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Anna Polti kann am 14. Juni <strong>2018</strong> ihren 86. Geburtstag feiern.<br />

Sie ist auch heute noch fast täglich während ein paar Stunden<br />

im Büro anzutreffen. (Foto: Robert Stadler)<br />

Portrait<br />

Wie sah sein neuer Betrieb aus?<br />

Fredy liess bei dem – heute nicht mehr existierenden<br />

– RhB-Bahnhof Grono eine Werkhalle<br />

bauen und installierte darin mehrere Verarbeitungsmaschinen:<br />

eine Gattersäge, zwei Fräsmaschinen,<br />

eine Schleifmaschine und einen<br />

Brückenkran. Ich kann mich noch gut erinnern:<br />

Auf dem Vorplatz standen ein einfacher<br />

Kran und daneben zwei Holzböcke, darüber<br />

lag eine Steinplatte für das Stocken. In einem<br />

separaten <strong>klein</strong>en Gebäude lief ein Kompressor<br />

zum Betrieb der Druckluftwerkzeuge. Das<br />

war alles. Das Rohmaterial bezog Fredy vom<br />

Steinbruchbetrieb seines Vaters Giovanni Polti<br />

(1892-1957), der 1920 als Pionier den ersten<br />

Steinbruch für Calanca-Gneis in Arvigo eröffnet<br />

hatte.<br />

Haben Sie Ihren Mann 1950 schon gekannt?<br />

Nein, wir haben uns erst 1954 kennengelernt<br />

und haben im Juli 1955 geheiratet. Gleichzeitig<br />

bin ich auch ins Geschäft eingetreten. Obwohl<br />

ich aus einer Holz- und nicht aus einer<br />

Steinfamilie stamme, habe ich mich schnell<br />

zurechtgefunden. Mein Mann und ich waren<br />

beide jung, motiviert und sehr zuversichtlich.<br />

In meiner Ausbildung hatte ich mir ein Handelsdiplom<br />

erworben; da war es naheliegend, im<br />

Unternehmen die administrativen Arbeiten zu<br />

übernehmen, also die Buchhaltung, das Lohnund<br />

das Offertwesen, die Vor- und die Nachkalkulation,<br />

die allgemeine Korrespondenz usw.<br />

Die mehr technischen und fachlichen Arbeiten<br />

brachte mir mein Mann bei: das Planlesen, das<br />

Erstellen von Stücklisten, Preislisten und anderes<br />

mehr. Oft habe ich meinem Mann auch bei<br />

Massaufnahmen auf Baustellen geholfen oder<br />

ihn auf Geschäftsreisen begleitet. So lernte ich<br />

alle Betriebsabläufe von Grund auf kennen.<br />

Die Arbeit machte mir Freude, sie war für mich<br />

mehr Vergnügen als Pflicht.<br />

Wie hat sich der Betrieb nach Ihrem Eintritt in<br />

die Firma entwickelt?<br />

Schon vor unserer Heirat hatte Fredy bereits<br />

16 Arbeiter beschäftigt. Die meisten waren<br />

Steinhauer, dazu kamen zwei Fräser, ein «Segantino»<br />

für die Bedienung der Gattersäge<br />

und zwei Hilfsarbeiter. Fredy bearbeitete den<br />

Deutschschweizer Markt mit viel Energie. So<br />

mietete er beim Bahnhof Thalwil ein Stück<br />

Land und baute darauf eine permanente <strong>klein</strong>e<br />

Ausstellung auf, gleichzeitig stellte er einen<br />

Deutschschweizer Vertreter ein. So wurde unser<br />

Calanca-Gneis immer bekannter. Nicht nur<br />

in der Schweiz, sondern auch im Ausland, vor<br />

allem in Deutschland. Weitere Kunden hatten<br />

wir in Italien, Frankreich, Belgien, Japan, den<br />

USA sowie im Fernen und Mittleren Osten. Der<br />

Natursteinhandel basierte damals noch stark<br />

auf persönlichen Beziehungen und auf gegenseitigem<br />

Vertrauen. Dank Qualität und pünktlicher<br />

Lieferung konnten wir ausgezeichnete<br />

Geschäftsbeziehungen aufbauen. Nicht selten<br />

entwickelten sich daraus langjährige freundschaftliche<br />

Kontakte, die in zweiter oder dritter<br />

Generation teilweise heute noch bestehen.<br />

Manche Kunden kamen direkt in unser Büro<br />

oder in den Steinbruch, oft ohne sich vorher anzumelden.<br />

Zeitweise hatten wir so viele Bestellungen,<br />

dass wir mit Liefern kaum nachkamen.<br />

Hatten Sie keine Mitbewerber, die Ihnen die<br />

Kunden streitig machten?<br />

Die Konkurrenz war damals nur lokal und eher<br />

schwach; ausländische Mitbewerber gab es<br />

zudem so gut wie keine, höchstens solche aus<br />

Italien mit Steinsorten im Angebot, die in der<br />

Schweiz nicht vorkamen.<br />

Wie ging es weiter?<br />

1960, drei Jahre nach dem Tod seines Vaters,<br />

konnte mein Mann in Arvigo einen der beiden<br />

Steinbrüche der Familie Polti übernehmen; der<br />

andere ging an seinen jüngeren Bruder Lino.<br />

Sechs Jahre später kaufte Fredy zusätzlich den<br />

angrenzenden Steinbruch der Firma Mazzola<br />

+ Co. Unser Geschäft lief gut. In den 1960erund<br />

frühen 1970er-Jahren beschäftigten wir<br />

zeitweise zwischen 100 und 120 Mitarbeiter. Im<br />

Tal selbst gab es nicht genügend Arbeitskräfte.<br />

Etwa zwei Drittel der damals Beschäftigten waren<br />

Italiener, sie stammten aus fast allen Landesgegenden,<br />

vom Veltlin bis Sizilien, manche<br />

auch von den Inseln Sardinien, Elba und Giglio.<br />

Damals wurde in den Steinwerken wohl noch<br />

sehr viel mehr von Hand gearbeitet als heute.<br />

Ja, das änderte sich aber ab Anfang der<br />

1970er-Jahre. Damals liessen wir in Arvigo eine<br />

grosse Werkhalle erstellen und gleichzeitig den<br />

Maschinenpark vollständig modernisieren.<br />

03/18<br />

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