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Steinbrüche im Wandel der Zeit<br />

DAS MUSEUM IM MUSEUM:<br />

DER EHEMALIGE KOMPRESSORENRAUM<br />

Ein <strong>klein</strong>es Wunder ist das Museum im ehemaligen<br />

Kompressorenraum (Bilder links). Man tritt<br />

ein – und staunt. Nicht nur über die Exponate:<br />

die beiden beeindruckenden Kompressoren, die<br />

Originalwerkzeuge, die alten Fotos und Dokumente<br />

an den Wänden. Man staunt auch über<br />

den Empfang, der einem in diesem äusserlich unscheinbaren<br />

Kabäuschen bereitet wird: Der sorgfältig<br />

instandgesetzte Innenraum beherbergt<br />

eine hochprofessionell und mit viel Liebe zum<br />

Detail arrangierte Ausstellung. Bebilderte Informationstafeln<br />

geben ausführlich und anschaulich<br />

Auskunft über die Geschichte der Wassner<br />

Granit-Industrie. Man mag den Raum gar nicht<br />

mehr verlassen (und würde gerne manche Kuratorinnen<br />

und Kuratoren grosser Museen zwecks<br />

Anschauungsunterricht in diese <strong>klein</strong>e Hütte im<br />

Wald schicken).<br />

2<br />

Mit Freiheitskämpfern hatte<br />

Kissling bereits Erfahrung:<br />

1895 war das von ihm<br />

geschaffene Telldenkmal in<br />

Altdorf eingeweiht worden.<br />

A propos Tell: Schillers «Wilhelm<br />

Tell» war von José Rizal,<br />

der längere Zeit in Deutschland<br />

gelebt hatte und 22<br />

Sprachen gesprochen haben<br />

soll, ins Tagalog, eine<br />

der philippinischen Landessprachen,<br />

übersetzt worden.<br />

Gearbeitet wurde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein<br />

in traditioneller Handarbeit. Im ersten Schritt wurden<br />

Granitblöcke – rund drei Tonnen schwere Brocken<br />

– mit Schwarzpulver aus dem Fels gesprengt.<br />

Einige dieser Brocken liegen noch immer unter der<br />

Felswand, aus der sie einst kamen, inzwischen perfekt<br />

getarnt durch Moos- und Flechtenbewuchs. «Gesprengt<br />

wurde nur ein- bis zweimal jährlich», erklärt<br />

Heinz Baumann. «Im Steinbruch selber gab es keine<br />

dafür ausgebildeten Leute. Deshalb wurde jeweils<br />

ein externer Sprengmeister hinzugezogen.»<br />

Mithilfe eines Handkrans wurden die herausgesprengten<br />

Blöcke zum Bearbeitungsplatz verfrachtet<br />

und dort mittels Spaltkeilen, sogenannten Bonjots,<br />

in <strong>klein</strong>ere Werkstücke aufgespalten. Dies war<br />

ein anspruchsvolles Verfahren: «Da der Urner Granit<br />

[…] keine eindeutig sichtbare Struktur aufweist, war<br />

das Setzen der Bonjot-Keile Spezialistenarbeit»,<br />

liest man auf einer weiteren Tafel. «Nur ein geschultes<br />

Auge sah auf Anhieb, wo ein Keil gesetzt werden<br />

musste, damit der Stein am richtigen Ort spaltete.»<br />

Mit Fäustel und Spitzeisen wurden die Blöcke noch<br />

an Ort zu fertigen Werkstücken verarbeitet. Maschinelle<br />

Unterstützung erhielten die Steinmetze<br />

erst spät: «Die ersten Maschinen – Spaltgeräte mit<br />

Kompressorantrieb – gab es in den Urner Steinbrüchen<br />

erst nach dem Zweiten Weltkrieg».<br />

WASSNER GRANIT IN DER WELT<br />

Auf einer <strong>klein</strong>en Wiese, dem früheren Bearbeitungsplatz,<br />

ist eine Reihe von Kolonnensteinen, Beispiele<br />

für im Steinbruch hergestellte Produkte, aufgestellt<br />

– und, etwas unerwartet, auf einem Sockel die Büste<br />

eines Mannes von nicht gerade urschweizerisch zu<br />

nennendem Aussehen. Heinz Baumann erklärt, was<br />

es damit auf sich hat. Doch zunächst noch einmal<br />

zurück in die Geschichte des Steinbruchs.<br />

Die Nachfrage nach Gotthard-Granit hielt auch<br />

nach Vollendung der Eisenbahnlinie an. Der Stein<br />

wurde für seine hervorragende Qualität weit herum<br />

geschätzt; zugleich ermöglichte der Anschluss an<br />

die Bahnlinie den Transport über weite Distanzen.<br />

Beispielsweise nach Basel: Für den Neubau<br />

der Mittleren Rheinbrücke lieferte der Steinbruch<br />

Antonini zu Beginn des 20. Jahrhunderts insgesamt<br />

7700 m 3 Granitquader. Wassner Granit wurde<br />

auch in Bern an illustrer Stelle verbaut: Im Parlamentsgebäude<br />

und im Bundeshaus Ost stammen<br />

einige Treppen sowie Balkondeckplatten aus dem<br />

Steinbruch Antonini. Urner Granit findet man in der<br />

ganzen Schweiz aber auch in gewöhnlichen Gebäuden,<br />

Staumauern, Randsteinen von Strassen,<br />

Brunnen und Kunstobjekten, wenn sich die Steine<br />

auch in vielen Fällen nicht mehr ganz bis zum Herkunfts-Steinbruch<br />

zurückverfolgen lassen.<br />

Zu besonderem Ruhm gelangte der Wassner<br />

Granit durch den philippinischen Nationalhelden<br />

José Rizal. Oder etwas konkreter: Durch den<br />

Schweizer Bildhauer Richard Kissling, welcher im<br />

Jahr 1911 mit der Ausführung eines Denkmals für<br />

den 1896 hingerichteten Freiheitskämpfer Rizal<br />

beauftragt wurde. 2 Kissling schuf eine in Bronze<br />

gegossene Figurengruppe, angeordnet um einen<br />

Obelisken auf einem mehrere Meter hohen Podest.<br />

Obelisk und Podest: in den Wassner Granitsteinbrüchen<br />

gebrochen und zugehauen.<br />

Die grosse Verehrung, die José Rizal auf den Philippinen<br />

bis zum heutigen Tag entgegengebracht<br />

wird, manifestiert sich im Steinbruch-Museum<br />

Antonini. Während die Eröffnung des Museums in<br />

der Schweiz keine grossen Wellen geschlagen hatte,<br />

war sie in Manila sehr wohl registriert worden.<br />

Und so kam es, dass ein Andenken an José Rizal –<br />

weitgereister und hochgebildeter Arzt, Philosoph,<br />

6<br />

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