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Uni-Magazin 3_2009.indd - Zentrale Universitätsverwaltung - Martin ...

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6<br />

V ARIA<br />

SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />

Kontroverse Debatte setzt sich fort<br />

Leser schreiben zum Thema Naturkundemuseum<br />

Die naturhistorischen Sammlungen der MLU gehören mit über fünf Mio. Objekten zu den zehn<br />

größten derartigen Kollektionen Deutschlands. In einer neuen <strong>Zentrale</strong>n Einrichtung sollen drei<br />

dieser Sammlungen vereint werden. Geplant ist darüber hinaus ein Naturkundliches <strong>Uni</strong>versitätsmuseum<br />

am Friedemann-Bach-Platz. In Ausgabe 2/09 des <strong>Uni</strong>versitätsmagazins erläuterten<br />

die Dekane der Naturwissenschaftlichen Fakultäten I und III ihre unterschiedlichen Auffassungen<br />

zu dem Projekt. Diskussionsstoff für viele Leser. Drei von ihnen kommen hier zu Wort.<br />

Sie nehmen Bezug auf den Beitrag von Prof. Dr. Elmar Wahle („Beeindruckend, aber nicht<br />

bezahlbar“).<br />

ıGenuiner Teil einer weltweiten Forschungsinfrastruktur„<br />

Reinhold Leinfelder<br />

Foto: privat<br />

<strong>Uni</strong>versitäten tun sich<br />

manchmal schwer mit<br />

ihrem kulturellen und<br />

wissenschaftlichen Erbe,<br />

vor allem wenn es Ressourcen<br />

kostet.<br />

Umso bemerkens- und<br />

begrüßenswerter, dass<br />

die <strong>Uni</strong>versität Halle<br />

plant, ein neues naturkundliches<br />

Museum zu<br />

eröffnen. Allerdings zeugt die Position von<br />

Elmar Wahle hierzu von einem fundamentalen<br />

Missverständnis sowohl (1) zur Rolle<br />

eines Museums, (2) zur Forschungsrelevanz<br />

der halleschen und anderer Sammlungen, aber<br />

auch (3) bezüglich seiner Auffassung zur Ausrichtung<br />

moderner Biowissenschaften.<br />

(1) Die Statuten sowie der Code of Ethics<br />

des International Council of Museums<br />

(ICOM) sind eindeutig: „Ein Museum<br />

ist eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit<br />

zugängliche Einrichtung im<br />

Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung,<br />

die zu Studien-, Bildungs- und<br />

Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse<br />

von Menschen und ihrer Umwelt<br />

beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt<br />

macht und ausstellt.“ Sammlungsbasierte<br />

Forschung ist von einem Museum nicht<br />

wegzudenken. Schon allein der Vorschlag<br />

Herrn Wahles, die Sammlungen vom Mu-<br />

ıVon Armut zu Armseligkeit„<br />

Das kennt man ja. Es betrifft Sachen, Personen,<br />

Ideen und Geschichte. Das, was stört,<br />

wird eliminiert. Was stört? Das, was nicht<br />

oder nicht mehr in die Zeit passt. Und das,<br />

was Geld kostet und was keines oder wenig<br />

bringt. Weg damit, was Effizienzkriterien<br />

nicht gehorcht. Verwertbarkeit und Gewinn<br />

als Kriterien auch in der Wissenschaft?<br />

Biologie ohne Systematik und Taxonomie?<br />

Zoologie ohne Tiere – lebende, genadelte<br />

und ausgestopfte?<br />

Ob der Genius loci damit beschädigt oder<br />

ausgelöscht wird, spielt keine Rolle. Aber der,<br />

seum zu trennen und vielleicht an eine<br />

weit entfernt liegende Institution zu übergeben,<br />

macht das geplante Museum von<br />

vornherein zur Farce.<br />

(2) Kann es sein, dass Herr Wahle die halleschen<br />

Sammlungen nicht zur Genüge<br />

kennt?<br />

Wie sonst kann er unberücksichtigt lassen,<br />

dass die paläontologischen Geiseltal-Sammlungen<br />

sowohl von der ästhetischen<br />

Qualität als insbesondere von der<br />

Forschungsrelevanz her ein weltweites<br />

<strong>Uni</strong>kat darstellen – soll dieser Schatz des<br />

weltberühmten Geiseltals auch abgegeben<br />

werden?<br />

Des weiteren sind nicht nur die Insekten-,<br />

sondern auch die sonstige naturkundliche<br />

Sammlung von hoher wissenschaftlicher<br />

Relevanz – dass die Institutskollegen dort<br />

derzeit vielleicht nicht mit ihr forschen,<br />

steht auf einem anderen Blatt, umso wichtiger,<br />

sie der globalen Forschungsgemeinschaft<br />

als Ressource zu erschließen.<br />

(3) Mir steht es nicht an, die wissenschaftliche<br />

Ausrichtung der Fakultät zu kritisieren.<br />

Wenn der Dekan auf die Erforschung<br />

„eines mechanistischen Verständnisses<br />

von Lebensvorgängen“, auf „Modellorganismen“<br />

setzt, oder meint, dass sammelnde<br />

und „beschreibende Tätigkeit“ (er<br />

meint wohl die Forschungsrichtungen Taxonomie<br />

und Phylogenetik) in die Zeit des<br />

Kolonialismus gehörte, und dass dies alles<br />

gerade der, kann ein wichtiger Standortfaktor<br />

sein. Und: Der Schritt von Armut zu Armseligkeit<br />

ist nur ein kleiner.<br />

Einem Professor an einer deutschen <strong>Uni</strong>versität<br />

und einem Dekan dazu würde man Unrecht<br />

tun, wenn man ihm eine solche Haltung unterstellen<br />

würde. Auf den ersten Blick und entlang<br />

der Oberfläche des vorliegenden Textes<br />

liegt diese Deutung allerdings nahe.<br />

Es gibt aber auch einen zweiten Blick und<br />

Subtext. Dieser zeugt von der misslichen Lage<br />

des Dekans, Mittel für den Erhalt der Zoologischen<br />

Sammlung bereit zu stellen. So gese-<br />

Naturkundliches <strong>Uni</strong>versitätsmuseum am<br />

Friedemann-Bach-Platz. Entwurfsskizze von Dr.<br />

Frank Steinheimer.<br />

„die Entwicklung der Wissenschaft widerspiegelt“,<br />

ist dies seine Sache.<br />

Eine wirklich moderne Ausrichtung der Zoologie<br />

wäre allerdings etwas anderes. Die Zeit<br />

der rein mechanistischen Beschreibungen, der<br />

Reduktionen auf Modellorganismen, ist zwar<br />

noch nicht zu Ende, moderne Entwicklungen<br />

gehen jedoch von ganzheitlichen Ansätzen aus.<br />

Die Genforschung geht in die Genom-Forschung<br />

über, anstelle vom Gen zum Phän zu<br />

kommen, müssen ganzheitliche Ansätze in der<br />

Evolutionären Entwicklungsbiologie zum Einsatz<br />

kommen, statt möglichst einfache Modellökosysteme<br />

zu erforschen, muss die nicht linear-mechanistische<br />

Dynamik vernetzter Ökosysteme<br />

und ganzer Biome erforscht werden.<br />

Naturkundliche, sammlungsbasierte Forschung<br />

gliedert sich hier überall ein. Schon längst hat<br />

die Molekularbiologie bis hin zu automatisierten<br />

Verfahren (DNA-BarCoding, Metagenomics),<br />

aber auch die Biogeochemie (Isotopen<br />

etc.) in Sammlungen Einzug gehalten.<br />

Die <strong>Uni</strong>versität Halle wäre sehr gut beraten,<br />

ihre Sammlungen als Teil einer weltweiten<br />

vernetzten Forschungsinfrastruktur und eines<br />

Weltkulturerbes zu begreifen.<br />

Prof. Dr. Reinhold Leinfelder, Generaldirektor<br />

des Museum für Naturkunde Berlin, Vorsitzender<br />

des Konsortiums „Deutsche Naturwissenschaftliche<br />

Forschungssammlungen“<br />

hen, scheinen mir die Einlassungen von Professor<br />

Wahle als Ruf nach Solidarität. Nur<br />

diese Lesart kann und will ich gelten lassen.<br />

Sie zeugt von großem Verantwortungsbewusstsein<br />

und organisiert pfiffig Unterstützung<br />

für sein eigentliches Vorhaben. Der Widerspruch<br />

und das Missverständnis sind also<br />

wohl kalkuliert und gewollt.<br />

Ich glaube, dass ich also die Botschaft verstanden<br />

habe und unterstütze gern seine Mission,<br />

die Sammlung erhalten und drohender<br />

Armseligkeit die Stirn bieten zu wollen.<br />

PD Dr. Christoph Gallschütz,<br />

MLU-Bio-Matrikel 1973

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