Erfolgsfaktor Kommunikation - Professur Wirtschaftsinformatik, insb ...
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<strong>Erfolgsfaktor</strong> <strong>Kommunikation</strong> –<br />
Theoretische Erkenntnisse<br />
zur Mediennutzung in Projektteams<br />
Dipl.-Medienwirt (FH) Andreas M. Carjell<br />
FH Schmalkalden, 98574 Schmalkalden, Fakultät Informatik, a.carjell@fh-sm.de<br />
Zusammenfassung<br />
<strong>Kommunikation</strong>, ob Face-to-Face oder medienvermittelt, ist fester Bestandteil<br />
jeder Projektbearbeitung. Die Medienwahl wird dabei in der Praxis oft den vorliegenden<br />
Rahmenbedingungen überlassen und der erfolgswirksame Beitrag des<br />
<strong>Kommunikation</strong>smediums nicht differenziert betrachtet. Die vorliegende Untersuchung<br />
wendet mittels systemtheoretischer Grundlagen und psychologischer Erkenntnisse<br />
der Kleingruppen- und Organisationsforschung existierende Modelle<br />
der Medienpassung auf die spezielle Situation in Projektteams an.<br />
Die aufgestellten Hypothesen werden anschließend mittels des anerkannten deduktiv-nomologischen<br />
Modells (DN-Modell) validiert. Die theoriegeleitet gewonnen<br />
Erkenntnisse zeigen, dass eine angepasste Medienwahl in Projekten als erfolgswirksamer<br />
Beitrag zur Erreichung des Gesamtziels anzusehen ist. Dabei werden<br />
die Aspekte der Komplexität, Zielklarheit und des <strong>Kommunikation</strong>saufwandes im<br />
Bezug zur Medienpassung untersucht.<br />
Im Anschluss folgen erste Implikationen für die Praxis des Projektmanagements<br />
sowie die Formulierung notwendiger Rahmenbedingungen zur empirischen Prüfung<br />
der aufgestellten Hypothesen. Unter Einbeziehung von Erkenntnissen der<br />
Kleingruppenforschung wird dabei der mögliche Erklärungsbeitrag und die hohe<br />
Relevanz des Themas für die Forschung ebenso analysiert, wie der mögliche Nutzen<br />
der angestrebten Untersuchungsergebnisse für die Praxis.<br />
1 Einleitung<br />
Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, Kooperation und Konfliktbewältigung<br />
innerhalb von Teams ist gute <strong>Kommunikation</strong> unerlässlich. In Projekten kann dabei<br />
vereinfacht der wirksame Austausch von Informationen1 zwischen den Projektbeteiligten<br />
bzw. den relevanten Projektumfeldgruppen verstanden werden. Die Bedeutung<br />
des Faktors <strong>Kommunikation</strong> für den Erfolg von Projekten sowie Projektmanagern<br />
ist vielfach in der Literatur und Forschung belegt. Sie hat seit Jahren<br />
1 Vgl. HOMBERG (2005), PATZAK / RATTAY (2009) u. a.<br />
Fachhochschule Schmalkalden 25
einen festen Platz im Rahmen der Projektmanagementausbildung.2 Die Herleitungen,<br />
Empfehlungen oder Schlussfolgerungen der Autoren zur Wahrung hochwertiger<br />
<strong>Kommunikation</strong> ähneln sich dabei vielfach. Zumeist wird eine auf Basis klassischer<br />
<strong>Kommunikation</strong>smodelle3 entwickelte Forderung nach „nützlicher“ also<br />
aufgabenangemessener, „klarer“ und „zeitgerechter“4 <strong>Kommunikation</strong> erhoben.5<br />
In der Projektrealität überlagern allerdings eine Reihe von nicht sachlich zu begründen<br />
Faktoren die optimale Entscheidung für eine angemessene <strong>Kommunikation</strong>sform.<br />
Aus Kostengründen werden persönliche Gespräche durch Video- oder<br />
Telefonkonferenzen ersetzt. Terminkonflikte führen zur Wahl asynchroner Medien,<br />
vorzugsweise E-Mail, an Stelle der synchronen <strong>Kommunikation</strong>, etwa in Form<br />
des Telefongesprächs.<br />
Aus projektpolitischen Gründen werden zahlreiche Meetings vorgesehen, obwohl<br />
diese oder die Anzahl der Beteiligten zur Realisierung des Projektgegenstandes gar<br />
nicht erforderlich oder sogar hinderlich sind etc. Die nachfolgende Untersuchung<br />
trägt dazu bei, diese Diskrepanz zwischen praktizierter Projektrealität und wissenschaftlichem<br />
Idealbild der <strong>Kommunikation</strong> in Teams zu reduzieren. Ziel ist es,<br />
Projektmanagern und -teams nicht nur theoretisch fundierte Empfehlungen zu<br />
geben, sondern die <strong>Kommunikation</strong>splanung und bewusste Steuerung durch realitätsnahe<br />
Betrachtungen und praxisrelevante Ergebnisse zu ergänzen.<br />
Zu diesem Zweck wurde für den vorliegenden Beitrag eine besonders relevante<br />
Forschungsfrage isoliert. Gezeigt wird, welchen Einfluss die medienvermittelte<br />
<strong>Kommunikation</strong> auf die Ergebnisqualität typischer Projektaufgaben und die <strong>Kommunikation</strong><br />
innerhalb des Teams hat. Dazu werden drei Hypothesen theoriegeleitet<br />
erarbeitet und mittels des deduktiv-nomologischen Modells wissenschaftstheoretisch<br />
überprüft. Neben ersten Erkenntnissen zur formulierten Fragestellung erfolgt<br />
eine Evaluierung, inwiefern die eingesetzten Hypothesen sowie Randbedingungen<br />
geeignet sind, den Untersuchungsgegenstand zu erklären. Abschließend wird auf<br />
Basis der neu gewonnenen Erkenntnisse ein Untersuchungsmodell zur empirischen<br />
Prüfung der Hypothesen entwickelt und die Relevanz der zu erwartenden Ergebnisse<br />
für Praxis und Forschung evaluiert.<br />
2 Vgl. LECHLER (1997), JENNY (2001), HOBEL / SCHÜTTE (2006), FREITAG / MÜLLER /<br />
RUSCH (2011) u. a.<br />
3 Im Besonderen sind hier WATZLAWICK und SCHULZ VON THUN zu nennen.<br />
4 PATZAK / RATTAY (2009)<br />
5 Empfohlen wird dabei zumeist, das jeweilige <strong>Kommunikation</strong>smedium bzw. die <strong>Kommunikation</strong>sform<br />
dem <strong>Kommunikation</strong>szweck anzupassen.<br />
26 Tag der Forschung 2012
Projektkommunikation und Medienwahl<br />
Projektkommunikation geht über den reinen Informationsaustausch hinaus und<br />
bedingt ein interaktives <strong>Kommunikation</strong>sverständnis.6Sie beschreibt damit nicht<br />
nur Projektberichtswege und –formen, sondern stellt einen elementaren Bestandteil<br />
der Zusammenarbeit dar. Eine solche <strong>Kommunikation</strong> erfordert neben der reinen<br />
Informationsübertragung zwischen Sender und Empfänger auch (mindestens) einen<br />
Rückkanal und die Möglichkeit der direkten sowie indirekten Einflussnahme der<br />
Beteiligten auf den <strong>Kommunikation</strong>sprozess oder den jeweiligen Gegenpart. Vereinfacht<br />
lässt sich darunter die Fähigkeit verstehen, nonverbale Elemente im Rahmen<br />
der Projektkommunikation zu integrieren und deren Bedeutungsgehalt im<br />
Sinne der jeweiligen Projektsituation zu nutzen.<br />
Zur Bestimmung des für eine Aufgabe optimalen Mediums werden zunächst Modelle<br />
benötigt, mit deren Hilfe eine Beschreibung des Verhältnisses von Aufgaben<br />
und Medien möglich ist. Eine solche Modellierung übernimmt das Task-Media-Fit<br />
Model von MCGRATH / HOLINGSHEAD.7 Die Autoren gehen dabei von der Annahme<br />
aus, dass ein Medium umso besser zum Lösen einer Aufgabe geeignet ist, je<br />
genauer es die zur Erfüllung der Aufgabe erforderliche Informationsvielfalt bzw. –<br />
reduktion ermöglicht. Stellt ein Medium zu viel oder zu wenig aufgabenbezogene<br />
Informationen bereit, so liegt eine schlechte Passung vor. DÖRING betrachtet das<br />
Verhältnis von <strong>Kommunikation</strong>saufgabe und Medium aus Sicht der Kleingruppenforschung<br />
und zeigt, dass etwa reichhaltige Medien für Verhandlungen und Diskussionen<br />
besonders geeignet sind und weniger reichhaltige Formen eher dem<br />
reinen Informationsaustausch dienen. Es lassen sich somit die folgenden zwei<br />
Hypothesen8 für die vorliegende Untersuchung ableiten:<br />
H1: Je komplexer eine zu bearbeitende Aufgabe empfunden wird, umso mehr tragen<br />
reichhaltige Medien zur Ergebnisqualität bei.<br />
H2: Je ähnlicher die Ansichten und klarer die Ziele einer Aufgabe sind, umso mehr<br />
tragen ökonomisch gewählte Medien zur Ergebnisqualität bei.<br />
Besonders interessant ist die Untersuchung dieser beiden Hypothesen auch vor<br />
dem Hintergrund aktueller Forschungsergebnisse von UNKELS, welche zeigen, dass<br />
durch eine Steigerung der Heterogenität von Teams auch der Erwartungswert der<br />
Performance steigt. Zudem wird das Verhältnis zwischen Heterogenitätsänderung<br />
6 Vgl. MILSZUS / ROHWEDDER (2008).<br />
7 Vgl. MCGRATH / HOLLINGSHEAD (1994). Das Modell seinerseits beruht auf der Media<br />
RichnessTheory von DRAFT / LENGEL (1984, 1986).<br />
8 Zur Interpretation der den Hypothesen zugrundeliegenden Modellinterpretation vgl.<br />
auch HERTEL / ORLIKOWSKI (2009).<br />
Fachhochschule Schmalkalden 27
und Performanceänderung in dieser Studie durch die Aufgabenkomplexität positiv<br />
beeinflusst.9<br />
Die bislang vorliegenden Forschungsergebnisse zur Bestätigung des Task-Media-<br />
Fit Model sind allerdings widersprüchlich.10 So bleibt bei der reinen Aufgabenorientierung<br />
als Entscheidungskriterium der Medienwahl - <strong>insb</strong>. der Einfluss gruppendynamischer<br />
Prozesse - unberücksichtigt. In einem alternativen Ansatz treffen<br />
daher DENNIS / VALACICH eine Unterscheidung zwischen Gruppen die bereits<br />
etabliert sind und solchen, die erst neu zusammengetroffen sind.11 Auf vergleichbaren<br />
Annahmen basiert auch das Medien-Kompensationsmodell von REITHMÜLLER<br />
und BOSS. Es umschreibt, dass die Nutzung eines Mediums mit niedriger Passung<br />
durch ein geeignetes <strong>Kommunikation</strong>sverhalten kompensiert werden kann12, was<br />
das besondere Interesse zur Untersuchung von <strong>Kommunikation</strong>sformen mit ähnlicher<br />
Passung in neu gebildeten Teams unterstreicht. Die mögliche Wirkung der<br />
Medienwahl ist auch aus Sicht der Kleingruppenforschung interessant, da hier<br />
sowohl für geringe als auch starke gegenseitige Abhängigkeit in Teams ein positiver<br />
Zusammenhang zur Leistung konzeptioneller Aufgaben bereits nachgewiesen<br />
werden konnte.13 STEWART / BARRICK führen dies auf die moderierende Rolle von<br />
Prozessen innerhalb der betrachteten Kleingruppen zurück. Es lässt sich eine dritte<br />
Hypothese ableiten:<br />
H3: Ist die Aufgaben- / Medienpassung gering, so steigt der <strong>Kommunikation</strong>saufwand<br />
zur Erreichung gleichwertiger Ergebnisse.<br />
2 Gültigkeit der aufgestellten Hypothesen<br />
Werden die zuvor aufgestellten Hypothesen gemäß dem deduktiv-nomologischen<br />
Modell als Explanandum, also zu erklärender Sachverhalt aufgefasst, so ist für<br />
deren theoretische Prüfung zu zeigen, aus welchen allgemeinen Gesetzesaussagen<br />
und empirischen Randbedingungen sich diese herleiten lassen.14 Für H1 ist folglich<br />
zunächst zu belegen, inwiefern Projektaufgaben überhaupt dem Merkmal der<br />
Komplexität genügen, was als Randbedingung für die aufgestellte Hypothese zu<br />
sehen ist. Komplexität im systemtheoretischen Kontext bedeutet vor allem, dass es<br />
„in einem System immer mehr Möglichkeiten gibt, als durch <strong>Kommunikation</strong> und<br />
9 Vgl. Unkels (2011), S. 112.<br />
10 Vgl. BOSS / KAI (2008).<br />
11 Vgl. DENNIS / VALACICH (1999).<br />
12 Vgl. REITHMÜLLER / BOSS (2011).<br />
13 Vgl. STEWART / BARRICK (2000), S. 144 für eine detaillierte Erklärung sowie die dort<br />
verzeichneten, vorangegangenen Studien anderer Autoren aus den 90er Jahren zum<br />
grundsätzlichen Nachweis des Zusammenhangs.<br />
14 Vgl. HEMPEL (1984) sowie DIEKMANN (2009).<br />
28 Tag der Forschung 2012
psychische Systeme, die Individuen, jeweils aktualisiert werden können“15. Für<br />
Projekte ist dies per Definition gegeben, denn das Wesen der Projektarbeit besteht<br />
darin, Komplexität im Sinne von alternativen Handlungsmöglichkeiten so lange zu<br />
reduzieren, bis das Endergebnis (Projektziel) erreicht ist. Dabei ist zum Projektstart,<br />
<strong>insb</strong>. auf Grund der Erst- oder Einmaligkeit der zu lösenden Gesamtaufgabe,<br />
der tatsächliche Weg der Komplexitätsreduktion nur begrenzt vorhersagbar. Dies<br />
erfordert den Einsatz des Projektmanagements und seiner Methoden. Die Randbedingung<br />
zur H1 ist damit als gegeben zu betrachten.<br />
Um H1 vollständig zu prüfen, müssten ferner reichhaltige Medien eher geeignet<br />
sein, zur Ergebnisqualität beizutragen, als weniger reichhaltige. Die Reichhaltigkeit<br />
eines Mediums wird bestimmt durch die Zahl der <strong>Kommunikation</strong>skanäle und<br />
die Unmittelbarkeit des Feedbacks. Im betrachteten Kontext kann, wie zuvor gezeigt<br />
wurde, die Ergebnisqualität auch als Eignung aufgefasst werden, Komplexität<br />
effizient zu reduzieren. Wichtigstes Werkzeug der Komplexitätsreduktion ist die<br />
<strong>Kommunikation</strong>16, die hier als dreistufiger Selektionsprozess aus Information<br />
(Selektion von Möglichkeiten), Mitteilung und Verstehen17 zu betrachten ist. Es<br />
werden Daten aus der Umwelt aufgegriffen, durch Wahrnehmungs- und Interpretationsprozesse<br />
in Informationen umgewandelt und letztlich in einen Projektzusammenhang<br />
gestellt. Damit entsteht Wissen, welches zur Reduzierung der vorliegenden<br />
Komplexität geeignet ist.18<br />
Grundvoraussetzung für einen effizienten Prozess ist damit die Aufnahme möglichst<br />
differenzierter, vielfältiger Informationen, was durch reichhaltigere Medien<br />
begünstigt wird. H1 kann entsprechend als mögliche Erklärung19 im Weiteren<br />
verwendet werden. Herrscht relative Zielklarheit im Sinne der 2. Hypothese über<br />
eine zu erfüllende Aufgabe, so ist davon auszugehen, dass bereits eine erfolgreiche<br />
Komplexitätsreduktion stattgefunden hat. Möglichkeiten dafür sind Prozesse innerhalb<br />
von etablierten Teams, Management-Werkzeuge der Zieldefinition etc.<br />
Alternativ kann auch eine andere Form des impliziten Lernprozesses im Vorfeld<br />
dazu beigetragen haben, dieses gemeinsame Verständnis zu ermöglichen (Grundvoraussetzung).<br />
Die Ergebnisqualität wird dann durch Aspekte wie Zeitmanagement,<br />
das Ausmaß ungeplanter Störungen, den Aufwand für Nebentätigkeiten, wie<br />
15 LADEUR (2011), o. S.<br />
16 GÄRTNER (2008), o. S.<br />
17 Vgl. KNEER / NASSEHI (2000).<br />
18 Vgl. zum hier verwendeten <strong>Kommunikation</strong>sprozess als Basis der Komplexitätsreduktion<br />
in Organisationen auch WEHLING (2007), S. 45ff.<br />
19 In Anlehnung an HEMPEL (1977) wird in diesem Beitrag im Rahmen der Anwendung<br />
des DN-Modells von „potentiellen“ oder „möglichen“ Erklärungen gesprochen, da der<br />
empirische Bestätigungsgrad der Hypothesen noch weitgehend unklar ist. Vgl. hierzu<br />
<strong>insb</strong>. SCHNELL / HILL / ESSER (2008), S. 59f.<br />
Fachhochschule Schmalkalden 29
etwa die Dokumentation, persönliche Präferenzen, Symbolwirkung von Medien<br />
oder soziale / emotionale Störeinflüsse bei der Einschätzung von Information bedingt.20<br />
Dies belegt den Einfluss der ökonomischen Medienwahl in diesem Kontext.<br />
Auch H2 kann somit als mögliche Erklärung im Weiteren verwendet werden.<br />
Für H3 ist als Grundvoraussetzung zu belegen, dass eine geringe Aufgaben-/ Medienpassung<br />
zu erhöhtem <strong>Kommunikation</strong>saufwand führt. Wenn auch noch nicht<br />
vollständig gesichert, so kann doch der Grundansatz des Modells von RIETHMÜL-<br />
LER und BOSS als möglicher Beleg angesehen werden. Ihr Modell berücksichtigt<br />
das Gruppenverhalten zur Kompensation schlechter Passungen, zeigt allerdings<br />
nicht klar, ob dies auch als erhöhter Aufwand für die kommunizierende Gruppe zu<br />
betrachten ist. Dafür liefert das hier im Rahmen der Prüfung zu H1 vorgestellt<br />
<strong>Kommunikation</strong>smodell den weiterführenden Nachweis. Soll bei schlechter Passung<br />
die gleiche Informationsaufnahme- und Verarbeitungsqualität erreicht werden,<br />
so ist etwa eine geringere Kanalanzahl nur durch eine größere Menge der<br />
aufgenommenen Informationen zu kompensieren. Ähnliches gilt für den Ausgleich<br />
von weniger unmittelbarem Feedback, welches ebenfalls durch erhöhte Anstrengungen<br />
(Absicherung, Nachfragen, Zeitverlust etc.) ausgeglichen werden muss.<br />
Sollen demnach gleichwertige Ergebnisse unterschiedlicher Medienpassungen<br />
erreicht werden, so kann für die schlechtere Passung der erhöhte Aufwand als<br />
gegeben angenommen werden. Auch H3 ist daher als mögliche Erklärung im Weiteren<br />
geeignet.<br />
3 Modell zur empirischen Prüfung der Hypothesen<br />
Wie gezeigt wurde, lassen sich alle drei aufgestellten Hypothesen aus den vorliegenden<br />
Rahmenbedingungen und implizit formulierten Kontexthypothesen logisch<br />
ableiten. Sie können damit als Explanandum wissenschaftlich weiter verwendet<br />
und im nächsten Schritt einer empirischen Prüfung unterzogen werden. Zur empirischen<br />
Prüfung der Hypothesen wird ein psychologisch fundierter Laborversuch als<br />
adäquates Mittel erachtet. Dabei ist ein Vergleich der Medien- bzw. <strong>Kommunikation</strong>sformen<br />
der Face-to-Face- und Videokonferenz besonders interessant. Beide<br />
Formen lassen sich in beiden eingangs beschriebenen Modellen ähnlich einordnen<br />
und sollten daher zunächst als betrachtete Varianten bzw. Ausprägungen der variierten<br />
Variable, die im Untersuchungsverlauf verändert und deren Einfluss auf die<br />
erklärten Variablen „Ergebnisqualität“ und „<strong>Kommunikation</strong>squalität“ innerhalb<br />
des Projektes betrachtet wird, verwendet werden. Um den störenden Einfluss gruppendynamischer<br />
Prozesse zu minimieren oder zumindest zufällig zu verteilen, ist<br />
außerdem die Projekterfahrung bzw. der Ausbildungsstand der Probanden zu ermitteln.<br />
Dies kann mittels Fragebogen erfolgen und sollte <strong>insb</strong>. durch eine zufalls-<br />
20 Vgl. HERTEL / ORLIKOWSKI (2009), S. 332f sowie die dort referenzierten Quellen / Verweise.<br />
30 Tag der Forschung 2012
asierte Zuordnung der Teilnehmer zur Untersuchungs- und Kontrollgruppe sichergestellt<br />
werden.21<br />
Die Aufgabenstellung beider Versuchsgruppen ist identisch zu halten und sollte<br />
typische Projektaufgaben, deren Charakter für die Probanden als neuartig und<br />
damit potentiell komplex, eingestuft werden kann, enthalten. Zur Sicherstellung<br />
des Projektcharakters sind außerdem vorgegeben Rahmenbedingungen, etwa Zeit-<br />
und Budgetrestriktionen, zu schaffen und die gestellte Aufgabe muss Teamarbeit<br />
als notwendiges Mittel zur Lösung einer Gesamtaufgabe erfordern.<br />
Die Erkenntnisse aus einer solchen Prüfung lassen eine theoretisch fundierte, praxisrelevante<br />
Übertragung der bisherigen, allgemeinen Ergebnisse der Mediennutzungs-<br />
sowie Kleingruppenforschung auf die spezielle Situation in Projektteams<br />
erwarten. Für die <strong>Wirtschaftsinformatik</strong> kann damit die Grundlage für Empfehlungen<br />
und Entwicklungen technischer Hilfsmittel der Projektkommunikation<br />
geschaffen werden.<br />
4 Implikationen für Wissenschaft und Praxis<br />
Die im vorliegenden Beitrag theoriegeleitet gewonnene Erkenntnisse belegen die<br />
auch aus anderen Untersuchungen und Managementkontexten bereits bekannte<br />
hohe Relevanz des Managements der Themenbereiche „Komplexität“, „Zieldefinition“<br />
und „angepasste Medienwahl“ für den speziellen Bereich der Projektkommunikation.<br />
Nach den vorliegenden Ergebnissen ist zu empfehlen, gezielt<br />
Instrumente zur Messung der Komplexität bzw. Zielklarheit in Projektsituationen<br />
einzusetzen (Größe, Diversität, Vernetzung, Teamerfahrung und –zusammensetzung<br />
etc.), um im Anschluss effektive und effiziente Projektkommunikation zu<br />
erreichen. Erfordern Rahmenbedingungen eine unpassende Medienwahl, so ist mit<br />
steigendem <strong>Kommunikation</strong>saufwand im Team zu rechnen, um gleichwertige<br />
Ergebnisse zu erzielen. Für die Wissenschaft steht die empirische Prüfung der<br />
formulierten Hypothesen in Anlehnung an reale Projektsituationen aus. Dies kann<br />
zum Beispiel durch psychologisch fundierte Gruppenvergleiche im Labor erreicht<br />
werden.<br />
Eine solche Hypothesenprüfung ist <strong>insb</strong>. auch deshalb zu empfehlen, da viele der<br />
den Hypothesen zugrunde liegenden Modelle aus der <strong>Kommunikation</strong>swissenschaft<br />
auf Basis von Befragungen ermittelt bzw. validiert wurden. Eine Umsetzung<br />
des in diesem Beitrag formulierten Konzepts birgt daher das Potential, einer theoretischen<br />
Fundierung der vorliegenden Erkenntnisse bei gleichzeitiger Sicherstellung<br />
der Relevanz für die Praxis. Neben dem Vergleich verschiedener Medienformen<br />
wird dabei, in nachfolgenden Untersuchungen, auch moderierenden Vari-<br />
21 Das verwendete Untersuchungsdesign wird auch als „Between-Subjects-Design“ beschrieben.<br />
Fachhochschule Schmalkalden 31
ablen im Kontext der hier erarbeiteten Ansätze besondere Bedeutung zukommen.<br />
Hierzu könnte zum Beispiel die Erfahrung des Teams, Ausgestaltung von Teamrollen,<br />
Teamgröße oder des indirekten Einflusses der Projektleiter gehören. So zeigt<br />
UNKELS in einer Simulation, dass die „Performance von Teams durch eine Optimierung<br />
der Heterogenität […] gesteigert werden kann“22, dabei gilt es jedoch,<br />
begleitende negative Effekte, wie etwa den Suckereffekt23 oder Schwierigkeiten<br />
bei der Entscheidungsfindung24, zu vermeiden.25 Welchen Einfluss die Medienwahl<br />
auf die Ausbildung bzw. das Ausbleiben solcher Effekte hat, ist bisher kaum<br />
empirisch untersucht. Die vorliegende Untersuchung legt jedoch nahe, dass hier<br />
eine bewusste Medienwahl in Projekten den Gesamterfolg wesentlich beeinflussen<br />
kann. Schließlich ist dies für die Arbeit in Projektteams auch deshalb besonders<br />
interessant, weil hier regelmäßig unterschiedliche Aufgabentypen Bestandteil des<br />
Gesamtvorhabens sind. Die bisherigen Erkenntnisse der Kleingruppenforschung<br />
zeigen jedoch deutlich, dass der Aufgabentyp eine moderierende Variable der<br />
erfolgswirksamen Prozesse innerhalb des Teams ist. Diese Prozesse sind auch in<br />
der Lage, Defizite auszugleichen. Beim Einsatz von medialer <strong>Kommunikation</strong><br />
kann somit mittels des hier vorgestellten Untersuchungskonzepts geprüft werden,<br />
inwiefern diese Moderation durch die Medienwahl beeinflusst und ggf. gestärkt<br />
oder geschwächt werden kann.<br />
Literatur<br />
[1] BOOS, M. / KAI, J. (2008): Medienvermittelte <strong>Kommunikation</strong>. In: Batinic B, Appel<br />
M. Medienpsychologie. Heidelberg: Springer MedizinVerlag, S. 197-217.<br />
[2] DENNIS, A.R. / VALACICH, J.S. (1999): Rethinking Media Richness: Towards a Theory<br />
of Media Synchronicity. In: Proceedings of the Thirty-Second Annual Hawaii International<br />
Conference on System Sciences, IEEE Computer Society.<br />
[3] DIEKMANN, A. (2009): Empirische Sozialforschung, Wissenschaftliche Erklärung,<br />
rowohlt: Reinbeck bei Hamburg, 20. Aufage, S. 169-172.<br />
[4] DÖRING, N. (2003): Sozialpsychologie des Internet, 2. Auflage, Hogrefe, Göttingen.<br />
[5] FREITAG, M. / MÜLLER, C. / RUSCH, G. / SPREITZER, T. (Hrsg.) (2011): Projektkommunikation,<br />
Strategien für temporäre soziale Systeme. VS Verlag, Gabler, Wiesbaden.<br />
22 UNKELS (2011), S. 80.<br />
23 Vgl. hierzu zusammenfassend NERDINGER et. al. (2008), S.113 sowie KERR (1983) im<br />
Original.<br />
24 Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das sog. Gruppendenken („groupthink“), vgl. hierzu<br />
z. B. SCHULZ-HARDT (1997).<br />
25 Vgl. UNKELS ebd.<br />
32 Tag der Forschung 2012
[6] GÄRTNER K. (2008): Organisation als System, Humboldt-Universität zu Berlin, 2008,<br />
Online im Internet: http://www2.informatik.hu-berlinde/~gaertner/Essay_Organisationen_reduzieren_Komplexitaet_20081201.pdf,Abruf:17.12.2011.<br />
[7] HEMPEL, C.G. / OPPENHEIM P. (1984): Studies in the Logic of Explanation, Philosophie<br />
of Sience, 15, S. 135-175.<br />
[8] HERTEL, G. / ORLIKOWSKI B. (2009): Projektmanagement in ortsverteilten „virtuellen“<br />
Teams. In: Wastian, M. Braumandl I. von Rosenstiel L. Angewandte Psychologie für<br />
Projektmanager. Heidelberg: Springer Medizin Verlag, S. 327-345.<br />
[9] HOBEL, B. / SCHÜTTE, S. (2006): Gabler Business-Wissen Projektmanagement von A<br />
– Z. Wiesbaden, Gabler, S. 147-158.<br />
[10] HOMBERG M. (2005): <strong>Kommunikation</strong>smanagement in Projekten. In: Litke, H.-D.<br />
Projektmanagement – Handbuch für die Praxis. Hanser, München, S. 545-577<br />
[11] JENNY, B. (2001): Projektmanagement in der <strong>Wirtschaftsinformatik</strong>. Zürich: vdf<br />
Hochschulverlag 5 ed., S. 451-457.<br />
[12] KERR, N. (1983). Motivation losses in small groups: A social dilemma analysis. Journal<br />
ofPersonalityandSocialPsychology, 45, S. 819–828.<br />
[13] KNEER, G. / NASSEHI, A. (2000): Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme: eine<br />
Einführung, UTB: München, 4. Auflage.<br />
[14] LADEUR, K.-H. (2011): „Komplexität“ in Niklas Luhmanns Systemtheorie, Online im<br />
Internet: http://www.philosophische-gesellschaftbremerhaven.de/dokumente/2011/ladeur/Komplexitaet.pdf,<br />
Abruf: 17.12.2011.<br />
[15] LECHLER, T. (1997): <strong>Erfolgsfaktor</strong>en des Projektmanagements, Diss., Frankfurt am<br />
Main: Peter Lang.<br />
[16] MCGRATH, J.E. / HOLLINGSHEAD, A. B. (1994): Groups interacting with technology:<br />
Ideas, evidence, issues and an agenda. Thousand Oaks, CA: Sage.<br />
[17] MILSZUS, W. / ROHWEDDER, A. (2008): <strong>Kommunikation</strong>. In: RWK, Projektmanagement<br />
Fachmann, Band 1. Sternenfels: Verlag Wissenschaft und Praxis, 9 ed., S. 297-<br />
316.<br />
[18] NERDINGER, F. / BLICKLE, G. / SCHAPER, N. (2008): Arbeits- und Organisationspsychologie,<br />
Springer, Berlin.<br />
[19] PATZAK G, RATTAY G. (2009): Projektmanagement. Wien: Linde, 5 ed.<br />
[20] REITHMÜLLER, M. / BOSS M. (2011): Zwischen Aufgaben-Medien-Passung und Teamleistung:<br />
Ein Blick in die Blackbox der <strong>Kommunikation</strong>. In: Rack, O. Konradt, U.<br />
Clases C.: Kooperationim globalen und virtuellen Kontext, Wirtschaftspsychologie.<br />
Lengrich, Pabst Science Publishers, S. 21-30.<br />
[21] SCHNELl, R. HILL, P.B. ESSER, E. (2008): Methoden der empirischen Sozialforschung,<br />
Oldenbourg: München, 8. Auflage.<br />
Fachhochschule Schmalkalden 33
[22] SCHULZ-HARDT, S. (1997): Realitätsflucht in Entscheidungsprozessen.<br />
Vom Groupthink zum Entscheidungsautismus, Huber, Bern.<br />
[23]<br />
[24]<br />
[25]<br />
[26]<br />
[27]<br />
SCHULZ VON THUN, F. (1981): Miteinander Reden, Band 1, Rowohlt, Reinbeck.<br />
Stewart G. L. / Murray B. R. (2000): Team structure and perfomance: assessing the<br />
mediating role of interteam process and the moderating role of task type, in Academy<br />
of Management Journal, Vol. 34, S. 135-148.<br />
Unkels, M. (2011): Der Einfluss der Heterogenität auf die Performance von existierenden<br />
und simulierten Teams, Diss., Darmstadt.<br />
Watzlawick, P. Behavin, J. Jackson, D. (1969): Menschliche <strong>Kommunikation</strong>. Huber,<br />
Bern.<br />
Wehling, P. (2007): <strong>Kommunikation</strong> in Organisationen, DUV: Wiesbaden.<br />
34 Tag der Forschung 2012