Wirtschaftszeitung_28052018
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&LEBEN<br />
ELTÄRZTINNENBUND<br />
er Weltärztinnenbund wurde 1919 in New York gegründet. Damals durften<br />
rauen invielen Ländern nicht Medizin studieren. Deshalb kamen viele Frauen<br />
ndie USA. Doch das half nicht viel, weil beispielsweise indische Frauen trotz<br />
hres Studiums in ihrer Heimat nicht praktizieren durften. So entstand die Aufabe,<br />
sich gegenseitig zu unterstützen. Inzwischen gehören rund 90 Länder dau.<br />
Die Ziele sind geblieben. Der Bund ist ein Netzwerk, in dem sich Ärztinnen<br />
ustauschen und unterstützen. Zentrale Aufgaben sind unter anderem: Untertützung<br />
von Ärztinnen weltweit –beruflich wie persönlich –,Beteiligung an<br />
orschungsprogrammen zur globalen Gesundheit und geschlechtssensibler Meizin,<br />
Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Frauen und Kindern,<br />
erringerung von Gewalt gegen Frauen und Kindern durch Kampagnen und Inormation<br />
von Ärztinnen durch Lehrmaterialien, Stärkung von Maßnahmen zur<br />
ersorgung in humanitären Krisen und die Stärkung der Menschenrechte. pesa<br />
Bessere medizinische<br />
Versorgung und Struktur<br />
Für die Präsidentin des Weltärztinnenbundes ist die Zeit reif für Veränderungen.<br />
Ob in dünn besiedelten Landregionen<br />
in Mali oder im Münsterland:Als<br />
Präsidentin des Weltärztinnenbundes<br />
setzt sich Prof. Dr. Bettina Pfl<br />
eiderer<br />
für Lösungen gegen den Ärzteschwund<br />
und im Umgang mit demografischen<br />
Veränderungen ein. Mit<br />
finnischen Ärztinnen sprach sie Anfang<br />
Mai in Helsinki darüber, wie<br />
zum Beispiel Krankenschwestern in<br />
Lappland mit einer sehr geringen<br />
Arztdichte bei immobilen und älteren<br />
Patienten auf dem Land Blut abnehmen<br />
sowie Blutdruck messen<br />
und die Ergebnisse per Internet dem<br />
nächsterreichbaren Arzt übermitteln<br />
können.<br />
Auch das Programm des Kreises<br />
Steinfurt, junge Medizinstudenten<br />
mit Stipendien<br />
zu unterstützen,damit<br />
Aiese d nach dem Studium in<br />
Münster ihre Facharztausbildung im<br />
ländlich strukturiertenKreis Steinfurt absolvieren<br />
oder sich dort niederlassen, findet<br />
Pfl<br />
eiderer eine von vielen möglichen<br />
sehr guten Ideen, um dem drohenden<br />
Mangel an Hausärzten entgegenzuwirken.<br />
Lösungen für eine bessere medizinische<br />
Versorgung können für die Präsidentin<br />
des Weltärztinnenbundes nur im globalen<br />
Austausch gelöst werden. Ärztemangel<br />
ist nämlich kein deutsches Problem.<br />
Das gemeinsame Ziel ist klar definiert:<br />
21<br />
„Wir wollen nachhaltig kurz-, mittel- und<br />
langfristig die Arbeitsbedingungen für<br />
Ärztinnen verbessern und dann über die<br />
Ärztinnen die Lebensbedingungen von<br />
Frauen weltweit verbessern. Dabei geht<br />
es um Gewalt gegen Frauen und gegen<br />
Ärzte und Rettungskräfte ebenso wie<br />
zum Beispiel um Übergewicht und Diabetes.<br />
Die „Zivilisations-Krankheit“ Diabetesist<br />
in der ersten wie in der dritten Welt<br />
eine Folgestark einseitiger Ernährung. In<br />
Ghana sprach Prof. Pfl<br />
eiderer beispielsweise<br />
mit dem stellvertretendenGesundheitsministerübermögliche<br />
Präventionsansätze<br />
bei Diabetes: „Mit den Erfahrungen<br />
unseres globalen Ärztinnennetzwerkes<br />
können wir dort gut Unterstützung<br />
leisten.“<br />
Ein Thema, das alle 90 Mitgliedsländer<br />
des Weltärztinnenbundes verbindet, ist<br />
die dringend erforderliche Einstellung<br />
von mehr Ärztinnen. „Das erforderebessere<br />
Wertschätzung, angemessene Bezahlung<br />
und mehr Führungspositionen“,<br />
sagt Pfl<br />
eiderer.Dies sei wichtiger denn je,<br />
weil unter den studierenden Ärzten<br />
Frauen inzwischen 70 Prozent ausmachen<br />
(Erstsemester 65 Prozent). In zehn<br />
Jahren kommen mehr Ärztinnen als Ärzte<br />
neu in die Kliniken. „Wir müssen uns<br />
jetzt schon überlegen, was sich an den<br />
Strukturen ändern muss. Nicht die Frauen<br />
sind das Problem, sondern die Strukturen,<br />
die nicht zu ihnen passen.“ Denn<br />
viele Ärztinnen möchten gerne eine Familie<br />
haben und dann in Teilzeit arbeiten.<br />
Das sollte man ihnen ermöglichen –<br />
durch fl<br />
exiblere Arbeitszeiten. Das habe<br />
sich zum Beispiel in Skandinavien bewährt.<br />
„Eine Oberarztstelle kann man<br />
wunderbar in zwei Stellen aufteilen. Alles<br />
eine Frageder Organisation und Kommunikation.“<br />
Nötig seien zum Beispiel<br />
Überlappungszeiten, in denen ein Austausch<br />
stattfindet.<br />
Bettina Pfl<br />
eiderer warnt: „Wir verlieren<br />
gut ausgebildete Fachkräfte, wenn wir<br />
nicht das Arbeiten inden Kliniken ändern.“<br />
Die Patienten müssten sich daran<br />
gewöhnen, nicht jeden Tag den selben<br />
behandelnden Arzt zu sehen. Zudem sollte<br />
es bereits im Studium Angebote zur<br />
Karriereplanung geben. „Junge Ärztinnen<br />
brauchen auch Frauen in Führungspositionen<br />
als Vorbilder, an denen sie<br />
sich orientieren können.“ Auch die Facharztweiterbildung<br />
müsse fl<br />
exibler und<br />
praxisorientierter gestaltet werden.<br />
Eine weitereAufgabe wirdsein, ausländische<br />
Fachkräfte in das Gesundheitssystem<br />
zuintegrieren. „Der Weltärztinnenbund<br />
kann gut helfen, weil wir wissen,<br />
welche Bedürfnisse sowohl Behandler als<br />
auch Patienten aus anderen Kulturen haben.“<br />
Jetzt ist es für Ärztinnen eine sehr gute<br />
Zeit, etwas zu verändern“, sagt Pfl<br />
eiderer,<br />
„auch bei Teilzeitjobs. Denn: Ärztinnen<br />
werden gebraucht. Dadurch haben<br />
sie eine gute Ausgangslage, um zu verhandeln<br />
und Forderungen zu stellen.“<br />
Peter Sauer<br />
Osnabrücker Erfolgsmakler<br />
ab<br />
ch in der Moskauer Duma referierte Prof. Dr. Pfleiderer –auf dem Regionaltreffen der<br />
ltärztinnenverbandes Zentraleuropa.<br />
Foto: Kathuna Kaladasze<br />
500 Gene sind aktiv<br />
fleiderer: Frauen und Männer sind anders krank.<br />
Ab dem 1.Juni finden Sie uns an der<br />
Warendorfer Straße 60 in 48145 Münster<br />
binden Geschlechtsorganen,<br />
im Körperfett, den Muskeln<br />
oder der Haut: mindestens<br />
6500 Gene sind bei Frauen und<br />
Männern unterschiedlich akv.<br />
So eine Untersuchung des Weizmann Instite<br />
of Science (Israel). Ticken Frauen und<br />
ännereigentlich anders, wenn es um Krankeiten<br />
geht?<br />
in klares Ja kommt vonProf. Dr.Bettina Pfl<br />
eierer.<br />
Die Präsidentin des Weltärztinnenbunes<br />
arbeitet als Hirnforscherin. Als Leiterin<br />
er Arbeitsgruppe „Cognition &Gender“ am<br />
stitut für Klinische Radiologie an der Uni<br />
ünster weiß sie von Krankheiten, die unterhiedlich<br />
verlaufen können und die eine difrenzierte<br />
Behandlung erfordern – abseits<br />
er klassischen Lehrbücher: „Während Mäner<br />
beim Herzinfarkt meist typische Symptoehaben,<br />
zum Beispiel dass der Schmerz in<br />
en Arm ausstrahlt, können Frauen auch<br />
chmerzen im Kiefergelenk oder im Rücken<br />
aben. Da denkt man bei Frauen nicht gleich<br />
neinen Infarkt.“<br />
rauen können allgemein Infektionen besser<br />
bwehren –bis ihre Menopausebeginnt. Fraunspringenbesser<br />
auf Impfungen an. Männer<br />
mpfinden Schnupfen &Co. schlimmer, weil<br />
rImmunsystem nicht so stark ist. Autoimunerkrankungen<br />
wie Rheuma haben Frauen<br />
häufiger: „Frauen haben zwar eine geringere<br />
Schmerzempfindlichkeit, können aber besser<br />
damit umgehen“, sagt Pfl<br />
eiderer. „Vor allem,<br />
wenn sie schulpfl<br />
ichtige Kinder haben, wachsen<br />
sie über sich hinaus. Der Schmerz kommt<br />
meist erst nach der Versorgung der Kinder.“<br />
Burnout ist für Prof. Bettina Pfl<br />
eiderer etwas,<br />
„das meist eher mit Männern assoziiert ist“.<br />
„Eigentlich verbirgt sich oft darunter eine Depression.<br />
Männer beziehen es aber nur auf<br />
Stress bei der Arbeit. Ursachen und Symptome<br />
sind aber meist andere.“<br />
Grundsätzlich passen Frauen besser auf sich<br />
auf, gehenfrüher zum Arzt und berichten, wie<br />
sie sich fühlen. Das hilft sehr bei Diagnose und<br />
Therapie. Bei Männern ist es schwieriger: Im<br />
Durchschnitt gehen sie seltener zum Arzt, erzählen<br />
weniger von sich und betreiben weniger<br />
Vorsorge. Männer neigen sogar dazu, vor<br />
attraktiven Ärztinnen ihren Schmerz herunterzuspielen.<br />
Prof. Pfl<br />
eiderer ist eine Verfechterin der Prävention.<br />
Sie warnt davor, dass Männer oft unregelmäßig<br />
und erst sehr spät –oft nachdem<br />
sie Patientenforen oder andere Gesundheitsseiten<br />
im Internet durchforstet haben –zum<br />
Arzt gehen und Vorsorgeuntersuchungen gerne<br />
meiden. Die große Gefahr folgt auf dem<br />
Fuß: „Männer haben zum Beispiel eher einen<br />
plötzlichen Herzinfarkt.“ Peter Sauer<br />
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