KuS_2018-3_GzD_klein
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Steinbrüche im Wandel der Zeit<br />
DAS MUSEUM IM MUSEUM:<br />
DER EHEMALIGE KOMPRESSORENRAUM<br />
Ein <strong>klein</strong>es Wunder ist das Museum im ehemaligen<br />
Kompressorenraum (Bilder links). Man tritt<br />
ein – und staunt. Nicht nur über die Exponate:<br />
die beiden beeindruckenden Kompressoren, die<br />
Originalwerkzeuge, die alten Fotos und Dokumente<br />
an den Wänden. Man staunt auch über<br />
den Empfang, der einem in diesem äusserlich unscheinbaren<br />
Kabäuschen bereitet wird: Der sorgfältig<br />
instandgesetzte Innenraum beherbergt<br />
eine hochprofessionell und mit viel Liebe zum<br />
Detail arrangierte Ausstellung. Bebilderte Informationstafeln<br />
geben ausführlich und anschaulich<br />
Auskunft über die Geschichte der Wassner<br />
Granit-Industrie. Man mag den Raum gar nicht<br />
mehr verlassen (und würde gerne manche Kuratorinnen<br />
und Kuratoren grosser Museen zwecks<br />
Anschauungsunterricht in diese <strong>klein</strong>e Hütte im<br />
Wald schicken).<br />
2<br />
Mit Freiheitskämpfern hatte<br />
Kissling bereits Erfahrung:<br />
1895 war das von ihm<br />
geschaffene Telldenkmal in<br />
Altdorf eingeweiht worden.<br />
A propos Tell: Schillers «Wilhelm<br />
Tell» war von José Rizal,<br />
der längere Zeit in Deutschland<br />
gelebt hatte und 22<br />
Sprachen gesprochen haben<br />
soll, ins Tagalog, eine<br />
der philippinischen Landessprachen,<br />
übersetzt worden.<br />
Gearbeitet wurde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein<br />
in traditioneller Handarbeit. Im ersten Schritt wurden<br />
Granitblöcke – rund drei Tonnen schwere Brocken<br />
– mit Schwarzpulver aus dem Fels gesprengt.<br />
Einige dieser Brocken liegen noch immer unter der<br />
Felswand, aus der sie einst kamen, inzwischen perfekt<br />
getarnt durch Moos- und Flechtenbewuchs. «Gesprengt<br />
wurde nur ein- bis zweimal jährlich», erklärt<br />
Heinz Baumann. «Im Steinbruch selber gab es keine<br />
dafür ausgebildeten Leute. Deshalb wurde jeweils<br />
ein externer Sprengmeister hinzugezogen.»<br />
Mithilfe eines Handkrans wurden die herausgesprengten<br />
Blöcke zum Bearbeitungsplatz verfrachtet<br />
und dort mittels Spaltkeilen, sogenannten Bonjots,<br />
in <strong>klein</strong>ere Werkstücke aufgespalten. Dies war<br />
ein anspruchsvolles Verfahren: «Da der Urner Granit<br />
[…] keine eindeutig sichtbare Struktur aufweist, war<br />
das Setzen der Bonjot-Keile Spezialistenarbeit»,<br />
liest man auf einer weiteren Tafel. «Nur ein geschultes<br />
Auge sah auf Anhieb, wo ein Keil gesetzt werden<br />
musste, damit der Stein am richtigen Ort spaltete.»<br />
Mit Fäustel und Spitzeisen wurden die Blöcke noch<br />
an Ort zu fertigen Werkstücken verarbeitet. Maschinelle<br />
Unterstützung erhielten die Steinmetze<br />
erst spät: «Die ersten Maschinen – Spaltgeräte mit<br />
Kompressorantrieb – gab es in den Urner Steinbrüchen<br />
erst nach dem Zweiten Weltkrieg».<br />
WASSNER GRANIT IN DER WELT<br />
Auf einer <strong>klein</strong>en Wiese, dem früheren Bearbeitungsplatz,<br />
ist eine Reihe von Kolonnensteinen, Beispiele<br />
für im Steinbruch hergestellte Produkte, aufgestellt<br />
– und, etwas unerwartet, auf einem Sockel die Büste<br />
eines Mannes von nicht gerade urschweizerisch zu<br />
nennendem Aussehen. Heinz Baumann erklärt, was<br />
es damit auf sich hat. Doch zunächst noch einmal<br />
zurück in die Geschichte des Steinbruchs.<br />
Die Nachfrage nach Gotthard-Granit hielt auch<br />
nach Vollendung der Eisenbahnlinie an. Der Stein<br />
wurde für seine hervorragende Qualität weit herum<br />
geschätzt; zugleich ermöglichte der Anschluss an<br />
die Bahnlinie den Transport über weite Distanzen.<br />
Beispielsweise nach Basel: Für den Neubau<br />
der Mittleren Rheinbrücke lieferte der Steinbruch<br />
Antonini zu Beginn des 20. Jahrhunderts insgesamt<br />
7700 m 3 Granitquader. Wassner Granit wurde<br />
auch in Bern an illustrer Stelle verbaut: Im Parlamentsgebäude<br />
und im Bundeshaus Ost stammen<br />
einige Treppen sowie Balkondeckplatten aus dem<br />
Steinbruch Antonini. Urner Granit findet man in der<br />
ganzen Schweiz aber auch in gewöhnlichen Gebäuden,<br />
Staumauern, Randsteinen von Strassen,<br />
Brunnen und Kunstobjekten, wenn sich die Steine<br />
auch in vielen Fällen nicht mehr ganz bis zum Herkunfts-Steinbruch<br />
zurückverfolgen lassen.<br />
Zu besonderem Ruhm gelangte der Wassner<br />
Granit durch den philippinischen Nationalhelden<br />
José Rizal. Oder etwas konkreter: Durch den<br />
Schweizer Bildhauer Richard Kissling, welcher im<br />
Jahr 1911 mit der Ausführung eines Denkmals für<br />
den 1896 hingerichteten Freiheitskämpfer Rizal<br />
beauftragt wurde. 2 Kissling schuf eine in Bronze<br />
gegossene Figurengruppe, angeordnet um einen<br />
Obelisken auf einem mehrere Meter hohen Podest.<br />
Obelisk und Podest: in den Wassner Granitsteinbrüchen<br />
gebrochen und zugehauen.<br />
Die grosse Verehrung, die José Rizal auf den Philippinen<br />
bis zum heutigen Tag entgegengebracht<br />
wird, manifestiert sich im Steinbruch-Museum<br />
Antonini. Während die Eröffnung des Museums in<br />
der Schweiz keine grossen Wellen geschlagen hatte,<br />
war sie in Manila sehr wohl registriert worden.<br />
Und so kam es, dass ein Andenken an José Rizal –<br />
weitgereister und hochgebildeter Arzt, Philosoph,<br />
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03/18