TR0602_Top6
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asieren im Wesentlichen auf Vermutungen<br />
und zum Teil widersprüchlichen<br />
Erfahrungswerten ohne wissenschaftlichen<br />
Hintergrund.<br />
Am Sportinstitut der Universität<br />
Bayreuth haben wir in verschiedenen<br />
Studien Varianten komplexer Krafttrainingsübungen<br />
ausgewählt und ihre Effektivität<br />
für die wichtigsten Muskelgruppen,<br />
die an der Übung beteiligt<br />
sind, analysiert.<br />
Diese Erkenntnisse können als Basis<br />
für Trainingsprogramme dienen,<br />
welche ein hocheffektives Ganzkörpertraining<br />
mit einer minimalen Anzahl<br />
von Übungen in kürzester Zeit ermöglichen.<br />
Als Instrument zur Analyse der<br />
komplexen Krafttrainingsübungen<br />
wurden elektromyographische (EMG-)<br />
Messungen herangezogen.<br />
Der Einsatz von EMG-Messungen<br />
zur Analyse der Effektivität verschieworkout<br />
& science | krafttraining<br />
Top 6<br />
komplex<br />
Foto: Nike<br />
Die effektivsten komplexen Kraftübungen – Teil 1<br />
Wie belegt man die „Effektivität“ von<br />
Trainingsübungen? Die Hochschullehrer<br />
Wend Uwe Boeckh-Behrens und<br />
Wolfgang Buskies haben einen Weg<br />
gefunden: Anhand elektromyographischer<br />
Messungen an trainierenden<br />
Muskeln können sie Rückschlüsse auf<br />
die Belastungsintensität ziehen. Die<br />
besten Komplexübungen für die wichtigsten<br />
sechs Muskelgruppen, werden<br />
nachfolgend vorgestellt.<br />
Vorschau:<br />
Im nächsten TRAINER präsentieren wir die besten<br />
Komplexübungen für Rücken & Armbeuger,<br />
Brust, vordere Schulter & Armstrecker sowie<br />
Beine, Gesäß & unteren Rücken.<br />
Die Kenntnisse über den einfachsten<br />
Weg zum Erreichen<br />
der individuellen Ziele im Krafttraining<br />
sind keineswegs ausreichend.<br />
Das Krafttraining gibt uns noch zahlreiche<br />
Rätsel auf: Welche Übung ist die<br />
effektivste? Welche Ausführung bringt<br />
den größten Erfolg? Welche Methode<br />
ist optimal? Hinzu kommt, dass viele<br />
Trainierende in möglichst kurzer Zeit<br />
große Trainingseffekte erzielen wollen.<br />
Was bedeutet „effektiv“?<br />
Dabei hängt ein effektives Training weniger<br />
von der investierten Zeit als von<br />
der Übungsauswahl und der Intensität<br />
der Übungen ab. Dies gilt vor allem<br />
dann, wenn man mit einer Übung<br />
mehrere Muskeln gleichzeitig trainieren<br />
kann. Die meisten Empfehlungen<br />
genereller Komplexübungen sowie die<br />
Aussagen bezüglich deren Effektivität<br />
56 trainer 2/2006
krafttraining | workout & science<br />
dener Kraftübungen für ausgewählte<br />
Muskelgruppen bietet eine Möglichkeit<br />
zur Optimierung bei der Auswahl<br />
und Durchführung von Kraftübungen.<br />
EMG-Messungen<br />
Die Registrierung der EMG-Aktivität<br />
eines Muskels während der Übungsdurchführung<br />
lässt Rückschlüsse auf<br />
die Rekrutierung, Frequentierung und<br />
Synchronisation der Motoneurone zu.<br />
Als Faustregel gilt, dass im nicht ermüdeten<br />
Muskel eine nahezu lineare<br />
Beziehung zwischen der integrierten<br />
EMG-Aktivität und der Muskelkraft<br />
besteht. Von der Höhe der EMG-Aktivität<br />
kann somit auf die Intensität der<br />
Muskelkontraktion, auf die erzeugte<br />
Muskelkraft und somit indirekt auf die<br />
Effektivität der Übung geschlossen<br />
werden.<br />
Effektive Komplexübungen<br />
Die Wahl der optimalen Übung für einen<br />
Muskel hat entscheidenden Einfluss<br />
auf den Trainingserfolg. Krafttraining<br />
mit einer Übung, die einen höheren<br />
EMG-Input erzeugt, provoziert einen<br />
deutlich größeren Kraftzuwachs<br />
als Training mit einer Übung mit<br />
einem geringeren EMG-Input. Dieser<br />
für den Trainingserfolg entscheidende<br />
Sachverhalt konnte in mehreren<br />
Trainingsexperimenten wissenschaftlich<br />
nachgewiesen werden.<br />
Das Programm umfasst auf der<br />
Basis unserer Untersuchungen jeweils<br />
ausgewählte Komplexübungen<br />
für ein effektives Training mit und ohne<br />
Gerät.<br />
PD W.U. Boeckh-Behrens / Prof. Dr. W. Buskies<br />
1. Bauch & Hüftbeuger<br />
Beanspruchte Muskulatur: Gerader Bauchmuskel, innere und äußere schräge Bauchmuskeln, quere Bauchmuskeln, Hüftbeuger<br />
Beine heben im Hang oder im Stütz mit<br />
gestreckten, halb oder ganz gebeugten Beinen<br />
Übungsausführung<br />
Hinweis:<br />
Der starke Einsatz der Hüftbeuger führt<br />
zu einem starken Zug an der Lendenwirbelsäule;<br />
zusätzlich kann es zu einem<br />
Krampf des geraden Schenkelmuskels<br />
(M. rectus femoris) kommen. Deshalb ist<br />
die Variante mit gestreckten Beinen nur<br />
für sehr gut trainierte Personen möglich.<br />
m Heben Sie die Beine ohne Schwung bis etwa in die Waagerechte. Beginnen Sie entsprechend Ihrer<br />
Kraftfähigkeiten mit gestreckten, leicht bzw. stark gebeugten Beinen. Halten Sie diese Position, so lange<br />
Sie können, und beugen Sie die Beine immer stärker, wenn Sie ermüden.<br />
m Sie können dieses fast statische Training etwas dynamischer machen, indem Sie die Beine im Wechsel<br />
kontrolliert mit kleiner Bewegungsamplitude etwas absenken und wieder anheben.<br />
m Endkontraktionen, d.h. kleine Hebebewegungen der Beine in annähernd waagerechter Position mit Betonung<br />
der Beckenaufrichtung, erhöhen die Intensität weiter.<br />
m Vermeiden Sie Pressatmung, atmen Sie regelmäßig weiter.<br />
m Beinhebeübungen, bei denen der Rücken abgestützt wird, sind weniger intensiv und deshalb leichter<br />
auszuführen als Übungen mit freiem Rücken. Dies gilt sowohl für die gerade als auch für die schräge<br />
Bauchmuskulatur, besonders für den unteren Teil des geraden Bauchmuskels.<br />
m Bei allen Beinhebeübungen kommt es zu einem Einsatz der Hüftbeugemuskulatur, da die Beine angehoben<br />
werden und der Winkel im Hüftgelenk kleiner wird – Rumpf und Oberschenkel nähern sich an.<br />
Deshalb müssen für Personen mit Beschwerden im unteren Rücken, z.B. einem ausgeprägten Hohlkreuz<br />
oder stark verkürzten Hüftbeugern, einen Schwerpunkt des Krafttrainings auf die Gegenspieler<br />
(Antagonisten) der Bauchmuskeln und der Hüftbeuger legen. Dies sind der große Gesäßmuskel, der<br />
Rückenstrecker und die Muskulatur der Oberschenkelrückseite.<br />
Übungsausführung<br />
Käfer-Crunch<br />
m Ziehen Sie ein Bein maximal an die Brust und halten Sie das andere<br />
Bein gestreckt knapp über dem Boden schwebend. Zusätzlich führen Sie<br />
die Übung „Gerader Crunch, Arme gestreckt nach hinten“ aus. Die Intensität<br />
können Sie durch die Veränderung der Armhaltung (Arme seitlich am Kopf oder<br />
lang nach vorne gestreckt) verringern oder durch Endkontraktionen erhöhen.<br />
m In der Käfer-Crunch-Position beugen und strecken Sie nun die Beine langsam<br />
wechselseitig. Die Position mit langem Bein können Sie jeweils z.B. 5 bis 10<br />
Sekunden statisch halten, bevor Sie einen Beinwechsel durchführen.<br />
m Vermeiden Sie Pressatmung und atmen Sie regelmäßig weiter.<br />
trainer 2/2006 57
workout & science | krafttraining<br />
2. Oberer Rücken & Schultern<br />
Beanspruchte Muskulatur: Absteigender, quer verlaufender und aufsteigender Teil des Kapuzenmuskels, Rautenmuskeln, Deltamuskel – seitlicher und hinterer<br />
Anteil, gesamter Rückenstrecker im Bereich von Hals, Brust- und Lendenwirbelsäule Gerader Bauchmuskel, innere und äußere schräge Bauchmuskeln,<br />
quere Bauchmuskeln, Hüftbeuger<br />
Reverse Flys mit außenrotierten und 135°<br />
abgespreizten Armen in Bauchlage am Boden<br />
Übungsdurchführung<br />
m Legen Sie sich in Bauchlage auf eine Flachbank und fixieren Sie die Beine unter der<br />
Bank. Der Kopf liegt zur Erleichterung der Atmung frei in Verlängerung des Rumpfes.<br />
m Senken und heben Sie zwei leichte Kurzhanteln mit schräg nach vorne geführten, außenrotierten<br />
Armen, d.h., die Handflächen zeigen nach oben. Die Ellbogengelenke sind nahezu<br />
gestreckt.<br />
m Ziehen Sie die Schulterblätter kraftvoll zur Wirbelsäule.<br />
m Wenn Sie das Becken kippen und den Rumpf leicht anheben, trainieren Sie den unteren<br />
Anteil des Rückenstreckers sehr intensiv mit.<br />
m Endkontraktionen am Bewegungsendpunkt erhöhen die Aktivierung zusätzlich.<br />
Reverse Flys mit außenrotierten und 135°<br />
abgespreizten Armen in Bauchlage am Boden<br />
Übungsausführung<br />
m Heben Sie in Bauchlage die schräg nach vorne gestreckten Arme (Oberarm-<br />
Rumpf-Winkel ca. 135°) in den Schultergelenken nach oben rückwärts. Die<br />
Oberarme sind dabei außenrotiert, die Handflächen zeigen nach oben.<br />
m Halten Sie den Kopf in Verlängerung der Wirbelsäule (Kopf nicht in den Nacken<br />
nehmen) oder legen Sie die Stirn ab.<br />
m Endkontraktionen führen zu einer zusätzlichen Intensivierung.<br />
m Ziehen Sie die Schulterblätter kraftvoll zur Wirbelsäule.<br />
Rudern im Stand vorgebeugt mit Langoder<br />
SZ-Hantel (Reverse-Fly-Ausführung)<br />
Übungsausführung<br />
m Stellen Sie sich etwa schulterbreit mit leicht gebeugten Kniegelenken hin. Neigen Sie den<br />
Rumpf nach vorne, kippen Sie das Becken und halten Sie den Rücken gerade.<br />
m Sie können sich dabei um 25°, 45° oder 90° vorneigen. Bei geringer Beugung im Hüftgelenk<br />
intensivieren Sie das Training des oberen Teils des Trapezmuskels, bei stärkerer Hüftbeugung<br />
den mittleren Anteil des Trapezmuskels und den unteren Rückenstrecker.<br />
m Fassen Sie die Langhantel mit breitem Ristgriff, ziehen Sie die Hantel an die Brust (Ellbogen<br />
außen) und senken Sie sie anschließend kontrolliert wieder ab.<br />
m Endkontraktionen aktivieren die angesprochenen Muskeln zusätzlich.<br />
Vorsicht:<br />
Die Übung ist technisch anspruchsvoll<br />
und muss gewissenhaft erlernt werden,<br />
bevor mit schweren Gewichten trainiert<br />
wird. Zunächst muss die Beckenkippung<br />
(Hohlkreuz und gerader Rücken) exakt<br />
erlernt werden.<br />
58 trainer 2/2006
krafttraining | workout & science<br />
3. Untere Körperrückseite<br />
Beanspruchte Muskulatur: Großer Gesäßmuskel, Muskulatur der Oberschenkelrückseite (zweiköpfiger Schenkelmuskel, Halbsehnenund<br />
Plattsehnenmuskel), Rückenstrecker im Bereich der Lendenwirbelsäule<br />
Beinrückheben an der Beinbeugemaschine<br />
(Leg-Curl-Maschine) kombiniert mit Beinrückheben<br />
Übungsausführung<br />
m Legen Sie sich in Bauchlage auf die Maschine,<br />
so dass sich die Knie knapp unterhalb der<br />
Polsterung befinden. Da Beinbeugemaschinen<br />
nicht für eine Übungsausführung mit Anheben<br />
der Oberschenkel konstruiert sind (es gibt bisher<br />
leider noch keine optimale Maschinenkonstruktion),<br />
wählen Sie die Position der Fußpolster<br />
möglichst tief, so dass sie direkt auf den<br />
Fersen liegen. Bei der Übungsausführung verschiebt<br />
sich dabei das Polster nach vorne in<br />
die korrekte Position. Wenn es die Geräteeinstellung<br />
ermöglicht, sollten Sie die Bewegung<br />
mit leicht gebeugten Kniegelenken beginnen.<br />
m Heben Sie jetzt die Oberschenkel von der<br />
Unterlage ab (= Beinrückheben) und heben<br />
und senken Sie die Beine mit kleiner Bewegungsamplitude<br />
nahe am Bewegungsendpunkt<br />
(= Endkontraktionen).<br />
m Bei Personen mit schwacher unterer Rückenmuskulatur<br />
kann es zu Verspannungen oder<br />
Verkrampfungen in der unteren Rückenmuskulatur<br />
kommen. In diesem Fall sollte das Gewicht<br />
reduziert oder der untere Rückenstrecker<br />
zunächst mit weniger intensiven Übungen<br />
gekräftigt werden.<br />
m Die absolute Top-Übung für den unteren<br />
Rückenstrecker und den großen Gesäßmuskel<br />
ist das Beinrückheben mit gestreckten Beinen<br />
und Endkontraktionen.<br />
m Bei der Variante mit Anbeugen der Beine<br />
(Top-Übung für die Oberschenkelrückseite)<br />
werden die Beine bei abgehobenen Oberschenkeln<br />
im Wechsel bis maximal 90° im<br />
Kniegelenk gebeugt und fast wieder gestreckt,<br />
wobei die Oberschenkel die ganze<br />
Zeit abgehoben bleiben.<br />
Beinrückheben beidbeinig<br />
am Boden, Kniegelenke 90° gebeugt<br />
Übungsausführung<br />
m Legen Sie sich in Bauchlage auf den Boden, beugen Sie beide Beine im<br />
Kniegelenk um 90° und heben Sie die Oberschenkel maximal ab. Schieben<br />
Sie die Fußsohlen in Richtung Decke.<br />
m Wenn Sie die Kniegelenke mehr als 90° beugen, wird die Übung noch<br />
intensiver, insbesondere für die Muskulatur der Oberschenkelrückseite. Versuchen<br />
Sie das Hüftgelenk zu überstrecken. Kleine Schiebe- und Hubbewegungen<br />
(= Endkontraktionen) sind hoch wirksam. Das Gleiche gilt für<br />
Partnerwiderstand (Gegendruck) auf die Fußsohlen.<br />
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