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Jahresbericht 2017

Überblick über die Aktivitäten des Deutschen Kulturforums östliches Europa, Potsdam, im Kalenderjahr 2017

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Papa im Ornat<br />

Erkundungen in Oberschlesien und Tschechien auf den Spuren der Reformation<br />

Eine Stadt, drei Sprachen, sechs Spaziergänge<br />

Literarischer Reiseführer über die multikulturelle Metropole Pressburg | Bratislava<br />

Kurz vor dem Reformationstag <strong>2017</strong><br />

organisierte das Kulturforum gemeinsam<br />

mit dem Kulturreferat für Oberschlesien<br />

bei der Stiftung Haus Oberschlesien<br />

eine Studienreise auf den Spuren der<br />

Reformation nach Ober schlesien und<br />

Tschechien. Mit 15 Studierenden und<br />

Multiplikatoren begannen wir unsere<br />

Erkundung in Bielitz-Biala/Bielsko-Biała<br />

bei einem Stadtspaziergang mit der<br />

Kunsthistorikerin Ewa Chojecka und<br />

dem Kurator des Bielitzer Stadtmuseums,<br />

Piotr Kenig. In der schlesisch-galizischen<br />

Doppelstadt ging nicht nur die<br />

adelige Oberschicht, sondern auch die<br />

breite Bevölkerung zum lutherischen<br />

Glauben über und hielt in den Zeiten der<br />

Gegenreformation in ihren geheimen<br />

Waldkirchen am Protestantismus fest.<br />

Das einzige Lutherdenkmal Polens am<br />

Bielitzer Zion, einem nach 1782 entstandenen<br />

Viertel mit verschiedenen evangelischen<br />

Einrichtungen, ist Zeugnis dieser<br />

Beständigkeit. Beeindruckt waren<br />

die Teilnehmer vor allem von der Reformationsausstellung<br />

im Schloss, dem<br />

Sitz des Stadtmuseums. Wie Herr Kenig<br />

erläuterte, konnten er und sein Team<br />

keineswegs aus einem reichen Fundus<br />

wählen. Viele Stücke sind eigens für die<br />

Daniel Říčan (3. v. r.) vom Museum der<br />

Mährischen Brüder auf dem Fulneker<br />

Marktplatz mit Pestsäule von 1718. Die<br />

Stadt entwickelte sich im 16. Jahrhundert<br />

zu einem Zentrum der Böhmischen bzw.<br />

Mährischen Brüder, deren letzter Bischof<br />

Johann Amos Comenius zwischen 1618<br />

und 1621 in der Stadt lebte. Hier verfasste<br />

er sein Buch Listové do nebe, eine Kritik<br />

der sozialen Ungerechtigkeit, und vollendete<br />

seine Arbeiten an der 1627 erschienenen<br />

Karte von Mähren.<br />

Ausstellung zusammengesucht worden<br />

– oft auf den Dachböden oder in<br />

den Schubladen Bielitzer und Bialer Bürger.<br />

Bischof Adrian Korczago, der uns zu<br />

einem Gespräch empfing, erzählte auf<br />

die Frage einer Teilnehmerin, wie denn<br />

die katholischen Polen auf ihn als lutherischen<br />

Geistlichen reagierten, folgende<br />

Anekdote: Als er einmal im Ornat durch<br />

die Stadt spazierte und ihm seine Tochter<br />

mit dem Ausruf »Hallo, Papa!« entgegenkam,<br />

verharrte der Fußgängerverkehr<br />

in ungläubigem Staunen …<br />

Weitere Stationen waren Teschen/<br />

Cieszyn/Český Těšín und Ratibor/<br />

Racibórze in Polen sowie Fulnek, Zauchtel/Suchdol<br />

nad Odrou und der erste<br />

Böhmische Brüderhof Kunwald/Kunvald<br />

in Tschechien.<br />

Ariane Afsari<br />

Prof. em. Dr. Ewa Chojecka zeigt der Gruppe den<br />

Pastorenbrunnen in Bielitz-Biala/Bielsko-Biała.<br />

Renata SakoHoess<br />

Literarischer Reiseführer<br />

Pressburg/Bratislava<br />

Sechs Stadtspaziergänge<br />

Mit zahlr. farb. u. S.-W.-Abb.,<br />

Kurzbiogr., ausführl. Registern u.<br />

zweispr. Karten.<br />

276 S., Broschur m. Lesebändchen.<br />

€ [D] 14,80<br />

ISBN 978-3-936168-68-6<br />

Renata SakoHoess, die wir<br />

als Autorin für den fünften<br />

Band unserer Reihe gewannen,<br />

ist geborene Pressburgerin.<br />

Mit ihrem slowakischen<br />

Vater und ihrer aus<br />

einer alteingesessenen<br />

deutschen Familie stammenden<br />

Mutter steht die<br />

Literaturwissenschaftlerin<br />

und Übersetzerin für das<br />

multikulturelle Profil der<br />

Donaumetropole. In Texten<br />

jüdischer, protestantischer<br />

und katholischer Autoren<br />

zeigt sich auch deren traditionelle<br />

konfessionelle<br />

Vielfältigkeit. Sechs Stadtspaziergänge<br />

führen zur Burg, durch<br />

Altstadt und evangelisches Viertel und<br />

zu den Stätten der architektonischen<br />

Moderne. Texte deutsch, slowakisch,<br />

ungarisch oder in anderen Sprachen<br />

schreibender Schriftsteller aus 500 Jahren<br />

führen in die historischen Schichten<br />

der ungarischen Krönungsstadt<br />

Pozsony, seit 1919 Bratislava. Die ersten<br />

Buchpräsentationen fanden im Goethe-<br />

Institut Bratislava und im Slowakischen<br />

Institut in Wien statt.<br />

Tanja Krombach<br />

Renata SakoHoess im Gespräch mit dem Schriftsteller<br />

Michal Hvorecký bei der Erstpräsentation<br />

ihres Literarischen Reiseführers im Goethe-Institut<br />

Bratislava, Foto: Katrin Litschko<br />

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