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Höxter-Kurier 499

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<strong>Höxter</strong>-<strong>Kurier</strong> Nr. <strong>499</strong> 17. März 2018 Seite 3<br />

Dreizehnlindenhaus bei Corvey<br />

Leerstand seit über 70 Jahren<br />

Unser „Lost Place“ Nummer drei<br />

war einst einmal ein prächtiges<br />

Gasthaus, Hotel, Casino und auch<br />

Weinhandelshaus. Das Dreizehnlindenhaus<br />

vor den Toren Corveys<br />

weist eine sehr lange Tradition auf.<br />

Seit Kriegsende in Deutschland<br />

steht das Gebäude leer. In den 224<br />

Jahren seines Bestehens wurde das<br />

alte Gemäuer im Inneren kaum modernisiert,<br />

so dass es auch Elemente<br />

aus seiner Entstehungszeit aufweist.<br />

Dazu gehören die aufwändig gestalteten<br />

Türen, die Feuerungsanlage,<br />

aber auch die zur Zeit der Erbauung<br />

fortschrittlichen Toiletten. Aus diesem<br />

Grund wurde das Gebäude im<br />

November 2011 zum Denkmal des<br />

Monats des Landschaftsverbandes<br />

Westfalen-Lippe erklärt. Es ist eines<br />

von wenigen Hotelgebäuden aus<br />

dem 18. Jahrhundert, das auch im<br />

Inneren noch Strukturen aus seiner<br />

Entstehungszeit aufweist. Weil Teile<br />

des Hauses jedoch einsturzgefährdet<br />

sind, ist das Betreten des Geländes<br />

strengstens verboten.<br />

1794 wurde das Dreizehnlindenhaus<br />

als neues Gasthaus des<br />

Fürstbistums Corvey erbaut. Levin<br />

Koch war der erste Pächter ab 1795.<br />

Das Gebäude diente in den vielen<br />

Jahrzehnten seines Bestehens als<br />

Hotel, Casino, Gast- und auch als<br />

Weinhandelshaus. Errichtet wurde<br />

es vom Bischof von Corvey, Theodor<br />

von Brabeck kurz vor dessen Tod.<br />

Das Haus war von Anfang an ein<br />

Sorgenkind der Baubeamten, und<br />

schon kurz nach 1800 heißt es in<br />

den Akten, dass jenes Gebäude keine<br />

lange Dauer verspreche. Es war<br />

offenbar nicht sehr sachverständig<br />

gebaut worden. Bereits in den Anfangsjahren<br />

musste ein großer Teil<br />

des Holzes ersetzt werden, weil<br />

man zu frisches Material verwendet<br />

hatte. Auch der Dachstuhl war wenig<br />

sachgemäß errichtet worden, wodurch<br />

schon bald nach dem Bau des<br />

Hauses sehr kostspielige Reparaturen<br />

erforderlich wurden.<br />

1887 musste ein Balkon, der über<br />

der Freitreppe angebracht war,<br />

abgerissen werden. Am 10. August<br />

1887 schrieb der Herzog in einer<br />

Marginalnotiz: „Wenn der Balkon<br />

verfault ist, so reiße man ihn einfach<br />

weg. Schön sah er ohnehin nicht<br />

aus. Wenn kein Balkon da ist, wird<br />

das Haus besser aussehen“. In einer<br />

Ausgabe der Lokalzeitung aus dem<br />

Jahr 1942 steht geschrieben, dass es<br />

als Kavalierhaus geplant gewesen<br />

sei. Als Kavalierhaus bezeichnete<br />

man seit dem Barock ein Gebäude,<br />

das als Teil eines Schlossensembles<br />

der Aufnahme des Hofstaats diente.<br />

Der Bericht aus der Presse enthielt jedoch<br />

einige Fehler. Das von Bischof<br />

Theodor von Brabeck erbaute Haus<br />

war keineswegs als „Kavalierhaus“<br />

geplant, sondern sollte von Anfang<br />

an als Gasthaus dienen. Es war jedoch<br />

im Gegensatz zum gegenüber<br />

liegenden „Alten Krug“ für ein<br />

gehobenes Publikum gedacht, wie<br />

Das 224 Jahre alte Gemäuer ist Einsturzgefährdet, betreten ist streng verboten.<br />

der 1996 verstorbene Stadtarchivar<br />

Dr. Hans Joachim Brüning in einer<br />

Recherche belegte.<br />

Das „Dreizehnlindenhaus“ ist eng<br />

verbunden mit der kurzen letzten<br />

Phase des 1000-jährigen geistlichen<br />

Lebens in Corvey: 1792 erlaubte es<br />

der Papst, die Benediktinerabtei in<br />

ein Fürstbistum umzuwandeln. So<br />

wurden der Abt zum Fürstbischof und<br />

die Mönche zu Domherren ernannt.<br />

Als wichtigste bauliche Veränderung<br />

dieser Umwandlung errichteten<br />

die Benediktiner unmittelbar vor<br />

dem Klosterbezirk an das Ende der<br />

Zufahrt von <strong>Höxter</strong> nach Corvey<br />

diesen Neubau.<br />

An der exponierten Lage sollte das<br />

Gebäude gleich mehrere Aufgaben<br />

übernehmen: Es diente nicht nur als<br />

Hotel und Casino, sondern nahm es<br />

auch als Gast- und ein Weinhandelshaus<br />

auf, bis zu seiner Schließung im<br />

Jahr 1942. Unter dem alten Gemäuer<br />

befindet sich ein großes Gewölbe,<br />

das dem Weinhandel des Fürstbistums<br />

diente.<br />

Für die Freizeitgestaltung der<br />

Studenten des Corveyer Priesterseminars<br />

und die Domherren gab es<br />

einen Billardsaal und Speiseraum<br />

im Erdgeschoss. Im Obergeschoss<br />

war ein Tanzsaal nebst Spielzimmer<br />

und dazugehörigen Nebenräumen<br />

angesiedelt.<br />

Für vornehme Gäste des Fürstbistums<br />

gab es sechs Appartements,<br />

die aus jeweils mehreren Räumen<br />

bestanden haben. Anfangs hieß das<br />

Gebäude „Neuer Krug“ zur Unterscheidung<br />

zu dem 1845 abgerissenen<br />

Gasthaus namens „Alter Krug“.<br />

Zeitweilig haben beide Gasthäuser<br />

nebeneinander bestanden, bis man<br />

den „Alten Krug“ im Jahr 1825<br />

aufgab und nur noch den „Neuen<br />

Krug“ beibehielt. Während der<br />

Franzosenzeit hieß das Gasthaus<br />

auch „Westphälischer Hof“. Danach<br />

lautete der Name des Gebäudes kurzzeitig<br />

auch „Neues Haus“ nach der<br />

Straße Corveyer Allee, die damals<br />

„Neuer Weg“ genannt wurde. 1907<br />

wurde es in „Dreizehnlindenhaus“<br />

umbenannt.<br />

Der neue Name, der bis heute<br />

bestand hat, erinnert an das gleichnamige,<br />

in der Gegend spielende<br />

Werk des Driburger Arztes<br />

und Dichters Friedrich Wilhelm<br />

Weber. Das Epos<br />

von Friedrich Wilhelm<br />

Weber namens Dreizehnlinden<br />

aus dem Jahre 1878<br />

schildert den Endkampf<br />

zwischen den Franken<br />

und den Sachsen, zwischen<br />

dem aufblühenden Christentum<br />

und dem versinkenden<br />

Heidentum. Aber auch nach der<br />

Umbenennung blieb das schlichte<br />

Haus unberührt. Es blieb, wie es von<br />

Anfang an gewesen ist.<br />

Im März 1942 erschien in der<br />

Lokalpresse folgender Artikel: „Abschied<br />

von Dreizehnlinden: Von einer<br />

alten Gaststätte, die nicht nur jeder<br />

<strong>Höxter</strong>aner kennt, sondern deren<br />

Ruf bei allen lebendig war, die sich<br />

Freunde des Wesertals heißen, muss<br />

heute Abschied genommen werden.<br />

Das Hotel und Gasthaus ´Dreizehnlinden´<br />

vor den Toren von Schloss<br />

Corvey schließt seine Pforten für<br />

immer. Der bisherige Pächter, der<br />

Gastwirt Fr. Platte, übernimmt eine<br />

ihm gehörende Gastwirtschaft in<br />

der Westerbachstraße in <strong>Höxter</strong>,<br />

Fotos: Thomas Kube<br />

das Haus draußen vor Corvey wird<br />

demnächst Landarbeitern als Wohnstätte<br />

dienen“. 1942, als man noch<br />

mit einem Sieg gegen die Alliierten<br />

rechnete, wollte man nach Beendigung<br />

des Krieges das damals schon<br />

alte und marode Gebäude abreißen<br />

und durch einen Neubau ersetzen.<br />

Dazu kam es jedoch nicht mehr. „Der<br />

Bau ist bis heute erhalten geblieben,<br />

und es sieht so aus, als ob<br />

er noch eine<br />

lange<br />

Reihe<br />

v o n<br />

Jahr<br />

e n<br />

aushalten<br />

könnte“, so<br />

beschrieb es Dr. Hans Joachim<br />

Brüning bereits 1982. Und auch<br />

in diesem Jahr, weitere 36 Jahre<br />

später, hat sich am Gebäudezustand<br />

nichts Wesentliches verändert. Das<br />

Gebäude ist derzeit immer noch<br />

ungenutzt und teilweise baufällig.<br />

Eine Sanierung wurde im Jahr 2011<br />

vorbereitet mit dem Ziel, es erneut<br />

als Gästehaus zu nutzen. Passiert<br />

ist bis heute allerdings nichts dergleichen.<br />

Stützbalken außen sowie<br />

innen sollen vor Teileinbrüchen der<br />

Gebäudestruktur bewahren. Nach<br />

einer baldigen Sanierung, die hohe<br />

Summen verschlingen würden, sieht<br />

es allerdings nicht aus. TKu<br />

Sehr malerisch sieht es aus mit dem kleinen Bächlein im hinteren Teil.<br />

Luftaufnahme im Sommer vom Dreizehnlindenhaus.<br />

Seit 73 Jahren gibt es keine Nutzung mehr für das Dreizehnlindenhaus.

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