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Wirtschaft<br />
Noch ist es Zukunftsmusik:<br />
per Chat oder Videoanruf mit einem Doktor reden,<br />
ohne vorher in einem Wartezimmer sitzen zu müssen.<br />
Telemedizin: mehr<br />
als der Chat mit dem Doktor<br />
Kompetenzzentrum hat in Mittelhessen<br />
die Arbeit aufgenommen<br />
von Manfred Günther<br />
Für die einen ist es ein Traum, für die anderen noch ein<br />
Alptraum - aber für viele ein Thema: Telemedizin. Morgens<br />
ganz bequem vom Bett aus per Chat oder Videoanruf<br />
mit einem Doktor reden, ohne vorher in einem<br />
Wartezimmer zwischen schniefenden Nasen und hustenden<br />
Menschen ausharren zu müssen.<br />
Klar sei, dass die Telemedizin nicht den persönlichen<br />
Kontakt ersetzen werde, betonen Befürworter wie Bundesgesundheitsminister<br />
Jens Spahn, der in diesen Tagen<br />
noch einmal erklärt hat, das Verbot für Fernbehandlung<br />
von Ärzten aufheben zu wollen und als<br />
Hauptgrund dafür nennt, „den Alltag vieler Menschen<br />
leichter machen zu wollen“. Dabei verwies er auf Studien,<br />
denen zufolge 50 bis 70 Prozent der Arztbesuche<br />
einfache Rück- und Klärungsfragen sind. „Die kann<br />
man natürlich auch digital machen, durch eine Onlinesprechstunde.“<br />
Klar sei auch, dass bei Telemedizin und E-Health, wie<br />
der Einsatz digitaler Technologien im Gesundheits-<br />
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wesen im Fachjargon heißt, der Datenschutz gewährleistet<br />
sein muss, wie Markus Büttner, Pressesprecher<br />
des hessischen Gesundheitsministeriums, betont. Das<br />
Land Hessen hat vor kurzem gemeinsam mit der Technischen<br />
Hochschule Mittelhessen und der Justus-Liebig-Universität<br />
Gießen das landesweite Kompetenzzentrum<br />
für Telemedizin und E-Health vorgestellt, bei dem<br />
künftig Projekte und Ideen für innovative telemedizinische<br />
Lösungen gebündelt werden.<br />
Das Kompetenzzentrum bietet eine kostenfreie Beratung<br />
bei der Implementierung von neuen telemedizinischen<br />
und E-Health-Lösungen an. Themenschwerpunkte<br />
der Beratung sind Datenschutz und -sicherheit,<br />
technische Standards sowie die intersektorale Kommunikation.<br />
Wesentlich dabei sei, dass die Akteure im Gesundheitswesen<br />
zum Wohle des Patienten besser miteinander<br />
kommunizieren, die sensiblen Patientendaten<br />
und medizinischen Befunddateien sicher und zuverlässig<br />
untereinander einsehen und austauschen können,<br />
„so wie es durch die neue EU-Datenschutzgrundverordnung<br />
gefordert wird“, betonte Hessens Gesundheitsminister<br />
Stefan Grüttner.<br />
Bei der Vorstellung des Kompetenzzentrums wurde<br />
auch aufgezeigt, dass Telemedizin weit mehr als ein<br />
Chat mit dem Doktor ist: So müssen Notfallsanitäter<br />
und Rettungssanitäter künftig nicht kostbare Minuten<br />
darauf warten, dass der Notarzt zu ihnen kommt.<br />
Mittels eines Übertragungssystems im Rettungswagen<br />
(RTW) können sie Kontakt zu einem diensthabenden<br />
Kardiologen herstellen, der sich über eine im<br />
RTW eingebaute Kamera in Echtzeit über das Befinden<br />
und die Befunde des Patienten selbst informieren<br />
kann. Er kann das EKG sofort befunden, künftig sogar<br />
eine von den Notfallsanitätern durchgeführte Sonografie,<br />
und entsprechend das Katheterlabor über den<br />
Notfallpatienten informieren, damit für dessen Klinkankunft<br />
alles vorbereitet ist. Zudem kann er das Rettungsteam<br />
anweisen, weitere Medikamente zu geben,<br />
die beispielsweise nicht ausdrücklich für Notfallsanitäter<br />
freigegeben sind. Alles in allem kommt beispielsweise<br />
der Infarktpatient mindestens zehn Minuten, unter<br />
Umständen aber auch fast eine halbe Stunde früher<br />
gut versorgt direkt im Herzkatheterlabor der Klinik an.<br />
Foto: Matthias Stolt - stock.adobe.com