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26<br />

F ORSCHEN UND PUBLIZIEREN<br />

SCIENTIA HALENSIS 3/09<br />

ıTelefonieren kann nicht jeder„<br />

Sprechwissenschaftler helfen Call-Center-Agenten<br />

R OMAN RÜHLE<br />

Zwischen der MLU und Unternehmen der Privatwirtschaft bestehen eine Reihe von Kooperationen.<br />

Sie sorgen für eine nachhaltige Verzahnung von Wissenschaft und Praxis. Ein gutes Beispiel<br />

dafür ist die Zusammenarbeit zwischen dem MLU-Institut für Sprechwissenschaft und dem<br />

Dienstleister buw. In dessen Call-Center in Halle untersuchen und optimieren MLU-Studenten<br />

beispielsweise Leitfaden gestützte Gespräche. Ingmar Rothe hat über die Kooperation nicht nur<br />

das Thema seiner Diplomarbeit, sondern auch einen Job gefunden. Ein Porträt.<br />

Geschultes Sprechen bringt weniger Stress für die Stimme: Ingmar Rothe mit einer buw-Mitarbeiterin im<br />

halleschen Call-Center des Unternehmens.<br />

„Fünf Tage die Woche acht Stunden telefonieren,<br />

das hält kein Mensch auf Dauer aus.“<br />

Ingmar Rothe hat es erlebt. Als junger Student<br />

hat er in seinen Semesterferien selbst mehrere<br />

Wochen am Hörer gesessen. Dabei hat sich<br />

der heute 28-Jährige durch die gesamte Republik<br />

telefoniert. Aus eigenem Erleben weiß<br />

er daher: Langes Sprechen ohne Schulung ist<br />

pure Anstrengung.<br />

Inzwischen ist Ingmar Rothe, das darf man<br />

sagen, Stimm- und Sprechexperte. 2001 hat<br />

er die dafür notwendige Ausbildung begonnen<br />

und Sprechwissenschaft studiert. „Zuerst<br />

in Jena, später an der MLU in Halle“, wie er<br />

verrät. „Obwohl ich eigentlich Journalist und<br />

auch gern Schauspieler werden wollte.“ Jedoch<br />

konnte er sich weder für das eine noch<br />

das andere entscheiden. Ein guter Freund gab<br />

ihm schließlich den Anstoß, er solle Sprechwissenschaft<br />

studieren. Bis heute hat er es<br />

nicht betreut. „Im Gegenteil“, sagt er, „Journalisten<br />

und Schauspieler brauchen auch eine<br />

trainierte Stimme. Und wer weiß, was noch<br />

kommt im Leben.“<br />

S TIMM- UND SPRECHÜBUNGEN SIND NEULAND<br />

Mittlerweile setzt Rothe seinen geschulten<br />

Sprachapparat wiederum in einem Call-Center<br />

ein. Seit Juni arbeitet er fest für die buw Unternehmensgruppe.<br />

In deren Niederlassung in<br />

der Grenzstraße in Halle verantwortet er das<br />

Sprechtraining für die Telefonagenten. „Da-<br />

mit sie sich nicht verletzen“, erzählt er. „Wer<br />

ohne jede Vorbereitung lostelefoniert, setzt<br />

unter Umständen seine Stimmgesundheit aufs<br />

Spiel.“ Damit skizziert Rothe das eigentliche<br />

Problem: Während die Sprechausbildung von<br />

Schauspielern, Funk- und Fernsehsprechern<br />

heute als selbstverständlich gilt, ist sie für<br />

große Teile der Call-Center-Branche noch immer<br />

Neuland. „Hier setzt erst nach und nach<br />

das Bewusstsein ein, dass Mitarbeiter vor<br />

allem dann leistungsfähiger sind und länger<br />

im Unternehmen bleiben, wenn sie sich bei<br />

der Arbeit ihre Stimme nicht ruinieren“, weiß<br />

er. „Einen Tag lang telefonieren, das übersteht<br />

man gut. Wie es jedoch in zwei bis drei Jahren<br />

aussieht, das ist die Frage.“<br />

Auch heute steht Ingmar Rothe im buw-Großraumbüro.<br />

Um ihn herum wogt das mitunter<br />

laustarke Summen der Stimmen und Telefonsignale<br />

auf und ab. Hier und da wird eifrig, an<br />

anderen Plätzen auffallend ruhig telefoniert.<br />

Rothe steht irgendwie dazwischen. Feinsinnig<br />

beobachtet der großgewachsene Mann die Lage.<br />

Er weiß: Seine Kollegen an den Apparaten<br />

haben es nicht unbedingt einfach. Sie müssen<br />

ich mit Problemen anderer auseinandersetzen.<br />

„Das ist nicht selten unangenehm“, sagt er,<br />

„schließlich ist Telefonieren Emotionsarbeit.<br />

Man muss viel aushalten können. Telefonieren<br />

kann nicht jeder.“<br />

P RÄVENTION STATT GÄNGELEI<br />

Damit die Hallenser buw-Mitarbeiter ohne<br />

Knoten in der Stimme und einem chronisch<br />

entzündeten Kehlkopf durch ihren (Berufs-)<br />

Alltag kommen, hat ihnen der Arbeitgeber<br />

eine Abteilung für Personalentwicklung eingerichtet,<br />

in der auch Ingmar Rothe arbeitet. Eine<br />

seiner Aufgaben besteht darin, schon beim<br />

Bewerbungsgespräch herauszuhören, welche<br />

Kandidaten stimmtechnisch geeignet sind und<br />

welche nicht. Anhand von Rollenspielen analysiert<br />

er ihre Gesprächsführung und achtet<br />

penibel darauf, wie sie Stimme und Zwerchfell<br />

einsetzen.<br />

„Dieses Prozedere“, erklärt er, „ist keine Gängelei,<br />

sondern Prävention“. Man müsse sich<br />

schließlich vergegenwärtigen, dass die Arbeit<br />

eines Call-Center-Agenten überaus anstrengend<br />

sei. Der Teufel, wendet er ein, stecke im<br />

Detail. „Denn beim Telefonieren wird nicht<br />

der gesamte Körper überproportional angestrengt,<br />

sondern nur ein bestimmter Bereich,<br />

unsere Stimme.“ Weil deren Anatomie für lang<br />

anhaltende Belastungen jedoch nicht geschaffen<br />

sei, müsse sie behutsam trainiert werden,<br />

so Rothe.<br />

Geübte Sprecher sind in einem Call-Center<br />

daher klar im Vorteil, „normale“ Telefon-<br />

Agenten sind es nicht. „Das ist richtig“, konstatiert<br />

auch Prof. Dr. Baldur Neuber vom<br />

MLU-Seminar für Sprechwissenschaft und<br />

Phonetik. „Kaum einer der Telefonisten ist je<br />

zuvor einem Phoniater oder Sprecherzieher

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