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Kristallklar - Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung

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Wasserqualität<br />

Niemand kennt den <strong>Bodensee</strong> besser<br />

als sie: Seit über 90 Jahren beobachten<br />

und untersuchen die Exper -<br />

ten des Instituts für Seenforschung<br />

(ISF) der LUBW (Landesanstalt für<br />

Umwelt, Messungen und Natur -<br />

schutz Baden-Württemberg) in Lan -<br />

genargen den Zustand des Boden -<br />

sees, seiner Zuflüsse und der weiteren<br />

mehr als 4.000 natürlichen Seen<br />

in Baden-Württemberg.<br />

Sie schätzen zum Beispiel die Ge -<br />

fah ren ein, die die Uferzonen oder<br />

die Was ser qualität bedrohen, und<br />

un tersuchen das komplexe Öko sys -<br />

tem. Mit den von ihnen erhobenen<br />

Langzeit be obachtungen und durchgeführten<br />

Projekten liefern sie der<br />

Politik die Grundlage, um wichtige<br />

Entschei dun gen zu treffen wie zum<br />

Beispiel neue Gewässer schutz maß -<br />

nahmen.<br />

Das ISF wurde 1920 gegründet.<br />

Warum?<br />

Es gab damals einen „Verein für Seen -<br />

forschung und Seenbewirtschaf tung“;<br />

d.h. man hat sich zu dieser Zeit schon<br />

Gedanken gemacht, warum es jedes<br />

Jahr unterschiedliche Fanger ge bnisse<br />

gibt (ich kann Ihnen verraten, das weiß<br />

man bis heute nicht). Letzt endlich hoff-<br />

Sie wissen viel, aber kennen noch längst nicht alles<br />

Die Forscher in Langenargen sind die Hüter des <strong>Bodensee</strong>s<br />

Dr. Gerd Schröder<br />

Interview mit Dr. Gerd Schröder, Leiter des Instituts für Seenforschung (ISF) der LUBW<br />

te man sagen zu können, nächstes Jahr<br />

gibt es ein gutes Fisch jahr – oder<br />

nicht.<br />

Am Genfer See ist Professor Forel zu<br />

Beginn des letzten Jahrhunderts der<br />

Frage nachgegangen, wie funktioniert<br />

so ein See, welche Strömungen treten<br />

auf, welche Nahrungsketten sind vorhanden,<br />

wie ist alles miteinander verwoben.<br />

Das wollte man auch am Bo -<br />

densee haben.<br />

Welche Themen standen am Anfang<br />

im Mittelpunkt?<br />

Das Thema Umweltschutz war zu -<br />

nächst überhaupt kein Thema. Der<br />

<strong>Bodensee</strong> war in den ersten Jahr zehn -<br />

ten nach Gründung des Instituts, was<br />

den Nährstoffgehalt angeht, ex trem<br />

nähr stoffarm. Im Gegenteil, das Ins ti -<br />

tut hat sich sogar Gedanken gemacht,<br />

wie man den See düngen könnte. Der<br />

Münchener Wissenschaftler Professor<br />

Demoll machte den ernst gemeinten<br />

Vorschlag, spezielle Düngeschiffe zu<br />

konstruieren, um Gülle aufzunehmen,<br />

und den See damit zu düngen.<br />

Man wusste allerdings damals schon<br />

sehr wohl, dass ein Bestandteil der<br />

Gül le, also im Wesentlichen der Phos -<br />

phor, für das Wachstum der Algen ein<br />

wichtiger Faktor ist. Nur hat man das<br />

damals anders gesehen und gesagt,<br />

man will dem See was Gutes tun.<br />

Wenn es mehr Algen gibt, dann gibt’s<br />

mehr Wasserflöhe, und dann gibt’s<br />

mehr Fische. Durch die zunehmende<br />

Besiedlung kam es tatsächlich zu einer<br />

Überdüngung des Sees, was ja in der<br />

Nachkriegsphase diese großen Proble -<br />

me bereitet hat. Was damals als positiver<br />

Impuls gedacht worden war, kam<br />

dann als schlechte Geschichte tatsächlich<br />

auf den See zu.<br />

Wie sieht die Bilanz nach 90<br />

Jahren Bestehen des Instituts aus?<br />

Wir haben mitgewirkt, diesen See zu<br />

erforschen und zu erkunden. Er gilt als<br />

einer der am besten untersuchten<br />

Seen, die wir kennen. Wir können auch<br />

vieles aus den Langzeituntersu chun -<br />

gen nutzen. Wir haben zum Beispiel<br />

ein kleines Projekt, bei dem wir die<br />

nächsten drei Jahren modellieren<br />

möch ten: Was passiert, wenn es tatsächlich<br />

zu weiteren Erwärmungen<br />

kommt? Dabei können wir auf Lang -<br />

zeitdaten zurückgreifen, die uns helfen,<br />

so etwas einigermaßen realistisch<br />

zu berechnen. Noch etwas schwierig<br />

ist es, die Ergebnisse einzuordnen.<br />

Welche Auffälligkeiten gibt es<br />

im Zeitraum dieser 90 Jahre?<br />

Was man auf jeden Fall sagen kann,<br />

ist, dass sich das Seewasser ähnlich<br />

wie auch die Luft erwärmt, aber nicht<br />

ganz so stark. Wir haben nur 0,03 Grad<br />

pro Jahr für die vergangenen vier<br />

Jahr zehnte gemessen, aber wir haben<br />

festgestellt, dass das sowohl an der<br />

Oberfläche als auch im Tiefenbereich<br />

stattfindet. Das sagt natürlich noch<br />

nichts über die Ursachen.<br />

Ebenfalls lässt sich feststellen, dass seit<br />

etwa 20 Jah ren der <strong>Bodensee</strong> immer<br />

weniger die jährliche Durchmischung<br />

schafft. Nor malerweise wird einmal im<br />

Jahr das Wasser so kalt, dass es im<br />

Frühjahr zu einem Temperaturaus gleich<br />

kommt und kaltes, sauerstoffreiches<br />

Ober flä chenwasser nach unten abtauchen<br />

kann. Wichtig dabei ist, dass<br />

auch in den tiefen Schichten im See<br />

Sauer stoff ankommt. Genau dies funktioniert<br />

seit Jahren nicht mehr alljährlich,<br />

oder aber der Austausch findet<br />

nur unvollständig bis zu einer Was -<br />

sertiefe von 150 bis 200 Metern statt.<br />

Müssen wir uns wegen der<br />

Arzneimittelrückstände im Wasser<br />

Sorgen machen?<br />

Der Arzneimittelverbrauch steigt leider<br />

immer noch, was auch nicht weiter<br />

verwundert. Die Menschen werden äl -<br />

ter, und mit zunehmendem Alter kommen<br />

gesundheitliche Probleme, die mit<br />

Arzneimitteln sehr gut behandelbar<br />

sind. An die Umwelt wird da leider noch<br />

wenig gedacht.<br />

Wir wissen, dass es Stoffe gibt, die sich<br />

auf Organismen auswirken, und wir<br />

wissen auch, dass die da sind. Baden-<br />

Württemberg hat sich entschieden,<br />

ei nige Kläranlagen mit zusätzlichen Aktiv<br />

kohlefiltern auszustatten, um die se<br />

Stoffe aus dem Wasser herauszuholen.<br />

Wir müssen sehen, was wir da mit erreichen<br />

können.<br />

Was sind die wichtigsten Themen<br />

für die Zukunft?<br />

Ich denke, der Klimawandel bleibt uns<br />

erhalten. Ich denke auch, dass die Öko -<br />

toxikologie-Effekte, also z.B. langzeitige<br />

Auswirkungen von anthropogenen<br />

Spurenstoffen auf die Biosphä re<br />

und damit letztendlich auch auf den<br />

Menschen, uns sehr beschäftigen werden.<br />

Hinzu kommen die Strukturprobleme,<br />

die der <strong>Bodensee</strong> hat. Über die Hälfte<br />

des Ufers ist vom Menschen überformt,<br />

also naturfern. Wenn Sie sich<br />

zum Beispiel ein Ufer im Bereich unserer<br />

Städte und Ortschaften ansehen,<br />

da haben Sie nicht nur Häfen, da gibt<br />

es auch z.T. großflächige Beton ram -<br />

pen. Sie haben alles Mögliche dort,<br />

nur keinen ursprünglichen Pflan zen -<br />

bestand und kein natürliches Ufer mit<br />

Durchgängigkeit. Dadurch haben beispielsweise<br />

Amphibien, die sowohl an<br />

Land als auch im Wasser sind, keinen<br />

Lebensraum mehr. Wir Menschen ha -<br />

ben da schon sehr viel verändert –<br />

wahrscheinlich nicht immer positiv.<br />

6 <strong>Bodensee</strong>-<strong>Wasserversorgung</strong> · <strong>Kristallklar</strong> 2012 · Heft 105<br />

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