />
Diesmal mit realen Kostproben aus einer fiktiven LQI<br />
Zeichnung:<br />
Oliver Weiss<br />
Visionen für die Zukunft. Dabei wurde auch<br />
auf die erfolgreiche Arbeit der zoologischen<br />
Sammlungen, ihre internationale Beachtung<br />
und ihre repräsentative Wirkung hingewiesen<br />
bzw. zurückgegriffen (größter Leihgeber mit<br />
177 Exponaten zur Landesausstellung). Ruhen<br />
wir uns nicht auf diesen Lorbeeren aus,<br />
sondern setzen fort, was vor über 230 Jahren<br />
begonnen wurde.<br />
Dr. Karla Schneider,<br />
Institut für Biologie, Zoologische Sammlungen<br />
Die Leserbriefe wurden von der Redaktion gekürzt.<br />
Die ungekürzten Fassungen finden Sie im<br />
Internet: www.unimagazin.uni-halle.de<br />
Sachverständigen rasseln jedoch bereits mit<br />
den Säbeln.“<br />
► Seinen Beitrag Vertreibung aus dem Land<br />
des Lächelns zu den Folgen der Dienstwagen-<br />
Affäre von Ulla Schmidt begann Christian<br />
Bommarius am 1. August 2009 auf S. 5 der<br />
MZ so: „Mag sein, dass Leben nur ein anderes<br />
Wort für Kämpfen ist …“ Ein Stück weiter variiert<br />
er das Motiv: „Das Leben als Kampf und<br />
der Kampf als Lebensform …“, um schließlich<br />
zum absehbaren Höhepunkt zu gelangen:<br />
„… erfahrene Lebenskämpfer wissen, dass<br />
nicht der Sieg und nicht die Niederlage zählt,<br />
sondern allein der Kampf. Bis zum letzten Gefecht.“<br />
► Im Morgenmagazin des ZDF am 25. August<br />
2009 stellte Dunja Hayali den Apfelbauern<br />
Eckart Brandt vor; um 6.45 Uhr sprach sie<br />
den Satz: „Es gibt ja wahnsinnig viele Apfelsorten,<br />
aber im Supermarkt findet man dann<br />
doch immer die Allzweckwaffen …“<br />
► Vor der Landtagswahl konstatierte Daniela<br />
Carls am 29. August 2009 um 8.13 Uhr<br />
im Deutschlandradio: „In Sachsen haben die<br />
Parteien eine wahre Materialschlacht ausgefochten.“<br />
► Vor einer Erklärung der Kanzlerin im<br />
Bundestag zum Einsatz deutscher Truppen<br />
in Afghanistan meinte die Moderatorin im<br />
Morgenmagazin des ZDF am 08.09.2009 um<br />
6.35 Uhr: „Heute ist, wenn man so will, parlamentarischer<br />
Großkampftag.“ Zehn Minuten<br />
später wurde Karsten Müller (MdB, CDU)<br />
vorgestellt und einer seiner Auftritte zur Bundestagswahl<br />
2009 in Braunschweig so apostrophiert:<br />
„Zeit für Nahkampf nah am Volk.“<br />
Am selben Tag um 7.47 Uhr sprach Clemens<br />
Verenkotte im Deutschlandfunk in einem<br />
Kommentar zur israelischen Siedlungspolitik<br />
im Westjordanland<br />
(Barak Ehud hatte 455 neue Siedlungen<br />
im Westjordanland genehmigt)<br />
von der „PR-Front.“<br />
Margarete Wein<br />
7<br />
V ARIA
8<br />
V ARIA<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Zur ıErleuchtung der Welt„<br />
Jubiläumsausstellung der <strong>Uni</strong> Leipzig mit MLU-Beteiligung<br />
R ALF-TORSTEN SPELER<br />
Die <strong>Uni</strong>versität Leipzig begeht am 2. Dezember den 600. Jahrestag der Gründung ihres Bestehens.<br />
Somit zählt sie zu den ältesten <strong>Uni</strong>versitäten Deutschlands und gehörte immer zu den<br />
größten deutschen Hochschulen. Von der ruhmreichen Geschichte der MLU-Partneruniversität<br />
erzählt auch die Jubiläumsausstellung „Erleuchtung der Welt“, die seit dem 9. Juli im Alten<br />
Rathaus in Leipzig läuft.<br />
Nach dem Prager Vorbild wurde die Leipziger<br />
<strong>Uni</strong>versität 1409 von den Wettinern gegründet,<br />
später erfolgten zwei weitere sächsische<br />
<strong>Uni</strong>versitätsgründungen: 1502 in Wittenberg<br />
und 1548/58 in Jena. Die Wittenberger Alma<br />
mater wurde schließlich 1817 mit der halleschen<br />
Fridericiana vereinigt, die 2002 auch<br />
den Anlass gab, an der <strong>Martin</strong>-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
das 500-jährige Jubiläum der Hohen<br />
Schule von <strong>Martin</strong> Luther (1483–1546) und<br />
Philipp Melanchthon (1497–1560) zu feiern.<br />
Neben der überregionalen Wirkung der Leipziger<br />
<strong>Uni</strong>versität im spätmittelalterlichen<br />
Alten Reich kann Leipzig neben Berlin und<br />
München ihre Glanzzeit mit Weltgeltung nach<br />
der Reichsgründung von 1871 beanspruchen.<br />
Die Leipziger entschieden sich jedoch, den<br />
Schwerpunkt ihrer Jubiläumsausstellung auf<br />
das späte 17. und das 18. Jahrhundert, das<br />
Zeitalter der Aufklärung, zu legen.<br />
Es ist unbestritten, dass die Musteruniversität<br />
der Aufklärung Halle (1694 gegründet) und<br />
die 1734 gegründete Hohe Schule in Göttingen<br />
an der Entstehung der modernen Wissenschaften<br />
einen zukunftsweisenden Anteil<br />
hatten, Vorbild für andere Hochschulen waren<br />
und beide in hohem Maße Bildungs- und<br />
Wissenschaftsgeschichte geschrieben haben.<br />
Aber die Leipziger Ausstellungsautoren präjudizieren,<br />
dass Halle und Göttingen nicht<br />
Schöpfungen aus dem Nichts waren und ihre<br />
ersten und auch viele späteren Lehrer aus anderen<br />
<strong>Uni</strong>versitäten kamen, durch die sie geprägt<br />
worden waren und an denen sie gewirkt<br />
haben.<br />
Aus dieser These resultierend sind im Mittelpunkt<br />
der Abteilung Philosophie die<br />
halleschen Sessionssaalbilder von Christian<br />
Thomasius (1655–1728) und Christian Wolff<br />
(1679–1754) zu sehen und in der Abteilung<br />
Theologie das hallesche Rektorgemälde von<br />
August Hermann Francke (1663–1727).<br />
Aufgrund der intoleranten sächsischen Konfessionspolitik<br />
wechselten diese teilweise<br />
verfolgten Hochschullehrer nach Halle und<br />
wurden die geistigen Begründer der fortschrittlichen<br />
halleschen Reformuniversität.<br />
Beide mitteldeutschen Traditionsuniversitäten<br />
Leipzig und Halle sind nachweislich eng miteinander<br />
verknüpft.<br />
Besuch der Leipziger Jubiläumsausstellung<br />
am 5. November 2009, 16 Uhr<br />
Führung durch den Kustos und Projektleiter<br />
der Ausstellung,<br />
PD Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen<br />
Treffpunkt: Leipzig, Altes Rathaus,<br />
unter den Arkaden, Markt 1<br />
Anmeldung: <strong>Zentrale</strong> Kustodie, Tel.: 55 21 733<br />
In der auf 1400 Quadratmeter mit rund 700<br />
Exponaten bestückten, vornehm gestalteten<br />
Jubiläumsausstellung wird die ruhmreiche<br />
<strong>Uni</strong>versitätsgeschichte Leipzigs mit bestens<br />
restaurierten Kunstwerken und Kabinett- und<br />
Sammlungsstücken belegt. In den Abteilungen<br />
Archäologie und Deutsche Literatur sieht man<br />
beispielsweise Gemälde des Wittenberger<br />
Studiosus Novalis (1772–1801) und des halleschen<br />
Studenten Johann Joachim Winckelmann<br />
(1717–1768), die das 18. Jahrhundert<br />
entscheidend prägten – das der einstige Leipziger<br />
Student Johann Wolfgang von Goethe<br />
(1749–1832) auch das Jahrhundert Winckelmanns<br />
nannte. Halle profitierte viel von der<br />
nahegelegenen sächsischen Landesuniversität<br />
durch zahlreiche Berufungen Leipziger akademischer<br />
Bürger. Der Leipziger Absolvent Johann<br />
Heinrich Michaelis (1663–1738) wurde<br />
als geschätzter Kenner der semitischen Sprachen<br />
1699 zum Professor für Alte Sprachen<br />
an die Alma mater Halensis berufen. Aus der<br />
alten Leipziger Gelehrten- und Schriftstellerfamilie<br />
Johann Jacob Volkmann (1732–1803)<br />
stammen zwei berühmte hallesche Medizinergenerationen<br />
des 19. Jahrhunderts.<br />
Es gibt zahlreiche Berührungspunkte zwischen<br />
Leipzig und Halle, einige davon sind in<br />
der Exposition dargestellt. Zweifellos gehört<br />
die größte mitteldeutsche <strong>Uni</strong>versität Leipzig<br />
zu den führenden Bildungsstätten in der deutschen<br />
Geschichte, die heute wieder an diese<br />
großen Erfolge anknüpft. Die übersichtlich<br />
sehr gut gegliederte Jubiläumsausstellung im<br />
Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, Altes<br />
Rathaus, zeigt in beeindruckender Weise, wie<br />
der Titel es ankündigt, die „Erleuchtung der<br />
Welt – Sachsen und der Beginn der modernen<br />
Wissenschaften“.<br />
■<br />
Dr. Ralf-Torsten Speler<br />
Leiter der <strong>Zentrale</strong>n Kustodie<br />
Telefon: 0345 55-21732<br />
E-Mail: r-t.speler@kustodie.uni-halle.de<br />
Internet: www.kustodie.uni-halle.de<br />
Blick in die Abteilung Philosophie der Leipziger Jubiläumsausstellung mit den halleschen Rektorenbildnissen von Christian Thomasius (l.) und Christian Wolff.<br />
Foto: Marion Wenzel, <strong>Uni</strong>versität leipzig
ıFacetten der Gerechtigkeit„<br />
Vortragsreihe vor dem Hintergrund zweier Jubiläen<br />
Anlässlich des 60. Geburtstags des Grundgesetzes<br />
und des 20. Jahrestags der Maueröffnung<br />
organisiert das Hallesche Forum für<br />
Verwaltungsrecht, das am Lehrstuhl für Öffentliches<br />
Recht der MLU angesiedelt ist, in<br />
diesem Jahr die Vortragsreihe „Facetten der<br />
Gerechtigkeit“.<br />
Der Startschuss fiel im Mai. Durchgeführt<br />
wird die Reihe in Kooperation mit der Stiftung<br />
Rechtsstaat Sachsen-Anhalt e. V. sowie<br />
dem Ministerium der Justiz des Landes<br />
Sachsen-Anhalt. Vor dem Hintergrund beider<br />
Jubiläen wird in den Vorträgen die allgemeine<br />
Thematik der Gerechtigkeit aus einer wissenschaftlichen<br />
Perspektive aufgegriffen und<br />
Fruchtbare Partnerschaft<br />
Senshû <strong>Uni</strong>versität Tokio wird 130 Jahre alt<br />
– ausgehend von der grundsätzlichen Frage<br />
der Beziehung zwischen Recht und Gerechtigkeit<br />
– der Entfaltung des Prinzips der Gerechtigkeit<br />
in zentralen Politikfeldern nachgespürt.<br />
„Die bisherigen Vorträge haben gezeigt, dass<br />
vor allem die jungen Studierenden eine hohe<br />
Sensibilität für theoretische und praktische<br />
Gerechtigkeitsfragen besitzen und sich in die<br />
Diskussion einbringen“, resümiert Prof. Dr.<br />
Winfried Kluth, Inhaber des Lehrstuhls für<br />
Öffentliches Recht an der MLU und Initiator<br />
der Vortragsreihe. „Wenn jede Veranstaltung<br />
zehn neue Zuhörer zum Nachdenken über das<br />
Thema Gerechtigkeit anregt, ist das wichtigste<br />
Ziel der Vortragsreihe erreicht.“<br />
Die Senshû <strong>Uni</strong>versität Tokio ist mit der MLU seit 13 Jahren eng verbunden. Foto: Senshû <strong>Uni</strong>versität<br />
„Creating a student-focussing university“<br />
– unter diesem Motto feiert die traditionsreiche<br />
Senshû-<strong>Uni</strong>versität in Tokio in diesem<br />
Jahr ihr 130-jähriges Bestehen. Seit 13 Jahren<br />
ist sie der MLU als Partneruniversität eng<br />
verbunden. Die Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens<br />
markierte 1996 den Beginn<br />
einer intensiven Zusammenarbeit, die von<br />
der halleschen Japanologin Prof. Dr. Gesine<br />
Foljanty-Jost und dem Juristen Prof. Dr. Yoshihiro<br />
Hidaka, heute Präsident der Senshû-<br />
<strong>Uni</strong>versität, initiiert und von beiden ausgebaut<br />
und gefestigt wurde. „Yoshihiro Hidaka gebührt<br />
großer Dank für sein Engagement“, sagt<br />
Gesine Foljanty-Jost. „Er intensivierte ständig<br />
die Partnerschaft mit der MLU, indem er das<br />
Kooperationsnetz persönlich und institutionell<br />
immer weiter ausbaute, sodass Studierende,<br />
Ein- & Zweifamilienhäuser, Wohnungen & Gewerbeimmobilien<br />
www.immoHAL.de<br />
Beratungscenter “Am Leipziger Turm” � 0345-520490<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Zum Abschluss findet am 19. November 2009<br />
eine prominent besetzte Podiumsdiskussion<br />
zum Thema „Wiedervereinigungsgerechtigkeit“<br />
statt, zu der u. a. Sachsen-Anhalts<br />
Ministerpräsident Wolfgang Böhmer und der<br />
langjährige Bundesaußenminister Hans-Dietrich<br />
Genscher erwartet werden. „Ziel der Abschlussveranstaltung<br />
soll u. a. sein, an einem<br />
konkreten Beispiel deutlich zu machen, dass<br />
Gerechtigkeit ohne Gewährleistung bürgerlicher<br />
Freiheit undenkbar ist. Schon deshalb<br />
war und ist die Wiedervereinigung mit einem<br />
weit reichenden Gerechtigkeitsschub verbunden“,<br />
ist Prof. Kluth überzeugt.<br />
P. H.<br />
Doktoranden und Lehrende auf beiden Seiten<br />
auch weiterhin profitieren werden.“ Aus Anlass<br />
des Jubiläums wird die hallesche Japanologie-Professorin<br />
Ende Oktober in Vertretung<br />
des Rektors Wulf Diepenbrock als Festrednerin<br />
nach Tokio reisen. Sie trifft dort gute<br />
Freunde und Kollegen.<br />
1880 gegründet, ist die Senshû-<strong>Uni</strong>versität<br />
im Zentrum der Metropole Tokio eine der<br />
traditionsreichsten privaten <strong>Uni</strong>versitäten<br />
des Landes, die sich besonders durch ihren<br />
Beitrag bei der Einführung eines modernen<br />
westlichen Rechtssystems nach Japan in der<br />
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hervorgetan<br />
hat.<br />
Heute gehört sie mit sechs Fakultäten, in denen<br />
über 20.000 Studenten eingeschrieben<br />
sind, zu den großen privaten <strong>Uni</strong>versitäten des<br />
Landes. Sie bietet den Studierenden der MLU<br />
hervorragende Sprachkurse und ein breites<br />
Studienangebot, aber auch die Möglichkeit,<br />
japanische Sportarten und Kultur in studentischen<br />
Zirkeln selbst zu erproben.<br />
Mehr als 50 Studierende haben in den vergangenen<br />
13 Jahren an dem Austausch teilgenommen,<br />
viele davon mit Stipendien des<br />
japanischen Kultusministeriums. Der Deutsche<br />
Akademische Austauschdienst (DAAD)<br />
hat die Partnerschaft über Jahre hinweg<br />
großzügig gefördert. Gemeinsame Projekte<br />
– darunter die ökologischen Sommerschulen,<br />
Forschungen zu den Ursachen von Gewalt<br />
an Schulen in Deutschland und Japan oder<br />
auch die aktuelle Kooperation in der vergleichenden<br />
Erforschung von Bürgergesellschaft<br />
in beiden Ländern – zeugen neben dem kontinuierlichen<br />
Austausch von Studierenden aus<br />
unterschiedlichsten Fachrichtungen von der<br />
Fruchtbarkeit der wissenschaftlichen Zusammenarbeit.<br />
U. O.<br />
9<br />
V ARIA
10<br />
T ITELTHEMA<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Mit dem Lkw ins Grüne<br />
Weinberg Campus erlebt seinen größten Wachstumsschub<br />
S ILVIO KISON, CARSTEN HECKMANN, PETRA HOFFMANN<br />
70 Millionen Euro flossen in den letzten Jahren in den Ausbau des Weinberg Campus im Stadtteil<br />
Heide-Süd. Die MLU startete am 15. Juli mit der vorerst letzten Etappe dieses Großprojekts<br />
und läutete den Umzug der Agrar- und Ernährungswissenschaftler, Physiker und Chemiker zum<br />
Von-Danckelmann-Platz ein. Ein Großteil der 5872 Kubikmeter Umzugsgut wechselte seitdem<br />
den Standort. 3000 Studierende und 400 Beschäftigte leben sich ein. Ein Bericht über emsige<br />
Arbeiter, kurze Wege und große Potenziale.<br />
„Unsere Umzüge beginnen immer um 8 Uhr“,<br />
schrieb die Gesellschaft für Planung und Projektmanagement,<br />
von der MLU mit der Koordination<br />
des Umzugs beauftragt. Von wegen.<br />
Die Arbeiter haben bereits alle Hände voll zu<br />
tun an diesem 15. September, kurz nach acht.<br />
Der Lehrstuhl Allgemeiner Pflanzenbau/Ökologischer<br />
Landbau verlässt seinen Standort<br />
in der Ludwig-Wucherer-Straße 2 – und es<br />
scheint, als hätte das Umzugsgeschehen bereits<br />
vor langer Zeit seinen Lauf genommen.<br />
Die letzten Kisten werden gepackt, ein Lehr-<br />
ling verstaut Reagenzgläser, es gibt bereits rege<br />
Diskussionen darüber, welche der größeren<br />
Geräte zu welchem Zeitpunkt im Lkw mitgenommen<br />
werden. Und immer wieder heißt es:<br />
„Ist da schon ein Aufkleber drauf?“ Eine Kiste<br />
ohne Kennzeichnung darf es nicht geben.<br />
„Dann wissen unsere Arbeiter am Zielort nicht<br />
mehr, in welchem Raum die einzelnen Materialen<br />
gelagert werden sollen, und es gibt ein<br />
Durcheinander“, sagt der zuständige Projektmanager<br />
der Firma Geuer, Claus Beckgerd.<br />
Es sind Profis am Werk, das ist nicht zu übersehen.<br />
Alles rein in die Kisten und so schnell<br />
wie möglich auf den Weg damit, das würde<br />
bei diesem Großvorhaben schnell im Chaos<br />
münden. Unzählige unbeschriftete Kisten vorerst<br />
oder gar auf unbestimmte Zeit im Keller<br />
zu lagern, ist undenkbar. Trotz des Zeitdrucks:<br />
System ist gefragt. „Wir arbeiten immer in<br />
zwei Teams. Heute sind wir zu zehnt. Ein<br />
Teil arbeitet am alten Standort und belädt den
Lkw, der Rest steht am neuen Standort bereit,<br />
um zu entladen und die einzelnen Gegenstände<br />
in die richtigen Räumlichkeiten zu bringen“,<br />
beschreibt Projektmanager Beckgerd die<br />
Vorgehensweise.<br />
ıDIE VORTEILE ÜBERWIEGEN„<br />
Wenige Tage später sind Büros und Labore<br />
des Lehrstuhls geräumt, ist der Umzug abgeschlossen.<br />
Professor Olaf Christen zeigt<br />
sich zufrieden: „Die Zusammenarbeit mit<br />
der Umzugsfirma hat hervorragend funktioniert.<br />
Ich war selbst von der Geschwindigkeit<br />
überrascht, in der das Ganze verlief.“ Dabei<br />
war das Unterfangen auch für ihn und sein<br />
Team eine besondere Herausforderung. Alle<br />
Professoren, Dozenten und Mitarbeiter der<br />
einzelnen Fachbereiche hatten nach dem Ende<br />
der Vorlesungszeit diesmal keine Zeit, um zu<br />
verschnaufen. Sofort hieß es Kisten packen,<br />
Absprachen mit dem Planungsbüro treffen und<br />
sich auf die Umzugsphase vorbereiten. Und es<br />
hieß auch: Abschied nehmen.<br />
Letzteres ist Olaf Christen nach eigener Aussage<br />
nicht schwer gefallen: „Erstens waren die<br />
Bedingungen am alten Standort eher schlecht.<br />
Unsere Büroräume befanden sich in der Ludwig-Wucherer-Straße,<br />
die Labore dagegen in<br />
der Emil-Abderhalden-Starße. Das hat sich<br />
jetzt grundlegend geändert. Alles befindet sich<br />
auf einem Flur – was die Arbeitsfähigkeit natürlich<br />
enorm verbessert.“<br />
Auch sieht der Professor in der Konzentration<br />
aller Naturwissenschaften auf einem<br />
Campus große Vorteile. „Ich bin an den zwei<br />
Tagen, die ich bisher auf dem Campus war,<br />
bereits mehr Kollegen begegnet, als in den<br />
letzten Monaten am alten Standort. Gerade<br />
das vereinfacht die Situation für uns, und es<br />
ergibt sich eine viel bessere und zeitnahe Zu-<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
sammenarbeit.“ Trotz der rundum positiven<br />
Veränderungen bleibt ein Wermutstropfen.<br />
„Mein neues Büro ist etwas kleiner als das<br />
vorherige“, merkt er am Ende des Gespräches<br />
an. Schlimm sei dies aber nicht, „immerhin<br />
überwiegen die Vorteile.“<br />
Das große Ziel der MLU – die Konzentration<br />
der Naturwissenschaften am Weinberg<br />
Campus – ist fast erreicht. Die Umzugsfirmen<br />
fahren mit den letzten Büro- und Labormaterialien<br />
durch Halle. Die Mitarbeiter schließen<br />
die Türen in den alten Standorten und beginnen<br />
ihre Arbeit auf dem Weinberg Campus.<br />
Auf reichlich 16.000 Quadratmetern Nutzfläche<br />
können mehr als 30 Professuren und<br />
deren Mitarbeiter der Naturwissenschaftlichen<br />
Fakultät II (Chemie/Physik) und der Naturwissenschaftlichen<br />
Fakultät III (Agrarwissenschaften)<br />
sowie ihre Arbeit in modernen<br />
Gebäuden verrichten. Im gerade angelaufenen<br />
Wintersemester 2009/10 haben die 3000 Stu-<br />
Von großen Geräten bis zu kleinen Kartons: 5872 Kubikmeter Umzugsgut waren zu transportieren. Links: der<br />
Abtransport eines Transmissionselektronenmikroskops aus Merseburg (Werkstoffwissenschaften). Unten: Reges<br />
Treiben in der Ludwig-Wucherer-Straße 2 (Lehrstuhl Allgemeiner Pflanzenbau/Ökologischer Landbau).<br />
Fotos: Silvio Kison<br />
11<br />
T ITELTHEMA
12<br />
T ITELTHEMA<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
dierenden und 400 Beschäftigten die Gelegenheit,<br />
ihr neues Terrain zu erkunden und für<br />
sich einzunehmen.<br />
Vor allem für die Studierenden ergeben sich<br />
kürzere Wegzeiten, zudem bekommen sie<br />
zum Beispiel einen schnelleren Zugriff auf<br />
Fachliteratur, da mehrere Einzelstandorte der<br />
<strong>Uni</strong>versitäts- und Landesbibliothek zusammengefasst<br />
wurden. Insgesamt studiert jetzt<br />
rund die Hälfte der MLU-Studierenden am<br />
Weinberg Campus. „Die Naturwissenschaften<br />
sind in einem sehr guten Umfeld miteinander<br />
verknüpft, es ist eine echte Campus-Situation<br />
entstanden. Dieser Umzug schweißt die Wissenschaftler<br />
noch mehr zusammen“, kommen-<br />
tiert MLU-Rektor Prof. Dr. Wulf Diepenbrock<br />
die neu geschaffene Situation.<br />
ıHOHES NIVEAU GEWÄHRLEISTET„<br />
Die Qualität der Flächen sei beachtlich, bei<br />
den Laboratorien werde ein hohes Niveau<br />
gewährleistet. Über 70 Millionen Euro seien<br />
in den vergangenen drei Jahren in den Campus<br />
in Heide-Süd investiert worden, Gelder<br />
der Europäischen <strong>Uni</strong>on, des Bundes und des<br />
Landes Sachsen-Anhalt. Dr. <strong>Martin</strong> Hecht,<br />
Kanzler der <strong>Uni</strong>versität, verweist darauf, dass<br />
der Campus in naher Zukunft weiter aufge-<br />
Ein Aufzug erleichterte die schwere Arbeit in der Ludwig-Wucherer-Straße. Foto: Silvio Kison<br />
wertet wird. „Ab 2010 entsteht dort auch noch<br />
ein Hörsaalgebäude, eine Mensa wird folgen.<br />
Für uns ist das gesamte Gelände ein wesentlicher<br />
Pfeiler der Standortplanung. Neben dem<br />
<strong>Uni</strong>versitätsplatz mit dem angrenzendem <strong>Uni</strong>versitätsviertel,<br />
in dem das Geistes- und Sozialwissenschaftliche<br />
Zentrum entstehen wird,<br />
und den Franckeschen Stiftungen bildet der<br />
Weinberg Campus den dritten Standort.“<br />
Hecht und Diepenbrock betonen: Der Standort<br />
Heide-Süd werde ebenso wie das traditionsreiche<br />
<strong>Uni</strong>versitätsklinikum als Teil des Areals<br />
Weinberg Campus begriffen. „Dieses Label<br />
hat ein Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen,<br />
das noch stärker werden dürfte. Beste Voraussetzungen<br />
also für eine Fortsetzung der Weinberg-Campus-Erfolgsgeschichte“,<br />
so Rektor<br />
Diepenbrock.<br />
Der Umzug selbst ist eine logistische Herausforderung.<br />
Allein das Umzugsgut – hauptsächlich<br />
Büromaterial, Laboreinrichtungen und<br />
Einrichtungsgegenstände – umfasst 5872 Kubikmeter.<br />
Hinzu kommen noch ca. 7000 laufende<br />
Meter Buch- und Zeitschriftenbestände<br />
der Zweigbibliotheken, die bisher an unterschiedlichen<br />
Standorten angesiedelt waren.<br />
Die Menge des Umzugsgutes entspricht fast<br />
300 normalen Lkw-Ladungen. Der gesamte<br />
Transport schlägt mit einer geschätzten Summe<br />
von 350.000 Euro zu Buche.<br />
Parallel zum Speditionsumzug erfolgt(e) der<br />
Umzug von Großgeräten und Sondertechnik,<br />
zum Beispiel der für das Institut für Physik<br />
so wichtigen Rasterelektronenmikroskope.<br />
Für den Umzug beauftragte das Planungsbüro<br />
zwei Firmen. Zum einen die Firma Geuer<br />
International GmbH, die mit dem Ausräumen<br />
und dem Transport der Labore und Büroeinrichtungen<br />
betraut wurde, und zum zweiten<br />
die F. Stamm GmbH mit Sitz in Schkeuditz,<br />
verantwortlich für den Abbau, Abtransport sowie<br />
Aufbau der Großgeräte.<br />
C AMPUS STATT KASERNE<br />
Was früher eine Kaserne war, wird nun endgültig<br />
ein Campus. Franziska Setzer weiß<br />
bereits, wie es sich dort studiert, wo einst<br />
Soldaten marschierten. Die 23-Jährige studiert<br />
im dritten Fachsemester Angewandte Geowissenschaften.<br />
Ihr Fachbereich residiert seit<br />
2004 am Von-Seckendorff-Platz. „Ich habe<br />
zunächst gar nicht gemerkt, dass es sich um<br />
eine ehemalige Kaserne handelt. Es ist doch<br />
sehr hübsch hier, mir gefällt es jedenfalls<br />
ausgesprochen gut. Man hat einen richtigen<br />
Campus.“ Ihr Tipp an die neuen Weinberg-<br />
Campus-Studierenden: „Man sollte auf jeden<br />
Fall mit dem Fahrrad herfahren, den schönen<br />
Weg über die Peißnitz-Insel nehmen und im<br />
nächsten Frühjahr die Vorlesungen genießen,<br />
die draußen stattfinden.“<br />
Auch Steven Polifka, eingeschrieben im<br />
Studiengang Management natürlicher Ressourcen,<br />
weiß die Stärken des Standorts zu
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Oben: Der neue Campus in Heide-Süd, im<br />
Vordergrund der Von-Seckendorff-Platz mit dem<br />
Geologischen Garten, im Hintergrund der Von-<br />
Danckelmann-Platz. Foto: Maike Glöckner<br />
Links: Bei brütender Hitze mussten im Sommer die<br />
letzten Arbeiten auf dem Von-Danckelmann-Platz<br />
abgeschlossen werden. Foto: Silvio Kison<br />
Unten links: die neue Bibliothek. Foto: Maike<br />
Glöckner<br />
Unten rechts: Steven Polifka und Franziska Setzer in<br />
einer Lore auf ihrem Campus. Foto: Silvio Kison<br />
13<br />
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SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
schätzen. Eine davon hänge direkt mit der<br />
allseits geforderten Interdisziplinarität zusammen.<br />
„Mein Studiengang ist per se fächerübergreifend.<br />
Geologie, Agrarwissenschaften,<br />
Wirtschaftswissenschaften – alle spielen eine<br />
Rolle. Dadurch kenne ich auch schon ein paar<br />
Agrarwissenschaftler, und das wird jetzt sicher<br />
noch besser“, sagt der 22-Jährige. „Wir haben<br />
mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Wir<br />
ticken ähnlich. Allerdings hakt es teilweise ein<br />
wenig, wenn es dann wirklich an die Zusammenarbeit<br />
von Instituten geht. Aber jetzt dürfte<br />
auch das einfacher werden – allein schon<br />
für den Dekan.“<br />
B ESUCH BEI ı ALTEN HASEN„<br />
Auf der anderen Seite des Weinberg Campus,<br />
am Weinbergweg, der Kurt-Mothes- und<br />
der Wolfgang-Langenbeck-Straße, kann man<br />
bereits auf einen großen Erfahrungsschatz<br />
zurückgreifen. Zu den „alten Hasen“ zählen<br />
zum Beispiel die beiden Professoren Dr. Dirk<br />
Steinborn, bis April 2009 Direktor des Instituts<br />
für Chemie, und Dr. Reinhard Neubert,<br />
Ein Pferdewender unterwegs<br />
Auch abseits des Großumzugs wurden in den<br />
letzten Wochen große Gerätschaften von A nach B<br />
transportiert. Ein <strong>Uni</strong>kum dabei: ein 1903 angeschaffter<br />
Pferdewender („Vinsot“), der bis vor<br />
Kurzem in der Tierklinik stand. Was es damit auf<br />
sich hat, steht in der Online-Ausgabe des <strong>Uni</strong>magazins<br />
– inkl. Bildergalerie.<br />
www.unimagazin.uni-halle.de<br />
Die 3D-Karte zeigt den Weinberg Campus in seinem<br />
jetzigen baulichen Zustand. Links zu sehen<br />
ist das ehemalige Kasernengelände mit dem Von-<br />
Seckendorff-Platz und dem Von-Danckelmann-<br />
Platz. Rechts der Heideallee befinden sich zum<br />
Beispiel das Biozentrum, das Biologicum (beides<br />
am Weinbergweg) und jene Institute der MLU,<br />
die bereits seit längerer Zeit auf dem Weinberg<br />
Campus ansässig sind. Auch zahlreiche außeruniversitäre<br />
Einrichtungen sind zu erkennen, zum<br />
Beispiel das Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie<br />
(rechts unten) und das Fraunhofer-Institut für<br />
Werkstoffmechanik (links unten). Nicht im Bild: das<br />
<strong>Uni</strong>versitätsklinikum, gelegen an der Ernst-Grube-<br />
Straße (oberer Bildrand).<br />
Die Grafik wurde durch das Fachgebiet<br />
Geofernerkundung und Kartographie (Department of<br />
Remote Sensing and Cartography, RSC) am Institut<br />
für Geowissenschaften erstellt. Das Copyright liegt<br />
bei Christian Dette. (Darstellung auf der Grundlage<br />
von Auszügen aus der Landesluftbildsammlung. Mit<br />
Erlaubnis des Landesamtes für Vermessung und<br />
Geoinformation Sachsen-Anhalt vom 28.09.2009;<br />
Erlaubnisnummer: LVermGeo/A9-46 752-2009-14.)<br />
Direktor des Instituts für Pharmazie. Steinborn<br />
kam 1992 als C4-Professor für Anorganische<br />
Chemie an die MLU und arbeitet seitdem<br />
auf dem Weinberg Campus. „Ich habe den<br />
Großteil meines wissenschaftlichen Lebens<br />
am Chemischen Institut in Halle verbracht“,<br />
erzählt er. „Für das Weinberggelände und den<br />
Wissenschaftspark sehe ich durch die Konzentrierung<br />
der naturwissenschaftlichen Institute<br />
der MLU, dazu die Fraunhofer-, Leibniz-,<br />
Max-Plack-Institute und das Technologie- und<br />
Gründerzentrum eine große Chance für die<br />
Naturwissenschaften – insbesondere durch<br />
die Ansammlung von Forschungskompetenz<br />
zu den wissenschaftlichen Grundlagen bis zur<br />
Überführung von Forschungsergebnissen in<br />
die Praxis.“<br />
Nach Meinung des Chemikers muss jede universitäre<br />
Forschung in einem Fachgebiet eine<br />
notwendige und hinreichende Breite haben.<br />
„Eine mittelgroße <strong>Uni</strong>versität wie die MLU<br />
braucht aber auch eine Schwerpunktsetzung<br />
und Spezialisierung. Mit der Konzentrierung<br />
der mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />
Institute ergibt sich jetzt die Aufgabe, unter<br />
Nutzung der vorhandenen Mittel eine gute Balance<br />
zwischen notwendiger Breite und Spezialisierung<br />
zu finden.“<br />
Ähnlich schätzt Reinhard Neubert die Lage<br />
am Weinberg Campus ein. „Der Standort ist<br />
der zweitgrößte wissenschaftliche Campus in<br />
Ostdeutschland. Hierfür wurde eine Milliarde<br />
Euro eingesetzt. Diese Leistung muss man<br />
einfach anerkennen. Nach 1990 steckte das<br />
Institut für Pharmazie in einer Sackgasse, hatte<br />
beispielsweise nur ein Gerät für die Hochdruck-Flüssigkeitschromatografie,<br />
inzwischen<br />
hat es zehn Geräte. Unser MALDI-TOF-Massenspektrometer<br />
erlaubt uns eine spezielle internationale<br />
Ausrichtung in der Proteinanalyse
Die Professoren Dirk Steinborn und Reinhard Neubert schauen optimistisch in die Zukunft. Foto: Silvio Kison<br />
und eine enge Zusammenarbeit mit dem Institut<br />
für Pflanzenbiochemie und dem Mitteldeutschen<br />
Zentrum für Dynamik und Struktur<br />
der Proteine.“<br />
Neubert arbeitet seit seinem Studium auf dem<br />
Weinberg Campus, wurde 1978 promoviert<br />
und habilitierte sich 1987. Er glaubt, dass sich<br />
die Attraktivität des Forschungsstandorts nun<br />
weiter erhöhe. Damit habe auch eine „Ruf-<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
abwehr“ bessere Chancen, exzellente Professoren<br />
könnten also eher an der MLU gehalten<br />
werden. „Das Beste ist, dass die Kollegen nun<br />
fußläufig zu erreichen sind, beispielsweise in<br />
der Cafeteria. Anfallende Probleme und wissenschaftliche<br />
Fragestellungen können auf<br />
kurzem Wege besprochen werden.“<br />
A NKOMMEN, AUSPACKEN, EINLEBEN<br />
Angekommen sind sie bereits, die neuen Kollegen,<br />
bis auf wenige Ausnahmen. Aber vor<br />
dem Cafeteria-Besuch steht Auspacken auf<br />
dem Programm. Emsiges Treiben herrscht<br />
in den Gängen und Räumen am Von-Danckelmann-Platz,<br />
gerade dort, wo soeben die<br />
Mitarbeiter der Firma Geuer die sehnlichst<br />
erwartete letzte Kiste abgestellt haben. Im<br />
Hintergrund summt die neue Lüftungsanlage.<br />
Mancherorts sind gar schon erste Laboranten<br />
in weißen Kitteln zu sehen. Leben ist einzogen.<br />
Einleben ist angesagt.<br />
■<br />
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SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
D R. USUS ZEITGEIST<br />
Den (Wissens)durst<br />
am Weinberg stillen<br />
Allerorten wird<br />
geklagt, wenn<br />
auch auf hohem<br />
Niveau. Denn physischen<br />
Hunger<br />
und Durst kennt<br />
man ja hierzulande<br />
kaum. Wie aber<br />
steht es mit den<br />
geistigen Bedürfnissen,<br />
vor allem<br />
mit der universitären Wissenschaft?<br />
Gelegentlich riskiert die hiesige Saalestadt<br />
gefährliche Gratwanderungen. Zum Beispiel<br />
gibt es großformatige Plakate, die<br />
jungen Leuten einen irren Imperativ servieren:<br />
„Schock Deine Eltern ...“ – klein<br />
und mickrig folgen die Worte: „... lies ein<br />
Buch!“ (PISA lässt grüßen!) Die Wurzeln<br />
des Slogans, der neue Nutzer für die Stadtbibliothek<br />
werben will, sollen in Halles<br />
Partnerstadt Karlsruhe liegen. Eine clevere<br />
Idee? Was sagt der Slogan über die Eltern?<br />
Ein zweites Beispiel: Im neuen Stadt-Logo<br />
fehlt jeder Hinweis auf die traditionsreiche<br />
Hohe Schule. Ein geglückter Schachzug?<br />
Aber: Es gibt Lichtblicke! Die <strong>Uni</strong>versität<br />
wächst! Und zwar an Bedeutung. Zu<br />
danken ist dies auch einem altehrwürdigen<br />
Areal, den seit mindestens sieben Jahrhunderten<br />
bekannten, weiland vor den Toren<br />
der Stadt gelegenen „vornehmen“ Weinbergen.<br />
Ihre Geschichte lesen Sie am besten<br />
nebenan nach. Die jüngste Blütezeit des<br />
Areals als „Weinberg Campus“ begann vor<br />
20 Jahren. Und mit der letzten Phase des<br />
Umzugs der Naturwissenschaftler aus dem<br />
Stadtzentrum zum dritten Zentralort universitären<br />
Geschehens wird nun eine lange<br />
Entwicklung endlich Früchte tragen.<br />
Und sollte jemand mit der Idee „Schock<br />
Deine Eltern – studier in Halle!“ Studenten<br />
aus den alten Bundesländern an die Saale<br />
locken wollen, würde dieser zweifelhafte<br />
Werbegag aus der einen einstmaligen Landeshauptstadt<br />
in der anderen (zufällig verloren<br />
zeitgleich beide diesen Status 1952)<br />
am Ende sogar noch eine positive Wirkung<br />
entfalten. Denn wer einmal die Vorurteilshürde<br />
genommen hat und tatsächlich nach<br />
Halle gekommen ist, bleibt.<br />
Zumal, wenn er erfährt, dass an jener Stätte<br />
mit dem irreführenden Namen seit Kurzem<br />
sogar (obwohl nur in kleinen Mengen) ein<br />
eigenes Bier gebraut wird – man also auch<br />
als Student seine Trinkgewohnheiten nicht<br />
ändern muss.<br />
Warum ıWeinberg Campus„?<br />
Eine berechtigte Frage. Wie ein Weinberggebiet<br />
sieht das Areal heute wirklich nicht<br />
aus. Der Name ist dennoch kein Zufall. Im<br />
13. Jahrhundert bewirtschafteten zahlreiche<br />
hallesche Bürger, Pfänner und Patrizier als<br />
Winzer größere und kleinere Weinberge und<br />
Weingärten in diesem Gebiet.<br />
„Die Blütezeit dieser so genannten ‚vornehmen’<br />
Weinberge Halles wird für das<br />
14. Jahrhundert angenommen. Sie hatten<br />
große Bedeutung für die mittelalterliche<br />
Weinkultur. Der hallische Chronist Dreyhaupt<br />
beschreibt den ‚Saalwein’ als durchaus<br />
trinkbar“, schreibt Dr. Walter Müller in dem<br />
Buch „weinberg campus zwischen gestern<br />
und heute“.<br />
Die zwischen dem halleschen Stadtwald<br />
„Heide“ und dem Flusslauf der Saale gelegenen<br />
Weinberge waren eng mit der mitteldeutschen<br />
Aufklärung verbunden. So<br />
schreibt Müller: „Zu gewisser Berühmtheit<br />
gelangte im 18. Jahrhundert der Nietlebener<br />
Weinberg des verschrienen Aufklärers,<br />
Philosophen und theologischen Abenteurers<br />
Dr. Carl Friedrich Bahrdt (1741–1792), der<br />
seit 1779 als Schankwirt seines Weinberges<br />
bei Halle lebte. [...] Seine Schankwirtschaft<br />
hat auf Studenten und Akademiker, aber<br />
auch auf Offiziere und die Halloren eine<br />
ungeheure Anziehungskraft ausgeübt [...]“,<br />
weil er „als Privatdozent die hallischen Studenten<br />
und Professoren durch seine geistreichen<br />
Gespräche und Disputationen an<br />
sich fesselte. Zeitweilig sollen seine philosophischen<br />
Vorlesungen bis zu 900 Zuhörer<br />
gehabt haben.“<br />
Allerdings wurden nach mehrmaligem Besitzerwechsel<br />
sowohl der ehemals Bahrdt-<br />
sche Weinberg als auch einige benachbarte<br />
Weinberge als Bauland für die geplante Heil-<br />
und Irrenanstalt der Sächsischen Provinz<br />
verkauft, die 1844 eröffnet wurde. Anfang<br />
der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts begann<br />
die wissenschaftliche Erschließung und Nutzung<br />
der früheren Weinberg-Areale – sowohl<br />
seitens der <strong>Martin</strong>-Luther-<strong>Uni</strong>versität (Neubauten<br />
der Institute für Chemie und Pharmazie)<br />
als auch der Deutschen Akademie der<br />
Wissenschaften der DDR.<br />
Im Juli 1945 hatten die sowjetischen Streitkräfte<br />
(27. Gardeschützendivision) die hier<br />
ansässige General-Maerker-Kaserne übernommen.<br />
Bekannt als die sowjetische Garnison<br />
„Heide“ waren dort bis Ende Juli ständig<br />
9000 sowjetische Soldaten und Offiziere mit<br />
ihren Familien untergebracht.<br />
Erst im Juli 1991 nach dem Abzug der<br />
GUS-Streitkräfte eröffneten sich neue Möglichkeiten<br />
für die alten Weinberge. 1993<br />
beschloss der Stadtrat von Halle, in diesem<br />
Gebiet Neubauten und Umnutzungen für die<br />
<strong>Uni</strong>versität, für den Wohnungsbau und für<br />
wissenschafts- und technologieorientiertes<br />
Gewerbe zu schaffen. 1994 erwarb die Stadt<br />
hierfür 134 Hektar des ehemaligen Kasernengeländes.<br />
Auch das Land Sachsen-Anhalt beteiligte<br />
sich mit dem Kauf von ca. 19 Hektar<br />
der Konversionsfläche zur Nutzung für universitäre<br />
Zwecke. 1997 begann man mit der<br />
Erschließung des Gebiets für den „Wissenschafts-<br />
und Innovationspark“ (WIP).<br />
Silvio Kison<br />
Mehr Informationen und<br />
Bilder sind u. a. zu finden<br />
im Buch „weinberg<br />
campus zwischen gestern<br />
und heute“, erhältlich<br />
im <strong>Uni</strong>-Shop im Marktschlösschen,<br />
sowie auf<br />
der Internetseite des<br />
weinberg campus e. V.:<br />
www.weinbergcampus.de
Kenntnisse, Kontakte � Karriere<br />
Die Studentische Förderinitiative der Naturwissenschaften<br />
S OPHIE EHRENBERG<br />
Wer möchte nicht gern gleich einem Manager zuhören, wenn es gilt, wirtschaftliche Grundregeln<br />
zu erfahren? Oder auf einer Messe am Studienort den potentiellen Arbeitgeber ansprechen?<br />
Die auf dem Weinberg Campus ansässige Studentische Förderinitiative der Naturwissenschaften<br />
e. V. (SFI) macht das möglich. Sie organisiert Lehrveranstaltungen, veranstaltet Messen und<br />
pflegt Kontakte zu Unternehmen der Region.<br />
2006 gründeten Studierende die Förderinitiative.<br />
„Zu dieser Zeit gab es gerade Proteste gegen<br />
Studiengebühren und wir wollten auch etwas<br />
bewegen. Also haben wir unseren Verein<br />
ins Leben gerufen und die Organisation selbst<br />
in die Hand genommen“, erklärt Matthias<br />
Müller, der Sprecher der SFI ist und Biologie<br />
an der MLU studiert. Anfangs richtete sich die<br />
SFI nur an Biologiestudenten. „Wir haben uns<br />
damit aber selbst beschränkt und dann die Initiative<br />
geöffnet.“ Seitdem sind auch Chemiker,<br />
Physiker, Biochemiker, Bioinformatiker, Ingenieurwissenschaftler,<br />
Wirtschaftinformatiker<br />
oder Pharmazeuten beteiligt.<br />
Zu Beginn bestand die SFI aus den sieben<br />
Gründungsmitgliedern. „Mittlerweile sind wir<br />
25 Leute. Jeder, der mitmachen möchte, ist bei<br />
uns willkommen“, so Matthias Müller. „Unser<br />
Am 11. November findet bereits zum<br />
dritten Mal die von der SFI organisierte<br />
Kontaktmesse „science meets companies“<br />
in der neugestalteten Mensa auf dem Weinberg-Campus<br />
statt. An ihr nehmen über 20<br />
Firmen teil.<br />
Internet: www.weinbergmesse.de<br />
Ziel ist es, die Studiensituation durch Geld-<br />
und Sachspenden zu verbessern, ein Vereinsleben<br />
zu schaffen und Kontakte zu anderen<br />
Initiativen und zur Wirtschaft zu pflegen.“<br />
Zunächst riefen die Studierenden 2007 die Firmenkontaktmesse<br />
„science meets companies“<br />
ins Leben. „Die Firmen profitieren von den<br />
Studierenden. Deshalb sind wir an die Unternehmen<br />
herangetreten und haben versucht, sie<br />
als Partner zu gewinnen“, so der Biologiestudent.<br />
„Von 400 angefragten Firmen haben 16<br />
sofort zugesagt. Bayer wollte beispielsweise<br />
unbedingt mit der MLU kooperieren, denn die<br />
fanden es gut, studentische Ansprechpartner<br />
zu haben.“<br />
Durch die Kontaktmesse ergaben sich Kooperationen<br />
der SFI mit namhaften Unternehmen.<br />
„Die Firmen haben so einen Werbeeffekt und<br />
können an zukünftige Arbeitskräfte herantreten.<br />
Auf der anderen Seite können durch die<br />
Partnerschaften viele zusätzliche Lehrveranstaltungen<br />
für die Studenten angeboten werden“,<br />
so Matthias Müller.<br />
Dazu gehört auch ein Angebot im Bereich der<br />
Allgemeinen Schlüsselqualifikationen (ASQ),<br />
das es seit dem Wintersemester 2008/2009<br />
jedes Jahr gibt. Der Kurs „Betriebswirtschafts-<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Oben: Vertreter der Studentischen Förderinitiative<br />
der Naturwissenschaften im Biologicum (v. l.):<br />
Matthias Roos, Heidi Scholze, Matthias Steimecke,<br />
Matthias Müller und Anja Katzschmann.<br />
Foto: Silvio Kison<br />
Links: Die Messe „science meets companies“ findet<br />
2009 bereits zum dritten Mal statt. Foto (2008):<br />
Paolo Schubert<br />
lehre für Naturwissenschaftler“ vermittelt<br />
Grundkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften.<br />
„In den Veranstaltungen werden Kenntnisse<br />
vermittelt, die über das Fachspezifische<br />
hinausgehen. Das ist besonders wichtig für<br />
alle, die nicht an der MLU bleiben, sondern in<br />
einem Unternehmen arbeiten werden“, betont<br />
der Sprecher des Vereins.<br />
„Die Studierenden sollen dabei vorrangig die<br />
Möglichkeit haben, von Experten zu lernen.<br />
Außerdem bekommen sie Einblicke in ökonomische<br />
Zusammenhänge“, erklärt er weiter.<br />
Für dieses Projekt konnten unter anderem die<br />
Deutsche Bank, Dow, Bayer und Q-Cells als<br />
Partner gewonnen werden. Die Vertreter der<br />
Firmen beschäftigen sich in ihrer Vorlesung<br />
mit einem spezifischen Thema oder gehen auf<br />
ein konkretes Beispiel ein.<br />
Auch Werksbesichtigungen sind ein Bestandteil<br />
des ASQ. Sie bieten die Möglichkeit,<br />
Unternehmen besser kennen zu lernen und<br />
vor Ort einen Eindruck zu gewinnen. Für die<br />
Etablierung des Kurses erhät die SFI am 15.<br />
Oktober den Lehrpreis der Vereiningung der<br />
Freunde und Förderer der MLU.<br />
Die Initiative organisiert außerdem Tutorien,<br />
in denen interdisziplinär zusammengearbeitet.<br />
„Die naturwissenschaftlichen Fachbereiche<br />
unterstützen sich gegenseitig“, erläutert<br />
Matthias Müller. „Die wissenschaftlichen<br />
Hilfskräfte können wir durch Spenden und<br />
Gelder aus Messen bezahlen.“ Bewerbertrainings<br />
und Kurse zum wissenschaftlichen Arbeiten<br />
veranstaltet der Verein ebenfalls.<br />
■<br />
Matthias Müller<br />
Telefon: 0345 9609442<br />
E-Mail: studentische.foerderinitiative@biologie.uni-halle.de<br />
Internet: http://sfi-halle.de<br />
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SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Der Gipfel guten Geschmacks<br />
Das Studentenwerk ist ab 2010 mit zwei Mensen<br />
auf dem Weinberg vertreten<br />
R OMAN RÜHLE<br />
Beginnen Michael Fischer und seine Kollegen ihre Arbeit, liegen Studierende und Professoren<br />
noch im Tiefschlaf. Lange vor dem Hahnenkrähen stehen er und sein Team am Mensa-Herd auf<br />
dem Weinberg-Campus. Die Mensa dort wird vom Studentenwerk gerade generalüberholt: Das<br />
Speisenangebot ist erstklassig, was bisher jedoch fehlte, war ein zeitgemäßes Drumherum. Bis<br />
zum Jahresende soll die Renovierung abgeschlossen sein. Kurz darauf wird der Bau einer zweiten<br />
Mensa in der Nachbarschaft beginnen: am Standort Heide-Süd.<br />
Nudeln mit Tomatensauce. Spinat mit Kartoffeln<br />
und Rührei. Sauerbraten. Michael Fischer<br />
beherrscht das Repertoire im Schlaf. Fischer<br />
ist Küchenleiter der Mensa in der Wolfgang-<br />
Langenbeck-Straße auf dem Weinberg-Campus.<br />
Seit fünf Jahren hat er diesen Job, und<br />
er mag ihn ausgesprochen gern. „Obwohl ich<br />
wie jeder andere Junge etwas mit Maschinen<br />
machen wollte.“ Doch sein Vater hat anders<br />
entschieden. „Er wollte, dass ich einen Beruf<br />
ergreife, der auch zu Hause nützlich sein<br />
kann.“ Deshalb besteht Michael Fischers<br />
Handwerkszeug aus Quirl, Topf, Schüssel und<br />
Pürierstab.<br />
In „seiner“ Mensa-Küche kocht Michael<br />
Fischer täglich vier verschiedene Gerichte,<br />
„insgesamt 1800 Portionen“. 41 Frauen und<br />
Männer stehen ihm zur Seite, viele sind ausgebildete<br />
Köche. Gearbeitet wird in mehreren<br />
Schichten. Einige Kollegen beginnen bereits<br />
halb sechs. „Brötchen müssen geschmiert,<br />
verpackt und ausgeliefert werden. Da ist zeitiges<br />
Aufstehen angesagt“, verrät Fischer. Das<br />
Pensum ist also enorm, denn vom Weinberg<br />
aus werden auch Außenstellen des Studentenwerkes<br />
beliefert: die Burg Giebichenstein, die<br />
Cafeteria „Ein Stein“ und der Standort Brandbergweg.<br />
Was dorthin geliefert wird, muss<br />
täglich um zehn Uhr fertig sein. Eine Stunde<br />
bleibt Fischer dann noch, um das Angebot für<br />
„seine“ Mensa auf dem Weinberg fertig zu<br />
stellen. Fischer ist dabei nicht nur am Herd,<br />
sondern auch an Schreibtisch und Telefon gefragt:<br />
Er muss Waren bestellen und umsichtig<br />
vorausplanen.<br />
Heute stehen auf seinem Plan auch Makkaroni<br />
mit Tomatensauce. Nach passenden Töpfen<br />
muss er nicht lange suchen: Sie sind derart<br />
schwer und groß, dass keiner sie jemals freiwillig<br />
verstecken würde. Die Zutaten errechnet<br />
der Computer: 400 Portionen verlangen<br />
70 Kilogramm Pasta. Fischer setzt die Menge<br />
nicht auf einmal an, sondern teilt sie auf. „Es<br />
kann ja sein, dass nur 300 Portionen verkauft<br />
werden.“ Sein Credo: Nachkochen statt wegschmeißen.<br />
G ASTFREUNDLICHER DENN JE<br />
Im Wintersemester wird Fischer bestimmt<br />
nachkochen müssen. Denn mit dem Umzug<br />
etlicher Institute der MLU auf den Weinberg<br />
wird sich die Bedarfs- und Verkaufsmenge<br />
enorm erhöhen. Mit 3.500 Portionen pro Tag<br />
muss er dann rechnen. „Seine“ Mensa in der<br />
Wolfgang-Langenbeck-Straße ist dafür gut<br />
gerüstet: Bis zum Jahresende wird der 1974<br />
eröffnete Typenbau umgebaut. Fassaden, Aufgänge<br />
und die Cafeteria sind bereits fertiggestellt.<br />
Glänzen wie ein polierter Schuh werden<br />
In Aktion für 1800 Mittagessen – pro Tag: Michael<br />
Fischer ist Küchenleiter der Mensa in der Wolfgang-<br />
Langenbeck-Straße auf dem Weinberg-Campus. Foto:<br />
Maike Glöckner
Der geplante Mensa-Neubau in Heide-Süd könnte bereits im Dezember 2010 stehen – dank des<br />
Konjunkturpakets. Abbildung: gernot schulz architektur<br />
bald auch Foyer und Sanitärbereiche. Dafür<br />
gibt es allerdings keine Gesamtfinanzierung.<br />
Volkmar Thom, Chef des Studentenwerkes,<br />
bleibt deshalb bescheiden. Etliche Haushaltssperren<br />
hat er in der Vergangenheit bestreiten<br />
müssen. Dadurch hat sich der Fortgang der<br />
Bauarbeiten mehrmals verzögert. „Dieses<br />
ständige Improvisieren hat viele Gäste verprellt“,<br />
berichtet Thom. Auf absehbare Zeit<br />
wird jedoch alles gut, die Mensa wird modern<br />
und gastfreundlicher denn je sein, auch wenn<br />
„die Kosten der Sanierung inzwischen den<br />
Aufwendungen eines Neubaus entsprechen“.<br />
Die Studenten werden von diesen Sorgen im<br />
Wintersemester nicht mehr viel bemerken. Sie<br />
dürfte vor allem auch der neue EC-Geldautomat<br />
freuen.<br />
Während Mitte der Neunziger kurzzeitig sogar<br />
der Abriss der Weinberg-Mensa zur Diskussion<br />
stand, ist ihr Fortbestand heute unumstritten.<br />
Schließlich ist der Weinberg-Campus weiter<br />
ausgebaut worden. „Auf die preiswerten<br />
und vielseitigen Versorgungsmöglichkeiten<br />
durch das Studentenwerk mit seinen Mensen<br />
will daher niemand verzichten“, so Thom.<br />
Weil der Bedarf vorhanden ist und mit dem<br />
Zuzug etlicher <strong>Uni</strong>-Bereiche künftig sogar<br />
noch steigt, wird neben der Sanierung der<br />
Weinberg-Mensa ein kompletter Mensa-Neubau<br />
forciert: In Rekordbauzeit soll bis zum<br />
Winter 2010/2011 am Standort Heide-Süd<br />
eine zweite Weinberg-Mensa gebaut werden.<br />
Dass sie nicht weit entfernt zum „alten“<br />
Standort errichtet wird, darin sehen weder<br />
Thom noch Küchenleiter Fischer ein Problem.<br />
Mit erwähntem Umzug werden schließlich<br />
weitere 3.000 Studenten und 400 Mitarbeiter<br />
der MLU ihr Domizil auf dem Weinberg haben.<br />
Zwei Mensen in direkter Nachbarschaft<br />
können dann wesentlich mehr Gäste versorgen<br />
als eine.<br />
Außerdem erlaubt der Neubau dem Studentenwerk<br />
als Bauherrn und Träger hinsichtlich der<br />
Architektur, des Innendesigns und der Raumkonzeption<br />
eine enorme Gestaltungsfreiheit.<br />
„Statt der großen Speisensäle wie in anderen<br />
Mensen“, erklärt Thom, „wird in Heide Süd<br />
ein intimes Raumkonzept umgesetzt werden.<br />
Die Bestuhlung wird viel variabler sein. Es<br />
wird kleinere Sitzecken und Vierer-Tische geben.“<br />
Thom weiß: Kein Privatgastronom kann<br />
ein Mittagessen für 1,40 Euro anbieten. Künftig<br />
werden die Gäste die Mensen jedoch nicht<br />
nur nach dem Preis, sondern verstärkt auch<br />
nach dem Umfeld beurteilen. Deshalb die Investitionen.<br />
Ein entscheidender Vorteil kommt<br />
dem Studentenwerk zur Hilfe: „Im Gegensatz<br />
zur Konkurrenz kann sich eine Mensa immer<br />
noch am besten auf eine studentische Klientel<br />
einstellen“, so Thom.<br />
N EUBAU DANK KONJUNKTURPAKET<br />
Geht der Bauplan auf, könnte der Neubau in<br />
Heide-Süd bereits im Dezember des nächsten<br />
Jahres stehen, gut fünf Jahre früher als<br />
geplant. Dass es so schnell gehen kann, ist<br />
der Finanzkrise geschuldet und der Bundesregierung<br />
zu danken. „Denn die Mittel für den<br />
Bau stammen aus dem Konjunkturpaket II“,<br />
ergänzt Thom.<br />
Gebaut werden darf jedoch nur unter Auflagen:<br />
Wenn damit regenerative Energien gefördert<br />
werden und sich die Energieeffizienz der<br />
Mensa insgesamt erhöht. „Dieses Ziel werden<br />
wir auf jeden Fall erreichen: beispielsweise<br />
mit einer Geothermieanlage im Fußboden und<br />
Solarkollektoren auf dem Dach“, so der Chef<br />
des Studentenwerkes. Insgesamt 70 Prozent<br />
des Energiebedarfs der neuen Mensa, so haben<br />
es Ingenieure errechnet, werden nachhaltig<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
eingesetzt werden können. Mehrere Millionen<br />
Euro wird der Neubau kosten.<br />
Seine Architektur, das verraten erste Skizzen<br />
und Aufrisse vorab, wird modern, licht und<br />
großzügig sein. Für den Außenbereich ist ein<br />
Freigarten mit Ausschank und Grillplatz vorgesehen.<br />
Das Gesamtkonzept dafür hat<br />
Architekt Gernot Schulz erarbeitet. Der<br />
Mensa-Neubau Heide-Süd ist für den Kölner<br />
bereits das vierte Bauvorhaben innerhalb der<br />
MLU: Er konzipierte u. a. das Audimax und<br />
die Bibliothek im Juridicum am <strong>Uni</strong>versitätsplatz.<br />
Ein hohes Niveau verspricht Fischer auch für<br />
den „alten“ Mensa-Bau in der Wolfgang-<br />
Langenbeck-Straße. Dort wird die Produktpalette<br />
künftig erweitert. „Wir werden beispielsweise<br />
einen eigenen Backshop betreiben“,<br />
verrät Fischer. „Es wird Muffins, Bagels,<br />
selbstgebackenen Kuchen sowie einen Brötchenservice<br />
geben“. Studierende und Mitarbeiter<br />
der MLU wird es freuen. Damit erhöhen<br />
sich auf dem Weinberg Frischegrad und<br />
Service. Snacks muss also keiner mehr aus<br />
der Innenstadt mitbringen, die gibt es auf dem<br />
Weinberg „um die Ecke“. Auch einen Front-<br />
Cocking-Bereich plant Fischer.<br />
„Gerichte aus dem Wok werden dann vor den<br />
Augen der Gäste frisch zubereitet werden.“<br />
Dass die Preise für die tägliche Mittagsmahlzeit<br />
immer stabil und niedrig sind, dankt das<br />
Studentenwerk der Förderung durch das Land<br />
Sachsen-Anhalt. Es beteiligt sich heute mit<br />
etwa 1,90 Euro an jedem Mittagessen.<br />
Das ist aber nicht nur preiswert. Es ist auch<br />
vollwertig und ernährungspsychologisch gesund.<br />
Das bestätigen dem Studentenwerk nicht<br />
zuletzt die Wissenschaftler des MLU-Institutes<br />
für Ernährungswissenschaften. „Die Experten<br />
haben unseren Speiseplan unter die Lupe<br />
genommen und bewertet“, erzählt Michael Fischer.<br />
Das Ergebnis fiel positiv aus. „Was wir<br />
kochen, ist gesund.“<br />
Kritik gab es lediglich für Speisen mit hohem<br />
Fettgehalt. „Pommes essen Studenten jedoch<br />
besonders gern. Ich kann ihnen doch nicht<br />
vorschreiben, sie nicht zu essen“, meint der<br />
Küchenchef, der sich noch um die Nudeln und<br />
die Tomatensauce kümmern muss. Ein Leibgericht<br />
vieler Studenten, das wohl niemals<br />
vom Speiseplan verschwinden wird. Michael<br />
Fischer sieht es mit gemischten Gefühlen: Nudeln<br />
mit Tomatensauce ist das einzige Gericht,<br />
das er überhaupt nicht gern kocht.<br />
■<br />
Studentenwerk Halle<br />
Marketing / Öffentlichkeitsarbeit<br />
Telefon: 0345 68 47 520<br />
E-Mail: oeffentlichkeitsarbeit@studentenwerk-halle.de<br />
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19<br />
T ITELTHEMA
20<br />
H OCHSCHULPOLITIK<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Alarmierende Aussichten<br />
Landesetat: Weitere Belastungen für die Hochschulen<br />
C ARSTEN HECKMANN<br />
Drastische Kürzungspläne der Landesregierung im Bildungsbereich riefen im Juni starke Proteste<br />
hervor. Inzwischen steht fest: In voller Härte kommen die Kürzungen zwar nicht, der<br />
geplante Doppelhaushalt 2010/2011 verlangt den Hochschulen aber einiges ab – und manövriert<br />
auch die MLU in eine noch brenzligere Finanzsituation.<br />
Es war am 17. Juni, als der Bildungsstreik<br />
seinen Höhepunkt erreichte. In Halle demonstrierten<br />
2000 Studierende – unter anderem<br />
gegen weit reichende Kürzungspläne der<br />
Landesregierung. Rund eine Woche zuvor<br />
war das entsprechende Strategiepapier von<br />
Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) bekannt<br />
geworden. Seit dem 1. September kann konstatiert<br />
werden: Die Proteste, unterstützt durch<br />
die <strong>Uni</strong>versitätsleitung, haben etwas bewirkt<br />
– aber aus Sicht der MLU bei weitem nicht<br />
genug.<br />
Die Knackpunkte im Entwurf für den Doppelhaushalt<br />
2010/11, den die Landesregierung<br />
beschlossen hat: Die Tarifsteigerungen bei den<br />
Hochschulen, summa summarum 22 Millionen<br />
Euro, sollen ab 2010 zu 90 Prozent vom Land,<br />
zu 10 Prozent von den Bildungseinrichtungen<br />
selbst getragen werden. Und die bisherigen<br />
Mittel für Investitionen, für die MLU zuletzt<br />
1,7 Millionen Euro, sollen 2010 nicht fließen.<br />
Auch die Landesmittel für die Spitzenforschung<br />
sollen gekürzt werden.<br />
„Das können wir so nicht akzeptieren“, erklärte<br />
Rektor Prof. Dr. Wulf Diepenbrock. Um<br />
die Tarifsteigerungen abzufangen, sei ein weiterer<br />
Stellenabbau nicht zu vermeiden. „Wir<br />
könnten aber nur befristete Stellen unbesetzt<br />
lassen, das träfe ausgerechnet den wissenschaftlichen<br />
Nachwuchs“, so Diepenbrock, der<br />
die MLU „teilweise am Rand der Existenz“<br />
sieht. Was die Kürzung der Exzellenzmittel<br />
angeht, befürchtet der Rektor einen irreparablen<br />
Schaden für die Konkurrenzfähigkeit der<br />
Landesuniversitäten auf internationaler Ebene.<br />
Doch damit nicht genug. Bereits die Grundfinanzierung<br />
der MLU auf gleichbleibendem<br />
Niveau ist für die <strong>Uni</strong>versitätsleitung problematisch.<br />
„Wir haben einen Mehrbedarf von<br />
zwölf Millionen Euro in den Jahren 2010<br />
und 2011“, sagt Kanzler Dr. <strong>Martin</strong> Hecht.<br />
Die chronische Unterfinanzierung zeige sich<br />
schließlich bereits jetzt mit 100 unbesetzten<br />
Mitarbeiterstellen. Setze sie sich fort, seien die<br />
Folgen absehbar und dramatisch.<br />
„Jetzt bleibt uns eigentlich nur noch, im Winter<br />
die Heizung abzustellen“, lautete der sarkastische<br />
Kommentar von Florian Döring, Sprecher<br />
des Arbeitskreises Bildungspolitik beim<br />
Studentenrat. Allerdings hat der Arbeitskreis<br />
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Große Steinstraße 10 · 06108 Halle<br />
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Am 17. Juni versammelten sich rund 2000 Studierende<br />
auf dem <strong>Uni</strong>versitätsplatz. Foto: Silvio Kison<br />
einen Runden Tisch initiiert, bei dem Studierende,<br />
Professoren und <strong>Uni</strong>versitätsleitung ein<br />
gemeinsames Positionspapier verabschiedeten.<br />
Darin enthalten sind unter anderem die Forderungen<br />
nach Planungssicherheit und einer<br />
Etat-Erhöhung von 12 Millionen Euro für die<br />
nächsten beiden Jahre.<br />
Finanzminister Jens Bullerjahn stellte sich bei<br />
der Zweitauflage des Runden Tisches seinen<br />
Kritikern. Wer mehr Geld haben wolle, müsse<br />
auch sagen, wo gespart werden soll, erklärte<br />
der Minister. Die Diskussion verlief heftig.<br />
Der Sommer war heiß – der Herbst wird ihm<br />
wohl nicht nachstehen.<br />
■<br />
sehen erleben<br />
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für studentische Experten<br />
Projekt „Praxisbilder“: Studierende beraten Unternehmen<br />
P ETRA HOFFMANN<br />
Ein vierköpfiges Frauen-Team arbeitet in der Kooperationsstelle der MLU und des DGB Sachsen-Anhalt.<br />
Der 1994 gegründete Trägerverein unterstützt und entwickelt Kooperationsbeziehungen<br />
zwischen Studierenden, Wissenschaftlern, Arbeitnehmern und Gewerkschaften, aktuell<br />
im Projekt „PraxisBilder – Wirtschaft trifft Campus“. Im Wintersemester beraten im Rahmen<br />
dieses Projekts erstmals studentische Expertengruppen kleine und mittelständische Unternehmen.<br />
Die Studierenden aus unterschiedlichen Fachrichtungen<br />
bearbeiten in Gruppen praxisrelevante<br />
Aufgaben. Die Auftaktveranstaltung für<br />
die Expertengruppen findet am 15. Oktober<br />
2009 statt – und am selben Tag das Methodenseminar,<br />
bei dem die teilnehmenden Studierenden<br />
in einem Vortrag zum Thema „Erfolg<br />
im Projekt durch systematisches Vorgehen“<br />
methodische Grundlagen zum effizienten Bearbeiten<br />
der Aufgaben vermittelt bekommen.<br />
Bisher haben sich 43 Studierende bei 13 Firmen<br />
zu 20 verschiedenen Themen angemeldet.<br />
Besonders groß ist das Interesse an Themen<br />
der Energieversorgung Halle (EVH), der Halle<br />
Messe GmbH und des Mitteldeutschen Verlags<br />
(mdv).<br />
Einige Unternehmer zeigen auch Interesse, im<br />
Referentenpool mitzuarbeiten. Dieser möchte<br />
Praktikern aus regionalen Unternehmen<br />
die Gelegenheit geben, ihr berufspraktisches<br />
Das Frauen-Team der Kooperationsstelle (v. l.): Susan Wilhardt, Sandra Piekarz, und Kathrin Schulze. Foto: Paolo Schubert<br />
Wissen direkt an die Studierenden und Absolventen<br />
in den Hochschulen weiter zu geben.<br />
„Für das Wintersemester ist deshalb neben<br />
den studentischen Expertengruppen auch noch<br />
eine gemeinsame Veranstaltungsreihe mit Referenten<br />
aus der regionalen Praxis in Zusammenarbeit<br />
mit dem Career Center geplant“,<br />
sagt Teamleiterin Susan Willhardt, die mit<br />
ihren Kolleginnen an weiteren Vernetzungen<br />
arbeitet, u. a. mit der IHK Halle-Dessau, dem<br />
Hochschulgründernetzwerk UNIVATIONS,<br />
dem Institut für Innovation und Entrepreneur-<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
ship (IIE) an der MLU sowie dem Fachkräfteportal<br />
Sachsen-Anhalt (PFIFF).<br />
2002 hat die Diplompädagogin Willhardt ein<br />
Praktikum in der Kooperationsstelle absolviert<br />
und ist anschließend gleich geblieben. Sie hat<br />
das Projekt „Wissenstransfer – die mitteldeutsche<br />
Praktikabörse“ geleitet und danach das<br />
Projekt „PraxisBilder – Wirtschaft trifft Campus“<br />
vorbereitet, welches sie jetzt ebenfalls<br />
leitet. Außerdem ist sie für die Konzeption<br />
methodischer Innovationen, die Netzwerkarbeit,<br />
die wissenschaftliche Evaluation der<br />
Projektergebnisse und die Nachhaltigkeit der<br />
Projekte verantwortlich.<br />
Die Diplom-Kulturpädagogin Sandra Piekarz<br />
kümmert sich in den laufenden Projekten um<br />
die Öffentlichkeitsarbeit sowie die Unternehmenskontakte<br />
und den Referentenpool. Ihre<br />
Kollegin Kathrin Schulze, Diplom-Sozialpädagogin,<br />
ist insbesondere für die Hochschul-<br />
kontakte, studentischen Expertengruppen und<br />
Hochschul-Praxis-Netzwerke verantwortlich.<br />
Zum Team gehört außerdem die Verwaltungsfachangestellte<br />
Jana Vogel.<br />
■<br />
Sandra Piekarz<br />
Kooperationsstelle MLU – DGB, Öffentlichkeitsarbeit<br />
Telefon: 0345 552 3845<br />
E-Mail: sandra.piekarz@wirtschaft-trifft-campus.de<br />
Internet: www.wirtschaft-trifft-campus.de<br />
21<br />
S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN
S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
22 Moderne IT für<br />
den ıStudent Life Cycle„<br />
Campusmanagement an der MLU wird weiterentwickelt<br />
R OSWITHA GEILING UND KLAUS SCHOBER<br />
Derzeit werden an der MLU verschiedene Serviceangebote für Studierende durch mehrere Softwareprodukte<br />
gewährleistet. Nach außen sichtbar ist dieses Campus-Management-System unter<br />
anderem durch Stud.IP und das Löwenportal. Deren Funktionalitäten sollen in Zukunft gebündelt<br />
und erweitert werden.<br />
Freitag, 23.53 Uhr, Student Marco L. atmet<br />
auf. Das Semester ist fast gelaufen, Zeit,<br />
ins Partygeschehen abzutauchen. Nur noch<br />
schnell das Bankkonto prüfen … apropos prüfen<br />
… PRÜFUNG !!! Heute war ja Anmeldeschluss<br />
... Jetzt aber hurtig, der Computer läuft<br />
noch, wo ist die TAN-Liste … 3 Klicks, TAN<br />
eingeben, geschafft. Um 23.59 Uhr kommt die<br />
Bestätigung: „Sie sind zur Prüfung angemeldet.“<br />
Uff, jetzt aber ab auf die Partymeile…<br />
Was dieses Szenario beschreibt, ist ein ganz<br />
kleiner Teil eines IT-Systems, das auch Campus-Management-System<br />
genannt wird und<br />
zurzeit an der MLU durch mehrere Softwareprodukte<br />
realisiert wird. Viele Funktionalitäten<br />
aus dem Bereich der akademischen Lehre<br />
unterstützt das System Stud.IP. Dazu gehören<br />
das Vorlesungsverzeichnis, die Studien- und<br />
Stundenplanung, eine Kommunikationsplattform<br />
für Mitstudierende und Dozenten, die<br />
Blitzschnell<br />
und trotzdem<br />
nicht teuer!<br />
• Diplomarbeiten<br />
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Verwaltung von Vorlesungsscripten und Dokumenten<br />
sowie die Einbeziehung von E-Learning-Verfahren,<br />
hier das System „Ilias“.<br />
Die „verwaltungsnahen“ Campus-Management-Funktionen<br />
bietet das Löwenportal der<br />
<strong>Uni</strong>versität an. Dort können die Studierenden<br />
zahlreiche Informationen und Dienstleistungen<br />
abrufen, die ansonsten den Besuch von verschiedenen<br />
Büros und Ämtern (z. B. Studierendensekretariat,<br />
Prüfungsamt) notwendig<br />
machen würden. Als Basisfunktionen können<br />
sich die Studierenden die pro Semester benötigten<br />
Bescheinigungen (Studienbescheinigung,<br />
Bafög-Bescheinigung, usw.) selbst erzeugen<br />
und Änderungen ihres Wohnortes selbst melden.<br />
Darüber hinaus können sich schon viele<br />
Studierende jedes Semester zu den von ihnen<br />
ausgewählten Modulen anmelden; eine Anmeldung<br />
zu den zu absolvierenden Prüfungen<br />
ist ebenfalls möglich. Dabei erhalten sie auch<br />
schenk verlag<br />
Verlag für Jungautoren und wissenschaftliche Publikationen.<br />
kontakt@buchverlag-schenk.de • www.buchverlag-schenk.de<br />
eine Übersicht über alle bisher erbrachten<br />
Leistungen in einem Notenspiegel.<br />
Das Löwenportal bietet allerdings noch einiges<br />
mehr. So nutzen es die Prüfungsämter z.<br />
T. für den Druck von Zeugnissen und anderen<br />
Studienabschlussdokumenten (Transcript of<br />
Records, Diploma Supplement). Auch eine<br />
spezielle Bafög-Bescheinigung, die nach dem<br />
4. Semester eines Bachelor-Studiengangs von<br />
Studierenden, die Bafög beziehen, im Bafög-<br />
Amt des Studentenwerks einzureichen ist,<br />
kann so erstellt werden. Prüfer können über<br />
das Löwenportal Noten verbuchen und sie<br />
nach Abschluss automatisch dem Prüfungsamt<br />
übermitteln. Damit ist der Weg frei für die<br />
Veröffentlichung der Noten im Löwenportal<br />
(natürlich nur für den jeweiligen Studierenden<br />
– Datenschutz wird groß geschrieben).<br />
E IGENENTWICKLUNG FÜR MODULINFOS<br />
Damit dies alles weitgehend reibungslos<br />
funktioniert, arbeitet in der Verwaltung eine<br />
Arbeitsgruppe „FIPS“ (siehe http://fips.unihalle.de),<br />
die alle Prozesse der IT-Unterstützung<br />
der Prüfungsverwaltung – vor allem für<br />
die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge<br />
–universitätsweit organisiert und unterstützt.<br />
Hier wurde auch das Modul- und Studienprogramm-Verwaltungssystem<br />
(MOS) entwickelt,<br />
das es gestattet, alle Modulinformationen und<br />
die darauf basierenden Studienprogramme in<br />
einer Datenbank zu erfassen und diese Informationen<br />
maschinell in das Prüfungsverwaltungssystem<br />
zu übertragen.<br />
Diese Eigenentwicklung war notwendig, da<br />
es am Markt keine vergleichbare Lösung gab,<br />
die insbesondere das an der MLU definierte<br />
und verwendete Modulmodell (Allgemeine<br />
und Spezielle Modulbeschreibungen) abbilden<br />
konnte. Interesse an der MOS-Datenbank<br />
haben schon mehrere Hochschulen bekundet.<br />
Viele Konzepte von MOS werden in zukünftige<br />
Entwicklungen der HIS-GmbH Hannover<br />
(das Softwarehaus der Hochschulen) einfließen.<br />
Auch wenn die <strong>Uni</strong>-Verwaltung keinen<br />
materiellen Gewinn erzielen kann, so ist es<br />
doch der ideelle Wert, der die Abteilung Hochschulplanung<br />
und Informationsmanagement<br />
stolz macht.<br />
Gegenwärtig arbeiten die Fachleute der Abteilung<br />
an einer Kopplung der Funktionalitäten<br />
von Stud.IP und dem Löwenportal, sodass perspektivisch<br />
der Nutzer gar nicht mehr merkt,<br />
in welchem Basissystem er gerade navigiert.<br />
Die Inhalte werden weiter ausgebaut und zusätzliche<br />
Funktionalitäten (z. B. Raum-Planung,<br />
Stundenplanung mit Konfliktmanagement)<br />
an die Bedürfnisse der MLU angepasst<br />
und frei geschaltet.<br />
Was erwartet Marco & Co. also in drei bis<br />
fünf Jahren und wie soll das umgesetzt werden?<br />
Gemeinsam mit der Hochschule Merseburg<br />
(FH) und der Hochschule für Kunst und De-
Zeichnung: Oliver Weiss<br />
sign Halle hat sich die MLU um eine Förderung<br />
durch die EFRE-Maßnahme „Förderung<br />
des Einsatzes neuer Technologien im Wissenschaftsbereich<br />
und zur Schaffung von Informations-<br />
und Wissensmanagementsystemen“<br />
beworben. Im Oktober vergangenen Jahres<br />
wurde der Antrag genehmigt. Die Federführung<br />
des Projekts liegt dabei in den Händen<br />
des MLU-Kanzlers Dr. <strong>Martin</strong> Hecht.<br />
D REI HOCHSCHULEN, DREI PHASEN<br />
Mithilfe der auf drei Jahre und für drei Hochschulen<br />
genehmigten 790.000 Euro war der<br />
Weg geebnet, das ehrgeizige Ziel in Angriff<br />
nehmen zu können. Unter dem langen Titel<br />
„Einführung und Nutzung von webbasierten<br />
Onlineplattformen für die effektive Unterstützung<br />
der Prozesse in Forschung, Lehre<br />
und Verwaltung an verschiedenen Hochschultypen“<br />
konnte am 1. September mit der Arbeit<br />
begonnen werden.<br />
Eine aus den eingeworbenen Mitteln finanzierte<br />
EFRE-Projektgruppe wird das Projekt<br />
gemeinsam mit dem IT-Personal vor Ort in<br />
drei Phasen bearbeiten.<br />
Im Fokus der Betrachtung steht dabei hauptsächlich<br />
der „Student Life Cycle“. Dazu<br />
erfolgt zunächst eine Bestandsaufnahme all<br />
jener IT-gestützten Aufgaben und Prozesse,<br />
die im weitesten Sinne mit dem studentischen<br />
Leben an der <strong>Uni</strong>versität assoziiert sind. Ziel<br />
ist dabei auch, bestehende Medienbrüche zu<br />
erfassen, um diese zukünftig zu vermeiden.<br />
Phase zwei umfasst Analyse und Folgerungen,<br />
d. h. bestehende Prozesse hinsichtlich ihrer<br />
elektronischen Umsetzung zu begutachten und<br />
in Referenzprozessen zusammenzufassen.<br />
Die Gemeinsamkeiten der Arbeitsabläufe einer<br />
klassischen <strong>Uni</strong>versität, einer Hochschule für<br />
angewandte Forschung und einer Kunsthochschule<br />
sollen dabei ebenso Berücksichtigung<br />
finden wie die Unterschiede. Im Ergebnis soll<br />
eine Argumentationsgrundlage für die Abstimmung<br />
zu bestehender oder den Erwerb neuer<br />
Software geschaffen werden und die bisherigen<br />
Arbeitsabläufe den Referenzprozessen<br />
angepasst werden. Dabei lautet das Ziel, den<br />
Informationsfluss und die Transparenz über<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Onlineplattformen weiter zu verbessern sowie<br />
neue Serviceleistungen anbieten zu können.<br />
In Phase drei soll dann die technische Umsetzung<br />
in Angriff genommen werden.<br />
Durch die Betrachtung der verschiedenen<br />
Hochschultypen wird das Spektrum aller<br />
Hochschularten in Sachsen-Anhalt abgebildet.<br />
Damit sind die Ergebnisse des Projekts<br />
zukünftig auch für Marcos Kommilitonen der<br />
anderen Hochschulen zugänglich und können<br />
auch dort einer serviceorientierten Studienunterstützung<br />
dienen.<br />
■<br />
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23<br />
S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN
24<br />
S TUDIEREN, LEHREN, LEBEN<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Nach den Sternen greifen<br />
Physiker bringt zukünftigen Lehrern die Astronomie näher<br />
S OPHIE EHRENBERG<br />
2009 ist das Internationale Jahr der Astronomie. Vor genau 400 Jahren publizierte Johannes Kepler<br />
sein Buch „Astronomia Nova“ und trug damit zum grundlegenden Verständnis der physikalischen<br />
Gesetzmäßigkeiten bei. Zu dieser Zeit setzte auch Galileo Galilei erstmals ein Teleskop<br />
ein, um astronomische Beobachtungen zu machen. Heute bietet die MLU als einzige Hochschule<br />
Sachsen-Anhalts die Möglichkeit an, Astronomie zu studieren.<br />
„Allerdings handelt es sich um ein Ergänzungsstudium<br />
für Lehramtsstudenten der<br />
Geografie, Mathematik oder Physik“, erklärt<br />
Dr. Helmut Grätz, für die Astronomieausbildung<br />
verantwortlicher Mitarbeiter am Institut<br />
für Physik. Die Lehramtstudierenden können<br />
nach zwei Jahren eine Staatsprüfung ablegen<br />
und erhöhen mit diesem Abschluss ihre Berufschancen.<br />
Auch Physikstudierende können in die Astronomie<br />
hineinschnuppern, wenn sie „Astrophysik<br />
der Sterne und Kosmologie“ als Wahlpflichtmodul<br />
für ein Semester belegen. „Das<br />
Interesse von studentischer Seite ist groß,<br />
aber leider haben die Bachelor-Studierenden<br />
meist keine Zeit mehr, den ganzen Kurs über<br />
vier Semester zu belegen“, erklärt Helmut<br />
Grätz.<br />
Sechs Mitarbeiter betreuen die rund 40 Studierenden<br />
über die Kursdauer von zwei Jahren.<br />
„Die Schwierigkeiten für uns liegen in den<br />
sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen, denn<br />
vor allem mathematisches und physikalisches<br />
Verständnis ist unbedingt notwendig. Ich freue<br />
mich darüber, dass trotzdem nur wenige An-<br />
fänger gleich wieder aufhören, die meisten<br />
lassen sich nicht entmutigen. So soll es auch<br />
sein“, sagt der Astronomieverantwortliche.<br />
ıABSOLVENTEN KÖNNEN AUFBAUARBEIT LEISTEN„<br />
Die wesentlichen Inhalte des Astronomiestudiums<br />
bestehen aus Vorlesungen, Seminaren<br />
und Übungen, etwa mit Unterrichtsmitteln und<br />
Fernrohren. Damit werden die Lehramtsstudierenden<br />
auf den Schulunterricht vorbereitet.<br />
Allerdings ist die Astronomie nur in den neuen<br />
Bundesländern ein Unterrichtsfach. „Sie in<br />
allen Bundesländern als Pflichtfach einzurichten,<br />
ist wohl recht unrealistisch. Aber an jeder<br />
Schule sollte zumindest ein Wahlkurs angeboten<br />
werden; an manchen Schulen gibt es aber<br />
nicht einmal eine Arbeitsgemeinschaft. Hier<br />
können unsere Absolventen noch viel Aufbauarbeit<br />
leisten“, sagt Helmut Grätz.<br />
Das Interesse sei bei vielen Schülern da und<br />
die Astronomie enthalte auch nützliche Erkenntnisse<br />
für die Allgemeinbildung, denn sie<br />
sei nicht nur eine Naturwissenschaft, sondern<br />
Ein Blick in die Kuppel des halleschen Planetariums. Foto: Raumflugplanetarium Stadt Halle (Saale)<br />
auch ein wichtiges Kulturgut. „Beispielsweise<br />
werden durch astronomische Gegebenheiten<br />
die beweglichen Feiertage bestimmt: Das Osterfest<br />
etwa findet stets am Sonntag nach dem<br />
ersten Frühlingsvollmond statt. Das wissen<br />
nur wenige“, so Helmut Grätz.<br />
Außerdem ist die Astronomie eine besondere<br />
Wissenschaft. „Sie erscheint mehr als andere<br />
Fächer in den Medien, zum Beispiel wenn es<br />
um Sonnenfinsternisse und Raumfahrtmissionen<br />
geht, oder auch um Science-Fiction in<br />
Literatur und Film. Es ist mir deshalb unverständlich,<br />
wieso Astronomie in der Schule fast<br />
keine Rolle spielt.“<br />
Helmut Grätz selbst hat in Dresden Physik<br />
studiert. Seine Spezialrichtung ist die Reaktorphysik:<br />
„Die Kernfusion ist mein Lieblingsthema.“<br />
Nach der Wende ist er zufällig zur<br />
Astronomie gekommen und hat sich intensiv<br />
damit beschäftigt. „Ich habe mir Vorträge angehört<br />
und das Wichtigste im Selbststudium<br />
beigebracht.“ Zusammen mit dem emeritierten<br />
Prof. Dr. Peter Grau hat er das Astronomie-<br />
Angebot 1994 ins Leben gerufen. Einen Forschungsbereich<br />
gibt es an der MLU jedoch<br />
nicht. „So etwas muss in der Regel Tradition<br />
haben und die haben wir nicht. Das Ergänzungsstudium<br />
Astronomie ist ein reines Lehrangebot,<br />
vor allem für Lehramtsstudierende.“<br />
■<br />
Dr. Helmut Grätz<br />
Telefon: 0345 55-25363<br />
E-Mail: graetz@physik.uni-halle.de<br />
Internet: www.physik.unihalle.de/studium
Die Spider-Man-Seide aus Halle<br />
Wissenschaftler machen Spinnfäden reißfester und dehnbarer<br />
C ARSTEN HECKMANN<br />
Spinnfäden haben erstaunliche Eigenschaften. Sie sind wahnsinnig stark und dennoch elastisch.<br />
Aber auch Gutes kann noch besser werden: Ein Team um Dr. Mato Knez vom Max-Planck-Institut<br />
für Mikrostrukturphysik hat der Spinnenseide Metalle in geringsten Mengen hinzugefügt.<br />
An die so behandelten Spinnfäden kann man dreimal mehr Gewicht anhängen.<br />
Möglicherweise lassen sich auch andere Fasern mit der entsprechenden Methode kräftigen.<br />
Für die Untersuchungen haben MLU-Wissenschaftler 100 Nanometer dünne Scheiben von den<br />
Spinnfäden abgeschnitten.<br />
Peter Benjamin Parker lebt in Forrest Hills,<br />
New York. Das beschauliche Halle an der<br />
Saale dürfte ihm kein Begriff sein. Allerdings<br />
könnte er sich brennend für eine herausragende<br />
Forschungsleistung interessieren, die<br />
am Weinberg Campus vollbracht worden ist.<br />
Hat dieser Peter Parker doch, in jungen Jahren<br />
von einer radioaktiven Spinne gebissen und<br />
mit besonderen Kräften ausgestattet, einen<br />
Netzsprüher entwickelt. Mit dessen Hilfe kann<br />
er verschiede Arten von Spinnennetzen in<br />
Windeseile spinnen. Er nutzt dies, um Verbrecher<br />
zu jagen.<br />
Spider-Man, so der wohl bekanntere Name<br />
dieses Mannes, verfügt über besonders reißfeste<br />
Spinnfäden – deren Geheimnis bislang<br />
nicht gelüftet werden konnte. Ein immenser<br />
Wettbewerbsvorteil für den Superhelden.<br />
Doch der könnte passé sein.<br />
Denn auch Dr. Mato Knez vom Max-Planck-<br />
Institut für Mikrostrukturphysik wäre nunmehr,<br />
zumindest theoretisch, in der Lage, ein<br />
Fluchtauto zu stoppen, das mit 100 Kilome-<br />
tern pro Stunde unterwegs ist. Aus 20 Metern<br />
Entfernung würde ihm dazu ein fünf Millimeter<br />
dünner Faden reichen. Ein natürlicher<br />
Spinnfaden, verstärkt durch Metallionen.<br />
Dem Forscherteam um Knez ist es gelungen,<br />
die mechanischen Eigenschaften von Spinnenseide<br />
noch einmal deutlich zu verbessern.<br />
Das behandelte Material hält starkem Zug und<br />
kräftiger Dehnung stand, es kann zehnmal<br />
mehr Energie aufnehmen als das naturbelassene<br />
Pendant, bevor es reißt.<br />
Die Wissenschaftler haben den Fäden mit einer<br />
speziellen Infiltrationsmethode Metalle<br />
zugesetzt („Multiple Pulsed Vapor Phase Infiltration“).<br />
Wie die Metallatome in das Innere<br />
der Spinnenseide vordringen und warum sie<br />
den Fäden mehr Kraft geben, dazu erhielten<br />
die Forscher Hinweise durch elektromikroskopische<br />
Aufnahmen, die zum Teil am Institut<br />
für Physik der MLU gemacht wurden.<br />
Unerlässlich dafür: die richtige Vorbereitung<br />
der Proben. „Man muss sogenannte Präparationsartefakte<br />
vermeiden“, sagt Dr. Gerd Hause,<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Kreuzspinne in der Mitte ihres Netzes,<br />
Abbildung: Max-Planck-Institut für<br />
Mikrostrukturphysik<br />
Vierfach gewundener, infiltrierter Spinnenfaden,<br />
der einen 27,5 Gramm schweren Block an einem<br />
Haken hält. Abbildung: Max-Planck-Institut für<br />
Mikrostrukturphysik.<br />
Abteilungsleiter „Bildgebende Verfahren“ am<br />
Biozentrum der MLU. „Die Artefakte würden<br />
zu Bildern führen, die der Realität nicht<br />
entsprechen.“ Hause und seine Mitarbeiter<br />
brachten ihre entsprechende Erfahrung in das<br />
Projekt von Mato Knez ein. Sie präparierten<br />
die modifizierten Spinnfäden so, dass sie am<br />
Ende in Epoxidharzblöcken eingegossen waren.<br />
Davon konnten sie dann 100 Nanometer<br />
dünne Scheiben abschneiden.<br />
Die Untersuchungsergebnisse, veröffentlicht in<br />
„Science“, stimmen die Wissenschaftler optimistisch,<br />
was die Weiterentwicklung und auch<br />
die Relevanz für die Praxis angeht. Zwar werde<br />
metallbehandelte Spinnseide auch künftig<br />
keine Aufzüge ziehen oder Tragflächen verstärken,<br />
so Mato Knez. „Es ist wahrscheinlich<br />
kaum möglich, natürliche Spinnseide im großen<br />
Stil zu gewinnen.“ Mit der angewandten<br />
Methode könnten aber auch andere Biomaterialien<br />
reißfester und dehnbarer gemacht<br />
werden. „Wir setzen zudem darauf, dass wir<br />
auch die Eigenschaften von synthetischen Materialien,<br />
die natürliche imitieren, mit unserem<br />
Verfahren verbessern können.“ Anwendungen<br />
im Flugzeug- oder Autobau sowie in der Weltraumtechnik<br />
seien denkbar. Der entscheidende<br />
Material-Dreisatz lautet: leicht, stark, flexibel.<br />
■<br />
Dr. Mato Knez<br />
Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik<br />
Telefon: 0345 55-82642<br />
E-Mail: mknez@mpi-halle.de<br />
Dr. Gerd Hause<br />
Biozentrum<br />
Telefon: 0345 55-21626<br />
E-Mail: gerd.hause@biozentrum.uni-halle.de<br />
25<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN
26<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
ıTelefonieren kann nicht jeder„<br />
Sprechwissenschaftler helfen Call-Center-Agenten<br />
R OMAN RÜHLE<br />
Zwischen der MLU und Unternehmen der Privatwirtschaft bestehen eine Reihe von Kooperationen.<br />
Sie sorgen für eine nachhaltige Verzahnung von Wissenschaft und Praxis. Ein gutes Beispiel<br />
dafür ist die Zusammenarbeit zwischen dem MLU-Institut für Sprechwissenschaft und dem<br />
Dienstleister buw. In dessen Call-Center in Halle untersuchen und optimieren MLU-Studenten<br />
beispielsweise Leitfaden gestützte Gespräche. Ingmar Rothe hat über die Kooperation nicht nur<br />
das Thema seiner Diplomarbeit, sondern auch einen Job gefunden. Ein Porträt.<br />
Geschultes Sprechen bringt weniger Stress für die Stimme: Ingmar Rothe mit einer buw-Mitarbeiterin im<br />
halleschen Call-Center des Unternehmens.<br />
„Fünf Tage die Woche acht Stunden telefonieren,<br />
das hält kein Mensch auf Dauer aus.“<br />
Ingmar Rothe hat es erlebt. Als junger Student<br />
hat er in seinen Semesterferien selbst mehrere<br />
Wochen am Hörer gesessen. Dabei hat sich<br />
der heute 28-Jährige durch die gesamte Republik<br />
telefoniert. Aus eigenem Erleben weiß<br />
er daher: Langes Sprechen ohne Schulung ist<br />
pure Anstrengung.<br />
Inzwischen ist Ingmar Rothe, das darf man<br />
sagen, Stimm- und Sprechexperte. 2001 hat<br />
er die dafür notwendige Ausbildung begonnen<br />
und Sprechwissenschaft studiert. „Zuerst<br />
in Jena, später an der MLU in Halle“, wie er<br />
verrät. „Obwohl ich eigentlich Journalist und<br />
auch gern Schauspieler werden wollte.“ Jedoch<br />
konnte er sich weder für das eine noch<br />
das andere entscheiden. Ein guter Freund gab<br />
ihm schließlich den Anstoß, er solle Sprechwissenschaft<br />
studieren. Bis heute hat er es<br />
nicht betreut. „Im Gegenteil“, sagt er, „Journalisten<br />
und Schauspieler brauchen auch eine<br />
trainierte Stimme. Und wer weiß, was noch<br />
kommt im Leben.“<br />
S TIMM- UND SPRECHÜBUNGEN SIND NEULAND<br />
Mittlerweile setzt Rothe seinen geschulten<br />
Sprachapparat wiederum in einem Call-Center<br />
ein. Seit Juni arbeitet er fest für die buw Unternehmensgruppe.<br />
In deren Niederlassung in<br />
der Grenzstraße in Halle verantwortet er das<br />
Sprechtraining für die Telefonagenten. „Da-<br />
mit sie sich nicht verletzen“, erzählt er. „Wer<br />
ohne jede Vorbereitung lostelefoniert, setzt<br />
unter Umständen seine Stimmgesundheit aufs<br />
Spiel.“ Damit skizziert Rothe das eigentliche<br />
Problem: Während die Sprechausbildung von<br />
Schauspielern, Funk- und Fernsehsprechern<br />
heute als selbstverständlich gilt, ist sie für<br />
große Teile der Call-Center-Branche noch immer<br />
Neuland. „Hier setzt erst nach und nach<br />
das Bewusstsein ein, dass Mitarbeiter vor<br />
allem dann leistungsfähiger sind und länger<br />
im Unternehmen bleiben, wenn sie sich bei<br />
der Arbeit ihre Stimme nicht ruinieren“, weiß<br />
er. „Einen Tag lang telefonieren, das übersteht<br />
man gut. Wie es jedoch in zwei bis drei Jahren<br />
aussieht, das ist die Frage.“<br />
Auch heute steht Ingmar Rothe im buw-Großraumbüro.<br />
Um ihn herum wogt das mitunter<br />
laustarke Summen der Stimmen und Telefonsignale<br />
auf und ab. Hier und da wird eifrig, an<br />
anderen Plätzen auffallend ruhig telefoniert.<br />
Rothe steht irgendwie dazwischen. Feinsinnig<br />
beobachtet der großgewachsene Mann die Lage.<br />
Er weiß: Seine Kollegen an den Apparaten<br />
haben es nicht unbedingt einfach. Sie müssen<br />
ich mit Problemen anderer auseinandersetzen.<br />
„Das ist nicht selten unangenehm“, sagt er,<br />
„schließlich ist Telefonieren Emotionsarbeit.<br />
Man muss viel aushalten können. Telefonieren<br />
kann nicht jeder.“<br />
P RÄVENTION STATT GÄNGELEI<br />
Damit die Hallenser buw-Mitarbeiter ohne<br />
Knoten in der Stimme und einem chronisch<br />
entzündeten Kehlkopf durch ihren (Berufs-)<br />
Alltag kommen, hat ihnen der Arbeitgeber<br />
eine Abteilung für Personalentwicklung eingerichtet,<br />
in der auch Ingmar Rothe arbeitet. Eine<br />
seiner Aufgaben besteht darin, schon beim<br />
Bewerbungsgespräch herauszuhören, welche<br />
Kandidaten stimmtechnisch geeignet sind und<br />
welche nicht. Anhand von Rollenspielen analysiert<br />
er ihre Gesprächsführung und achtet<br />
penibel darauf, wie sie Stimme und Zwerchfell<br />
einsetzen.<br />
„Dieses Prozedere“, erklärt er, „ist keine Gängelei,<br />
sondern Prävention“. Man müsse sich<br />
schließlich vergegenwärtigen, dass die Arbeit<br />
eines Call-Center-Agenten überaus anstrengend<br />
sei. Der Teufel, wendet er ein, stecke im<br />
Detail. „Denn beim Telefonieren wird nicht<br />
der gesamte Körper überproportional angestrengt,<br />
sondern nur ein bestimmter Bereich,<br />
unsere Stimme.“ Weil deren Anatomie für lang<br />
anhaltende Belastungen jedoch nicht geschaffen<br />
sei, müsse sie behutsam trainiert werden,<br />
so Rothe.<br />
Geübte Sprecher sind in einem Call-Center<br />
daher klar im Vorteil, „normale“ Telefon-<br />
Agenten sind es nicht. „Das ist richtig“, konstatiert<br />
auch Prof. Dr. Baldur Neuber vom<br />
MLU-Seminar für Sprechwissenschaft und<br />
Phonetik. „Kaum einer der Telefonisten ist je<br />
zuvor einem Phoniater oder Sprecherzieher
egegnet“. Dabei sind, so lässt sich schlussfolgern,<br />
nur gesunde und dauerhaft belastbare<br />
Stimmen ihr Geld wert. Tatsächlich, so der<br />
Experte weiter, steckt bei der überwiegenden<br />
Zahl der Call-Center-Anbieter die soziale Verantwortung<br />
gegenüber dem eigenem Personal<br />
jedoch noch immer in den Kinderschuhen.<br />
Anders bei buw: Dort ist die Stimmgesundheit<br />
der Mitarbeiter oberstes Prinzip. Seminare für<br />
Sprecherziehung sowie Übungen zu Rhetorik<br />
und Kommunikationspsychologie gehören daher<br />
zum Arbeitsalltag. Die wissenschaftliche<br />
Begleitung erfolgt parallel zum Berufsalltag.<br />
„Dabei lernen die Mitarbeiter, wie sie Atmung<br />
und Stimme gezielt und physiologisch einsetzen“,<br />
erläutert Rothe. Um herauszufinden,<br />
ob das Erlernte auch richtig mgesetzt wird,<br />
macht Rothe vor allem eines: Der 28-Jährige<br />
beobachtet die Mitarbeiter und hört ihnen zu.<br />
„Das Prinzip klingt einfach, macht aber trotzdem<br />
Arbeit.“<br />
T RAINING ON THE JOB<br />
Rothe schätzt, dass er bei seiner Arbeit trotz<br />
notwendiger Standardisierungen kreativ bleiben<br />
darf. Bodenständig erklärt er: „Ständig<br />
lerne ich hinzu. Ich kann ja nicht immer die<br />
gleichen Übungen machen.“ Das heißt, auch<br />
für ihn ist die Arbeit ein „training on the job“.<br />
Die Begeisterung schöpft Rothe dabei aus<br />
der Kommunikationsrealität. Den 28-Jährigen<br />
interessiert, „was bei einem Gesprächen am<br />
Telefon zwischen zwei Menschen passiert,<br />
die sich nur hören, aber wie in jeder anderen<br />
Kommunikationssituation plötzlich aufeinan-<br />
Sprechwissenschaftler<br />
mit guten Kontakten und<br />
sonnigem Gemüt:<br />
Ingmar Rothe und<br />
Professor Baldur Neuber.<br />
Fotos: Michael Deutsch<br />
der reagieren müssen“. Vor allem interessiert<br />
ihn die Frage, wie die Gesprächspartner versuchen,<br />
sich Dinge paraverbal, das heiß, mittels<br />
Melodie, Rhythmus und Stimmklang begreiflich<br />
zu machen.<br />
Schließlich hat ihn diese Frage bis zur Diplomarbeit<br />
begleitet. Darin hat Rothe die<br />
Umsetzung standardisierter Gesprächsleitfäden<br />
untersucht, um herauszufinden, wie diese<br />
sich auf die Beratungssituation auswirken.<br />
Insgesamt 460 Beratungsgespräche hat er analysiert,<br />
13 davon ausführlich und in kleinen<br />
Sequenzen.<br />
Die Erkenntnisse seiner Untersuchung füllen<br />
ein Forschungsdesiderat innerhalb der Sprechwissenschaft,<br />
sind aber auch für den Praxispartner<br />
buw von Interesse. Das Unternehmen<br />
verspricht sich unter anderem Erkenntnisse<br />
darüber, ob ein Gespräch anders verläuft,<br />
wenn die Agenten im Konjunktiv sprechen<br />
oder nicht. „Für einen Außenstehenden“, so<br />
Rothe, „mag das eine komische Fragestellung<br />
sein, bei einem Vertragsabschluss ist jedoch<br />
entscheidend, was wie miteinander vereinbart<br />
wurde.“ Datenmaterial und Technik für die<br />
empirische Untersuchung hat buw gestellt.<br />
K OOPERATION NUTZT BEIDEN SEITEN<br />
Auf die Unterstützung von buw konnte Rothe<br />
auch deshalb zählen, weil seit zwei Jahren eine<br />
Kooperation besteht zwischen dem Dienstleister<br />
und der MLU. „Davon profitieren beide<br />
Seiten“, erläutert Prof. Neuber. „buw ermöglicht<br />
unseren Studierenden den Einblick in die<br />
Routinen eines Call-Centers. Gleichzeitig gibt<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
das Unternehmen Konzeptionen zur Bearbeitung<br />
ethisch-wissenschaftlicher Themen in<br />
Auftrag. Das nutzt der <strong>Uni</strong>versität, die praxisnahen<br />
Unterricht durchführen und Drittmittel<br />
einwerben kann.“<br />
Das Zusammenwirken lohnt sich offenkundig:<br />
Bislang liegen zwölf Diplomarbeiten sowie eine<br />
Bachelorarbeit zu entsprechenden Themen<br />
vor. Sind sie durch die Verzahnung mit einem<br />
Praxispartner wie buw entstanden, scheint das<br />
auch die Karriere zu fördern. Denn manch<br />
ein Student schafft „hinterher“ den schnellen<br />
Übergang von der <strong>Uni</strong> ins Berufsleben. „Dass<br />
man über ein Call-Center-Thema geschrieben<br />
hat, heißt aber nicht, dass man dort lebenslang<br />
arbeiten muss“, wirft Rothe ein. Er kann sich<br />
vorstellen, auch PR- und Kommunikationsmanager<br />
zu schulen.<br />
„Vielleicht werde ich mal umsatteln. Ich<br />
könnte mich auch zum ‚klinischen Sprechwissenschaftler‘<br />
weiterbilden lassen. Arbeitslose“,<br />
sagt er lachend, „gibt es in unserem Berufsfeld<br />
jedenfalls keine.“ Er könne doch auch<br />
promovieren? „Für den Moment reicht’s erst<br />
einmal mit dem Schreiben“, sagt er. „Andererseits<br />
hat sich der Aufwand nicht gelohnt,<br />
wenn ich es nicht mache.“<br />
■<br />
Prof. Dr. Baldur Neuber<br />
Seminar für Sprechwissenschaft und Phonetik<br />
Telefon: 0345 55-24467<br />
E-Mail: baldur.neuber@sprechwiss.uni-halle.de<br />
27<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN
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F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Gerechte Verteilung im<br />
Gesundheitswesen?<br />
MLU-Fördervereinigung (VFF) unterstützt wichtige Tagung<br />
P ETRA HOFFMANN<br />
Vor dem Hintergrund eines steigenden Bedarfs an gesundheitsökonomischer Expertise bei der<br />
Konzeption des öffentlichen Gesundheitswesens wurde im Oktober 2008 durch Hochschulprofessoren<br />
die Deutsche Gesellschaft für Gesundheitsökonomie e. V. (dggö) in Berlin gegründet.<br />
Anfang 2009 wurde Prof. Dr. Dr. Marlies Ahlert vom Fachbereich Mikroökonomie und Finanzwissenschaft<br />
der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der MLU zur Vorsitzenden<br />
des Ausschusses „Verteilung“ der dggö gewählt. Sie organisiert nun eine internationale<br />
Tagung zur Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen.<br />
Die Ökonomin ist mit zwei Projekten an der<br />
DFG-Forschergruppe FOR 655 beteiligt. Die<br />
Forschergruppe setzt sich seit 2007 mit der<br />
Problematik der „Priorisierung in der Medizin“<br />
im interdisziplinären Diskurs auseinander.<br />
Die Thematik der Priorisierung bzw. Rationierung<br />
im öffentlichen Gesundheitswesen wird<br />
seit Jahren in der Öffentlichkeit diskutiert.<br />
Gefragt wird beispielsweise, wie und wo die<br />
Grenzen der Finanzierung von Versorgungsleistungen<br />
aus der Gesetzlichen Krankenversicherung<br />
(GKV) gezogen und nach welchen<br />
Kriterien diese knappen Ressourcen zugeteilt<br />
werden sollen. Für die politische Akzeptanz<br />
von Gesundheitspolitik ist es dabei wichtig zu<br />
erfahren, wie die Präferenzen insbesondere<br />
von potentiellen Patienten und der im medizinischen<br />
Bereich oder in Versicherungen Tätigen<br />
zur Priorisierung aussehen. Antworten auf<br />
diese Fragen versuchen die Wissenschaftler<br />
durch theoretisch-normative und empirischexperimentelle<br />
Forschung zu finden.<br />
Sowohl als Vorsitzende des Ausschusses „Verteilung“<br />
der dggö als auch als Mitglied der<br />
Forschungsgruppe organisiert der Lehrstuhl<br />
von Marlies Ahlert am 11. und 12. Dezember<br />
2009 an der MLU eine internationale und interdisziplinäre<br />
Tagung zur Verteilungsgerechtigkeit<br />
im Gesundheitswesen. Die Tagung soll<br />
ein Forum schaffen, auf dem die Mitglieder<br />
der Forschungsgruppe FOR 655 mit in- und<br />
ausländischen Wissenschaftlern sowohl ihre<br />
Forschungsergebnisse als auch neue Ansätze<br />
für die Politikberatung im Gesundheitswesen<br />
diskutieren können. „Es ist uns gelungen, zwei<br />
international hoch angesehene Wissenschaftler<br />
für Plenarvorträge zu gewinnen“, sagt Marlies<br />
Ahlert. „Professor Erik Schokkaert vom<br />
Departement of Economics der Katholischen<br />
<strong>Uni</strong>versität Leuven in Belgien und Professor<br />
Erik Nord vom Norwegian Institute of Public<br />
Health in Oslo werden am ersten Tag aus<br />
ihren gesundheitsökonomischen Forschungsgebieten<br />
vortragen und zum Problem der<br />
Priorisierung im Gesundheitswesen Stellung<br />
nehmen.“<br />
Die Tagung wird finanziell durch die DFG-<br />
Mittel der Forschergruppe FOR 655, den Allgemeinen<br />
Stiftungsfonds der MLU und die<br />
Vereinigung der Freunde und Förderer der<br />
<strong>Martin</strong>-Luther-<strong>Uni</strong>versität Halle-Wittenberg<br />
e.V. (VFF) unterstützt. ■<br />
Prof. Dr. Dr. Marlies Ahlert setzt sich mit der<br />
Problematik der „Priorisierung in der Medizin“ auseinander.<br />
Foto: Norbert Kaltwaßer<br />
Prof. Dr. Dr. Marlies Ahlert<br />
Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät<br />
Mikroökonomie und Finanzwissenschaft<br />
Telefon: 0345 55-23440<br />
E-Mail: marlies.ahlert@wiwi.uni-halle.de<br />
Internet:<br />
http://finanzwissenschaft.wiwi.uni-halle.de/mitarbeiter/<br />
ahlert/index.de.php<br />
Tagung:<br />
http://finanzwissenschaft.wiwi.uni-halle.de/conference/<br />
VFF:<br />
www.vff.uni-halle.de
Zahnprothesen mit Magneten verankert<br />
Dr. Arne F. Boeckler<br />
Foto: <strong>Uni</strong>versitätsklinikum<br />
Auf Grundlage von<br />
wissenschaftlichen<br />
Studien aus der<br />
Forschungsgruppe<br />
von Dr. Arne F.<br />
Boeckler, Oberarzt<br />
der <strong>Uni</strong>versitätspoliklinik<br />
für Zahnärztliche<br />
Prothetik, hat<br />
das Deutsche Institut<br />
für Normung die<br />
DIN 13992 „MagnetischeRetentionse-<br />
lemente“ erarbeitet. Mit derartigen Magneten<br />
können herausnehmbare Prothesen an noch<br />
vorhandenen letzten Zahnwurzeln oder auch<br />
an künstlichen Zahnwurzeln, den so genannten<br />
Implantaten, lagestabil verankert werden. So-<br />
Kupfer im Kampf gegen Krankenhauskeime<br />
Türgriffe und Lichtschalter aus Kupfer sind<br />
ein wirksames zusätzliches Mittel, um die<br />
Verbreitung von gefährlichen Keimen in<br />
Krankenhäusern zu stoppen. Das ist das Ergebnis<br />
eines weltweit beachteten Feldversuchs<br />
„Antimikrobielle Kupfer-Oberflächen“, der<br />
an der Asklepios Klinik Wandsbek in Hamburg<br />
gemeinsam von dortigen Medizinern und<br />
Wissenschaftlern der MLU vorbereitet und<br />
durchgeführt wurde. Mitte Juni 2009 teilte<br />
die Klinik dieses Forschungsergebnis mit, das<br />
mit tragen sie zur Verbesserung der Kaufunktion<br />
und infolgedessen auch der Lebensqualität<br />
der Patienten bei.<br />
Für diese Verbindungselemente wurde eine<br />
einheitliche Prüfvorlage entwickelt. Weiterhin<br />
konnte im Vergleich der von ihrer Bauart sehr<br />
unterschiedlichen Magnete gezeigt werden,<br />
dass neuartige Magnete trotz ihrer kleinen und<br />
vorteilhaften Baugröße eine ausreichende Haltekraft<br />
aufweisen.<br />
Für ihre Forschungsergebnisse wurde die<br />
Gruppe um Dr. Boeckler von der Deutschen<br />
Gesellschaft für Implantologie im Zahn-,<br />
Mund- und Kieferbereich (DGI) sowie der<br />
Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie für<br />
den besten wissenschaftlichen Artikel des vergangenen<br />
Jahres ausgezeichnet.<br />
J. M.<br />
jetzt beim Kampf gegen Antibiotika-resistente<br />
Bakterien (MRSA) eine zentrale Rolle spielt.<br />
MLU-Forscher haben über einen längeren<br />
Zeitraum regelmäßig Proben genommen und<br />
die Anzahl der Keime auf den verschiedenen<br />
Kontaktflächen verglichen. Der gewünschte<br />
Effekt trat dabei insbesondere bei den Türklinken<br />
auf. So ließ sich unter Alltagsbedingungen<br />
nachweisen, dass die Zahl der Antiobiotikaresistenten<br />
Bakterien etwa um ein Drittel verringert<br />
wurde.<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Funktion durch Vielfalt<br />
Auf 60 Hektar entsteht in Xingangshan im<br />
Osten Chinas ein neuer Wald. 96 heimische<br />
Pflanzenarten und insgesamt mehr als eine<br />
halbe Million Bäume und Sträucher werden<br />
die Gärtner in die Erde setzen. Es handelt<br />
sich um das größte Biodiversitäts-Experiment<br />
der Welt. Mit von der Partie ist der hallesche<br />
Geobotanik-Professor Helge Bruelheide. Die<br />
Wissenschaftler interessiert vor allem eines:<br />
Welchen Effekt hat die biologische Vielfalt<br />
– die Biodiversität – auf die Funktionen und<br />
Abläufe in einem Waldökosystem?<br />
Pionierarbeit leisten die Forscher auch in der<br />
Vermittlung des Projekts: Interessierte können<br />
den Fortgang in bewegten Bildern mitverfolgen,<br />
beim DFG Science TV:<br />
www.dfg-science-tv.de<br />
C. H.<br />
„Auf den Kupferoberflächen fanden sich im<br />
Vergleich zu den Kontrolloberflächen, also<br />
den herkömmlichen Türgriffen, Türplatten und<br />
Lichtschaltern, nur 63 Prozent der Keime“,<br />
sagt Prof. Dr. Dietrich H. Nies, Direktor des<br />
Instituts für Biologie an der MLU und Spezialist<br />
für Biometallstoffwechsel. „Außerdem<br />
hat sich in der Praxis gezeigt, dass Kupfer die<br />
Neubesiedlung der Oberflächen mit Keimen<br />
wesentlich reduziert.“<br />
U. O.<br />
Klinke bei der<br />
Probennahme,<br />
Foto: © Asklepios<br />
Kliniken Hamburg<br />
29<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN
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F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Stillgestanden!<br />
Biologen klären Rolle eines Enzyms für die Stabilität von Genomen<br />
C ARSTEN HECKMANN<br />
Wenn Genome instabil werden, können Krankheiten wie Krebs entstehen. Daher ist es wichtig, Stabilitätsfaktoren zu kennen. Einer Forschergruppe<br />
um den MLU-Biologen Professor Gunter Reuter ist es gelungen, Prozesse aufzuklären, die in Körperzellen ein Stilllegen mobiler Elemente<br />
kontrollieren. Ihre Anschauungsobjekte: Taufliegen.<br />
Die Farben der Fliegenaugen führten zu den entscheidenden Erkenntnissen. Abbildung: Arbeitsgruppe<br />
Entwicklungsgenetik<br />
Der direkte Vergleich: Tauflien-Augen – Wildtyp-Kontrolle (l., heller) und DNMT2-Mutante. In der Nähe<br />
des Insertionsortes des white-Gens (für rote Augen notwendig) ist ein Stilllegungsmechanismus aktiv. Rote<br />
Mutanten-Augen zeigen: Das Gen wirkt im Wildtyp an dem Mechanismus mit. Abbildung: Arbeitsgruppe<br />
Entwicklungsgenetik<br />
Dass Enzyme für den Organismus wichtig<br />
sind, vermag auch ein Laie zu verstehen. Ohne<br />
sie würden zum Beispiel wichtige Prozesse<br />
im Stoffwechsel nicht funktionieren. Was aber<br />
hat es mit dem DNMT2-Enzym auf sich? Eine<br />
schwierige Frage, selbst für Biologen.<br />
Und das, obwohl dieses Enzym evolutionär<br />
besonders hoch konserviert ist und sowohl im<br />
Menschen zu finden ist als auch in Amöben.<br />
Mäusen und Fliegen. Seine Funktionsweise<br />
stellte bislang ein Mysterium dar.<br />
Der hallesche Entwicklungsgenetiker Gunter<br />
Reuter und sein Team haben ein wenig Licht<br />
ins Dunkel gebracht – und ihre Ergebnisse<br />
inzwischen im Fachmagazin „Nature Genetics“<br />
veröffentlicht. „In einer Zelle finden sich<br />
bekanntlich alle Gene, die der Mensch besitzt.<br />
Allerdings muss in jeder Zelle genau das Gen<br />
aktiv werden, das an dieser Stelle zu diesem<br />
Zeitpunkt gebraucht wird“, erläutert Reuter.<br />
„Alle anderen Gene müssen stillgehalten werden.<br />
Dafür sorgt unter anderem das DNMT2-<br />
Enzym, indem es eine Strukturveränderung<br />
der DNA hervorruft.“<br />
Dass das Enzym tatsächlich die DNA-Modifizierung<br />
kontrolliert und welche Reaktionsfolge<br />
dabei abläuft, konnten die MLU-Forscher<br />
erstmals nachweisen und beschreiben.<br />
In einem kleinen Labor im Biologicum versammelten<br />
sie dazu hunderte kleine Helferlein:<br />
Taufliegen. Zwischen dem Säugetier-<br />
Enzym und jenem der Drosophila (Taufliege)<br />
gibt es nämlich nur geringe Unterschiede.<br />
G EFLECKTE AUGEN<br />
„In den Fliegen konnten wir das Enzym deaktivieren<br />
und anschließend Bereiche identifizieren,<br />
in denen normalerweise die Stilllegungen<br />
ablaufen“, erklärt Gunter Reuter. „Wenn unter<br />
dem Mikroskop beispielsweise gefleckte Augen<br />
zu erkennen waren, wussten wir: In der<br />
Nähe passiert es.“<br />
Fällt die Reaktion zur Stilllegung aus, hat dies<br />
enorme Konsequenzen für die Stabilität des<br />
Genoms. „Mobile Elemente werden dann extrem<br />
aktiv, und es gehen zum Beispiel ganze<br />
Chromosomen verloren“, sagt Doktorand Olaf<br />
Nickel. „Wir haben somit einen wichtigen<br />
Einblick in die molekularen Prozesse erhalten,<br />
die für die Stabilität der Genome höherer Organismen<br />
verantwortlich sind.“
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Der erfolgreiche hallesche Biologe Gunter Reuter und sein Doktorand Olaf Nickel betrachten Taufliegen, in denen sie das DNMT2-Enzym deaktivieren konnten.<br />
Foto: Maike Glöckner<br />
Es gebe noch andere Stilllegungsprozesse,<br />
erklärt Gunter Reuter, eine gegenseitige Kompensation<br />
sei möglich. „Diese Komplexität zu<br />
verstehen, ist entscheidend, weitere Schritte<br />
müssen dazu folgen.“<br />
Mit seinen Kollegen will Reuter nun das<br />
menschliche DNMT2-Enzym künstlich an bestimmte<br />
Gene der Drosophila koppeln. „Die<br />
Frage lautet: Wird das entsprechende Gen<br />
stillgelegt?“<br />
Die Rolle dieses wichtigen Enzyms bei unterschiedlichen<br />
zellulären Prozessen in verschiedenen<br />
Organismen wollen insgesamt acht<br />
Wissenschaftler-Teams aus Deutschland und<br />
Israel analysieren, die sich zu einer Forschergruppe<br />
zusammengefunden haben. Sprecher<br />
der Gruppe ist Prof. Dr. Wolfgang Nellen von<br />
der <strong>Uni</strong>versität Kassel. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />
fördert das Projekt über<br />
drei Jahre hinweg mit rund 1,5 Mio. Euro. ■<br />
Prof. Dr. Gunter Reuter<br />
Leiter der Arbeitsgruppe Entwicklungsgenetik<br />
Telefon: 0345 55-26300<br />
E-Mail: gunter.reuter@genetik.uni-halle.de<br />
31<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN
32<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Magdeburger Dom gibt Geheimnisse preis<br />
MLU-Forscher begleiten erfolgreichen Ausgrabungsprozess<br />
U TE OLBERTZ<br />
Das 800-jährige Jubiläum des Doms zu Magdeburg lenkt in diesem Jahr besonders das Augenmerk der Öffentlichkeit<br />
auf den einzigartigen Sakralbau in der Elbestadt. Er überdauerte mehrfache Zerstörungen Magdeburgs<br />
und prägt bis heute die Silhouette der Stadt. Anfang Oktober lockte das internationale Kolloquium „Der Magdeburger<br />
Dom im europäischen Kontext“ renommierte Wissenschaftler der ganzen Welt nach Magdeburg. Nicht zuletzt<br />
gibt es bedeutende wissenschaftliche Publikationen, die zum Kolloquium erschienen sind oder deren Druck<br />
bevorsteht. Sie zeugen von spektakulären Grabungsergebnissen. In großem Umfang beteiligt war das Institut für<br />
Kunstgeschichte und Archäologien Europas.<br />
Die Nordseite des Magdeburger Doms. Foto: Dr. Heiko Brandl<br />
„Die größte im ausgehenden Mittelalter vollendete<br />
Kirche in Deutschland birgt zahlreiche<br />
unvorstellbare Schätze, die für die Forschung<br />
interessant sind“, sagt Prof. Dr. Wolfgang<br />
Schenkluhn. Unter Mitwirkung des Instituts<br />
für Kunstgeschichte und Archäologien Europas<br />
der MLU fanden im Laufe der Jahre<br />
umfangreiche Grabungen im und am Dom<br />
statt. Unter anderem gab es spektakuläre Gräberfunde,<br />
die ausgiebig dokumentiert wurden.<br />
Die zum Dom-Jubiläum voraussichtlich im<br />
November erscheinende archäologische Publikation<br />
„Aufgedeckt II“ stellt in Wort und Bild<br />
das Grabungsgeschehen seit 2006 bis zum<br />
Fund des Sargs mit den mutmaßlichen Gebeinen<br />
der mittelalterlichen Königin Editha dar.<br />
Eine Aufarbeitung der Grabungsergebnisse<br />
und eine Reihe von Skizzen runden die Publikation<br />
ab.<br />
Außerdem enthält der Band eine DVD mit<br />
einer filmischen Dokumentation der gesamten<br />
Grabung, die unter Leitung von Prof. Dr.<br />
Gerhard Lampe vom Institut für Medien- und<br />
Kommunikationswissenschaften der MLU<br />
angefertigt wurde (Ausschnitte daraus sind ab<br />
November im Onlinemagazin zu sehen unter:<br />
www.unimagazin.uni-halle.de).<br />
Internationales Kolloquium<br />
„Der Magdeburger Dom im europäischen Kontext“<br />
– unter diesem Motto stellten vom 1. bis 4. Oktober<br />
internationale Forscher aus diversen Disziplinen<br />
in Magdeburg ihre Ergebnisse im Kaiser-Otto-<br />
Saal des Kulturhistorischen Museums Magdeburg<br />
zur Diskussion. Die Themen des Kolloquiums<br />
umfassten historische, theologische, bau- und<br />
kunstgeschichtliche ebenso wie archäologische und<br />
denkmalpflegerische Fragestellungen. Das Europäische<br />
Romanik Zentrum e. V. und das Institut<br />
für Kunstgeschichte und Archäologien Europas der<br />
MLU organisierten die Tagung. Das Landesamt<br />
für Denkmalpflege und Archäologie sowie die<br />
Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt<br />
unterstützten sie. Die Ergebnisse werden in der<br />
Schriftenreihe des Europäischen Romanik Zentrums<br />
„More Romano“ erscheinen.<br />
„Die Grabungen am spätromantisch-gotischen<br />
Dom zu Magdeburg unter dem Archäologen<br />
Rainer Kuhn sind unglaublich erfolgreich“,<br />
so Schenkluhn weiter. „Dazu gehören neben<br />
umfangreichen antiken Funden verschiedene<br />
Bischofsgräber ebenso wie die Entdeckung<br />
von Resten der Mauern des Vorgängerbaus,<br />
die Aufschluss über diesen vorgotischen Dom<br />
geben.“<br />
So treffen die Forscher anhand der Funde<br />
Aussagen zum Grundriss, zur Datierung und<br />
zur Ausstattung der ottonisch-romanischen<br />
Südkirche unter dem heutigen Dom und können<br />
eventuell noch ältere Vorgängerbauten<br />
nachweisen.<br />
Eine neunköpfige interdisziplinäre Arbeitsgruppe<br />
begleitet und berät unter Schenkluhn<br />
den Ausgrabungsprozess. Zur vollständigen<br />
wissenschaftlichen Auswertung der Grabung<br />
einschließlich des Editha-Fundes wird es ein<br />
DFG-Projekt geben, das mindestens fünf Jahre<br />
laufen wird. Nach bisherigen Erkenntnissen<br />
– so teilte kürzlich das Landesamt für Denkmalpflege<br />
und Archäologie in Halle
mit – spreche nichts dagegen, dass es sich tatsächlich<br />
um die Gebeine der Königin Editha<br />
handelt. Nach der Rückkehr des Sargs sollen<br />
auch sie bis Ende des Jahres nach Magdeburg<br />
umgebettet werden.<br />
I NVENTARISIERUNG DES DOMS<br />
Der von Kaiser Otto dem Großen begründete<br />
Dom wurde nach einem Brand 1207 durch<br />
einen vollständigen Neubau ersetzt, dessen<br />
Architektur und Bildwerke eindrucksvoll den<br />
Übergang zur Gotik dokumentieren. Erzbischof<br />
Dietrich vollzog 1363 die feierliche<br />
Schlussweihe der Domkirche, und die zweitürmige<br />
Westfassade wurde 1520 unter Kardinal<br />
Albrecht von Brandenburg übergeben.<br />
Damit wurde nach einer etwa dreihundertjährigen<br />
Bauzeit der Dom vollendet.<br />
„Trotz wiederholter Anläufe blieb allerdings<br />
das Dom-Inventar ein Desiderat der Forschung“,<br />
sagt Schenkluhn. So stellte sich der<br />
Magdeburger Dom als einzige ehemalige<br />
erzbischöfliche Kathedrale des Mittelalters in<br />
Deutschland ohne Inventar dar. „Ein wissenschaftlich<br />
fundiertes Inventar ist jedoch auch<br />
eine wesentliche Voraussetzung zur Aufnahme<br />
des Magdeburger Doms in die Weltkulturerbe-<br />
Liste der UNESCO, die durch das Land weiterhin<br />
angestrebt wird“, so Schenkluhn.<br />
Vor diesem Hintergrund schlossen im Januar<br />
2005 die Stiftung Dome und Schlösser in<br />
Sachsen-Anhalt, das Landesamt für Denkmalpflege<br />
und Archäologie und das Institut für<br />
Kunstgeschichte und Archäologien Europas<br />
der MLU einen Kooperationsvertrag mit dem<br />
Ziel, zum 800-jährigen Domjubiläum im Jahre<br />
2009 der Öffentlichkeit ein Großinventar zum<br />
Magdeburger Dom vorzulegen.<br />
Unter Schenkluhns Leitung wurde dazu ein<br />
Drittmittelprojekt „Inventarisierung des Mag-<br />
Törichte Jungfrau<br />
Foto: Dr. Heiko Brandl<br />
Der Bleisarg der Editha mit<br />
Inschrift auf dem Deckel.<br />
Foto: © Landesamt für<br />
Denkmalpflege und Archäologie<br />
Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták<br />
deburger Doms 2005–2009“ am Institut für<br />
Kunstgeschichte eingerichtet. Hauptbearbeiter<br />
sind Dr. Heiko Brandl und Dr. Christian Forster.<br />
Zum Jahresende nun soll diese umfangreiche<br />
Publikation erscheinen. Das rund 800<br />
Seiten umfassende und reich bebilderte Werk<br />
„Aufbruch in die Gotik“<br />
Noch bis zum 6. Dezember 2009 ist im Magdeburger<br />
Kulturhistorischen Museum die Schau „Aufbruch<br />
in die Gotik – Der Magdeburger Dom und die späte<br />
Staufferzeit“ mit wissenschaftlichen Vorträgen<br />
und Präsentation der Ergebnisse der Domgrabungen<br />
2006–2009 zu sehen. Gezeigt wird in der Ausstellung<br />
auch der Sarkophag der Editha.<br />
Eine der fünf Klugen Jungfrauen im Dom aus dem<br />
13. Jahrhundert. Foto: Dr. Heiko Brandl<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
wird von der Fachöffentlichkeit mit Spannung<br />
erwartet. Die Inventarliste beschreibt Ausstattung<br />
und Architektur des Doms. Mehr als<br />
1000 Einzelprojekte sind erfasst, darunter die<br />
berühmten Jungfrauen, 50 bis 60 Skulpturen,<br />
mehrgeschossige Epitaphien, drei Orgeln, acht<br />
Glocken, die Krypta, der Fußboden, 18 Altäre<br />
und etwa 150 Grabplatten im Kreuzgang und<br />
Kreuzhof.<br />
„Die Publikation orientiert sich an der klassischen<br />
Ordnung der Großinventare, wird<br />
jedoch im Einzelnen darüber hinausgehen“,<br />
erklärt Dr. Brandl. Beabsichtigt sei nicht allein<br />
ein baukundliches Quellen- und Nachschlagewerk,<br />
sondern eine Denkmal-Monographie,<br />
die dargebotene Fakten auswertet und den<br />
vorliegenden Kenntnisstand umfassend wissenschaftlich<br />
bearbeitet. „Dazu gehört auch<br />
eine detaillierte Analyse, kunsthistorische Einordnung<br />
und Würdigung des jeweiligen Objekts“,<br />
so Brandl.<br />
Zu den gegenwärtigen archäologischen Grabungen<br />
im und am Dom unter Leitung von<br />
Rainer Kuhn besteht im Rahmen der Forschergruppe<br />
ein enger fachlicher Austausch. Sie<br />
sind jedoch nicht Bestandteil des Inventarprojekts.<br />
Vor allem liegt in der Gesamtschau auf<br />
den Magdeburger Dom im Zusammenhang<br />
mit den Neufunden ein gewisser Reiz. Auf<br />
diese Weise ist es möglich, bislang unberücksichtigte<br />
Zusammenhänge aufzudecken.<br />
■<br />
Prof. Dr. Wolfgang Schenkluhn<br />
Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas<br />
Telefon: 0345 55-24310<br />
E-Mail: wolfgang.schenkluhn@kunstgesch.uni-halle.de<br />
Internet: www.kunstgesch.uni-halle.de<br />
33<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN
34<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
(Fach-)Literaturfabrik <strong>Uni</strong>versität<br />
Lese-Empfehlungen querbeet<br />
ı... ZUM TOD DURCH ERSCHIESSEN„<br />
Das schlimmstmögliche Urteil, mit dem oppositionelle<br />
<strong>Uni</strong>versitätsangehörige in den frühen<br />
50er Jahren zu rechnen hatten. Vollstreckt<br />
wurde es, nach Denunziation und Verhaftung<br />
in der DDR, in Moskau an einem Sportlehrer<br />
und an einem Slawistikstudenten der halleschen<br />
<strong>Uni</strong>versität. Andere Unangepasste und<br />
Widerständige wurden, manche für Jahrzehnte,<br />
in Gefängnisse, Zuchthäuser und Arbeitslager<br />
verschleppt. Kaum einer, der nicht<br />
Schaden an Leib und Seele genommen hätte<br />
– sogar jene, die später im Westteil des Landes<br />
ein äußerlich normales und vielleicht sogar erfolgreiches<br />
Leben zu führen vermochten. Zwei<br />
Studenten starben 1950 in den ostdeutschen<br />
Haftanstalten Untermaßfeld und Torgau, ein<br />
Assistenzarzt und ein Pädagogikdozent 1949<br />
und 1951 in sowjetischer Haft.<br />
Der Mediziner Horst Hennig aus Köln, selbst<br />
viele Jahre im berüchtigten Lager Workuta<br />
jenseits des Polarkreises inhaftiert, und die<br />
Wissenschaftshistorikerin Sybille Gerstengarbe<br />
haben in langwieriger und akribischer<br />
Kleinarbeit eine einzigartige Dokumentation<br />
zusammengestellt, die „Opposition, Widerstand<br />
und Verfolgung“ von Angehörigen aller<br />
Statusgruppen der <strong>Martin</strong>-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
zwischen Kriegsende und Mauerbau belegt.<br />
Am 7. Juli 2009 wurde das Buch vom Leipziger<br />
(!) <strong>Uni</strong>versitätsverlag und von den Autoren<br />
erstmals öffentlich vorgestellt. Und obgleich<br />
jene schrecklichen Ereignisse zum Teil<br />
mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegen,<br />
war der Hörsaal XXIII im Auditorium maximum<br />
bis auf den letzten Platz gefüllt.<br />
<strong>Uni</strong>versitätsrektor Wulf Diepenbrock und der<br />
Altpräsident der Leopoldina Benno Parthier<br />
hoben in Grußworten die „Meinungsfreiheit“<br />
und die uneingeschränkte Möglichkeit, sich<br />
zur Wahrheit zu bekennen, als wichtigste Kriterien<br />
freiheitlichen Lebens und Wirkens hervor;<br />
vor allem an <strong>Uni</strong>versitäten, Hochschulen<br />
und Akademien für eine blühende und Früchte<br />
tragende scientific community unverzichtbar.<br />
Doch dieses Grundrecht wurde in der DDR<br />
verstümmelt und unterdrückt, wer es dennoch<br />
einfordern wollte, war härtesten Repressalien<br />
ausgesetzt.<br />
Anhand umfangreicher Nachforschungen in<br />
den Archiven der MLU und der Leopoldina<br />
sowie durch Kontakte zu den russischen Militärarchiven<br />
in Moskau und Podolsk gelang<br />
es den Autoren, ein nahezu lückenloses Bild<br />
des auch an der halleschen <strong>Uni</strong>versität perfekt<br />
funktionierenden, perfiden Systems der<br />
Bespitzelung, Denunziation, Gleichschaltung<br />
und Ausschaltung zu zeichnen. Gespräche mit<br />
Zeitzeugen – viele sind es nicht mehr – trugen<br />
dazu bei, manche Vorgänge sehr detailliert<br />
darstellen zu können. Einzelne Schicksale wie<br />
die des Sportlehrers Helmut Huwe, des Slawistikstudenten<br />
Herbert Schönmuth, des Studentenpfarrers<br />
Johannes Hamel oder des Geologen<br />
Hans Gallwitz beeindrucken tief.<br />
Der Essay „Wie kommt ein Student [...] nach<br />
Workuta?“ (Seiten 144–190) ist in einigen<br />
Passagen von so schauerlicher Intensität, dass<br />
selbst jenen, die vielleicht wirklich von nichts<br />
etwas gewusst oder geahnt haben mögen, ein<br />
düsteres Licht aufgegangen sein muss über<br />
den wahren Charakter des „sozialistischen Lagers“,<br />
in dem sie bis zur Wende lebten.<br />
Vor dem Vorwort heißt es: „Dieses Buch ist<br />
den Opfern aller Diktaturen gewidmet.“ Dies<br />
bei der Lektüre bedenkend, kann dieses publizistische<br />
Projekt als Wegzeichen im Bemühen<br />
um eine menschlich(er)e Gesellschaft gar<br />
nicht hoch genug geschätzt werden.<br />
Margarete Wein<br />
� Sybille Gerstengarbe und Horst Hennig:<br />
Opposition, Widerstand und Verfolgung an der <strong>Martin</strong>-Luther-<strong>Uni</strong>versität<br />
Halle-Wittenberg 1945�1961. Eine Dokumentation.<br />
Leipzig 2009, 750 Seiten, 39,00 Euro, ISBN:<br />
9783865832627<br />
A B SOFORT ıSINTI- UND-ROMA-BARON„?<br />
Natürlich ist die Überschrift nicht erstgemeint<br />
– wie auch ein besorgter Vater, der seine halbwüchsige<br />
Tochter bittet, sie möge „nicht wieder<br />
bis in die Nacht hinein herumzigeunern“<br />
nicht unbedingt ein Neonazi ist. Aber man<br />
muss das hinterfragen dürfen, um nachfolgende<br />
Generationen für bewussten Umgang<br />
mit der Sprache sensibilisieren, damit sie imstande<br />
sind, sprachliche Feinheiten und Gemeinheiten<br />
als solche zu erkennen und ggf. zu<br />
vermeiden.<br />
Die wichtigste Lektüre in diesem Kontext ist<br />
und bleibt Victor Klemperers „LTI“ (Lingua<br />
Tertii Imperii), das bald nach Kriegsende 1947<br />
publiziert und jahrzehntelang in ganz Deutschland<br />
gelesen wurde (15. Auflage 1996 in Leipzig<br />
und 2004 in Frankfurt am Main).<br />
Das jüngste Opus zum Thema stammt von<br />
Thorsten Eitz und Georg Stötzel und erschien<br />
2007 und 2008 als zweibändiges „Wörterbuch<br />
der ‚Vergangenheitsbewältigung’“. Die Frage,<br />
ob sich Vergangenheit jemals „bewältigen“<br />
lässt, soll hier nicht erörtert werden. Aber was<br />
die Autoren, zwei Düsseldorfer Germanisten,<br />
mittels genauester Recherchen zusammentrugen,<br />
ist erschreckend genug. Die Lektüre<br />
erscheint weder leicht noch bequem: wer<br />
im Inhalt nicht nur den wissenschaftlichen<br />
Forschungsgegenstand sieht, mag schlaflose<br />
Nächte haben.<br />
Nur auf den ersten Blick verblüfft, dass im<br />
fast 800 Seiten starken ersten Band nicht<br />
mehr als 40 Stichwörter vorkommen; in deren<br />
Umfeld jedoch gibt es rund 1000 „diskursrelevante<br />
Vokabeln“, die ein gesonderter Index
erfasst. Die Vielfalt der Nachweise, von 1945<br />
bis in die Gegenwart, der „nationalsozialistisch<br />
kontaminierten Begriffe“ – „Auschwitz“,<br />
„Endlösung“, „Gleichschaltung“ etc. pp. –<br />
macht klar, dass das Problem als solches auch<br />
nach mehr als 60 Jahren fortbesteht.<br />
Auch der zweite Band analysiert über 1000<br />
Vokabeln, die 24 Themenbereichen zugeordnet<br />
sind, darunter Gaskammer/vergasen/<br />
Vergasung, Jude, Kriegsverbrecher, Nestbeschmutzer,<br />
Rasse/Rassismus/Herrenrasse, Revanchismus,<br />
Täter, Opfer, Zigeuner.<br />
Die Verwendung aller jeweils am Ende des<br />
Kapitels nochmals zusammengefassten Beleg-<br />
und Stichwörter zeigt die Vielfalt der<br />
mit ihrem Gebrauch verbundenen historisch<br />
bedingten oder gewachsenen, realen, (un-)vermuteten<br />
oder potenziellen Schwierigkeiten<br />
auf. Fast 100 Seiten am Ende bieten für weitergehend<br />
interessierte Leser eine sehr umfangreiche<br />
Bibliographie, ein Verzeichnis der<br />
Abkürzungen sowie wiederum einen Index<br />
des diskursrelevanten Vokabulars.<br />
Margarete Wein<br />
� Torsten Eitz, Georg Stötzel:<br />
Wörterbuch der ıVergangenheitsbewältigung„. Die NS-Vergangenheit<br />
im öffentlichen Sprachgebrauch. Band 1: Hildesheim<br />
2007, 786 Seiten, 32,00 Euro, ISBN: 9783487133775;<br />
Band 2 (unter Mitarbeit von Katrin Berentzen und Reinhild<br />
Frenking): Hildesheim 2009, 694 Seiten, 32,00 Euro, ISBN:<br />
9783487138817<br />
T OPF-OPFER IM KNAST<br />
<strong>Martin</strong> Held – ein verpflichtender Name. Einer,<br />
dessen Träger sich nicht widerspruchslos<br />
als „verrückt“ einstufen lässt. Dabei spielt<br />
es keine Rolle, ob die Eigenschaften, die der<br />
Protagonist sich selber zuschreibt, zutreffen<br />
oder nicht. Er hält sich für sehr „naiv oder<br />
cholerisch“; Meinungen anderer nimmt er gelassen<br />
hin: „selbstherrlich, blöd, überheblich,<br />
treulos und egoistisch [...] blauäugig [...] undankbar“<br />
oder aber „ein fröhlicher und gutmütiger<br />
Mensch“. Zweierlei jedoch weist er entschieden<br />
zurück: „allgemeingefährlich war ich<br />
noch nie. Oder verrückt.“ Wie er wirklich ist,<br />
weiß der Leser auch nach knapp 200 Seiten<br />
nicht genau, aber eine Reihe anderer Fragen<br />
werden von Autor Kurt Wünsch (1971 bis<br />
1996 wissenschaftlicher Mitarbeiter der MLU<br />
im Bereich Mathematik/Informatik) aufgeworfen<br />
und manche sogar beantwortet.<br />
An erster Stelle: Hat der Held die Ilona Tressin<br />
vergewaltigt oder nicht? Falls ja, läge es<br />
ja durchaus in seinem Interesse, wenn es der<br />
psychologischen Gutachterin, Frau Dr. Viola<br />
Fest gelänge, das Gericht von seiner gestörten<br />
Persönlichkeitsstruktur zu überzeugen. Falls<br />
nein, müsste man Erfolg vielmehr dem mit<br />
zweifelhaften Methoden operierenden Rechtsbeistand<br />
des Beschuldigten wünschen, der<br />
dessen Unschuld beweisen will.<br />
Dann sind da noch der Praktikant Rolf Stei-<br />
nicke sowie die beiden Mitgefangenen in der<br />
Untersuchungshaftanstalt, Gottlieb Fuchs,<br />
genannt Petrus, und Karl Heinz Schreiber<br />
alias Kanne. In vielen Gesprächen mit diesen<br />
dreien erfährt „Bruder <strong>Martin</strong>“ manch Wissenswertes<br />
über das deutsche Rechtssystem im<br />
Allgemeinen und seine eigenen Chancen im<br />
Besonderen. Er seinerseits erzählt ihnen lang<br />
und breit die Vorgeschichte seines Dilemmas<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
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Faszination Oper<br />
Zum<br />
Händel-Jahr<br />
Silke Leopold<br />
Händel<br />
Die Opern<br />
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€ 39,95 / CHF 71.90<br />
Silke Leopold geht der Frage nach, wie Händels<br />
Opern in damaliger Zeit wahrgenommen wurden<br />
und warum diese Werke das heutige Publikum so<br />
begeistern. Die Autorin behandelt Händels Musik<br />
und seine Fähigkeit, den handelnden Personen in<br />
ihren Arien und Ensembles einen unverwechselbaren<br />
Charakter zu verleihen, sie als Menschen,<br />
nicht als typisierte Figuren erscheinen zu lassen.<br />
Er entlockt ihnen ihre Geheimnisse, ohne sie zu<br />
denunzieren. – Das Buch enthält außerdem ein<br />
Lexikon aller Händel-Opern mit ausführlichen Angaben<br />
zur Besetzung, zur Stoffgeschichte und zum<br />
Inhalt.<br />
»Das Handbuch ... ist glänzend<br />
geschrieben, bestechend argumentiert,<br />
die Ästhetik der Opera seria<br />
meisterhaft rekonstruierend …«<br />
(ZEIT Literatur)<br />
Bärenreiter<br />
www.baerenreiter.com<br />
und versucht vergeblich ihnen klarzumachen,<br />
dass er keinesfalls in die Schwarzwaldklinik<br />
für psychische Rehabilitation in Waldesruh<br />
bei Schwarzau eingewiesen werden möchte,<br />
sondern so schnell wie möglich und als freier<br />
Mann zu seiner Flamme Steffi zurückkehren<br />
will – ehe sie ihm womöglich noch sein<br />
Freund Norbert vor der Nase wegschnappt.<br />
Doch obwohl das Gericht die von der etwas<br />
hilflosen Psychologin beschworene, nachhaltig<br />
verheerende Wirkung gemeinsamen Topfsitzens<br />
der Knirpse in DDR-Kinderkrippen<br />
bezweifelt, wird <strong>Martin</strong> Held verurteilt und<br />
muss zu Professor Piepenbrink nach Waldesruh<br />
– wo ihn nach den veralteten Psychotests<br />
der Frau Fest moderne gruppentherapeutische<br />
Maßnahmen von Dr. Leinewand sowie Silvi<br />
und die liebestolle Katharina erwarten.<br />
Endlich, auf Seite 176, wird dem erleichterten<br />
Leser mitgeteilt: Ilona wurde in Brüssel als<br />
Trickbetrügerin entlarvt und verhaftet. Also<br />
Ende gut, alles gut. Wirklich? Das neue Projekt<br />
der nachwendegebeutelten Freunde des<br />
Helden Held ist eine Bettentauschzentrale.<br />
Und lauert da nicht (sobald diese Pleite gegangen<br />
sein wird) schon wieder Waldesruh oder<br />
– schlimmer noch – Prof. Piepenbrinks geplante<br />
Seestern-Dependance in Meck-Pomm?<br />
Margarete Wein<br />
� Kurt Wünsch:<br />
Ich bin doch nicht verrückt, Frau Doktor. Satirischer Roman,<br />
Halle 2009, 192 Seiten, 9,90 Euro, ISBN: 978-3-89812-<br />
606-9<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
ilona1245.indd 1 14.07.2009 09:26:35<br />
35
36<br />
F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
360 Grad studentisch<br />
Studierende publizieren ihre wissenschaftlichen Arbeiten<br />
S ILVIO KISON<br />
Wissenschaftlich zu arbeiten und zu schreiben – das ist es, was Studierende an einer <strong>Uni</strong>versität<br />
in jedem einzelnen Fach vermittelt bekommen. Am Ende stehen dann Haus-, Seminar- und Abschlussarbeiten.<br />
Die meisten davon verschwinden in den Regalen der <strong>Uni</strong>versität. Doch immer<br />
mehr Studierenden ist es ein Bedürfnis, ihre Werke einem breiteren Publikum vorzustellen.<br />
Christian Dietrich, Magisterstudent der Soziologie,<br />
Zeitgeschichte und Politikwissenschaft,<br />
stand am Ende seiner Magisterarbeit im Fach<br />
Soziologie vor der Frage: Wohin will ich mit<br />
meiner Arbeit? „Bei einer der ersten Besprechungen<br />
mit meinem Betreuer fiel meine<br />
Aufmerksamkeit sofort auf einen Stapel von<br />
Diplom- und Magisterarbeiten in seinem Büro.<br />
Ich stellte mir die Frage, ob ich mit meiner<br />
Arbeit ebenfalls in diesem Stapel verstauben<br />
möchte“, berichtet der MLU-Absolvent.<br />
Seine Antwort war „nein“, und so beschäftigte<br />
er sich bereits während des Schreibens mit<br />
den Möglichkeiten einer eigenen Publikation.<br />
Am Ende schaffte er es. Seine Magisterarbeit<br />
ist in diesem Jahr beim ibidem-Verlag in<br />
Stuttgart unter dem Titel „Tote und Tabu. Zur<br />
Tabuisierungsschwelle und (kommunikativen)<br />
Verbreitung des Antisemitismus in Deutschland“<br />
erschienen.<br />
Immer mehr Verlage bieten gerade für interessante<br />
und gut ausgearbeitete Abschlussarbeiten<br />
die Möglichkeit an, diese zu veröffentlichen.<br />
Um den richtigen Verlag zu<br />
finden, muss man oft nicht einmal in die<br />
Ferne schweifen. Zum Beispiel der in Halle<br />
ansässige Mitteldeutsche Verlag veröffentlicht<br />
bereits seit einigen Jahren vermehrt auch studentische<br />
Schriften.<br />
„Studierende sind prinzipiell genauso veröffentlichungswürdig<br />
wie andere Bewerber“, so<br />
Dr. Kurt Fricke, Lektor beim Mitteldeutschen<br />
Verlag. „Bei den eingesendeten Manuskripten<br />
legen wir vor allem Wert auf eine gelungene<br />
Umsetzung des Themas. Allerdings schauen<br />
wir bei studentischen Texten etwas genauer<br />
hin als bei Professoren. Bei einem Experten<br />
neigen wir natürlich eher dazu, den Ergebnissen<br />
seiner Studie zu vertrauen, wohingegen<br />
wir bei studentischen Einsendungen die Thesen<br />
genauer hinterfragen müssen.“<br />
Wem die Arbeit an einem Buch dann doch<br />
etwas zu weit geht, der findet gerade in den<br />
Geisteswissenschaften oft <strong>Magazin</strong>e, die von<br />
Studierenden herausgegeben werden und als<br />
erste Plattform für den wissenschaftlichen<br />
Nachwuchs gelten. Eines ist das Journal<br />
360°, das einmal im Semester erscheint und<br />
bereits seit 2006 als Wissenschaftsjournal<br />
aus Studentenhand erfolgreich publiziert und<br />
deutschlandweit gelesen wird. Studierende<br />
aller Fachrichtungen können Texte einreichen.<br />
Kleinere Brötchen backen dagegen noch die<br />
Redakteure des Soziologiemagazins, das am<br />
12.10.2007 auf dem ersten studentischen Soziologiekongress<br />
in Halle gegründet wurde. Die<br />
erste Printausgabe erschien im Oktober 2008.<br />
Die nächste soll im Oktober dieses Jahres mit<br />
dem Thema „Gemeinschaft und Gesellschaft<br />
– Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft<br />
soziologischer Erkenntnis“ zeitgleich zum<br />
zweiten Studentischen Soziologiekongress in<br />
München vorliegen.<br />
Ähnlich wie beim Journal 360° geht es vorrangig<br />
um die Veröffentlichung von wissenschaftlichen<br />
Texten. Die siebenköpfige<br />
Redaktion – mit allein vier Mitgliedern aus<br />
Halle – legt neben dem wissenschaftlichen<br />
Diskurs auch Wert auf journalistische Beiträge.<br />
So finden sich immer wieder Interviews<br />
und kleinere Artikel zu gesellschaftswissenschaftlichen<br />
Themen im Heft. „In der Zukunft<br />
möchten wir unsere journalistischen Beiträge<br />
noch weiter ausbauen“, erklärt Maria Hofmann,<br />
Studentin der Soziologie in Halle und<br />
Redakteurin des <strong>Magazin</strong>s. Für die inhaltliche<br />
Qualitätsgarantie der Beiträge sorgt genau wie<br />
beim 360° ein wissenschaftlicher Beirat.<br />
Das <strong>Magazin</strong> steckt allerdings noch in den<br />
Kinderschuhen. Zu Wenige wissen um die<br />
Existenz und so hält sich die Zahl der eingesandten<br />
Texte noch in Grenzen. „Zurzeit<br />
arbeiten wir daran, den Studierenden dieses<br />
neue Medium mit all seinen Chancen näher zu<br />
bringen, sodass diese es häufiger zum Publizieren<br />
eigener Texte nutzen“, so die engagierte<br />
Soziologin.<br />
■<br />
Die studentischen <strong>Magazin</strong>e im Internet:<br />
www.journal360.de<br />
www.soziologiemagazin.de
Über die Hängebrücke in die Klinik<br />
Ole Hensel hilft in Nepal aus<br />
J ENS MÜLLER<br />
Für den hallschen Arzt Ole Hensel ist Nepal mehr als nur ein exotisches und fernes Reiseziel:<br />
Ende September war er erneut für drei Wochen in einem Krankenhaus, dem Amppipal Hospital,<br />
helfend im Einsatz.<br />
Etwa 200.000<br />
Menschen leben<br />
im Einzugsgebiet<br />
des Krankenhauses.Nepal<br />
zählt zu den<br />
ärmsten Ländern<br />
der Welt, nur etwa<br />
zehn Prozent<br />
der Bevölkerung<br />
haben Zugang<br />
Ole Hensel, Foto: privat zu einer Gesundheitsversorgung.<br />
In ländlichen Gebieten herrscht absoluter<br />
Ärztemangel. Die nächsten Krankenhäuser<br />
oder Ärzte liegen meist lange Fußmärsche<br />
entfernt, die Ausstattung wie auch die Lebensbedingungen<br />
sind nur sehr einfach. Der Verein<br />
Nepalmed (www.nepalmed.de) hat sich zur<br />
Aufgabe gemacht, nepalische Initiativen zur<br />
Aus- und Weiterbildung des medizinischen<br />
Personals zu fördern und zudem direkt in der<br />
Krankenversorgung zu helfen.<br />
Einer der sich engagierenden Ärzte ist Ole<br />
Hensel, der an der halleschen <strong>Uni</strong>versitätsklinik<br />
und Poliklinik für Neurologie arbeitet und<br />
dort seine Facharztausbildung macht. Hensel<br />
war nun dreimal im Einsatz in dem Land zwischen<br />
China und Indien, einmal sogar für ein<br />
halbes Jahr. Das Krankenhaus hat 46 Betten<br />
und nur zwei Ärzte. Darunter ein erfahrener<br />
Arzt aus Deutschland: Dr. Wolfgang Starke,<br />
der die Patienten – egal mit welcher Erkrankung<br />
oder Verletzung, betreut. Zudem arbeitet<br />
ein junger, einheimischer Arzt im Krankenhaus.<br />
Olaf Hensel löste Dr. Starke für drei<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Wochen ab, damit dieser sich von seiner intensiven<br />
Arbeit erholen konnte.<br />
Täglich suchen zwischen 40 und 120 Patienten<br />
die Klinik auf, die versucht, das gesamte<br />
medizinische Spektrum – von Geburten<br />
bis Zahnbehandlungen – abzudecken. Narkosen<br />
werden durch den Operierenden selbst<br />
durchgeführt, die diagnostischen und therapeutischen<br />
Möglichkeiten sind eingeschränkt<br />
und nicht mit Deutschland vergleichbar. Das<br />
Krankenhaus befindet sich in ca. 1100 m Höhe.<br />
Es ist nicht über eine Straße erreichbar,<br />
nicht gehfähige Patienten müssen getragen<br />
werden. Viele Patienten können die Behandlungskosten<br />
nicht bezahlen, sodass diese von<br />
Spenden aus Deutschland abgedeckt werden.<br />
Die Angehörigen sorgen für die Ernährung<br />
und Pflege der Patienten, übernachten sogar<br />
mit im Krankenhaus.<br />
„Als Arzt lernt man bei der medizinischen<br />
Arbeit, wieder auf seine Sinne zu vertrauen,<br />
denn Geräte für die Diagnostik stehen nicht<br />
zur Verfügung“, sagt Ole Hensel, der auch ein<br />
Informatik-Studium absolviert hat: „Ich habe<br />
während meiner Arbeit in Nepal viel gelernt“.<br />
Auch menschlich habe ihm die Zeit ihm sehr<br />
viel gebracht. „Ich bin deutlich gelassener<br />
geworden.“ Und der 35-Jährige hat einige<br />
Freunde in Nepal gewonnen.<br />
■<br />
Blick in den großen OP-Saal<br />
Wer das Krankenhaus Amppipal besuchen will, muss<br />
diese Hängebrücke überqueren. Fotos: Ole Hensel<br />
Dr. Ole Hensel<br />
Klinik und Poliklinik für Neurologie<br />
Telefon: 0345 557 2107<br />
E-Mail: ole.hensel@medizin.uni-halle.de<br />
37<br />
P ERSONALIA
38<br />
P ERSONALIA<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Gunter Steinmann ermöglicht<br />
erneut Restaurierung<br />
wertvoller Bücher<br />
Spendensammler für den guten Zweck: Gunter<br />
Steinmann. Foto: Paolo Schubert<br />
Der emeritierte Professor Gunter Steinmann<br />
– zuletzt Inhaber des Lehrstuhls für<br />
Wachstum und Konjunktur an der Juristischen<br />
und Wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Fakultät der MLU – hat zum dritten Mal<br />
als Buchpate die Bibliothek der Franckeschen<br />
Stiftungen großzügig unterstützt.<br />
Schon zu seinem 50. und 60. Geburtstag<br />
bat er seine Gäste um Spenden zur Rettung<br />
wertvoller Bücher der Stiftungen. Damals<br />
ermöglichte der Erlös die Restaurierung<br />
von zwei Bibeln – eine russische Bibel aus<br />
dem Jahr 1757 und eine deutsche, die 1768<br />
in Nürnberg gedruckt wurde.<br />
Diesmal waren es sein 65. Geburtstag und<br />
seine Abschiedsvorlesung, die ihm einen<br />
neuen Anlass boten, um für das Projekt die<br />
Spendenbox herumgehen zu lassen. Von<br />
den daraus eingenommenen 3200 Euro<br />
konnte eine zweibändige lateinische Bibel<br />
aus dem Jahr 1475 und der fünfte Band des<br />
„Atlas Novus sive theatrum orbis terrarum“<br />
aus dem Jahr 1658 restauriert werden.<br />
Auch die <strong>Uni</strong>versität selbst hat bereits von<br />
den Spendensammlungen Steinmanns profitiert:<br />
Er unterstützte den Kauf eines Lüsters<br />
für den Sessionssaal mit 2000 Euro.<br />
Die Ende des 17. Jahrhunderts von August<br />
Hermann Francke gegründete historische<br />
Bibliothek der Franckeschen Stiftungen hat<br />
heute einen Hauptbestand von ca. 57.000<br />
Bänden sowie ca. 97.500 Exemplare in den<br />
Sondersammlungen, der Präsenzbibliothek<br />
sowie der Schulprogrammsammlung.<br />
Viele der Bücher sind in einem restaurationsbedürftigen<br />
Zustand. Seit 1992 bieten<br />
die Verantwortlichen aus diesem Grund<br />
die Möglichkeit einer Buchpatenschaft,<br />
wodurch der Spender in die Lage versetzt<br />
wird, ein selbst gewähltes Buch des Bestandes<br />
restaurieren zu lassen. Bisher gab<br />
es ca. 30 größere und unzählige kleinere<br />
Patenschaften, die zur Verbesserung des<br />
Restaurationsgrades des Bibliotheksbestandes<br />
beitrugen. S. K.<br />
Solms gibt Grundlagenwerk heraus<br />
Prof. Dr. Hans-Joachim Solms, Professor für<br />
Geschichte der deutschen Sprache und der älteren<br />
deutschen Literatur am Institut für Germanistik<br />
der MLU, ist als Ordentliches Mitglied<br />
in die Philologisch-historische Klasse<br />
der Sächsischen Akademie der Wissenschaften<br />
zu Leipzig gewählt worden. Solms ist zudem<br />
einer der Herausgeber eines neuen Grundlagenwerks<br />
der Germanistik und Sprachgeschichte.<br />
Der 1. Band der neuen vierbändigen<br />
wissenschaftlichen Grammatik des Mittelhochdeutschen<br />
ist soeben erschienen. Er trägt<br />
den Titel „Mittelhochdeutsche Grammatik,<br />
Teil III: Wortbildung“. P. H.<br />
Georgia Kroll Ehrendoktorin in ızweiter Heimat„<br />
Der 62-jährigen Wirtschaftsgeographin Dr.<br />
Georgia Kroll vom Institut für Geowissenschaften<br />
wurde die Ehrendoktorwürde der<br />
Baschkirischen Staatsuniversität Ufa (Baschkortostan)<br />
verliehen. Sie ist neben ihrem Kollegen<br />
Prof. Dr. Manfred Frühauf schon die<br />
zweite hallesche Wissenschaftlerin, der diese<br />
Ehre zuteil wurde. „Die Auszeichnung kam<br />
für mich völlig überraschend, ich bin überwältigt“,<br />
sagt Kroll nach der Verleihung Anfang<br />
Juni. Geehrt wurde sie für ihre Bemühungen<br />
zur Wiederbelebung der <strong>Uni</strong>versitäts-Partnerschaft<br />
zwischen Halle und Ufa. Diese besteht<br />
Katrin Eckebrecht leitet Studien-Abteilung<br />
Am 15. August 2009 übernahm<br />
die Juristin und Diplom-Verwaltungswirtin<br />
(FH)<br />
Katrin Eckebrecht in der Zentralverwaltung<br />
die Leitung<br />
der Abteilung 1 (Studium und<br />
Lehre, Internationale Angelegenheiten).<br />
Die 39-Jährige ist<br />
in Wolfsburg geboren und aufgewachsen<br />
und studierte Jura<br />
in Hannover. Nach Abschluss<br />
des 2. Staatsexamens arbeitete<br />
sie zwei Jahre als Justitiarin bei<br />
der Stadtverwaltung in Köthen,<br />
bevor sie 2001 an die TU Dres-<br />
Katrin Eckebrecht.<br />
Foto: Maike Glöckner<br />
Hottenrott dvs-Vizepräsident<br />
Der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Kuno Hottenrott<br />
wurde als Vizepräsident „Gesundheit &<br />
Technologie“ in das Präsidium der Deutschen<br />
Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) gewählt.<br />
Das Department Sportwissenschaft der<br />
neben der Städtepartnerschaft (seit 1964) bereits<br />
seit 1967. Nach der Wende sei sie aber<br />
„eingeschlafen“, sagt Georgia Kroll, die 1977<br />
in Ufa ihre erste Vorlesung auf Russisch hielt.<br />
„Ufa ist wissenschaftlich meine zweite Heimat<br />
geworden.“ Offiziell kamen die Beziehungen<br />
2005 wieder in Gang, als durch Krolls Initiative<br />
die damaligen Rektoren Prof. Wilfried<br />
Grecksch (Halle) und Prof. Muchamed Chadisowitsch<br />
Charassow (Ufa) einen neuen Partnerschaftsvertrag<br />
unterzeichneten. Charassow<br />
war es, der ihr nun Ehrenurkunde und Doktorhut<br />
überreichte. C. H.<br />
Marneros Ehrendoktor an Aristoteles-<strong>Uni</strong>versität<br />
Prof. Dr. med. Dr. h. c. Andreas Marneros erhielt<br />
eine weitere Ehrendoktorwürde, diesmal<br />
von der Aristoteles-<strong>Uni</strong>versität Thessaloniki<br />
(Griechenland). Sie hat für ihn eine sehr emotionale<br />
Bedeutung: An der Aristoteles-<strong>Uni</strong>versität<br />
schloss er sein Studium vor 37 Jahren<br />
mit dem „Aristeion“ (summa cum laude) ab<br />
und erhielt den Ehrenpreis für den besten Studenten.<br />
Die <strong>Uni</strong>versität begründete ihre Ent-<br />
scheidung für die Ehrendoktorwürde mit dem<br />
internationalen Renommee von Prof. Marneros,<br />
seinen preisgekrönten Forschungsarbeiten<br />
und seinen seit Jahren geleisteten Beiträgen<br />
zur Entwicklung des Wissensstandes im Bereich<br />
der bipolaren Erkrankungen und psychotischen<br />
Störungen. Marneros ist seit 1992 Direktor<br />
der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />
an der MLU. J. M.<br />
den wechselte. Als Dekanatsrätin<br />
und Studienfachberaterin an der Juristischen<br />
Fakultät sammelte sie Erfahrungen<br />
im Bereich Studium und<br />
Lehre. Im Oktober 2003 wurde sie<br />
Persönliche Referentin des jetzigen<br />
Rektors der TU Dresden. „Ich möchte<br />
mir in den nächsten Wochen die<br />
einzelnen Fakultäten anschauen, um<br />
die <strong>Uni</strong>versität besser kennen zu lernen“,<br />
sagt Katrin Eckebrecht. „Auf<br />
die dabei stattfindenden Gespräche<br />
freue ich mich schon, aber auch auf<br />
die vielfältigen, in der Abteilung anstehenden<br />
Aufgaben.“ P. H.<br />
MLU übernimmt zudem 2011 die Ausrichtung<br />
des 20. Hochschultages der dvs. Die dvs ist<br />
das Sprachrohr aller Sportwissenschaftler und<br />
vertritt deren Interessen.<br />
C. H.
Ehrensenator Gerhard Holland verstorben<br />
Am 12.07.2009 verstarb der Ehrensenator der<br />
<strong>Uni</strong>versität und Ehrenpräsident des Kuratoriums<br />
der Vereinigung der Freunde und Förderer<br />
der MLU, Dr. Gerhard Holland. Mit ihm<br />
verliert die <strong>Uni</strong>versität einen ihrer engagiertesten<br />
Förderer und Unterstützer.<br />
Gerhard Holland, geboren am 11.11.1925 in<br />
Halle, studierte ab 1946 Volkswirtschaftslehre<br />
und Rechtswissenschaft an der MLU, ging<br />
Mitte 1949 nach Westdeutschland, setzte seine<br />
Studien fort und wurde 1960 im Fach Staatswissenschaften<br />
an der <strong>Uni</strong>versität Graz promoviert.<br />
Doch er blieb ein überzeugter Hallenser,<br />
hielt immer die Verbindung zu seiner Heimatstadt,<br />
aber auch zu den Hallensern, die wie<br />
er die Sowjetische Besatzungszone und später<br />
die DDR aus politischen Gründen verlassen<br />
hatten. So gehörte er auch zum Freundeskreis<br />
um Hans-Dietrich Genscher.<br />
Dr. Holland war Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft<br />
für Bergbau und Hüttenindustrie<br />
sowie der Frankfurter Handelsbank. Er<br />
förderte zudem die Industrieforschung, an der<br />
er sich selbst aktiv beteiligte, z. B. im Bereich<br />
der Materialwissenschaft. Seine berufliche<br />
Vielseitigkeit kommt darin zum Ausdruck,<br />
dass er seit 1955 Geschäftsführer der Deutsche<br />
Filmwochenschau GmbH „Blick in die Welt“<br />
war und mit dieser Firma eines der größten<br />
Filmarchive der Zeitgeschichte aufgebaut hat.<br />
Die Verbindung nach Halle wurde mit dem<br />
Fall der Mauer sofort intensiviert. Und so kam<br />
auch schnell wieder die Verbindung zur <strong>Uni</strong>versität<br />
und zur neu gegründeten Vereinigung<br />
der Freunde und Förderer (VFF) zustande, in<br />
der er sich stark engagierte, mit persönlichen<br />
Spenden Projekte unterstützte und viele Per-<br />
sönlichkeiten für die Mitwirkung interessierte.<br />
So war es nur folgerichtig, dass er im Juli<br />
1992 zu einem der gleichberechtigten Präsidenten<br />
der VFF gewählt wurde.<br />
Es ist nicht zuletzt ihm zu verdanken, dass<br />
die Vereinigung eine segensreiche Wirkung<br />
für die <strong>Uni</strong>versität entwickelt hat. Ein Beispiel<br />
ist die Unterstützung des Jubiläumsjahres<br />
1994. Der Dank des Rektorats und des<br />
Senats drückte sich darin aus, dass Holland<br />
in ebendiesem Jahr zum Ehrensenator ernannt<br />
wurde und auch in dieser Eigenschaft<br />
stark in das <strong>Uni</strong>versitätsleben involviert war.<br />
Zu nennen sind die von ihm organisierten<br />
Jahresabschlussveranstaltungen sowie die<br />
Sommerfeste, bei denen Angehörige der Fakultäten<br />
und des Rektorats, aktive Mitglieder<br />
der <strong>Uni</strong>versität und aktive Ruheständler mit<br />
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens<br />
zum Gedankenaustausch zusammenkamen<br />
und dabei manch wichtige Entscheidung für<br />
die <strong>Uni</strong>versität vorbereiteten.<br />
Nach Beendigung seiner Amtszeit im Vorstand<br />
der VFF wurde Holland gebeten, den<br />
Vorsitz und später die Ehrenpräsidentschaft<br />
des Kuratoriums der Vereinigung zu übernehmen.<br />
In dieser neuen Funktion setzte er seine<br />
segensreiche Wirkung für die <strong>Uni</strong>versität fort.<br />
Mit dem Neuaufbau der <strong>Uni</strong>versität seit der<br />
friedlichen Revolution 1989/90 ist Gerhard<br />
Holland eng verbunden. Durch seinen Einsatz<br />
wurde manches Vorhaben verwirklicht, das<br />
die MLU mit eigenen Mitteln nicht hätte in<br />
Angriff nehmen können. Für diese Leistungen<br />
wird die <strong>Uni</strong>versität ihrem verdienten Förderer<br />
ein immerwährendes Andenken bewahren.<br />
Gunnar Berg<br />
Im Jahr des 300. Jubiläums der <strong>Martin</strong>-Luther-<strong>Uni</strong>versität, 1994: Senator E. h. Dr. Gerhard Holland (l.),<br />
damals Präsident der Vereinigung der Freunde und Förderer der MLU e. V., und der damalige Prorektor für<br />
Strukturreform und Entwicklungsplanung, Prof. Dr. Hans-Hermann Hartwich, stellen die Jubiläumsmedaille<br />
bei einer Pressekonferenz vor. Foto: Archiv<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
Neuberufungen<br />
T HEOLOGISCHE FAKULTÄT<br />
Prof. Dr. Stefan Schorch<br />
<strong>Uni</strong>versitätsprofessor (W2) für Bibelwissenschaften<br />
seit 1. August 2009<br />
Geboren am 3. August 1966 in Erfurt<br />
stefan.schorch@theologie.uni-halle.de<br />
1987-1994 Studium der Evangelischen Theologie,<br />
Semitischen Sprachwissenschaft und<br />
Judaistik in Leipzig, Berlin und Jerusalem.<br />
1994-1997 Promotionsstipendiat an der Hebräischen<br />
<strong>Uni</strong>versität Jerusalem und der <strong>Uni</strong>versität<br />
Leipzig<br />
1998 Promotion zum Dr. theol.<br />
1997-1999 Assistent am Institut für Semitistik und<br />
Arabistik der Freien <strong>Uni</strong>versität Berlin<br />
1999-2009 Hochschullehrer für Hebräisch und Altes<br />
Testament an der Kirchlichen Hochschule<br />
Bethel, Bielefeld<br />
2003 Honorary Fellow am <strong>Uni</strong>versity College<br />
London<br />
2003 Habilitation im Fach Altes Testament an<br />
der Kirchlichen Hochschule Bethel<br />
F ORSCHUNGSSCHWERPUNKTE:<br />
Literatur-, Religions- und Theologiegeschichte Altisraels<br />
und des Judentums (6. Jh. v. Chr.-2. Jh. n. Chr.), Hebraistik<br />
P UBLIKATIONEN (AUSWAHL)<br />
• Die Vokale des Gesetzes: Die samaritanische Lesetradition<br />
als Textzeugin der Tora. Band 1: Genesis. Berlin;<br />
New York: de Gruyter, 2004.<br />
• L. Morenz / St. Schorch (Hgg.): Was ist ein Text?<br />
– Ägyptologische, altorientalistische und alttestamentliche<br />
Perspektiven. Berlin; New York: de Gruyter, 2007.<br />
• Die Auslegung des Danielbuches in der Schrift „Die<br />
Quellen der Erlösung“ des Don Isaak Abravanel (1437-<br />
1508), in: K. Bracht / D. du Toit (Hgg.), Die Geschichte<br />
der Daniel-Auslegung in Judentum, Christentum und<br />
Islam. Berlin; New York: de Gruyter, 2007, 179-197.<br />
• Spoken Hebrew of the Late Second temple period<br />
according to the oral and the written Samaritan tradition,<br />
in: J. Joosten / J.-S. Rey (edd.): Conservatism and Innovation<br />
in the Hebrew Language of the Hellenistic Period.<br />
Leiden: Brill. 2008, 175-190.<br />
• Sakralität und Öffentlichkeit: Bibelübersetzungen als<br />
Paradigmen jüdischen Übersetzens, in: E. Lezzi / D.<br />
Salzer (Hgg.): Dialog der Disziplinen: Jüdische Studien<br />
und Literaturwissenschaft. Berlin: Metropol Verlag, 2009,<br />
51-76.<br />
39<br />
P ERSONALIA
40<br />
P ERSONALIA<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
J URISTISCHE UND WIRTSCHAFTSWISSEN<br />
SCHAFTLICHE FAKULTÄT<br />
Prof. Dr. rer. pol. Oliver Holtemöller<br />
<strong>Uni</strong>versitätsprofessor (W2) für Volkswirtschaftslehre,<br />
insbesondere Makroökonomik<br />
und Leiter der Abteilung Makroökonomik<br />
am Institut für Wirtschaftsforschung<br />
Halle seit 1. August 2009<br />
Geboren am 27. Juni 1971 in Lich<br />
oliver.holtemoeller@iwh-halle.de<br />
1993-1998 Studium der Volkswirtschaftslehre an der<br />
Justus-Liebig-<strong>Uni</strong>versität Gießen<br />
1998-2001 Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
und Teilnahme am Berliner<br />
Graduiertenkolleg Angewandte Mikroökonomik<br />
an der Humboldt-<strong>Uni</strong>versität zu<br />
Berlin und der Freien <strong>Uni</strong>versität Berlin<br />
2001 Promotion zum Doktor der Wirtschaftswis<br />
senschaft Dr. rer. pol. an der Freien <strong>Uni</strong><br />
versität Berlin<br />
2001-2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonder<br />
forschungsbereich 373 an der Humboldt-<br />
<strong>Uni</strong>versität zu Berlin und am Institut für<br />
Statistik und Ökonometrie an der Freien<br />
<strong>Uni</strong>versität Berlin<br />
2003-2009 Inhaber der Juniorprofessur für Allg. Volkswirtschaftslehre<br />
an der RWTH Aachen<br />
2009 <strong>Uni</strong>versitätsprofessor in Halle und<br />
Abteilungsleiter am IWH<br />
F ORSCHUNGSSCHWERPUNKTE:<br />
Quantitative Makroökonomik und Konjunkturzyklen,<br />
Angewandte Ökonometrie und Zeitreihenanalyse, Geldtheorie<br />
und Geldpolitik, Ökonomische Prognosen und<br />
Simulationen<br />
P UBLIKATIONEN (AUSWAHL):<br />
• Further VAR Evidence for the Effectiveness of a Credit<br />
Channel in Germany, Applied Economics Quarterly 49<br />
(2003), 359-381.<br />
• A Monetary Vector Error Correction Model of the Euro<br />
Area and Implications for Monetary Policy, Empirical<br />
Economics 29 (2004), 553-574.<br />
• Uncovered Interest Rate Parity and Monetary Convergence<br />
of Potential EMU Accession Countries, International<br />
Economics and Economic Policy 2 (2005), 33-63.<br />
• Geldtheorie und Geldpolitik, Tübingen: Mohr Siebeck<br />
(Neue ökonomische Grundrisse), 479 Seiten, 2008.<br />
• Niedrige Preis-Dividende-Verhältnisse: Einstiegssignal<br />
für den Aktienmarkt?, Wirtschafts¬dienst 89(2), 2009,<br />
135-140.<br />
• Investor Rationality and House Price Bubbles: The Case<br />
of Berlin and the German Reunification (together with<br />
Rainer Schulz), German Economic Review, forthcoming.<br />
N ATURWISSENSCHAFTLICHE<br />
F AKULTÄT II<br />
Prof. Dr. Wolfgang Paul<br />
<strong>Uni</strong>versitätsprofessor (W3) für Theoretische<br />
Polymerphysik seit 01.08.2009<br />
Geboren am 23.08.1959<br />
Wolfgang.Paul@physik.uni-halle.de<br />
1979-1986 Studium der Physik an der <strong>Uni</strong>versität<br />
Essen GH und der Johannes Gutenberg<br />
<strong>Uni</strong>versität Mainz<br />
1986-1989 Promotion an der <strong>Uni</strong>versität Mainz<br />
1989-1992 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im BMFT<br />
Projekt “Theoretisch-Experimentelle<br />
Korrelation zwischen Struktur und Eigenschaftsphänomenen<br />
bei Polykondensaten”<br />
1992-1993 Akademischer Rat am Fachbereich Physik<br />
der Johannes Gutenberg <strong>Uni</strong>versität Mainz<br />
1993-1994 IBM Visiting Scientist, IBM Almaden<br />
Research Center, San-Jose, USA<br />
1994-2009 Akademischer Oberat und akademischer<br />
Direktor am Fachbereich Physik der<br />
Johannes Gutenberg <strong>Uni</strong>versität Mainz<br />
1996 Habilitation und Venia Legendi für<br />
Theoretische Physik an der Johannes<br />
Gutenberg <strong>Uni</strong>versität Mainz<br />
2003 Ernennung zum Außerplanmäßigen Prof.<br />
an der Johannes Gutenberg <strong>Uni</strong>versität<br />
Mainz<br />
F ORSCHUNGSSCHWERPUNKT:<br />
Statistische Mechanik von Polymeren: Thermodynamik,<br />
Struktur und Dynamik, Stochastische Prozesse, Computational<br />
Physics<br />
P UBLIKATIONEN (AUSWAHL)<br />
• Paul, W., & Baschnagel, J. (2000): Stochastic Processes:<br />
From Physics to Finance, Springer, Heidelberg<br />
• Glotzer, S. C., & Paul, W., (2002): Molecular and Mesoscale<br />
Simulation Methods for Polymer Materials, Annu.<br />
Rev. Mater. Res. 32, 401<br />
• Paul, W., & Smith, G. D. (2004): Structure and<br />
dynamics of amorphous polymers: computer simulations<br />
compared to experiment and theory, Rep. Prog. Phys.<br />
67, 1117<br />
• Vallee, R. A. L., Van der Auwerear, M., Paul, W., &<br />
Binder, K. (2006): Fluorescence Lifetime of a Single Molecule<br />
as an Observable of Meta-basin Dynamics in Fluids<br />
Near the Glass Transition, Phys. Rev. Lett. 97, 217801;<br />
also available in the December 1, 2006 issue of Virtual<br />
Journal of Biological Physics Research<br />
• Strauch, T., Yelash, L., & Paul, W. (2009): A coarsegraining<br />
procedure for polymer melts applied to 1,4-polybutadiene,<br />
Phys. Chem. Chem. Phys.11, 1942<br />
N ATURWISSENSCHAFTLICHE<br />
F AKULTÄT III<br />
Jun.-Prof. Dr. Rebecca Waldecker<br />
Juniorprofessorin für Gruppen und Geometrien<br />
am Institut für Mathematik seit 1.<br />
Oktober 2009<br />
Geboren am 9. April 1979 in Aachen<br />
R.Waldecker@bham.ac.uk<br />
(bis auf weiteres)<br />
1998-2003 Studium der Mathematik, Statistik und<br />
Oekonometrie an der Christian-Albrechts-<br />
<strong>Uni</strong>versitaet Kiel mit Kurzaufenthalt in P<br />
aris 2002 (DAAD-Stipendium).<br />
Stipendiatin der Studienstiftung des<br />
deutschen Volkes. Diplom 2003<br />
2003-2007 Promotion an der Christian-Albrechts-<br />
<strong>Uni</strong>versität Kiel. Wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin 2003-2004, Promotionsstipendiatin<br />
der Studienstiftung des<br />
deutschen Volkes. Forschungs- und Lehraufenthalt<br />
an der <strong>Uni</strong>versität Birmingham<br />
(UK) im Herbst 2006<br />
2007 Honorary Lecturer an der <strong>Uni</strong>versität<br />
Birmingham.<br />
2007-2009 Research Fellow an der <strong>Uni</strong>versität<br />
Birmingham zum Forschungsprojekt<br />
„Automorphisms of Finite Groups“<br />
2009 Juniorprofessorin in Halle<br />
F ORSCHUNGSSCHWERPUNKTE:<br />
Lokale Theorie endlicher Gruppen, die Klassifikation der<br />
endlichen einfachen Gruppen und ihre Anwendungen.<br />
P REISE:<br />
Head of School‘s Prize for Excellence in Teaching 2008.<br />
P UBLIKATIONEN (AUSWAHL):<br />
• Isolated involutions whose centraliser is soluble (Journal<br />
of Algebra 321 (2009), p. 1561?1592).<br />
• Soluble Radicals (erschienen im Oberwolfach Report No<br />
20/2008).<br />
• A theorem about coprime action (Journal of Algebra<br />
320 (2008), p. 2027?2030).<br />
• Primzahltests für Einsteiger. Gemeinsam mit Lasse<br />
Rempe. Erscheint September 2009 bei Vieweg+Teubner.
20 Fragen an Petra Lohse<br />
Verbales Porträt einer Zeitgenossin<br />
Unzählige Varianten des Fragebogens, der durch die Antworten von Marcel Proust so berühmt<br />
geworden ist, sind in den Medien (FAZ, Forschung & Lehre, UNICUM etc.) zu finden. scientia<br />
halensis spielt ebenfalls mit. Diesmal ist unsere Match-Partnerin Dipl.-Ing. Petra Lohse, Leiterin<br />
der Koordinierungsstelle Flächenmanagement in Abteilung 4 (Bau, Liegenschaften und Gebäudemanagement)<br />
der <strong>Zentrale</strong>n <strong>Uni</strong>versitätsverwaltung.<br />
1. Warum leben Sie in Halle und nicht anderswo?<br />
… weil es sich ganz unspektakulär durch das<br />
Studium einfach so ergeben hat, ohne Vorsatz<br />
und doch nie in Frage gestellt.<br />
2. Wenn nicht Diplom-Ingenieur, was wären Sie<br />
dann geworden?<br />
Zahnärztin oder Pflanzenzüchterin.<br />
3. Was war an Ihrer Studienzeit am besten?<br />
So einiges – zum Beispiel, in der Gemeinschaft<br />
einer beständigen Seminargruppe studieren<br />
zu können. Ganz wichtig waren auch<br />
das vielseitige studentische Clubleben in Merseburg<br />
und mein Volleyballteam an der TH.<br />
4. Welchen Rat fürs Überleben würden Sie<br />
Studenten geben?<br />
Wieso Überleben? Mein Rat fürs Leben<br />
könnte lauten: Vertraue in erster Linie dir<br />
selbst und bleibe offen für das, was dich umgibt;<br />
versuche zu beenden, was du beginnst<br />
und bleibe dir dabei treu; behalte deine Träume<br />
und lebe.<br />
5. Wenn Sie Rektor einer <strong>Uni</strong>versität wären, was<br />
würden Sie als erstes tun?<br />
Als erstes? … eine Antritts-Party geben! Als<br />
wichtigstes? Konsequent daran arbeiten, das<br />
Profil der <strong>Uni</strong>versität weiter zu schärfen und<br />
zu formen, so dass die <strong>Uni</strong>versität als unver-<br />
wechselbare und erfolgreiche Bildungseinrichtung<br />
erkennbar und anerkannt wird.<br />
6. Was ist für Sie die erste Aufgabe der<br />
Wissenschaft?<br />
Am einfachsten definiert, wäre es für mich,<br />
„Wissen schaffen“ mit dem Ziel, den Menschen<br />
und der Natur zu dienen.<br />
7. Was haben Intelligenz und Menschlichkeit<br />
miteinander zu tun?<br />
Ich meine, dass Intelligenz nicht automatisch<br />
menschlich macht. Dies anzunehmen, wäre<br />
gefährlich. Darum sollte in jedem Fall also<br />
die Intelligenz im Dienst der Menschlichkeit<br />
stehen.<br />
8. Worüber ärgern Sie sich am meisten?<br />
Über Ignoranz und Arroganz in allen Facetten.<br />
9. Was bringt Sie zum Lachen?<br />
Wortwitz … mit seinen überwältigenden<br />
AHA-Erkenntnissen.<br />
10. Was schätzen Sie bei Ihren Freunden?<br />
Zuverlässigkeit, Herzlichkeit, Ehrlichkeit, Offenheit<br />
und alles was dazu gehört.<br />
11. Wo sehen Sie Ihre Stärken?<br />
... in meiner Begeisterungsfähigkeit für fast alles<br />
und der steten Neugier auf Neues; in einer<br />
SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
ausgeprägten Kontaktfreude ohne Scheu; in<br />
der Beharrlichkeit, die Dinge zu ändern, von<br />
denen ich denke, dass ich sie ändern kann; in<br />
der Bereitschaft, mich für andere einzusetzen.<br />
12. Was erwarten Sie von der Zukunft?<br />
Für die kommenden Wochen hoffe ich auf<br />
einen letztendlich erfolgreichen Bezug des<br />
Campus Heide-Süd.<br />
Für das kommende Jahr hoffe ich auf die Weiterbeschäftigung<br />
meines jungen, kompetenten<br />
und leistungsstarken Teams im Flächenmanagement.<br />
13. Woran glauben Sie?<br />
An die Menschen.<br />
14. Welchen bedeutenden Menschen unserer Zeit<br />
hätten Sie gern als Gesprächspartner?<br />
Angela Merkel.<br />
15. Wer war oder ist (bisher) für Sie der wichtigste<br />
Mensch in Ihrem Leben?<br />
Einer? VIER! … mein Mann und meine Söhne!<br />
16. Welchen Ort der Welt möchten Sie unbedingt<br />
kennen lernen?<br />
Unbedingt? ... keinen.<br />
17. Womit verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten?<br />
Seit ein paar Jahren fahre ich sehr gern Inlineskates,<br />
wann immer ich Zeit habe. Am Liebsten<br />
aber mit meinem Mann zusammen. Mein<br />
Tipp: Rundweg um den Geiseltalsee, einfach<br />
super. Und natürlich Bücher und Musik und<br />
immer noch Volleyballspielen.<br />
18. Was wären Ihre drei Bücher für die Insel?<br />
„Ou Topos – Suche nach dem Ort, den es geben<br />
müsste“ von Heiner Geißler; die noch immer<br />
ungelesenen im Bücherregal der Lohses<br />
stehenden „Marcel Prousts“ und natürlich ein<br />
sorgsam ausgewähltes „Pfadfinderlexikon zum<br />
Überleben ohne Kaufhalle“.<br />
19. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten ...?<br />
… dann wünschte ich mir mehr Frieden, Zufriedenheit<br />
und Glücklichsein auf der Welt.<br />
Das klingt sehr pathetisch, ist aber so.<br />
20. Ihr Motto?<br />
… authentisch bleiben.<br />
Foto: Maike Glöckner<br />
Aus der Vita:<br />
Geboren am 20.01.1961 in Sonneberg, Thüringen;<br />
Studium der Werkstoffwissenschaften an der<br />
Technischen Hochschule Merseburg.<br />
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SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />
ıDorthin, wo es stinkt und knallt„<br />
Doreen Rüdel ist eine von 19 neuen Auszubildenden<br />
P AOLO SCHUBERT<br />
Jahr für Jahr bietet die MLU ein breit gefächertes Spektrum an Ausbildungsplätzen. Neben medien-<br />
und technikorientierten Berufen stehen die klassischen hoch im Kurs: Fachangestellte für<br />
Bürokommunikation, Feinmechaniker und Gärtner werden genauso benötigt wie Auszubildende,<br />
die gern im Labor arbeiten. Zu ihnen gehört Doreen Rüdel. Sie hat in diesem Jahr neben 19 weiteren<br />
Bewerbern eine Zusage erhalten und arbeitet seit August am Institut für Chemie<br />
Ein Beruf in der Chemie sollte es für Doreen<br />
Rüdel seit langem sein. Eigentlich seit Beginn<br />
der zweiten Sekundarstufe, als die Lehrer mit<br />
praxisorientiertem Unterricht ihre Lust an<br />
chemischen Reaktionen und Experimenten<br />
weckten. Deshalb wählte sie Chemie als<br />
Hauptfach, legte 2007 ihr Abitur ab und begann<br />
an der Hochschule Merseburg (FH) ein<br />
Studium der Chemie- und Umwelttechnik.<br />
„Doch es war nicht einfach. Zum einen mussten<br />
wir den Lehrstoff nachholen, der durch die<br />
Verkürzung von 13 auf zwölf Schuljahre nicht<br />
mehr berücksichtigt wurde. Zum anderen begann<br />
unser Studium nach der Umstellung auf<br />
die neuen Abschlüsse; die Zeit zum Aufarbeiten<br />
war für mich zu knapp bemessen“, erinnert<br />
sich die 20-jährige.<br />
Sie brach das Studium ab und fuhr fortan<br />
zweigleisig. Mit nun neuen Voraussetzungen<br />
bewarb sie sich an der Hochschule Anhalt<br />
(FH) für ein Studium der Lebensmitteltechnologie;<br />
gleichzeitig informierte sie sich über<br />
Ausbildungsberufe im chemischen Bereich.<br />
„Nachdem ich mir diverse Bücher besorgt und<br />
mich vom Arbeitsamt sowie von Freunden<br />
beraten lassen hatte, die bereits in solchen<br />
Berufen arbeiten, entschied ich mich für eine<br />
Ausbildung.“ Gelegen kam Rüdel der Hochschulinformationstag<br />
2008, an dem sie die<br />
<strong>Martin</strong>-Luther-<strong>Uni</strong>versität und ihr Ausbildungsangebot<br />
erstmals genauer kennenlernte.<br />
Es waren hauptsächlich die praktischen Aspekte,<br />
aufgrund derer Rüdel sich an der MLU<br />
bewarb. „Natürlich ist die Theorie wichtig,<br />
aber am liebsten zieht es mich dorthin, wo es<br />
stinkt und knallt.“ Und das biete sich in der<br />
Zeit der Ausbildung zur Chemielaborantin<br />
nicht nur am Institut, sondern auch im Schkopauer<br />
Trainingszentrum der Firma DOW.<br />
Denn bis zu den Prüfungen müssen sich die<br />
Lehrlinge die im Ausbildungsrahmenplan der<br />
Industrie- und Handelskammer (IHK) vorgeschriebenen<br />
Qualifikationen aneignen. „Das<br />
kann weder die <strong>Uni</strong>versität noch die Berufsschule<br />
allein leisten.“ Mit DOW stehe ein<br />
Partner zur Seite, der mit moderner Technik<br />
und eigenem Personal die fehlende Praxiserfahrung<br />
abdeckt. Über 30 Firmen sowie wissenschaftliche<br />
und staatliche Einrichtungen<br />
nutzen bereits dessen Möglichkeiten für das<br />
Nachwuchstraining im Rahmen der Kooperation<br />
„Olefinpartner“.<br />
Doch auch andere Faktoren spielten für ihre<br />
Entscheidung eine Rolle. „Die <strong>Uni</strong>versität<br />
ist nun einmal eine riesige Wissenschaftseinrichtung.<br />
Es ist faszinierend, ihre Netzwerke<br />
kennenzulernen und ein Teil der Forschungsarbeit<br />
zu sein, egal wie klein dieser Anteil in<br />
der Ausbildung erst einmal sein mag. Daraus<br />
ergeben sich beinahe einzigartige Möglichkeiten,<br />
Soft Skills zu erwerben. Vor allem aus<br />
dem Umgang mit Lehrenden und Studierenden<br />
verspricht sich Rüdel viele Erfahrungen.<br />
Kontakte lassen sich schwer vermeiden: Neben<br />
der Vorbereitung von studentischen Experimenten<br />
sollen die Auszubildenden Begleituntersuchung<br />
zu wissenschaftlichen Studien<br />
durchführen.<br />
In ihren ersten Lehrmonaten möchte die Chemiebegeisterte<br />
ein Verständnis für die Zusammenhänge<br />
zwischen alltäglichen Sachverhalten<br />
und deren wissenschaftlichen Hintergründen<br />
entwickeln. „In den Medien wird so viel<br />
über meist ungeläufige Inhaltsstoffe berichtet.<br />
Bisher konnte ich nicht einschätzen, welche<br />
Verbindungen für welche Konsequenzen verantwortlich<br />
sind.“ So beschäftigte sie sich<br />
bereits mit anionischen und kationischen<br />
Tensiden, organischen Verbindungen, die in<br />
vielen haushaltsüblichen Bedarfsgegenständen<br />
enthalten sind. In einer Zwei-Phasen-Titration<br />
stellte sie deren Anteile fest und protokollierte<br />
die Ergebnisse.<br />
Dreieinhalb Jahre wird Rüdel nun an der<br />
halleschen <strong>Uni</strong>versität betreut. Ob sie sich<br />
nach ihrer Ausbildung doch noch für ein Studium<br />
entscheidet, steht erst einmal nicht zur<br />
Debatte. Die Option wird sie dennoch nicht<br />
aus den Augen verlieren.<br />
■<br />
Prüfender Blick: Doreen<br />
Rüdel wird seit August<br />
2009 an der MLU und im<br />
DOW-Trainingszentrum<br />
zur Chemielaborantin<br />
ausgebildet.<br />
Foto: Paolo Schubert
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