Zwei Sorten Mensch? Starke und Schwache? - NOTausgang Jena eV
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Die Straßenzeitung aus <strong>Jena</strong> www.notausgang-jena.de<br />
<strong>Zwei</strong> <strong>Sorten</strong><br />
<strong>Mensch</strong>? <strong>Starke</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Schwache</strong>?<br />
Seite 3<br />
KULTUR<br />
TUT<br />
GUT(es)!<br />
Seite 13<br />
Kulturarena<br />
Spezial<br />
Seiten 16/19<br />
Rollstuhlbasketball<br />
- ein spektakulärer<br />
Sport<br />
Seiten 6/7<br />
Dankbarkeit,<br />
ein schöner<br />
Gr<strong>und</strong><br />
Seiten 12/13<br />
Synanon - ein<br />
einzigartiger Erfolg<br />
Seite 20
Titelbild: Joachim Hennig <strong>und</strong> Michael Quicker<br />
2<br />
NOTAUSGANG Jg. 15 /AUSGABE 3 - 2011<br />
I N H A L T<br />
Zum Geleit S. 2<br />
<strong>Zwei</strong> <strong>Sorten</strong> <strong>Mensch</strong>en:<br />
<strong>Starke</strong> <strong>und</strong> <strong>Schwache</strong>? S. 3<br />
Das hat sich so ergeben S. 4<br />
Und wir sind nicht<br />
die EINZIGEN S. 4<br />
Geschichten aus aller<br />
Herren Länder S. 5<br />
Rollstuhlbasketball - ein<br />
spektakulärer Sport S. 6<br />
Da ist mehr action drin S. 7<br />
Anerkannt möchte er sein S. 7<br />
Vom Ende der Jagd<br />
nach Glück S. 8<br />
Helfen in Lobeda - im<br />
neuen Domizil S. 8<br />
Geschichten aus tausend<strong>und</strong><br />
einem <strong>Jena</strong> S. 9<br />
Von der „Macht der<br />
Ohnmächtigen“ S. 10<br />
„Das Andere in mir<br />
kann helfen“ S. 11<br />
Dankbarkeit ist ein<br />
schöner Gr<strong>und</strong> S. 12/13<br />
Versöhnung als Akt einer<br />
Selbstbefreiung S. 14<br />
„Täve“ - als Sportsmann<br />
überzeugend stark S. 15<br />
Vielfalt <strong>und</strong> Faszination<br />
der Musik nahebringen S. 16<br />
Zu schade für einen<br />
Sommer allein S. 17<br />
Einblicke & Ausblicke S. 18/19<br />
40 Jahre Synanon - eine einzigartige<br />
Erfolgsgeschichte S. 20<br />
Führung von Arbeitskonten<br />
<strong>und</strong> Vergütung S. 21<br />
Kinderseite S. 22<br />
Regierung schreibt wohnungslose<br />
Langzeitarbeitslose ab! S. 23<br />
Nächste Ausgabe: Nov. 2011<br />
NOTAUSGANG - Die Straßenzeitung aus <strong>Jena</strong><br />
Herstellung <strong>und</strong> Vertrieb erfolgen im Ehrenamt<br />
zu gemeinnützigen Zwecken.<br />
Redaktion <strong>und</strong> Vertrieb:<br />
Markt 19 , 07743 <strong>Jena</strong><br />
Tel.: 03641 364398 oder 332353<br />
Fax: 03641 332355<br />
E-Mail: Strassenzeitung@gmx.net<br />
Redaktionsleiter: Joachim Hennig (V.i.S.d.P.)<br />
Layout: Michael Quicker<br />
Redaktionsteam: Marcus Döpel, Susanne Gliech, Dietmar<br />
Grocholl, Tilman Hesse, G<strong>und</strong>ela Irmert-Müller,<br />
Andrea Körner, Andreas Mützlaff, Steffen Müller, Berit<br />
Oberländer, Daniel Pfletscher, Konrad Wendt<br />
Anzeigen <strong>und</strong> Vertrieb: Andreas Mützlaff<br />
Liebe Leserinnen <strong>und</strong> liebe Leser!<br />
Kommt ein Witzbold in<br />
einen Uhrenladen. Sagt<br />
schüchtern, dass er eine<br />
Uhr sucht. Verbessert sich<br />
jedoch gleich <strong>und</strong> sagt,<br />
dass er keine Uhr suche.<br />
Denn, um eine Uhr zu<br />
suchen müsste er sie ja verlegt<br />
oder verloren haben.<br />
Aber er konnte die Uhr<br />
doch gar nicht verloren<br />
haben, denn er besitze ein<br />
solches Stück doch gar<br />
nicht.<br />
Und wenn er sie verloren<br />
hätte, wäre er im F<strong>und</strong>büro<br />
am passenderen<br />
Platz als in einem Geschäft,<br />
dass er heute zum ersten Mal betreten<br />
habe. Nein, er wolle eine Uhr kaufen. „Na, da<br />
werden wir doch bestimmt etwas Schönes finden.<br />
Für die Frau Gemahlin?“, entgegnete die<br />
geschäftstüchtige Verkäuferin.<br />
Der Mann druckst weiter, er suche nicht irgend<br />
eine, sondern eine ganz spezielle Uhr.<br />
„Das wird kein Problem sein, denn wir haben<br />
umfassende Sortimente - gewissermaßen für<br />
jede Gelegenheit <strong>und</strong> jeden Geldbeutel passend.<br />
Nur Wegwerfuhren“ schmunzelt die Verkäuferin<br />
verschmitzt, „führen wir nicht.“ Sie war<br />
sich irgendwie sicher, einem Witzbold aufzusitzen.<br />
Der Mann horcht auf: „Wegwerfen? Wie<br />
denn? Nein, nein. Wegwerfen will ich die Uhr<br />
nicht. Auf keinen Fall. Da brauchte ich sie doch<br />
Impressum<br />
Bürozeiten:<br />
Mo. - Fr. 8 - 12 Uhr, Di. <strong>und</strong> Fr. 13 - 14 Uhr<br />
Sitzung des Redaktionsteams: mittwochs<br />
(14-tägig) nach Vereinbarung<br />
Zum Geleit<br />
Logo: Zoom Media, Druckfilm: Firma Bleysatz<br />
Druck: Saale-Betreuungswerk der Lebenshilfe <strong>Jena</strong> gGmbH<br />
Am Flutgraben 15, 07743 <strong>Jena</strong><br />
Alle namentlich oder durch Initialen gezeichneten Beiträge<br />
geben nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion<br />
wieder. Die Autoren zeichnen für den Inhalt eigenverantwortlich.<br />
Die Redaktion behält sich das Recht vor, die<br />
Beiträge zu bearbeiten <strong>und</strong> zu kürzen. Für unverlangt zugeschickte<br />
Manuskripte <strong>und</strong> Fotos wird keine Haftung<br />
erst gar nicht zu kaufen.“<br />
Im Gegenteil ihm läge es<br />
sehr am Herzen eine solche<br />
Uhr zu besitzen.<br />
Dann bringt er es endlich<br />
heraus: „Ich suche eine<br />
Uhr für die schwachen<br />
St<strong>und</strong>en.“ Die Verkäuferin<br />
ist erst sprachlos. Dann<br />
fragt sie zweifelnd zurück:<br />
„<strong>Schwache</strong> St<strong>und</strong>en? Wie<br />
schwache St<strong>und</strong>e? Eine<br />
St<strong>und</strong>e hat 60 Minuten -<br />
eine Minute 60 Sek<strong>und</strong>en.<br />
Das ist doch immer <strong>und</strong><br />
überall gleich. Das ist so seit<br />
wir unsere Tage in St<strong>und</strong>en<br />
<strong>und</strong> die in Minuten <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>en<br />
messen. Und daran werde sich auch nichts<br />
ändern. Was soll daran schwach sein?“<br />
Der Mann: „Gestern! In einer schwachen St<strong>und</strong>e<br />
begleitete ich meine Frau beim Einkauf. Wir<br />
gingen dann noch gut essen. Das war echt ein<br />
starker Tag. Verstehen Sie, ich hätte gerne eine<br />
Uhr, die diese St<strong>und</strong>en misst. Da will man doch<br />
nichts verpassen, wenn Sie verstehen, was ich<br />
meine!“ „Ja schon...“<br />
Stark oder schwach? Was ist stark - was<br />
schwach? Mehr als eine spannende Frage tat sich<br />
unserem Redaktionsteam da auf. Anregungen,<br />
uns dem Jahresthema der Imaginata auf unsere<br />
Weise zuwendeten. Eine anregende Lektüre<br />
wünscht Ihnen<br />
das ehrenamtliche Redaktionsteam<br />
übernommen. Für Termine der Veranstalter übernehmen<br />
wir keine Gewähr. Der Nachdruck von Beiträgen - auch<br />
auszugsweise - ist nur mit Genehmigung der Redaktion<br />
gestattet. Den Inhalt der Anzeigen verantworten die Inserenten.<br />
Alle Mitbürger sind zu ehrenamtlicher Mitarbeit an<br />
der Gestaltung unserer Zeitung eingeladen.<br />
Herausgeber: Straßenzeitung <strong>NOTausgang</strong> e.V.,<br />
Markt 19, 07743 <strong>Jena</strong><br />
Ilona Eberhardt (Vorsitzende)<br />
Alfred Hertel (stellv. Vorsitzender)<br />
Bankverbindung: Sparkasse <strong>Jena</strong><br />
Konto: 11142 BLZ: 830 530 30<br />
GEGRÜNDET IM JULI 1997<br />
Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 15.07.2011
DIE STRASSENZEITUNG AUS JENA<br />
<strong>Zwei</strong> <strong>Sorten</strong> <strong>Mensch</strong>: die <strong>Starke</strong>n <strong>und</strong> die <strong>Schwache</strong>n?<br />
Imaginata auf Spurensuche zum Thema „Schwach oder stark?“<br />
„Auf Augenhöhe“ ist in diesen<br />
Zeiten sehr viel los! Wie<br />
ein Wegweiser steht die Formel<br />
an jeder Kreuzung, wo sich<br />
<strong>Mensch</strong>en in möglichen Konfliktsituationen<br />
begegnen:<br />
Arbeitsverwalter mit Arbeitssuchenden,<br />
die Kanzlerin mit<br />
ihrem Koalitionspartner, Investoren<br />
mit verarmten Kommunen,<br />
ProfessorInnen mit ihren<br />
StudentInnen usw. Um es<br />
gleich zu sagen: Ich hasse dieses<br />
Wort! Denn es ist eine Beschwörungsformel<br />
<strong>und</strong> es<br />
übertüncht die wahren Verhältnisse:<br />
es tut so, als handele es<br />
sich um die Begegnung unter<br />
Gleichberechtigten <strong>und</strong> nicht<br />
um die Konfrontation von<br />
Mächtigen mit Abhängigen,<br />
von solchen, die das Sagen haben<br />
mit denen, die auf Gunst<br />
hoffen, - immer stehen sich<br />
gefühlt <strong>Starke</strong> <strong>und</strong> gedacht<br />
<strong>Schwache</strong> gegenüber. Und es<br />
tut so, als wäre nicht von<br />
vornherein klar, dass das hier<br />
eine Schieflage ist. Womit die<br />
Augenhöhe eine unges<strong>und</strong>e<br />
Körperverrenkung voraussetzt<br />
<strong>und</strong> also zum Witz wird.<br />
Schwäche <strong>und</strong> Stärke, - das ist<br />
die Perspektive der Imaginata<br />
in 2011: „Schwach – oder<br />
stark?“ heißt unser Jahresthema.<br />
Wie immer verbreiten<br />
wir keine Standpunkte, sondern<br />
stellen Fragen. Und wie immer<br />
dreht sich auch das diesjährige<br />
Kaleidoskop mit ganz verschiedenen<br />
Ansichten <strong>und</strong> Ausblicken<br />
um unsere Vorstellungen.<br />
Wer „schwach“ sagt, hat eine<br />
Vorstellung von „stark“; wer<br />
von Stärke spricht, stellt sich<br />
vor, was schwach ist. Wir haben<br />
immer eine gelernte<br />
Bezugsgröße vor Augen, <strong>und</strong><br />
die nährt sich aus den Eigenschaften,<br />
die wir landläufig<br />
„Stärke“ (Größe, Überlegenheit,<br />
Macht, Kraft, Einfluss,<br />
Herausragendes) <strong>und</strong> „Schwäche“<br />
(Kraftlosigkeit, Unterlegenheit,<br />
Ohnmacht, Unscheinbarkeit)<br />
zuschreiben.<br />
Danach werden auch gern<br />
<strong>Mensch</strong>en in zwei <strong>Sorten</strong> eingeteilt:<br />
die <strong>Schwache</strong>n <strong>und</strong> die<br />
<strong>Starke</strong>n. Weil nun unser demokratisches<br />
Bewusstsein das eigentlich<br />
verbietet, wird momentan<br />
so stark die „Augenhöhe“<br />
empfohlen, auf der wir uns<br />
begegnen sollten – je lauter<br />
aber umso lügenhafter.<br />
Schnell haben wir festgestellt,<br />
dass das mit diesen Zuschreibungen<br />
so einfach nicht ist:<br />
Denn Schwachsein <strong>und</strong> Starksein<br />
sind zwei Pole, zwischen<br />
denen sich jedes menschliche<br />
Leben bewegt: Jeder hat auf<br />
ganz verschiedenen Gebieten<br />
Stärken <strong>und</strong> woanders Schwächen.<br />
Es ist bekannt, dass es<br />
unter den StraßenzeitungsverkäuferInnen<br />
eine begnadete<br />
Lyrikinterpretin gibt <strong>und</strong> dass<br />
manche Konzernchefs in der<br />
Organisation ihres privaten Alltags<br />
eine Null sind; na, <strong>und</strong> ob<br />
die Mutter unserer Nation wohl<br />
auch singen, schwimmen oder<br />
liebevoll kleine Kinder ins Bett<br />
bringen kann? Es ist etwas<br />
<strong>Mensch</strong>en Eigenes, dass niemand<br />
NUR stark oder NUR<br />
schwach ist, - eine ernüchternde<br />
<strong>und</strong> befreiende Erkenntnis!<br />
Was aber ist mit denen, deren<br />
Leben so früh aus der Bahn<br />
gerät, dass Stärke sich<br />
überhaupt nicht entwickeln<br />
kann? Was ist z. B. mit Kindern,<br />
die sexuell missbraucht<br />
werden? Die von Erwachsenen<br />
Unsere Autorin: G<strong>und</strong>ela<br />
Irmert-Müller. Foto: Privat<br />
unterdrückt, vernachlässigt,<br />
misshandelt werden, häufig von<br />
ihren einzigen Vertrauenspersonen?<br />
Wir alle Erwachsene,<br />
denen Kinder anvertraut sind<br />
<strong>und</strong> in deren Umgebung Kinder<br />
leben, müssen achtsam sein<br />
<strong>und</strong> sind dafür verantwortlich,<br />
dass ihnen ihre natürlichen<br />
Rechte auf Unversehrtheit<br />
nicht genommen werden! Kinder<br />
können dafür selbst nicht<br />
sorgen, darum müssen wir es<br />
tun <strong>und</strong> Kinder beschützen!<br />
Und was ist mit denen, die sich<br />
nur dann stark fühlen, wenn sie<br />
andere unterdrücken <strong>und</strong><br />
schwächen? Manchmal muss<br />
man sich vor denen einfach nur<br />
schützen. Bei genauem Hinsehen<br />
erkennt man aber oft einen<br />
angstvollen, eigentlich<br />
schwachen <strong>Mensch</strong>en, der sich<br />
selbst nicht annehmen kann,<br />
weil er als Kind <strong>und</strong> als Erwachsener<br />
nie Anerkennung<br />
<strong>und</strong> Liebe von anderen bekommen<br />
hat. Kennen Sie den<br />
Scheinriesen Herrn Turtur aus<br />
Michael Endes Buch „Jim<br />
Knopf <strong>und</strong> Lukas der Lokomotivführer“?<br />
Herr Turtur ist jemand,<br />
der – allen Gesetzen der<br />
Optik zum Trotz – von ferne<br />
riesig aussieht <strong>und</strong> immer kleiner<br />
wird, je näher man ihm<br />
kommt – das macht ihn sehr<br />
einsam, weil sich jeder vor ihm<br />
fürchtet <strong>und</strong> sich gar nicht an<br />
ihn herantraut. Herr Turtur<br />
symbolisiert auf eine fre<strong>und</strong>liche<br />
Art, dass es sich lohnt,<br />
genauer hinzuschauen, bevor<br />
man sich vor einem abschreckend<br />
starken <strong>Mensch</strong>en ins<br />
Bockshorn jagen lässt!<br />
Es ist eben sehr schwer, sich<br />
von den eigenen festsitzenden<br />
Vorstellungen zu verabschieden!<br />
Aber es lohnt sich auf jeden<br />
Fall! Wir könnten uns gegenseitig<br />
viel besser annehmen,<br />
wenn wir statt dieser Schwarz-<br />
Weiß-Bilder von <strong>Starke</strong>n <strong>und</strong><br />
<strong>Schwache</strong>n lieber zwischen äußerer<br />
<strong>und</strong> innerer Stärke unterscheiden<br />
würden. Was dabei herauskommt,<br />
stimmt mich froh!<br />
Während zu äußerer Stärke<br />
Merkmale gehören wie Körpergröße<br />
<strong>und</strong> -gewicht, gesellschaftliche<br />
Herkunft <strong>und</strong> Stellung,<br />
Geld, Macht, Einfluss,<br />
finden wir zur inneren Stärke<br />
gehörig Gelassenheit, Toleranz,<br />
Großmut, Wahrhaftigkeit. Und<br />
ich wollte, es würden sich diejenigen<br />
unter uns so richtig<br />
breit machen, die mit solcher<br />
inneren Stärke gesegnet sind<br />
<strong>und</strong> die Herzenswärme, Fröhlichkeit,<br />
Zufriedenheit ausstrahlen.<br />
Selbst, wenn es eine<br />
Utopie ist: Dann würde auch<br />
ich davon träumen, dass sie all<br />
den anderen „auf Augenhöhe“<br />
begegnen würden, deren eigentliche<br />
Schwäche materielle Güter,<br />
Geld <strong>und</strong> Einfluss sind.<br />
Vielleicht käme dann die Welt<br />
ins Lot.<br />
G<strong>und</strong>ela Irmert-Müller.<br />
3
4<br />
NOTAUSGANG Jg. 15 /AUSGABE 3 - 2011<br />
Das hat sich so ergeben<br />
Reiner Kunze im Dialog mit Dr. Martin Straub <strong>und</strong> seinen Lesern<br />
„Wort ist währung / je wahrer<br />
/ desto härter.“<br />
Diese Zeilen Reiner Kunzes zitiert<br />
Dr. Martin Straub (Germanist)<br />
als Einladung an den Dichter<br />
zur „Spätlese“ in der Tonhalle<br />
der Imaginata. Kunze setzte<br />
einst auch als sein Credo: „...<br />
den dichter richtet / das gedicht“.<br />
„Das gedicht / ist der<br />
blindenstock des dichters.“<br />
Kunze beginnt behutsam mit<br />
„Am Sonnenhang“, Tagebuch<br />
eines Jahres. Aus dem Leben seines<br />
Großvaters. Der liebte Tiere.<br />
Liest von der Zähmung eines<br />
widerspenstigen Pferdes durch<br />
ihn. Durch Kenntnis, Güte <strong>und</strong><br />
Zuneigung. Und genau die waren<br />
fühlbar in jedem Hauch des<br />
gesprochenen Wortes, im angespannten<br />
Zuhören <strong>und</strong> Verstehen.<br />
Überzeugend durch Genauigkeit<br />
im Detail, Wahrhaftigkeit,<br />
Empörung <strong>und</strong> verschmitzter<br />
Heiterkeit, die siegen <strong>und</strong> mitsiegen<br />
lässt.<br />
Übergänge findet Kunze mit seinen<br />
Gedichten für Kinder <strong>und</strong><br />
Großeltern, fragt: „Was macht<br />
die biene auf dem meer?“<br />
lauscht dem „Gespräch mit der<br />
amsel“.<br />
Wenn ihn Journalisten besuchten,<br />
waren sie überrascht, wie penibel<br />
aufgeräumt sein Schreib-<br />
Dr. Martin Straub im Imaginata-Gespräch zur „Spätlese“<br />
mit Reiner Kunze (rechts). Foto: Autor<br />
tisch ist. Er bringt das auf die<br />
Formel: Ordnung bringt Zeit<br />
<strong>und</strong> Zeit sei Freiheit. Die bewege<br />
ihn. Mir erhellt das die Ermahnung:<br />
Räume den Schreibtisch<br />
auf! Klarheit im Denken<br />
verlangt Ordnung.<br />
Auf die Frage, wann er begonnen<br />
hatte poetische Gegenwelten<br />
zu den erfahrenen Wirklichkeiten<br />
zu suchen, sagt er, dass er<br />
dies nie bewusst getan habe.<br />
„Das hat sich so ergeben“ <strong>und</strong><br />
liest aus den Postvariationen.<br />
„Brief du / zweimillimeteröffnung<br />
/ der tür zur welt du /<br />
geöffnete öffnung du / lichtschein,<br />
/ durchleuchtet, du / _<br />
/ bist angekommen.“ Stille Hei-<br />
terkeit, die Kunze später als Erfahrung<br />
reflektiert, die nachvollziehen<br />
kann, wer hier aufgewachsen<br />
ist. Und in der Tat. Es<br />
brauchte keiner Erläuterungen<br />
dafür. Um Wochen oder Monate<br />
verspätet oder gar nicht zugestellte<br />
Briefe oder nur zu Teilen<br />
ausgelieferte Sendungen hat der<br />
Einzelne hin <strong>und</strong> wieder erfahren.<br />
In der Summe bezeugen sie<br />
ein inhumanes System der Verdächtigung<br />
<strong>und</strong> Bespitzelung.<br />
Zarte Worte werden da übermächtig.<br />
Aus dem Erleben, sagt Kunze,<br />
kommen ihm die Bilder. Dann<br />
blühen „die eisblumen gelb“.<br />
Dann ist dies „lichtschein, /<br />
durchleuchtet“ Wirklichkeit. Die<br />
braucht kein Poetisieren. Sie ist<br />
Metapher genug.<br />
Als Heranwachsender habe er<br />
geglaubt, was Lehrer <strong>und</strong> jene<br />
sagten, die ihm vorgesetzt waren.<br />
Die Wirklichkeit im Alltag<br />
passte zu den verheißungsvollen<br />
Worten nicht. Wer beides zusammenbringt<br />
wird Widerständler<br />
ohne eigenes dazutun.<br />
„Hymnus auf eine Frau beim<br />
Verhör“ schrieb er 1979. Die<br />
DDR-Oberen waren sehr böse.<br />
Nicht wegen der Wirklichkeit.<br />
Nein, weil er sie beschrieb.<br />
Zwischen Beklemmung <strong>und</strong> ironischer<br />
Heiterkeit treibt Kunze<br />
den Hörer als er „Die Bringer<br />
Beethovens“ rezitiert (Er würde<br />
auch schreiben, sagte er einst,<br />
wenn er keine Leser - Hörer -<br />
hätte, aber das wäre nur das halbe<br />
Dasein.), <strong>und</strong> führt ihnen auf<br />
seine Weise skurril anmutende<br />
Wirkungsmechanismen vor. Sie<br />
greifen, wenn eine Sache wichtiger<br />
wird als die <strong>Mensch</strong>en, derentwegen<br />
jene vorgeben angetreten<br />
zu sein, die uns so sehr<br />
liebten, dass sie fähig wurden,<br />
dafür ihre <strong>Mensch</strong>lichkeit zu opfern.<br />
„Wort ist währung / je wahrer<br />
/ desto härter.“<br />
Joachim Hennig<br />
Und wir sind nicht die EINZIGEN<br />
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />
„Es ist keine Frage von Vorstellungskraft.<br />
Es ist die Frage,<br />
ob man selbst als Zuhörer die<br />
Bereitschaft hat, diese grauenhaften<br />
Geschichten anzuhören<br />
oder nicht.“ Diese Worte gibt<br />
Regisseur Christoph Röhl (im<br />
Bild, Mitte) seinem Dokumentarfilm<br />
über Missbrauch an der<br />
Odenwaldschule (OSO) mit<br />
auf den Weg zu seinen Betrachtern.<br />
Einen Protagonisten, den<br />
Bildhauer <strong>und</strong> Lehrer Jochen<br />
Weidenbusch (im Bild links), eines<br />
der über h<strong>und</strong>ert Opfer,<br />
brachte er zur Imaginata mit,<br />
wo der Film gezeigt wurde.<br />
Die Odenwaldschule (OSO)<br />
galt jahrzehntelang als Paradebeispiel<br />
der Reformpädagogik.<br />
Bis zwei ehemalige Schüler das<br />
verhängnisvolle Schweigen bra-<br />
chen. Schweigen, das sich als<br />
Nährboden für Verbrechen<br />
erwies über die es opportun erscheint,<br />
den Mantel des Schweigens<br />
zu hängen. Der Titel<br />
„Und wir sind nicht die Einzigen“<br />
wirft die Schlüsselfrage<br />
auf: Wie konnte der Satz im<br />
Opferbrief 1999 über ein Jahr<br />
ohne Resonanz bleiben?<br />
Weidenbusch gibt eine Antwort.<br />
Vom geachteten Lehrer<br />
Zuwendung zu erfahren - Auserwählter<br />
vor anderen zu sein,<br />
die gleiches Maß an Beachtung<br />
nicht erfahren, das erhebe. Die<br />
Kraft den Preis dafür zu verweigern<br />
war für viele unmöglich<br />
- aus Respekt <strong>und</strong> Verlustängsten.<br />
Heute redet er, wie
Geschichten aus aller Herren Länder<br />
Aquabella: facettenreich wie das Wasser, das Leben ist<br />
„...mit Neptun schweigen/<br />
<strong>und</strong> in Ruhe tun, was sie<br />
sonst nie tut, / was sie sonst<br />
nicht kann <strong>und</strong> soll.<br />
N. Hagen, Fisch im Meer<br />
Aquabella - Aqua bella:<br />
Schönes Wasser. Wasser ist<br />
schön.<br />
Wasser ist Regen <strong>und</strong> Schnee.<br />
Ist Quelle, Bach <strong>und</strong> Meer.<br />
Wasser ist in allem, was lebt.<br />
Ist auch im Brot <strong>und</strong> im<br />
Schweiß, in dessen Angesicht<br />
wir es verzehren sollen. Wasser<br />
ist Leben. Aus ihm zieht<br />
Aquabella seine Geschichten.<br />
Der Gesang der vier Sängerinnen<br />
aus Berlin ließ einen Kritiker<br />
sagen: „Nur Wasser ist so<br />
facettenreich wie ihr Gesang:<br />
fließend, reißend, ruhig oder<br />
auch tropfend verändert es sich<br />
ständig <strong>und</strong> bleibt doch Wasser.“<br />
Zu ihrem Konzertprogramm:<br />
Sonho meu * Mein Traum<br />
hatte Imaginata eingeladen. Die<br />
Aquabella-Träume sind nichts<br />
für Schwächlinge, nicht Flucht<br />
in fremde Wirklichkeit. Dafür<br />
kamen sie zu stark, eben ganz<br />
weiblich, daher in der überfüllten<br />
Tonhalle. Mit Sentiment<br />
<strong>und</strong> Leidenschaft. Träume, die<br />
selbst den noch berühren, der<br />
Aquabella: „Sohnho meu“ - Musik - ein Traum der seine<br />
Heimstatt sucht in dir <strong>und</strong> mir. Foto: Autor<br />
nicht in die Zukunft zu denken,<br />
nicht zu träumen wagt.<br />
Bettina Stäbert, Bérangère Palix<br />
, Heleen Joor, <strong>und</strong> Claudia<br />
Karduck erzählen „Geschichten<br />
die sowohl an der nächsten<br />
Straßenecke als auch am anderen<br />
Ende der Welt stattfinden.“<br />
Mit ihren Repertoire in<br />
über 20 Sprachen bringen sie<br />
Liedgut aus allen Kontinenten<br />
zu Gehör. Wer ist schon k<strong>und</strong>ig<br />
so vieler Sprachen (Kardinal<br />
Giuseppe Mezzofanti - er<br />
lebte von 1774 bis 1849 - soll<br />
über 70 gesprochen haben.)?<br />
Musik kommt mit einer aus.<br />
Die Musik ein Traum? Ein<br />
Traum, der keine Heimstatt hat?<br />
Immer auf der Suche nach dir<br />
<strong>und</strong> mir? Aquabella singt. Der<br />
Sang weckt ein Lächeln <strong>und</strong> Lachen<br />
<strong>und</strong> Weinen, lässt spüren:<br />
ich bin. Und das ist gut.<br />
Man muss nicht schwach sein,<br />
um eine Schwäche für den<br />
Gesang zu haben. Aquabella<br />
wusste das trefflich zu vermitteln.<br />
Das erlebten auch die<br />
Teilnehmerinnen an einem<br />
zweitägigen Workshop, den<br />
Bettina <strong>und</strong> Bérangère erfolgreich<br />
ausrichteten.<br />
Joachim Hennig<br />
DIE STRASSENZEITUNG AUS JENA<br />
Aus dem<br />
Gästebuch<br />
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />
andere auch. Heute engagiert er<br />
sich für Kinder <strong>und</strong> ihren<br />
Schutz. Kinder können sich<br />
solch’ perfiden Verbrechen nur<br />
schwer erwehren.<br />
Röhl will nicht anklagen. Er will<br />
erhellen. Wortlosigkeit überwinden.<br />
Bei den Betroffenen.<br />
In <strong>und</strong> jenseits der OSO. Und<br />
über jene, die nichts sehen, trotz<br />
ges<strong>und</strong>er Augen <strong>und</strong> wachem<br />
Verstand. Ihm wurde oft ge-<br />
sagt: Das Thema sei durch! Wie<br />
kann ein Thema durch sein,<br />
wenn wir davon ausgehen<br />
müssen, dass jeder 10. Junge<br />
<strong>und</strong> jedes 6. Mädchen in Berührung<br />
kam mit Missbrauch<br />
<strong>und</strong> sexueller Gewalt? Das<br />
Thema ist nicht durch. Auch<br />
nicht, wenn einer, der das<br />
Schweigen brach, sich dadurch<br />
befreit <strong>und</strong> unabhängig fühlt.<br />
Text/Foto: Jo Hennig<br />
Nach einer Woche hab ich<br />
immer noch Workshopohrwürmer.<br />
Es war so toll,<br />
mit Euch zu singen, zu lachen,<br />
zu weinen. Danke für so viel<br />
Inspiration! Kommt bald mal<br />
wieder! A. Münch, <strong>Jena</strong><br />
Hallo meine Lieben -<br />
Aquabellas, danke für das tolle<br />
Workshopwochenende <strong>und</strong><br />
danke, dass wir Könige <strong>und</strong><br />
Königinnen seien durften.<br />
Kristin <strong>und</strong> ich haben heute<br />
gleich ein kleines Meeting im<br />
Chor einberufen <strong>und</strong> wollen<br />
so viel umsetzten, was Ihr uns<br />
alles tolles <strong>und</strong> hilfreiches beigebracht<br />
habt.<br />
Ach ja Danke Danke Danke<br />
für eure Kraft, Liebe zur<br />
Musik, Muse für uns <strong>und</strong> euren<br />
tollen Stimmen! Liebe<br />
Grüße aus <strong>Jena</strong> von der<br />
Katharina Bittorf<br />
Noch bin ich ganz berührt<br />
<strong>und</strong> fühle mich ein bisschen<br />
„neu beseelt“ durch so viel<br />
Lebendigkeit durch innere<br />
<strong>und</strong> äußere Töne.<br />
Wie schön...vielen herzlichen<br />
Dank für diese tolle Zeit mit<br />
Euch, Bettina <strong>und</strong> Bèrangère.<br />
Gabriele Ludek<br />
Dr. Matthias John (<strong>Jena</strong>) führte J. Weidenbusch <strong>und</strong> Regisseur<br />
Chr. Röhl behutsam durch das Podiumsgespräch.<br />
5
6<br />
NOTAUSGANG Jg. 15 /AUSGABE 3 - 2011<br />
Thomas Henkel<br />
Als Gastautor danken wir<br />
Thomas Henkel das<br />
Vereinsporträt der „<strong>Jena</strong><br />
Caputs“. <strong>NOTausgang</strong>:<br />
Was brachte Sie dazu, sich<br />
für Rollstuhlbasketball zu<br />
engagieren?<br />
Thomas Henkel:<br />
Es war die Leistung der<br />
Spieler, die mich vor 10 Jahren<br />
beim Rollstuhlbasketball<br />
begeisterte. Damals erlebte<br />
ich mein erstes Rollstuhlbasketballspiel<br />
in Zwickau,<br />
meiner Heimatstadt. Der<br />
Spaß den mir die Arbeit im<br />
Verein macht <strong>und</strong> das man<br />
ganz nebenbei den Spielern<br />
bei Auswärtsfahrten immer<br />
hilfreich zur Seite steht ist<br />
dabei selbstverständlich.<br />
Aber auch die Mischung<br />
von Behinderten mit Nichtbehinderten<br />
<strong>Mensch</strong>en ist<br />
immer wieder beeindruckend.<br />
Der Erfolg der <strong>Jena</strong><br />
Caputs zeigt mir, dass wir<br />
eine gute Vereinsarbeit leisten.<br />
Neben der technischen<br />
Umsetzung der Website, bin<br />
ich auch für die redaktionelle<br />
Arbeit <strong>und</strong> die Moderation<br />
bei Heimspielen zuständig.<br />
Rollstuhlbasketball - ein spektakulärer Sport<br />
<strong>Jena</strong> Caputs starten erneut in der B<strong>und</strong>esliga<br />
Am 6.12.2007 wurde in <strong>Jena</strong><br />
der erste Rollstuhlbasketballverein<br />
<strong>Jena</strong>s gegründet -<br />
die <strong>Jena</strong> Caputs. Initiator<br />
<strong>und</strong> Gründer war der damalige<br />
Kapitän der deutschen<br />
Nationalmannschaft, Lars<br />
Christink. Der mittlerweile<br />
39-jährige hatte die Vision<br />
innerhalb von drei Jahren in<br />
die 1. B<strong>und</strong>esliga aufzusteigen.<br />
Dabei konnte er von<br />
Beginn an auf zahlreiche<br />
Helfer <strong>und</strong> Unterstützer zählen.<br />
Nach einer Saison in der Regionalliga<br />
<strong>und</strong> der 2. Rollstuhlbasketball<br />
B<strong>und</strong>esliga gelang im<br />
letzten Jahr der Sprung in das<br />
deutsche Oberhaus <strong>und</strong> damit<br />
war das erste große Ziel erreicht.<br />
Zwar stieg das Team<br />
um Kapitän Eric Zinke, einer<br />
der Stützen im Spielgeschehen,<br />
sportlich ab, doch auf Gr<strong>und</strong><br />
des Rückzuges des ASV Bonn,<br />
starten die Saalestädter ab Oktober<br />
in das zweite Jahr in der<br />
1. B<strong>und</strong>esliga.<br />
Kapitän Eric Zinke steigt nach<br />
dem Spiel einfach aus seinem<br />
Sportrollstuhl <strong>und</strong> geht mit<br />
zwei ges<strong>und</strong>en Beinen in die<br />
Kabine. Ab <strong>und</strong> an wird er<br />
gefragt, warum er Rollstuhlbasketball<br />
spielt. Doch der<br />
Sportrollstuhl ist <strong>und</strong> bleibt nur<br />
ein Sportgerät. Es wird schnell<br />
klar, dass Rollstuhlbasketball<br />
zur integrativsten Sportart der<br />
Welt gehört <strong>und</strong> es eines der<br />
spektakulärsten Ballsportarten<br />
ist.<br />
Integrativ deshalb, weil neben<br />
behinderten <strong>Mensch</strong>en auch<br />
nichtbehinderte <strong>Mensch</strong>en, so<br />
wie Eric Zinke in einem Team<br />
spielen dürfen. Außerdem können<br />
auch Frauen gemeinsam<br />
Die Caputs-Kids ganz bei der Sache zum Vereinsfest im<br />
Spiel gegen die Eltern. Fotos (2): Joachim Hennig<br />
mit Männern auf Korbjagd<br />
gehen, wie zum Beispiel Franziska<br />
Vogel bei den Caputs.<br />
Spektakulär, weil es während<br />
des Spieles kracht <strong>und</strong> die Spieler<br />
alles geben, um den Ball im<br />
Korb zu versenken.<br />
Die verschiedene Grade der<br />
Behinderung werden durch ein<br />
Punktesystem eingestuft. Dabei<br />
zählt die noch vorhanden Beweglichkeit<br />
<strong>und</strong> Stabilität im<br />
Sportrollstuhl als Kriterium.<br />
Nichtbehinderte oder Spieler<br />
mit einer minimalen Einschränkung,<br />
bspw. Einschränkungen<br />
an Beinen, erhalten 4,5 Punkte.<br />
1-Punkte-Spieler können die<br />
Beine nicht mehr bewegen <strong>und</strong><br />
haben nur noch eine geringe<br />
oder gar keine Rumpfkontrolle.<br />
In der B<strong>und</strong>esliga dürfen bei<br />
einem Spiel maximal 14,5<br />
Punkte auf dem Feld sein.<br />
Für die <strong>Jena</strong> Caputs ist es wichtig<br />
junge Spieler, Nachwuchssportler<br />
<strong>und</strong> Kinder, sowie<br />
durch Unfälle behinderte <strong>Mensch</strong>en<br />
sportlich zu entwickeln.<br />
Dazu bedarf es eines intensi-<br />
ven Trainings <strong>und</strong> viel Arbeit,<br />
um zunächst die Gr<strong>und</strong>züge<br />
des Rollstuhlbasketballs zu beherrschen.<br />
Neben dem eigentlich<br />
Handling des Basketballs<br />
kommt noch die Beherrschung<br />
des Sportgerätes, des Rollstuhls,<br />
hinzu.<br />
Bei den <strong>Jena</strong> Caputs gibt es ab<br />
der kommenden Saison neben<br />
der 1. Mannschaft auch eine 2.<br />
Mannschaft, in der neue Spieler<br />
oder solche die noch nicht<br />
lange Rollstuhlbasketball spielen,<br />
an den Spielbetrieb heranzuführen.<br />
Außerdem gibt es mit<br />
den Caputs Juniors auch eine<br />
Kindergruppe.<br />
Das erste Punktspiel der Saison<br />
2011/2012 findet am ersten<br />
Oktoberwochenende statt.<br />
<strong>Jena</strong> muss auswärts zum Ostderby<br />
nach Zwickau reisen, ehe<br />
am 08.10.2011 um 19 Uhr mit<br />
den Trier Dolphins gleich ein<br />
harter Gegner zur Heimpremiere<br />
in der Werner-Seelenbinder-Halle<br />
in <strong>Jena</strong> Lobeda-West<br />
auf die Spieler von Trainer<br />
Lars Christink wartet.
Da ist „mehr action“ drin<br />
M. Brühl nicht mehr allein zu Haus<br />
„Beim Rollstuhlbasketball ist<br />
mehr action drin, als beim üblichen<br />
Basketball“, schwärmt<br />
Mathias Brühl, der Spieler mit<br />
der Nummer 4. Wer den 31jährigen<br />
mit den Caputs einmal<br />
live erlebt hat, wird ihm da<br />
wohl zustimmen. Dabei hatte<br />
Mathias mit Sport eigentlich nie<br />
viel am Hut. Seit einem schweren<br />
Motorradunfall ist er querschnittsgelähmt<br />
<strong>und</strong> auf den<br />
Rollstuhl angewiesen. Das erste<br />
Mal mit Rollstuhlbasketball<br />
in Berührung kam er in der<br />
Reha: „Dort zeigte man uns<br />
verschiedene Sportarten, die<br />
eben im Rollstuhl möglich<br />
sind. Bogenschießen, Tischtennis<br />
<strong>und</strong> auch Basketball.“ Entlassen<br />
aus der Klinik <strong>und</strong> zurück<br />
in <strong>Jena</strong>, blieb Mathias oft<br />
für sich, „in der Bude“. Rückblickend<br />
auf diese Zeit sagt er<br />
heute: „Das schwächte mich<br />
nicht nur seelisch, sondern vor<br />
allem körperlich. Mir fehlte<br />
einfach die Motivation.“<br />
Über Lars Christink kam Mathias<br />
dann erneut zum Rollstuhlbasketball:<br />
„Lars hat schon<br />
in verschiedenen Vereinen gespielt,<br />
war Kapitän der deutschen<br />
Rollstuhlbasketball Nationalmannschaft.<br />
Wir waren<br />
uns schon öfter mal in der Stadt<br />
begegnet. Wenn man einen anderen<br />
Rollstuhlfahrer trifft,<br />
dann spricht man sich auch mal<br />
an. So kamen wir letztlich ins<br />
Gespräch.“ Lars nahm Mathias<br />
mit zum BSV Weimar, hier fing<br />
Mathias an zu spielen, zu trainieren:<br />
„Aber eben nur zum<br />
Spaß, nicht in der Liga.“<br />
Als Lars dann 2007 die <strong>Jena</strong>er<br />
Caputs ins Leben rief, war Mathias<br />
mit von der Partie, ist<br />
sogar stellvertretender Vorsit-<br />
Mathias Brühl<br />
Foto: Thomas Henckel<br />
zender des Vereins. Mit den<br />
Caputs wurde Rollstuhlbasketball<br />
für Mathias der neue Mittelpunkt<br />
seines Lebens.<br />
Dreimal die Woche wird dafür<br />
trainiert. Sich dafür zu motivieren,<br />
das fällt ihm inzwischen<br />
nicht mehr schwer: „Als ich in<br />
Weimar anfing mit Spielen, da<br />
fehlte mir manchmal der Antrieb.<br />
Aber durch den Sport bin<br />
ich so fit geworden, dass ich<br />
auch für alle anderen Bereiche<br />
meines Lebens gestärkt wurde.<br />
Der Nutzen, den ich aus dem<br />
Sport ziehe, ist inzwischen<br />
Motivation genug. Jedem, der<br />
im Rollstuhl landet, kann ich<br />
nur empfehlen, sportlich aktiv<br />
zu werden. Außerdem ist man<br />
in der Gruppe, man hat ähnliche<br />
Probleme <strong>und</strong> kann sich<br />
austauschen.“ Für die kommende<br />
Saison wünscht sich<br />
Mathias daher auch am meisten<br />
die Unterstützung „seines“<br />
Sportes: „Wir sind immer auf<br />
der Suche nach Sponsoren.<br />
Und wir freuen uns über jeden<br />
Zuschauer, der kommt, um<br />
uns anzufeuern.“<br />
Berit Oberländer<br />
DIE STRASSENZEITUNG AUS JENA<br />
Anerkannt möchte er sein<br />
Th. Friedrich weiß, was er will<br />
Wer hat sie noch nicht gesehen<br />
die Plakatankündigungen<br />
zu den Spielen des <strong>Jena</strong>er Rollstuhlbasketballvereins?<br />
Immer<br />
mehr <strong>Jena</strong>er finden Freude an<br />
dem Spiel der „<strong>Jena</strong> Caputs“.<br />
Einer von ihnen ist Thomas<br />
Friedrich, 29 Jahre. Von Geburt<br />
an leidet er an Spina Bifida.<br />
Seine Kindheit verbrachte er<br />
im Thüringer Wald in einer<br />
Kleinstadt. Spätere Stationen<br />
seines Lebensweges waren Erfurt,<br />
Coburg, Dresden. Integrativer<br />
Kindergarten, Körperbehindertenschule,Förderlehrgang<br />
<strong>und</strong> Berufsbildungswerk<br />
– das waren für ihn ganz normale<br />
Stationen seiner Entwicklung.<br />
„Was ist denn eigentlich<br />
normal?“, fragt er.<br />
Thomas hatte schon immer den<br />
Wunsch, diesen Sport zu betreiben.<br />
Er recherchiert im Internet,<br />
kontaktiert einen Zwickauer<br />
Verein. Die schlugen ihm<br />
Gotha <strong>und</strong> <strong>Jena</strong> vor. Schließlich<br />
entscheidet sich Thomas für<br />
<strong>Jena</strong>. Seit 2008 gehört er zur<br />
Mannschaft.<br />
Mit seinem Sport findet er Ablenkung<br />
vom Alltag <strong>und</strong> Erfolg.<br />
Im Team <strong>und</strong> persönlichen.<br />
Wir haben im Verein auch viel<br />
Spaß miteinander. Beim Vereins-<br />
<strong>und</strong> Weihnachtsfeiern.<br />
Ein Training bei den Caputs?<br />
Thomas: „Begrüßung, Aufwärmphase,<br />
differenzierte<br />
Übungen sowie ein abschließendes<br />
Übungsspiel. Im Moment<br />
läuft es etwas entspannter.<br />
Mit der neuen Saison werde<br />
es dann wieder ernster. Gäste<br />
<strong>und</strong> Interessenten sind<br />
jederzeit willkommen. Die<br />
wollen Aktion sehen.“ In den<br />
Medien findet ihr Sport nur<br />
sehr wenig Resonanz, obwohl<br />
Thomas Friedrich<br />
Foto: Thomas Henckel<br />
das Team in der höchsten Liga,<br />
der B<strong>und</strong>esliga, spielt.<br />
Sein sportliches Ziel? Meister<br />
werden mit seiner Mannschaft!<br />
Diesen Glücksmoment soll es<br />
für ihn auf jeden Fall einmal<br />
geben. Anerkannt sein möchte<br />
er als Persönlichkeit. Natürlich<br />
auch privat. Noch lebt er bei<br />
den Eltern. Zum Thema<br />
Fre<strong>und</strong>in sagt er lächelnd, er<br />
lasse sich suchen. Er will keine,<br />
die ihn nur aus Mitleid<br />
nimmt. Das trägt nicht, erst<br />
recht eine eigene Familie nicht.<br />
Mit seinem Beruf als Bürokaufmann<br />
könnte er viel leisten,<br />
aber manchmal fühlt er sich bei<br />
seiner Jobsuche als Bewerber<br />
II. Klasse. Im Verein findet er<br />
auch dabei Unterstützung.<br />
Das Internet ist für ihn wichtig<br />
- es bringt die Welt zu ihm. Sehr<br />
gerne würde er in <strong>Jena</strong> leben.<br />
Hier könnte er auch mehr seinem<br />
Hobby nachgehen <strong>und</strong><br />
auch mal Konzerte besuchen.<br />
„Nightwish“ die Symphonic-<br />
Metal-Band aus dem finnischen<br />
Kitee ist sein Favorit. Die Band<br />
ist eine der erfolgreichsten<br />
Metalbands Finnlands.<br />
Steffen Müller<br />
7
Aus dem Programm der Imaginata<br />
8<br />
NOTAUSGANG Jg. 15 /AUSGABE 3 - 2011<br />
Schwach<br />
oder stark?<br />
Sonntags Kinder!<br />
Ein Kindersonntag.<br />
Schwach oder stark? Sich selbst<br />
<strong>und</strong> andere auf die Probe stellen,<br />
das mögen Kinder! Ein<br />
kunterbunter Spiel-, Bastel-,<br />
Zuschau- <strong>und</strong> Mitmachtag<br />
für die ganz Kleinen<br />
<strong>und</strong> ihre Familien: Papas<br />
wiegen, Tauziehen,<br />
Rollstuhl-Parcours, Fingerboarden,Schneckenrennen,<br />
Rumkugeln, Bewegungslichtorgel,<br />
mit Samba,<br />
Pippi, Herrn Turtur<br />
<strong>und</strong> dem tapferen Schneiderlein,<br />
Vorlesen <strong>und</strong> Musik,<br />
aber auch: Sandkasten,<br />
Kuchenzelt <strong>und</strong> Pizzaofen.<br />
Mitbringen: Viel Zeit!<br />
So., 4.9., 10 - 18 Uhr<br />
Ostschwung: „Ach du<br />
liebes bisschen“<br />
SchauspielerInnen zwischen<br />
63 <strong>und</strong> 90 mit viel<br />
Berliner Schnauze – sie<br />
spielen, was das Zeug hält<br />
<strong>und</strong> wie das Leben so<br />
spielt: über das höchste<br />
der Gefühle: die Liebe –<br />
darum dreht sich das Stück der<br />
SeniorInnen-Gruppe des Theaters<br />
der Erfahrungen aus Berlin. Überzeugend,<br />
emotional, verrückt,<br />
nachdenklich. Do., 17.11., 20 Uhr<br />
Vom Ende der Jagd nach dem Glück<br />
oder „Simplify your life“ rät, einfach glücklich zu sein<br />
Das Rennen nach dem<br />
Glück bringt nicht erst heute<br />
manchen um den Verstand.<br />
Mit dem Versprechen,<br />
es einfach zu erlangen,<br />
lässt sich gut Bücher schreiben.<br />
Ist seine Machbarkeit<br />
plausibel, besteht die Aussicht<br />
auf einen Bestseller.<br />
Einen solchen legte der<br />
Pfarrer <strong>und</strong> Journalist Werner<br />
Tiki Küstenmacher mit<br />
"Simplify Your Life" 2007<br />
vor <strong>und</strong> kommt damit in die<br />
Imaginata. <strong>NOTausgang</strong><br />
hatte vorab Gelegenheit,<br />
Fragen zu stellen.<br />
Worauf zielt simplify your<br />
life?<br />
T.K.: Glücklicher zu sein. Und<br />
zwar auf einfache Weise.<br />
Ist es eine neue Art von Entsagungstheorie?<br />
T.K.: Neu ist das nicht wirklich,<br />
nur vielleicht eine neue Zusammenstellung<br />
bekannter<br />
Wahrheiten. Es geht nicht um<br />
Entsagung <strong>und</strong> Verzicht, sondern<br />
um das Loslassen von<br />
dem, was einen nervt, bremst<br />
<strong>und</strong> dadurch unglücklich macht.<br />
Das können Gegenstände sein,<br />
aber auch Gedanken <strong>und</strong> Wünsche.<br />
Zum Beispiel den, was<br />
man angeblich noch alles<br />
braucht.<br />
Küstenmacher: Hauptsache, es funktioniert.<br />
Foto: privat<br />
Wie <strong>und</strong> wo kann ich damit<br />
beginnen bzw. merke ich,<br />
dass ich diese Hilfe/Anleitung<br />
brauche? Und wie geht<br />
es weiter?<br />
T.K.: Viele <strong>Mensch</strong>en haben nur<br />
ein unbestimmtes Gefühl "mir<br />
geht's schlecht". Die sollten erforschen,<br />
woran genau das liegt.<br />
Sind sie mit <strong>Mensch</strong>en zusammen,<br />
die ihnen nicht gut tun? Fehlt<br />
ihnen der Glaube an eine gute<br />
Zukunft? Gibt es einen Traum,<br />
den sie sich noch verwirklichen<br />
wollen? Wenn das klar ist, kann<br />
man sich Hilfe suchen. Und Hilfen<br />
gibt es in unserem Land viele,<br />
für alles.<br />
"Alles Gescheite ist schon gedacht...",<br />
sagt Goethe. Sie sind<br />
studierter Theologe. Bietet<br />
"Simplify Your Life"<br />
vielleicht "alte" religiöse<br />
Botschaften in einem<br />
neuen Gewand?<br />
Muss gar das Gute<br />
immer wieder neu gesagt<br />
werden, um nicht<br />
vergessen zu werden?<br />
T.K.: Es sind keine religiösen<br />
Botschaften,<br />
sondern ganz simple<br />
menschliche: Gestalte<br />
dein Leben selbst, <strong>und</strong><br />
lass es nicht von anderen<br />
gestalten. Warte<br />
nicht darauf, dass andere etwas<br />
für dich tun, sondern tue selbst<br />
etwas. Da haben Sie sehr recht:<br />
Diese altbekannten Wahrheiten<br />
müssen immer wieder neu gesagt<br />
werden, <strong>und</strong> das versuche<br />
ich mit simplify your life.<br />
Warum eigentlich kommt<br />
Ihre Aufforderung, das Leben<br />
zu vereinfachen, in englisch<br />
daher?<br />
T.K.: Weil wir Altbekanntes oft<br />
erst neu entdecken, wenn es einen<br />
neuen Namen hat. Dass es<br />
Englisch ist, ist eher Zufall. Es<br />
hätte auch Lateinisch oder Chinesisch<br />
sein können. Hauptsache,<br />
es funktioniert <strong>und</strong> lässt die <strong>Mensch</strong>en<br />
aufhorchen.<br />
Danke sagt: Tilman Hesse<br />
Helfen in Lobeda - im neuen Domizil<br />
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />
Die Aktivisten des <strong>Jena</strong>er<br />
Tafel e. V. sind sehr froh. Nun<br />
sind sie mit ihrem Angebot für<br />
<strong>Mensch</strong>en in Not vor Ort.<br />
R<strong>und</strong> zwei Drittel jener Mitbürger,<br />
die durch den <strong>Jena</strong>er<br />
Tafel e. V. mit Lebensmittel<br />
oder kostengünstig mit warmem<br />
Essen versorgt werden,<br />
leben in <strong>Jena</strong>-Lobeda. Ortsteilbürgermeister<br />
Volker Blumentritt<br />
warb jahrelang darum, das<br />
Tafelhaus in <strong>Jena</strong>-Lobeda zu<br />
etablieren. In diesem Bemühen<br />
wusste er sich unterstützt durch<br />
seine Kollegin im Ortschaftsrat<br />
Elisabeth Wackerrnagel.<br />
Nach drei Jahren Leerstand der<br />
nicht mehr genutzten Kindereinrichtung<br />
sollte es ganz<br />
schnell gehen. Nicht ganz ein<br />
Jahr dauerte es vom Abschluss<br />
des Erbpachtvertrages mit KIJ<br />
<strong>und</strong> dem Einzug. Oberbürgermeister<br />
Dr. A. Schröter würdigte<br />
aus diesem Anlass das ehrenamtliche<br />
Engagement der<br />
Mitarbeiter, die insgesamt für<br />
r<strong>und</strong> 100 000 Euro Eigenleistungen<br />
bei der Sanierung erbrachten.<br />
Auch Tafelgäste<br />
packten nach ihren Möglichkei-<br />
ten mit an. 350 der r<strong>und</strong> 1 000<br />
dort Versorgten leisteten zwischen<br />
10 <strong>und</strong> 15 St<strong>und</strong>en.<br />
Bereits während des Probebetriebs<br />
zeigte die wachsende<br />
Zahl neuer Anträge auf eine<br />
Tafelpass wie richtig die Entscheidung<br />
war..<br />
Schröter begrüßte, das Konzept,<br />
das Tafelhaus zu einem
Geschichten aus tausend<strong>und</strong>einem <strong>Jena</strong><br />
<strong>Jena</strong>er Sprachverwender legten dritte Anthologie vor<br />
Zu Besuch beim Nachbarn.<br />
Wenige Schritte vom Redaktionskeller<br />
des <strong>NOTausgang</strong><br />
entfernt hat der „<strong>Mensch</strong>en<br />
ohne bezahlte Beschäftigung<br />
e. V.“ sein Quartier.<br />
Dort war das Redaktionsteam<br />
Gast als Autoren des<br />
Vereinsprojektes „<strong>Jena</strong>er<br />
Sprachverwender“ ihr<br />
neuestes Buch „Geschichten<br />
aus tausend<strong>und</strong>einem <strong>Jena</strong>“<br />
vorstellten. Ihre nunmehr<br />
dritte Anthologie.<br />
Zehn Autoren unternehmen in<br />
96 Geschichten, Gedichten <strong>und</strong><br />
Liedern Streifzüge durch <strong>Jena</strong>.<br />
Die morgenländischen „Erzählungen<br />
aus 1001 Nacht“ standen<br />
für den Titel ihres neuesten<br />
Bandes Pate.<br />
Im hiesigen Abendland werden<br />
infolge unzureichender Arbeitseinkommen<br />
<strong>und</strong> Arbeitslosigkeit<br />
viele <strong>Mensch</strong>en ins<br />
Abseits gedrängt. Sozialkritisch<br />
<strong>und</strong> gelegentlich auch satirisch<br />
beleuchten die Autoren die<br />
dem zu Gr<strong>und</strong>e liegenden gesellschaftlichen<br />
<strong>und</strong> politischen<br />
Verhältnisse.<br />
Zudem geht es um Natur, Liebe,<br />
Kindheitserinnerungen, um<br />
Fabelwesen <strong>und</strong> vieles mehr.<br />
Nach der Autorenlesung kam<br />
ich mit Ulrich Friedmann ins<br />
DIE STRASSENZEITUNG AUS JENA<br />
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />
Ort der Begegnung zu machen,<br />
eine Stätte gegen die Vereinsamung,<br />
die das Leben benachteiligter<br />
Mitbürger bereichert.<br />
Zur Einzugsfeier konnten sich<br />
geladene Gäste <strong>und</strong> interessierte<br />
Anwohner von den sozialen<br />
Angeboten <strong>und</strong> den Bedingungen<br />
der ehrenamtlichen Arbeit<br />
der r<strong>und</strong> 65 Aktiven überzeugen.<br />
Anregung zum Mittun.<br />
Die Würdigung der 35 Hand-<br />
Mitglieder des Projektes „<strong>Jena</strong>er Sprachverwender (v. l.):<br />
Ulrich Friedmann, Klausdieter Weller, Anja Scholl,<br />
Mohammed Al-Kuwaiti Foto: Mobb e. V.<br />
Gespräch. „Sprachverwender,<br />
das Wort klingt aber sperrig,“<br />
sage ich <strong>und</strong> konfrontiere ihn<br />
mit unserem Empfinden zum<br />
Projektnamen. Er verwies auf<br />
den damit gemeinten Umgang<br />
mit der deutschen Sprache in<br />
ihrer ursprünglichen Form.<br />
Zudem habe dieser Begriff<br />
bereits manche <strong>Mensch</strong>en zum<br />
Nachdenken angeregt.<br />
Friedmann ist selbst als Autor<br />
aktiv. Der 55-jährige Betriebswirtschaftler<br />
war jeweils zwölf<br />
Jahre im Zeiss-Forschungszentrum<br />
<strong>und</strong> als Buchhalter in der<br />
Buchhandlung „Thomas<br />
Mann“ tätig. Dem Buchhalterjob<br />
nach der „Wende“ verdanke<br />
er vielfältige Einblicke in<br />
„eine erweiterte Welt des ge-<br />
werks- <strong>und</strong> Handelsbetriebe<br />
durch den Vorsitzenden Jürgen<br />
Bromme, die durch ihre Lebensmittel<br />
spenden ermöglichen,<br />
dass die Tafel gedeckt ist,<br />
ging in die gleiche Richtung. Es<br />
wäre nützlich <strong>und</strong> notwendig,<br />
dass noch mehr Spender die<br />
uneigennützige Arbeit der Tafel<br />
unterstützen. „Es gibt nichts<br />
Gutes - Außer man tut es.“<br />
Text <strong>und</strong> Foto: J. Hennig<br />
schriebenen Wortes“. Für seine<br />
literarischen Arbeiten bevorzugt<br />
er Prosa. Zahlreiche Texte<br />
spiegeln seine sozialistischkommunistischeWeltanschauung.<br />
Aus dieser Sicht hinterfragt<br />
er den Sozialstaat, wie er ihn<br />
erlebt, kritisch. Das Team will<br />
durch kreatives Schreiben Erbauung<br />
finden <strong>und</strong> Anderen<br />
mittels Nutzung von Sprache<br />
Abwechslung verschaffen. Darin<br />
sieht er wesentliche Anliegen<br />
der Autorengruppe.<br />
Die diskutiert bereits ihr nächstes<br />
Projekt: im Schuber versammelte<br />
Einzelausgaben.<br />
Konrad Wendt<br />
„Geschichten aus tausend<strong>und</strong>einem<br />
<strong>Jena</strong>“ (MobB e.V., Unterm<br />
Markt 2, Tel.: 384364)<br />
Schwach oder stark?<br />
Vortrag: Kinderrechte sind<br />
<strong>Mensch</strong>enrechte<br />
<strong>Mensch</strong>enrechte von Kindern<br />
werden weltweit verletzt, nicht<br />
nur in Kriegs- <strong>und</strong> Notstandgebieten.<br />
Es ist unsere Verantwortung<br />
als Erwachsene, Kindern<br />
zu ihrem Recht zu<br />
verhelfen. Prof. Lothar<br />
Krappmann arbeitet seit acht<br />
Jahren in der UN-Kommission<br />
für Kinderrechte.<br />
Do., 6.10, 20 Uhr<br />
Gespräch: Du glaubst,<br />
du bist schwach?<br />
Die Thüringer Ministerpräsidentin<br />
Christine Lieberknecht<br />
<strong>und</strong> Prof. Klaus-Peter Hertzsch,<br />
zwei evangelische<br />
Christen, sprechen<br />
darüber, was Starksein<br />
<strong>und</strong> Schwachsein für ihren<br />
Glauben bedeutet.<br />
Di., 1.11., 20 Uhr<br />
Lesung: „Der kleine<br />
Frieden im Großen<br />
Krieg“<br />
Heiligabend 1914: An der<br />
Westfront schließen sich<br />
deutsche, britische <strong>und</strong><br />
französische Soldaten zusammen,<br />
feiern Weihnachten<br />
<strong>und</strong> begraben gemeinsam<br />
ihre Toten – ein unvorstellbares<br />
W<strong>und</strong>er! Der Stern-Autor Michael<br />
Jürgs liest aus seinem Buch vor.<br />
Do., 3.11., 20 Uhr<br />
Aus dem Programm der Imaginata<br />
Zur Eröffnung tanzten <strong>und</strong> musizierten Kinder <strong>und</strong> Jugendliche<br />
vom Multikulturellen Integrationgruppen e.V.<br />
9
10<br />
NOTAUSGANG Jg. 15 /AUSGABE 3 - 2011<br />
Ein warmes Essen<br />
- an jedem Tag<br />
Hg. Hunger tut weh. Auch<br />
in Lugosch. Um ihn unter<br />
Kindern der Bedürftigsten zu<br />
stillen, engagieren sich Christen<br />
der Arbeitsgescheinschaft<br />
Christlicher Kirchen <strong>Jena</strong>s seit<br />
zwei Jahren in ihrem besonderen<br />
Projekt. Unsere Partnerstadt<br />
unterhält eine Sozialkantine.<br />
Die ist vergleichbar<br />
mit der <strong>Jena</strong>er Tafel. Deren<br />
Möglichkeiten reichen längst<br />
nicht aus, um allen Kindern<br />
zu helfen.<br />
Durch das Projekt erhalten 20<br />
Kinder das ganze Schuljahr<br />
hindurch ein gutes Mittagsessen.<br />
Um das zu finanzieren<br />
benötigt das Projekt für jedes<br />
Schuljahr 5 400 Euro. Kollekten<br />
erbrachten bisher 2 000<br />
Euro. Um die Finanzierungslücke<br />
zu schließen, wirbt das<br />
Projekt um Spenden. Speziell<br />
für diesen Zweck richtete<br />
die Arbeitsgemeinschaft ein<br />
Spendenkonto ein. Alle<br />
Spenden kommen den Kindern<br />
direkt <strong>und</strong> ohne Verwaltungskosten<br />
zugute.<br />
Sparkasse <strong>Jena</strong>-Saale-<br />
Holzland<br />
Kirchgemeinde <strong>Jena</strong>-Suptur<br />
<strong>Jena</strong> Konto-Nr. 64238<br />
BLZ 830 530 30<br />
Von der „Macht der Ohnmächtigen“<br />
Sie riefen einst: „Wir sind das Volk“ - <strong>und</strong> heute?<br />
Ohnmacht lähmt, aber Veränderungswille<br />
macht stark.<br />
Mit ihrem Ruf „Wir sind das<br />
Volk“ wurden die Bürgerrechtler<br />
damals in der DDR<br />
mächtig. Roland Jahn, Lutz<br />
Rathenow, Lilo Fuchs <strong>und</strong><br />
Siegfried Reiprich kommen<br />
am 29.9. unter der Moderation<br />
von Doris Liebermann<br />
( ! ) ins Gespräch über das<br />
Thema „Die Macht der<br />
Ohnmächtigen - BürgerrechtlerInnen<br />
vor <strong>und</strong> nach<br />
der Wende“.<br />
Doris Liebermann, 1953 in<br />
Leimrieth/Thüringen geboren,<br />
ist freie Autorin für verschiedene<br />
Zeitungen, Funk <strong>und</strong> TV.<br />
Auf ihrem Lebensweg studierte<br />
sie Theologie, wurde aber<br />
1976 vorübergehend festgenommen<br />
im Zusammenhang<br />
mit der Unterschriftenaktion<br />
für Wolf Biermann <strong>und</strong> daraufhin<br />
exmatrikuliert <strong>und</strong> nach<br />
Westberlin ausgebürgert.<br />
Redaktion ( ? ): Frau Liebermann,<br />
wer waren <strong>und</strong> was<br />
wollten die Buergerrechtler in<br />
der DDR?<br />
( ! ): Es ist schwer, pauschal<br />
auf diese Frage zu antworten.<br />
Ich habe mich in der DDR nicht<br />
als „Bürgerrechtlerin“ verstanden.<br />
Auch meine Fre<strong>und</strong>e ha-<br />
Doris Liebermann stellte<br />
sich Andrea Körners Fragen<br />
ben das nicht. Wir waren junge<br />
Leute, die alle für den Sozialismus<br />
waren. Nur sollte er etwas<br />
lebensfre<strong>und</strong>licher, bunter,<br />
freizügiger <strong>und</strong> liberaler sein als<br />
der rigide DDR-Sozialismus,<br />
der uns die Luft zum Atmen<br />
nahm. Keiner wäre auf die<br />
Idee gekommen, auch nur einen<br />
Stein gegen einen DDR-<br />
Funktionär zu werfen. Ich sage<br />
immer: die DDR hat uns zu<br />
Oppositionellen gemacht.<br />
( ? ): Was hat Ihren Widerstand<br />
in der DDR konkret herausgefordert?<br />
( ! ): Das waren die großen<br />
Widersprüche, die ich schon in<br />
der Schule erlebte. Es hieß<br />
immer, es dürfe nie wieder ein<br />
Krieg von deutschem Boden<br />
ausgehen. Wenn aber ein junger<br />
Mann den Wehrdienst total<br />
verweigerte, wurde er ins<br />
Gefängnis gesperrt. Und einige<br />
meiner Fre<strong>und</strong>e flogen von<br />
der Schule oder aus der Lehre,<br />
nur weil sie zur Jungen Gemeinde<br />
gehörten. Diese Ungerechtigkeit<br />
empörte mich.<br />
( ? ): Auf Ihre mutige Petition<br />
gegen die Ausbürgerung Wolf<br />
Biermanns reagierte die DDR<br />
nicht mit Einlenken, sondern<br />
bürgerte Sie ebenfalls aus. In<br />
welchem Moment fühlten Sie<br />
sich als Bürgerrechtlerin am<br />
schwächsten, <strong>und</strong> in welchem<br />
am stärksten?<br />
( ! ): Am schwächsten fühlte ich<br />
mich, als ich im November 1976<br />
festgenommen wurde <strong>und</strong> in ein<br />
Stasi-Auto einsteigen musste, das<br />
mich zum Verhör brachte. Am<br />
stärksten fühlte ich mich, als später<br />
die Mauer fiel. Die Geschichte<br />
hatte uns Recht gegeben, <strong>und</strong> wir<br />
hatten das Glück, das zu erleben.<br />
„Es gibt Dinge, für die lohnt es<br />
sich zu leiden“, sagte einst der<br />
tschechische Bürgerrechtler Jan<br />
Patocka, womit er die <strong>Mensch</strong>enrechte<br />
<strong>und</strong> die Wahrheit<br />
meinte. Ich engagiere mich deshalb<br />
auch bis heute für <strong>Mensch</strong>enrechtsorganisationen.<br />
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Anzeigen
„Das Andere in mir kann helfen“<br />
Mit Ruth Dorsch alias „Frau Holle“ machen Märchenst<strong>und</strong>en Spaß<br />
Ohne Freiwillige geht es<br />
nicht! Viele Arbeiten vor allem<br />
im sozialen <strong>und</strong> kulturellen<br />
Bereich liegen in ehrenamtlicher<br />
Hand. Etwa<br />
jeder dritte <strong>Jena</strong>er engagiert<br />
sich außerhalb von Beruf<br />
<strong>und</strong> Privatleben in Vereinen<br />
<strong>und</strong> Initiativen.<br />
Freude, Stolz <strong>und</strong> die Verantwortung<br />
Anderen helfen zu<br />
können wird dabei oft als<br />
persönliche Bereicherung erfahren.<br />
Junge <strong>Mensch</strong>en können<br />
sich orientieren, erfahrene<br />
Ältere bleiben aktiv. Manche<br />
entdecken so auch ganz<br />
neue Seiten an sich, empfinden<br />
ihre Stärken, ihre Schwächen<br />
<strong>und</strong> Bedürftigkeiten in<br />
zuvor nicht erlebter Weise.<br />
„Das Andere in mir“ kann<br />
helfen, anderen zu helfen. So<br />
etwas wie eine Institution ist<br />
für viele in Wenigenjena Frau<br />
Ruth Dorsch, genannt „Frau<br />
Holle“. Sie ist 81 Jahre <strong>und</strong><br />
fühlt sich dank ihrer freiwilligen<br />
Arbeit in den Kindergärten<br />
„Seidelstraße“ <strong>und</strong><br />
„Fuchsturmweg“ gar nicht<br />
alt. Aus ihrem Beruf als Lehrerin<br />
für Kunsterziehung <strong>und</strong><br />
Sport schöpft sie ihre Einfälle<br />
für kreative Märchenstun-<br />
Spannung am großen Tisch: „Frau Holle“ ist da mit ihrem<br />
großen Märchenbuch. Foto: UNIFOK/Enkelmann<br />
den mit den Kindern.<br />
Manchmal gibt es die Inszenierung<br />
sogar am heimischen<br />
Wohnzimmertisch. Im Trachtenkleid<br />
vermittelt sie lebendigere<br />
Eindrücke als es alleiniges<br />
Vorlesen vermag. Das<br />
steht natürlich im Mittelpunkt.<br />
Danach wird gebastelt, gesungen<br />
<strong>und</strong> getanzt.<br />
„Die Kinder helfen mir jung<br />
zu bleiben, die strahlenden<br />
Augen, offenen Münder <strong>und</strong><br />
lustigen Fragen lassen mich<br />
ganz schwach werden.“ sagt<br />
die „Vorlesepatin“. Das stärke<br />
sie für neue Ideen. So sind<br />
unter ihren Fittichen auch die<br />
„Jungen Picassos“, eine Kin-<br />
dergartengruppe, auf künstlerischen<br />
Pfaden unterwegs.<br />
Konrad Wendt<br />
„Frau Holle“ <strong>und</strong> 29 weitere<br />
Ehrenamtliche treffen Sie<br />
in der vor drei Jahren mit<br />
Hilfe des Universitätsfotoklubs<br />
UNIFOK entstandenen<br />
Wanderausstellung „30<br />
Gute - dreißig mal gutes<br />
Freiwilligenengagement“<br />
der „Bürgerstiftung Zwischenraum“.<br />
Die Schau ist<br />
bis zum 19. August in der<br />
Arbeitsagentur, danach bis<br />
zum 2. November in der<br />
Cafeteria des Uni-Hauptgebäudes<br />
zu sehen.<br />
DIE STRASSENZEITUNG AUS JENA<br />
Einfach gut: Die Bürgerstiftung<br />
Zwischenraum<br />
<strong>Jena</strong>-Saale-Holzland vernetzt<br />
Spender, Förderer <strong>und</strong><br />
Sponsoren, die ihr Wissen, ihre<br />
praktische Arbeit, Zeit <strong>und</strong><br />
Geld für das Gemeinwohl<br />
einbringen wollen. Eine dafür<br />
eingerichtete Freiwilligenagentur<br />
berät <strong>und</strong> vermittelt<br />
an ehrenamtlichem Engagement<br />
interessierte Mitbürger.<br />
Bereits Tradition haben die<br />
Freiwilligentage, an denen<br />
zum Sichausprobieren in soziale<br />
Einrichtungen eingeladen<br />
wird, <strong>und</strong> der Marktplatz,<br />
der praktische Tauschgeschäfte<br />
ganz ohne Geld bietet.<br />
In einem aktuellen Projekt<br />
stellen Berufspraktiker auf<br />
freiwilliger Basis ihre Profession<br />
Regelschülern vor, die<br />
anschließend in gemeinnützigen<br />
Bereichen Praxisluft<br />
schnuppern können.<br />
<strong>Jena</strong>, Am Rähmen 27,<br />
Tel.: 03641- 6349558<br />
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Anzeigen<br />
11
12<br />
NOTAUSGANG Jg. 15 /AUSGABE 3 - 2011<br />
Fußball-Ikone Steffi Jones<br />
über Verantwortung im Leben,<br />
Freude am Sport <strong>und</strong><br />
die aktuelle Weltmeisterschaft<br />
der Frauen<br />
Frau Jones, es heißt, sie hatten<br />
keine einfache Kindheit.<br />
Ihr Vater, ein in Deutschland<br />
stationierter US-Soldat, hat die<br />
Familie 1975 verlassen, als sie<br />
erst drei Jahre alt waren. Im Internet<br />
bekennen Sie sich dazu,<br />
als Jugendliche in einem Kaufhaus<br />
gestohlen zu haben. Wie<br />
hat der Fußball dazu beigetragen,<br />
dass Ihr Leben nicht aus<br />
den Fugen geraten ist?<br />
Nicht zuletzt der Fußball<br />
hat mich zu dem gemacht<br />
was ich heute bin. Durch Erfolge<br />
<strong>und</strong> Niederlagen mit der<br />
Mannschaft lernt man sich im<br />
Leben durchzusetzen. Sport<br />
spielt generell eine sehr wichtige<br />
Rolle in unserer Gesellschaft,<br />
denn er bringt <strong>Mensch</strong>en zusammen<br />
<strong>und</strong> fördert Eigenschaften<br />
wie Solidarität, Integration<br />
<strong>und</strong> Respekt. Außerdem<br />
habe ich schon immer sehr<br />
den Kontakt mit <strong>Mensch</strong>en aus<br />
anderen Kulturen genossen<br />
<strong>und</strong> vor allem mit Kindern. Ein<br />
Leben ohne Fußball ist für<br />
mich eigentlich unvorstellbar.<br />
Sie haben sportlich mehr erreicht,<br />
als viele männliche<br />
Kollegen. Erhält der Frauenfußball<br />
die Aufmerksamkeit<br />
die ihm gebührt?<br />
Dankbarkeit ist ein schöner Gr<strong>und</strong><br />
Fußball-Ikone Steffi Jones über Verantwortung im Leben<br />
Weltmeisterin Steffi Jones: „Ein Leben ohne Fußball ist<br />
für mich eigentlich unvorstellbar.“ Foto: Kunz/OK2011<br />
Der Frauenfußball ist in seiner<br />
Entwicklung noch relativ<br />
jung <strong>und</strong> viele Frauen hatten<br />
es in dem männerdominierten<br />
Sport oft schwer. Aber<br />
inzwischen sieht das ganz<br />
anders aus. Mädchen, die Fußball<br />
spielen, werden schon lange<br />
nicht mehr von ihren männlichen<br />
Kollegen aufgezogen.<br />
Die Medien berichten immer<br />
häufiger <strong>und</strong> ausführlich vom<br />
Frauenfußball, gerade mit Blick<br />
auf die FIFA Frauen-WM<br />
2011 hier in Deutschland.<br />
Werden Sie nicht manchmal<br />
wütend, wenn für männliche<br />
Spieler riesige Ablösesummen<br />
gezahlt werden, während<br />
die sportlichen Erfolge von<br />
Frauen mit vergleichsweise lächerlich<br />
abgegolten werden?<br />
Ich vertrete immer den<br />
Standpunkt, dass sich Frauen-<br />
<strong>und</strong> Männerfußball nicht<br />
vergleichen lässt. Das sind zwei<br />
verschiedene paar Schuhe an<br />
unterschiedlichen Entwicklungspunkten.<br />
Sie sind Präsidentin des Organisationskomitees<br />
der<br />
diesjährigen WM. Was wünschen<br />
Sie sich für den Verlauf<br />
der Spiele? Welche Mann- oder,<br />
besser: Frauschaften sind Ihre<br />
Favoriten?<br />
Wir sollten den besten Fußballerinnen<br />
aus aller Welt<br />
<strong>und</strong> ihren Fans zeigen, dass wir<br />
sie fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> herzlich aufnehmen.<br />
Sie sollen später sagen,<br />
dass diese WM großartig war.<br />
Für den Verlauf der Spiele<br />
wünsche ich mir einfach, dass<br />
es ein spannendes <strong>und</strong><br />
möglichst ausgeglichenes Turnier<br />
wird. Es sind viele gute<br />
Mannschaften dabei <strong>und</strong> ich<br />
denke, es wird einige Überraschungsteams<br />
geben. Mein<br />
Herz schlägt dabei aber für die<br />
deutsche Mannschaft <strong>und</strong> ich<br />
würde mich natürlich sehr freuen,<br />
das Team auch im Finale<br />
zu sehen.<br />
Sie haben ein Buch geschrieben.<br />
Es heißt: „Der Kick<br />
des Lebens“. Worum geht es<br />
da, kurz gesagt, <strong>und</strong> was ist der<br />
Kick Ihres jetzigen Lebens -<br />
nach dem Ende der aktiven<br />
Sportlerinkarriere?<br />
In meiner Biographie geht<br />
es darum, wie ich groß geworden<br />
bin, welche Hürden ich<br />
überwinden musste <strong>und</strong> wie<br />
der Fußball dabei mein Leben<br />
verändert hat. Viele Jahre durfte<br />
ich beim aktiven Fußball in<br />
einem Team arbeiten, jetzt ist<br />
das auf einer anderen Ebene<br />
der Fall – mit Kolleginnen <strong>und</strong><br />
Kollegen von hoher Sachkompetenz.<br />
Diese Aufgabe wird<br />
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○<br />
Anzeige
mich sehr viel weiterbringen.<br />
Und auch in meiner jetzigen Position<br />
ist Teamwork angesagt.<br />
Nur wenn alle an einem Strang<br />
ziehen, wird diese WM ein so<br />
großer Erfolg wie wir es uns<br />
wünschen.<br />
Sie engagieren sich gegen<br />
Rassismus, besuchen Frauen<br />
im Gefängnis, reden mit<br />
Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern.<br />
Warum ist es Ihnen wichtig, für<br />
andere <strong>Mensch</strong>en da zu sein?<br />
Für mich ist es ganz selbstverständlich<br />
andere <strong>Mensch</strong>en<br />
zu unterstützen <strong>und</strong> Verantwortung<br />
zu übernehmen.<br />
Zu sehen, wie viel Spaß Kinder<br />
beim Fußball haben <strong>und</strong><br />
ihre Dankbarkeit zu erfahren,<br />
ist der schönste Gr<strong>und</strong><br />
überhaupt.<br />
Jedes Jahr gibt es eine<br />
Streetfootball-WM der<br />
Obdachlosen. Was raten Sie<br />
<strong>Mensch</strong>en, deren Leben aus der<br />
Bahn geraten ist? Wie kann der<br />
Fußball ihnen helfen wieder –<br />
wörtlich genommen – Fuß zu<br />
fassen?<br />
Das gemeinsame Interesse<br />
an diesem Sport verbindet<br />
die unterschiedlichsten <strong>Mensch</strong>en<br />
miteinander. Dadurch<br />
entstehen neue Strukturen <strong>und</strong><br />
Gemeinschaften in denen <strong>Mensch</strong>en<br />
miteinander ein Team<br />
bilden, die vielleicht auf Gr<strong>und</strong><br />
der gesellschaftlichen Normen<br />
<strong>und</strong> Gegebenheiten sonst nur<br />
sehr selten miteinander zu tun<br />
hätten. Die Hautfarbe, der soziale<br />
Status <strong>und</strong> andere Merkmale<br />
treten dabei absolut in den<br />
Hintergr<strong>und</strong>. Und das ist auch<br />
gut so.<br />
Sie kommen ja viel in der<br />
Welt herum. Überall gibt es<br />
Obdachlosenzeitungen? Kaufen<br />
Sie manchmal eine?<br />
Ja, ich habe schon die ein<br />
oder andere gekauft. Ich<br />
freue mich, dass Ihre Zeitung<br />
ein solches Interesse am Frauenfußball<br />
hat.<br />
Das Gespräch führte Hubert<br />
Ostendorf von der Straßenzeitung<br />
„fiftyfifty“<br />
Steffi Jones<br />
geb. 22.12.1972<br />
in Frankfurt/Main<br />
111 Länderspiele<br />
Weltmeisterin 2003<br />
Europameisterin 1997,<br />
2001, 2005<br />
Olympia-Bronze 2000,<br />
2004<br />
UEFA-Cup-Siegerin 2002,<br />
2006<br />
6 mal Deutsche Meisterin<br />
4 mal DFB-Pokal-Siegerin<br />
US-Meisterin 2003<br />
Trainerin-Liznez seit 2007<br />
www.FIFA.com/deutschland2011<br />
DIE STRASSENZEITUNG AUS JENA<br />
KULTUR TUT GUT(es)!<br />
JoHe. Kultur tut gut.<br />
Wie sonst hätte sich die Kulturarena<br />
in den 20 Jahren seit<br />
dem ersten Arenasommer<br />
1992 zu einem der größten,<br />
längsten <strong>und</strong> vielfältigsten<br />
Open Airs Deutschlands entwickeln<br />
können?<br />
Dass Kulturarena Gutes tut,<br />
würdigt die <strong>Jena</strong>er Tafel. Dankbar<br />
erinnern sie sich an das<br />
Sommerspektakel 2000. „<strong>Jena</strong><br />
kocht“, Regie: Reinold Grebe.<br />
Er sorgte in diesem Sommer<br />
gleich für zwei ausverkaufte<br />
Arenaabende. Mit den an drei<br />
Abenden eingeworbenen Lebensmittelspenden<br />
deckten die<br />
ehrenamtlichen Mitarbeiter viele<br />
Tage den Mittagstisch für<br />
bedürftige Mitbürger.<br />
Unsere Verkäuferinnen <strong>und</strong><br />
Verkäufer danken der Arena,<br />
die jährliche Einladung, unsere<br />
Zeitung im Eingangsbereich<br />
anzubieten <strong>und</strong> dem laufenden<br />
Programm beizuwohnen.<br />
Im 20. Sommer laden die Arenamacher<br />
dazu ein, aus der Jubiläums-Kulturarena<br />
eine<br />
Benefiz-Arena zu machen.!<br />
Um der Stadt <strong>Jena</strong> <strong>und</strong> der<br />
Region ein wenig von dem zurückzugeben,<br />
was sie in den<br />
letzten zwanzig Sommern an<br />
Vertrauen, Neugierde, Geduld<br />
<strong>und</strong> Zuneigung in das Festival<br />
investiert haben, sollen mit der<br />
Benefiz-Aktion drei soziale <strong>und</strong><br />
karitative Projekte der Vereine:<br />
Kinderhilfe e. V. <strong>Jena</strong>, des Förderverein<br />
Hospiz <strong>Jena</strong> e. V.<br />
<strong>und</strong> der Bürgerstiftung Zwischenraum<br />
<strong>Jena</strong> - Saale -Holzland<br />
unterstützt werden.<br />
Gr<strong>und</strong>stock werden 20 Prozent<br />
der Roheinnahmen aus der<br />
ArenaComedy vom 31.Juli<br />
sein. Mit der Unterstützung des<br />
Hilfswerks des Lions Clubs<br />
<strong>Jena</strong> e. V. wurde ein Spendenkonto<br />
eingerichtet:<br />
Commerzbank <strong>Jena</strong>,<br />
Konto 262881600,<br />
BLZ: 820 400 00<br />
Stichwort „20 Sommer“<br />
Jeder Cent hilft! Und es kann<br />
auch ganz einfach gehen. Im<br />
Haupteingangsbereich ist eine<br />
Spendenbox aufgestellt. Die ist<br />
groß genug für klingende Münze<br />
<strong>und</strong> auch Raschelndes!<br />
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Anzeigen<br />
13
14<br />
+++ In Leipzig getroffen + + + +++ In Leipzig gesehen + + +<br />
Fiesta in der<br />
Räuberhöhle<br />
Juan Pablo Villalobos, geboren<br />
1973 in Guadalajara,<br />
Mexiko, kam mit „Fiesta in<br />
der Räuberhöhle“ nach<br />
Leipzig. Der im Berenberger<br />
Verlag erschienene Roman<br />
erzählt die Geschichte des<br />
Sohnes eines mexikanischen<br />
Drogenbosses, wie man aufwächst<br />
in Reichtum <strong>und</strong> Einsamkeit.<br />
Der studierte<br />
Marktforscher <strong>und</strong> Literaturwissenschaftler<br />
packt in<br />
den Miniroman mehr über<br />
Mexiko <strong>und</strong> Lateinamerika,<br />
seine fatale Abhängigkeit<br />
<strong>und</strong> seinen Hang zu Größenwahn<br />
<strong>und</strong> vergänglichem<br />
Ruhm als in der Zeitung<br />
steht. Er arbeitet <strong>und</strong> lebt<br />
heute in Barcelona.<br />
Fotos (4) Jo Hennig<br />
Versöhnung als Akt einer Selbstbefreiung<br />
Walter Kohl: Leben oder gelebt werden<br />
Und so lang du das nicht hast,<br />
Dieses: Stirb <strong>und</strong> Werde!<br />
Bist du nur ein trüber Gast<br />
Auf der dunklen Erde.<br />
Joh. Wolfgang v. Goethe<br />
Wer Walter Kohl auf dem<br />
„Blauen Sofa“ in Leipzig erlebt<br />
hat, war für die Lektüre seines<br />
Erstlings glatt im Vorteil. Dem<br />
wurde klar, was manchem unvorbereiteten<br />
Leser Fragezeichen<br />
setzen lässt. Ist es die Beschreibung<br />
des Lebens in einer<br />
Politikerfamilie? Ist es die<br />
Abrechnung mit einer unglücklichen<br />
Vater-Sohn-Geschichte?<br />
Ist es die Mitleid erheischende<br />
Rechtfertigung eines Lebensweges,<br />
der als wenig glückhaft<br />
empf<strong>und</strong>en wurde? Ist es die<br />
Geschichte einer Selbstfindung?<br />
Ich finde von allem etwas. Und<br />
vermisse zu allem immer noch<br />
Wichtiges, Tragfähiges. Belastbares,<br />
vom dem heraus ich für<br />
den Protagonisten Empathie<br />
finden kann.<br />
Da fehlt die Beschreibung des<br />
Zusammenlebens in der Familie.<br />
Familie, die mehr ist als<br />
Nährstatt. Die lebt <strong>und</strong> wirkt.<br />
Im Geben, Nehmen <strong>und</strong> Versagen<br />
<strong>und</strong> Vergeben.<br />
Walter Kohl<br />
Da fehlt die Auskunft über den<br />
Gewinn, den Walter Kohl real<br />
gezogen hat, aus der herausragenden<br />
Stellung des Vaters. Die<br />
Gespräche, den Austausch, das<br />
Harward-Studium.<br />
Da kommen die Geschichten<br />
zu den Nachrichten über den<br />
verprügelten <strong>und</strong> gehänselten<br />
Politikersohn zu knapp <strong>und</strong><br />
episodenhaft. Kinder aus weniger<br />
exponierten Familien machen<br />
auf andere Weise ähnliche<br />
Erfahrungen <strong>und</strong> dürfen<br />
kein Mitleid erheischen.<br />
Selbstfindung ist ein Prozess.<br />
Kohl setzt als Untertitel: Schritte<br />
auf dem Weg zur Versöhnung.<br />
Versöhnung. Ein schönes Wort.<br />
Vielleicht das schönste im<br />
Buch. Versöhnung als Akt der<br />
Selbstbefreiung ist <strong>und</strong> ermöglicht<br />
zugleich Selbstfindung.<br />
Meint in seinem Falle auch Befreiung<br />
von Bevorm<strong>und</strong>ung,<br />
Zwängen - realen <strong>und</strong> empf<strong>und</strong>enen,<br />
von Suizidgedanken,<br />
von der Opferrolle, die er gelebt<br />
hat, von Verletzungen. Am<br />
Ende schreibt der Autor: „Ich<br />
gestalte mein Leben als Walter<br />
Kohl, ich bin der „Sohn vom<br />
Kohl“. Dieses Leben nehme<br />
ich an, diesen Weg gehe ich.“<br />
Viel Glück - viel Licht.<br />
Joachim Hennig<br />
Walter Kohl: Leben oder<br />
gelebt werden, Integral-Verlag,<br />
München 2011<br />
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Anzeigen
+++ In Leipzig getroffen + + +<br />
„Täve“ - als Sportsmann überzeugend stark<br />
- ansonsten nichts Neues über Gustav A. Schur<br />
Er ist eine Ikone des<br />
Sports. Noch zum 70.<br />
Geburtstag des heute<br />
80-Jährigen versammelten<br />
sich im Berliner<br />
Velodrom mehr als<br />
5 000 Gratulanten. 60<br />
Olympiasieger <strong>und</strong><br />
Weltmeister waren<br />
darunter. Wo Gustav Adolf<br />
Schur auftritt, erschallt auch<br />
bald jenes „Täve, Täve!“ Nicht<br />
anders vor dem „Blauen Sofa“<br />
in Leipzig. Dort stellte er sich<br />
mit seiner Autobiografie vor.<br />
237 Seiten Leben - vor allem<br />
Siege - eigene Siege - im Team,<br />
in seiner Zeit. Die überzeugen,<br />
heute nur, wenn der faire<br />
Sportler spricht. Sie erinnern an<br />
spannungsgeladene St<strong>und</strong>en<br />
glückhaft empf<strong>und</strong>ener Kindheitstage<br />
am Radio <strong>und</strong> Straßenrand.<br />
Umjubelnd das große<br />
starke Vorbild. Einer, der<br />
aus eigenem Antrieb ganz<br />
vorne sein wollte in einem<br />
Umfeld, das ihn förderte. Einer,<br />
der Not <strong>und</strong> Mangel erlebt<br />
hat. Damals in jenem Teil<br />
Deutschlands, wo man erfinderisch<br />
wurde. Mangel, den<br />
Schur in seiner Autobiografie<br />
beschreibt, als er sein erstes<br />
Rad zusammenbrachte, das<br />
Auf der Buchmesse im Gespräch<br />
G. A. Schur (links)<br />
mit Christhard Läpple<br />
manche Etappe gewann - nicht<br />
nur im Wettstreit mit dem Linienbus<br />
vom Heimatort Heyrothsberge<br />
nach Magdeburg,<br />
wo er seine Lehre im Maschinenbau<br />
absolvierte.<br />
„Täve kann sagen, was er will<br />
- Jubel ist ihm sicher. Denn<br />
Täve ist so, wie der Sozialist<br />
immer sein wollte: Täve fährt<br />
Trabi, Täve trinkt nicht, raucht<br />
nicht, Täve isst jeden Morgen<br />
warme Haferflockensuppe,<br />
um die Magenwände zu stärken.<br />
Täve ist bescheiden, immer<br />
fröhlich, sieht aus wie eine Mischung<br />
aus Hans Modrow,<br />
Fred Astaire <strong>und</strong> Sepp Herberger<br />
<strong>und</strong> redet auch so. Täve<br />
Schur wurde noch im letzten<br />
Jahr zum "beliebtesten Sportler<br />
in 40 Jahren DDR" ge-<br />
+++ In Leipzig gesehen + + +<br />
wählt.“ So zitiert der<br />
zweifache Weltmeister<br />
den Spiegel von 1990 in<br />
seiner Autobiografie<br />
<strong>und</strong> scheint mit dem<br />
Bild zufrieden. „Täve<br />
heißt: Sieg des Sozialismus.“<br />
Das zitiert er<br />
dann nicht mehr.<br />
Täve aber ist sich treu geblieben.<br />
In dem was er sagt. Er<br />
hat sich nicht verändert. Er ist<br />
stolz darauf. Brechts Herr K.<br />
hätte „ach“ gesagt <strong>und</strong> wäre<br />
erblichen. Joachim Hennig<br />
Gustav A. Schur: TÄVE - die<br />
Autobiografie, Neues Leben<br />
Verlag, Berlin 2011<br />
Preis der Literaturhäuser<br />
2011<br />
Preisverleihung 2011. Florian<br />
Höllerer <strong>und</strong> Elke Erb<br />
auf dem Blauen Sofa. Die<br />
Dichterin erhält den diesjährigen<br />
Preis der Literaturhäuser.<br />
Die Programmleiterinnen<br />
<strong>und</strong> Programmleiter<br />
der im Netzwerk verb<strong>und</strong>enen<br />
Literaturhäuser ehren<br />
Elke Erb als eine Autorin,<br />
die sich in besonderem<br />
Maße um das Gelingen von<br />
Literaturveranstaltungen<br />
verdient gemacht hat.<br />
Der Preis, der jährlich einer<br />
Schriftstellerin, einem<br />
Schriftsteller verliehen wird,<br />
der sich im besonderen<br />
Maße um das Gelingen von<br />
Literaturveranstaltungen<br />
verdient gemacht hat, besteht<br />
aus einer Lesereise<br />
durch alle im Netzwerk zusammengeschlossenenLiteraturhäuser<br />
<strong>und</strong> ist mit<br />
11 000 Euro dotiert. hg.<br />
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />
○<br />
Anzeigen<br />
15
Λυτζ Ενγεληαρδτ, σειν<br />
Ναµε (ιστ) µαχητ Προ−<br />
γραµµ φ⎫ρ διε Κυλτυραρενα.<br />
Σειτ 20 ϑαηρεν. Ερ ιστ εινερ<br />
δερ Μννερ δερ ερστεν Στυν−<br />
δε εινερ Ερφολγσστορψ, ϖον<br />
δενεν ϑενα νιχητ αλλζυ ϖιε−<br />
λε ηατ.<br />
Ωοφ⎫ρ στεηεν Σιε µιτ Ιηρεµ<br />
Ναµεν δαβει ειν?<br />
Λ. Ενγεληαρδτ: ⇐βερσπιτζτ αυσ−<br />
γεδρ⎫χκτ: φ⎫ρ δεν γυτεν Γε−<br />
σχηµαχκ. Ωιλλ ηει⇓εν: ιχη ω⎫ρ−<br />
δε νιεµαλσ εινε Βανδ οδερ ει−<br />
νεν Κ⎫νστλερ ενγαγιερεν, ϖον<br />
δενεν ιχη νιχητ ⎫βερζευγτ βιν<br />
υνδ δερεν Μυσικ ιχη νιχητ µαγ.<br />
Μιρ γεητ εσ νιχητ δαρυµ, µιτ<br />
γρο⇓εν Ναµεν ζυ προτζεν � εσ<br />
γεητ µιρ ϖιελ µεηρ υµ διε κλει−<br />
νεν Σχητζε, διε εσ ζυ ηεβεν<br />
γιλτ. Ιχη ηαβε δασ µαλ σο αυσ−<br />
γεδρ⎫χκτ: ωιρ µ⎞χητεν φ⎫ηλβαρ<br />
µαχηεν, δασσ δερ Γλανζ µανχη<br />
εδλερ Περλε νυρ ιν ιηρερ Τιεφε<br />
σχηειντ υνδ νιχητ αν δερ πο−<br />
λιερτεν Οβερφλχηε. Ωοφ⎫ρ ιχη<br />
στεηε, δασ σινδ διε αυφρεγεν−<br />
δεν Εντδεχκυνγεν αβσειτσ δερ<br />
αυσγετρετενεν Πφαδε. Ωιρ<br />
µ⎞χητεν αλλϕηρλιχη ειν Γεγεν−<br />
προγραµµ ζυµ γλοβαλισιερτεν<br />
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />
○<br />
Ανζειγεν<br />
16<br />
E i n b l i c<br />
&<br />
k e<br />
A u s b l i c k e<br />
Εινε Στεγρειφ−Βιλανζ αυφ φ⎫νφ Φραγεν ζυ 20 ϑαηρεν Κυλτυραρενα<br />
Ωελτωειτε ςιελφαλτ υνδ Φασζινατιον δερ Μυσικ ναηεβρινγεν<br />
Λυτζ Ενγεληαρδτ ζυµ Ανσπρυχη υνδ δερ Ωιρκλιχηκειτ δερ Κυλτυραρενα<br />
υνδ ηιστορισιερενδεν Εινηειτσ−<br />
γεσχηµαχκ πρσεντιερεν, οηνε<br />
δαβει αυφ Μυσικ αυσ δεν Χηαρτσ<br />
ζυ ϖερζιχητεν. Ιχη µαγ κειν<br />
Σχηυβλαδενδενκεν. ∆ιε Κυλ−<br />
τυραρενα ιστ κειν Φεστιϖαλ, ωο<br />
εσ νυρ διεσε οδερ ϕενε Αρτ ϖον<br />
Μυσικ γιβτ. Μειν κ⎫νστλερισχηερ<br />
Ανσπρυχη ιστ εσ, δεν Βεσυχηερ−<br />
ιννεν υνδ Βεσυχηερν δεσ Φεσ−<br />
τιϖαλσ διε ςιελφαλτ υνδ Φασζινα−<br />
τιον δερ Μυσικ ωελτωειτ ναηεζυ−<br />
βρινγεν, βεκανντε Κλανγµυστερ<br />
ζυ σπρενγεν. Οφφεν ζυ σειν φ⎫ρ<br />
Υνβεκανντεσ, Υνγεω⎞ηνλιχηεσ,<br />
Νευεσ.<br />
Αλλερ Ανφανγ σει σχηωερ ηει⇓τ<br />
εσ. Γαλτ δασ αυχη φ⎫ρ διε Κυλ−<br />
τυραρενα?<br />
Λ. Ενγεληαρδτ: Νατ⎫ρλιχη. Αλσ<br />
ωιρ δασ Φεστιϖαλ 1992 αυσ δερ<br />
Ταυφε ηοβεν, γαβ εσ κειν ϖερ−<br />
γλειχηβαρεσ Προϕεκτ ιν γανζ<br />
Οστδευτσχηλανδ. ∆ασ Ρισικο<br />
ωαρ δαµαλσ καυµ ⎫βερσχηαυβαρ,<br />
αβερ µανχηµαλ µυσσ µαν ∆ιν−<br />
γε εινφαχη µαχηεν, σονστ κανν<br />
µαν νιχητσ βεωεγεν. Κριτικερ<br />
ιµ ςορφελδ γαβ εσ ϖιελε, διε σινδ<br />
µιττλερωειλε αβερ ωειτγεηενδ<br />
ϖερστυµµτ.<br />
Αβερ Σιε ηαττεν αυχη Ερλεβ−<br />
νισσε, διε Σιε ηευτε αλσ<br />
Λυτζ Ενγεληαρδτ<br />
Φοτο: ϑοαχηιµ Ηεννιγ<br />
Τραυµστυνδεν εριννερν?<br />
Λ. Ενγεληαρδτ: ∆ασ ωαρεν ει−<br />
γεντλιχη ιµµερ διε Προϕεκτε,<br />
ϖον δενεν µαν εσ αµ Ωενιγσ−<br />
τεν ερωαρτετ. ∆ιε Μυσιχ Μακερ<br />
Βλυεσ Φουνδατιον, δερ δαµαλσ<br />
ϖ⎞λλιγ υνβεκανντε Ρενε Αυβ−<br />
ρψ, Σανδψ ∆ιλλον µιτ εινεµ ερ−<br />
γρειφενδεν Κονζερτ � δα γιβτ<br />
εσ ϖιελε Βεισπιελε. ∆αζυ γεη⎞−<br />
ρεν αβερ αυχη διε ∆ευτσχηλανδ−<br />
Πρεµιερε µιτ Γοραν Βρεγοϖιχη<br />
οδερ δασ ϖον αλλεν Βετειλιγτεν<br />
αλσ Στερνστυνδε ερλεβτε Κονζερτ<br />
ϖον Παττι Σµιτη. Εινερ µεινερ<br />
γανζ περσ⎞νλιχηεν Φαϖοριτεν ιστ<br />
δασ λεγενδρε Κονζερτ ϖον<br />
Λουισ Ηαρδιν αλιασ Μοονδογ ιµ<br />
ερστεν ϑαηρ δερ Κυλτυραρενα, αλσ<br />
ερ µιτ δεν Λονδον Σαξοπηο−<br />
νιχσ υµ ∆αννψ Τηοµπσον ιν<br />
ϑενα γαστιερτε. Ιχη κριεγε ηευτε<br />
νοχη Γνσεηαυτ, ωενν ιχη δα−<br />
ραν ζυρ⎫χκδενκε.<br />
Κονντεν Σιε σο αυχη νευε<br />
Σειτεν δεσ Ωηο ισ Ωηο δερ<br />
Μυσικλανδσχηαφτ σχηρειβεν?<br />
Λ. Ενγεληαρδτ: ∆ασ ωρε ωοηλ<br />
ετωασ ηοχηγεηανγεν. ∆α ⎫βε<br />
ιχη µιχη δοχη λιεβερ ιν Βε−<br />
σχηειδενηειτ υνδ ⎫βερλασσε σολ−<br />
χηε Ωερτυνγεν Ανδερεν. Ιχη<br />
δενκε αυχη, δασ Ωηο ισ Ωηο<br />
δερ Μυσικλανδσχηαφτ σχηρειβεν<br />
διε Κ⎫νστλερ σελβστ. Ωιρ κ⎞ν−<br />
νεν ηιερ οδερ δορτ ανσχηιεβεν,<br />
αβερ λετζτενδλιχη σετζτ σιχη<br />
δοχη ειν γυτερ Κ⎫νστλερ φαστ<br />
ιµµερ δυρχη.<br />
Εινσ, ζωει, δρει οδερ αυχη<br />
µεηρ Στζε διε Ιηνεν φ⎫ρ δασ<br />
Γεδειηεν δερ Κυλτυραρενα<br />
ωιχητιγ σινδ...<br />
Λ. Ενγεληαρδτ:<br />
Λιεβερ δρει Ωορτε: Θυαλιττ,<br />
Θυαλιττ, Θυαλιττ.<br />
Φ⎫ρ δασ Γεσπρχη βεδανκτ<br />
σιχη ϑοαχηιµ Ηεννιγ
E i n b l i c<br />
&<br />
k e<br />
A u s b l i c k e<br />
KulturArena-Auftakt mit Spektakel <strong>und</strong> Brass Band Battle<br />
Zu schade für einen Sommer allein<br />
Mehr als ein Achtungserfolg für „Gotham City III“<br />
Die stehenden Ovationen, die<br />
das Ensemble <strong>und</strong> die Mitwirkenden<br />
nach der Uraufführung<br />
von „Gotham City III - Auferstanden<br />
aus Ruinen“ in die<br />
Garderobe des Theaterhaues<br />
verabschiedeten, waren ganz<br />
sicher wohl verdient <strong>und</strong> nicht<br />
Reflex auf die Regenströme,<br />
über die Bänke, die das Publikum<br />
nicht sonderlich auf seinen<br />
Sitzen hielten.<br />
Was da zum KulturArenaAuftakt<br />
über die Bühne ging, war<br />
mehr als der Versuch, „die<br />
Musical-Form mit neuem Inhalt<br />
zu füllen“, wie Rebekka<br />
Kricheldorf vermerkte. Es<br />
war - ebenfalls O-Ton der<br />
Autorin, ein Stück „ohne Moral“.<br />
Damit konnte mancher<br />
besonders jüngerer Gast gut<br />
leben. Die nämlich waren<br />
merklich erfreut darüber, kein<br />
Aufarbeitungsstück neuester<br />
deutscher Geschichte als Musical-Schmankerl<br />
vor gesetzt zu<br />
bekommen. Dann doch lieber<br />
Dichtung, die ihre Wahrheit<br />
nicht in der Vergangenheit<br />
sucht, sondern im <strong>Mensch</strong>en,<br />
seinem Wesen, seinen Stärken<br />
<strong>und</strong> Schwächen. Mit denen ha-<br />
Frei, endlich frei, von der Vergangenheit, frei, endlich frei,<br />
von uns selbst. Foto: Joachim Ditte (Theaterhaus)<br />
ben wir zu rechnen <strong>und</strong> zu leben.<br />
Heute <strong>und</strong> morgen. Die<br />
Botschaft des Abends ist angekommen,<br />
angenommen.<br />
Das Stück wollte mehr als nur<br />
auf lockere <strong>und</strong> amüsante Weise<br />
unterhalten.<br />
Anheimelnd wurde es aber<br />
doch, als Chor <strong>und</strong> <strong>Jena</strong>er Philharmonie<br />
<strong>und</strong> Band Los Banditos<br />
anhoben zum Ohrenschmaus<br />
des Abends. Da<br />
mussten sich etliche Lippen<br />
mitbewegen <strong>und</strong> einstimmen in<br />
den Sang von der Freiheit, der<br />
von der Vergangenheit <strong>und</strong> der<br />
von sich selbst. Dieses Freiheitsgefühl<br />
aber war durch Drogen<br />
erzeugt, durch das Reset-Serum<br />
von Prof. Dr. Sybill Clark. Dessen<br />
unheilvolle Wirkung ist, das<br />
es vorgaukelt, alle <strong>Mensch</strong>en<br />
seien gleich <strong>und</strong> makellos.<br />
Mit mehr als nur einem Paukenschlag<br />
haben sich die Aktiven<br />
um - <strong>und</strong> Markus Heinzelmann<br />
von ihrem <strong>Jena</strong>er Publikum<br />
mit Bravour verabschiedet.<br />
Dank auch an Oliver Jan<br />
<strong>und</strong> Filip Hieman (Musik) - zu<br />
schade für einen Sommer allein.<br />
Joachim Hennig<br />
Konzert.Arena.Start mit<br />
Pauken <strong>und</strong> Trompeten<br />
Stakkati von Regen <strong>und</strong> Klänge<br />
peitschten durch die Arena.<br />
„Fanfare Ciocarlia“ <strong>und</strong><br />
„Boban & Markovic Orkestra“<br />
waren zum Start der<br />
KonzertArena nicht nur zum<br />
Balkan Brass Battel angetreten.<br />
Die Musiker stürmten<br />
furios gegen alle Wetter an,<br />
ehe sie ihren Wettstreit unter<br />
sich ausmachen konnten. Sie<br />
gewannen auf Anhieb ihr Publikum<br />
<strong>und</strong> vertrieben<br />
scheints Regen <strong>und</strong> Wind. Das<br />
Publikum erwies sich eindrucksvoll<br />
als ein Heer von<br />
Schirmfrauen <strong>und</strong> Schirmherren,<br />
des Abends. Sie trugen<br />
die Musiker von einem<br />
Höhepunkt zum nächsten.<br />
Der Kampf ist entschieden,<br />
es trat wohl das Beste auf,<br />
was Balkan Brass zu bieten<br />
hat. Text/Foto: Jo.He<br />
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Anzeigen<br />
17
FilmArena Effi Briest<br />
KinderArena<br />
01. August, Montag,<br />
Inception<br />
USA 2010<br />
Regie: Christopher Nolan<br />
02. August, Dienstag,<br />
Control<br />
GB 2007<br />
Regie: Anton Corbijn<br />
07. August, Sonntag,<br />
Effi Briest<br />
D 2008<br />
Regie: Hermine Huntgeburth<br />
08. August, Montag,<br />
Kokowääh<br />
D 2011<br />
Regie: Til Schweiger<br />
09. August, Dienstag,<br />
Das Fenster zum Hof<br />
USA 1954<br />
Regie: Alfred Hitchcock<br />
15. August, Montag,<br />
Die fabelhafte Welt<br />
der Amélie<br />
F 2001<br />
Regie: Jean-Pierre Jeneut<br />
16. August, Dienstag<br />
Kurzfilmnacht<br />
diesmal neben ausgewählten Preisträgern<br />
<strong>und</strong> Publikumslieblingen<br />
auch mit außergewöhnlichen Trickfilmen<br />
von Festivals aus Thüringen<br />
<strong>und</strong> Sachsen<br />
jeweils 21.30 Uhr<br />
Theatervorplatz<br />
Die fabelhafte Welt der Amélie<br />
Suli Puschban & die Kapelle<br />
der guten Hoffnung<br />
Sie macht Popmusik für Schulkinder<br />
<strong>und</strong> hat sich in den letzten<br />
Jahren in der Kinderliedermacherszene<br />
einen Namen gemacht.<br />
Ihre Songs sind mitreißend,<br />
witzig, modern, aufgedreht<br />
<strong>und</strong> melodisch. Und es<br />
mischen sich lustige <strong>und</strong> spannende<br />
Texte mit fabelhaften<br />
Melodien von herzergreifend<br />
bis unzähmbar wild. Von Rock<br />
bis Pop über Folk <strong>und</strong> Swing<br />
bis hin zu Samba <strong>und</strong> Reggae<br />
ist in ihrem Programm alles zu<br />
finden.<br />
07. August<br />
Toni Geiling<br />
Der in Thüringen geborene <strong>und</strong><br />
mehrfach ausgezeichnete Kinderliedermacher<br />
nimmt uns mit<br />
auf eine Reise im Heißluftballonbadewannenluftschiff<br />
<strong>und</strong><br />
versucht dabei zu erk<strong>und</strong>en, wo<br />
eigentlich das „Irgendwo“ ist.<br />
Seine Liedergeschichten sind<br />
frech <strong>und</strong> spannend <strong>und</strong> voller<br />
Fantasie, seine Melodien laden<br />
zum mittanzen ein <strong>und</strong><br />
bleiben noch lange im Ohr.<br />
Musik für die ganze Familie.<br />
14. August<br />
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Anzeigen<br />
18<br />
E i n b l i c<br />
&<br />
k e<br />
A u s b l i c k e<br />
Ein Blick ins Veranstaltungsprogramm 2011<br />
Auf Wunsch ihrer Eltern heiratet<br />
die siebzehnjährige Effi Briest<br />
den fast zwanzig Jahre älteren<br />
Baron von Innstetten, einen früheren<br />
Verehrer ihrer Mutter.<br />
Damit beginnt ein eintöniges Leben<br />
fernab der Heimat, bis eines<br />
Tages Major Crampas, ein alter<br />
Amélie ist in vielerlei Hinsicht<br />
auf äußerst liebenswerte Weise<br />
naiv, etwas versponnen <strong>und</strong><br />
von ganz besonderer Cleverness.<br />
Sie ist Kellnerin, deren<br />
Vorliebe es ist, die <strong>Mensch</strong>en<br />
in ihrem Umfeld glücklich zu<br />
machen. Und da hat sie alle<br />
Hände voll zu tun. Amélies<br />
Vater verlässt nach dem Tod<br />
seiner Frau kaum mehr das<br />
Haus, das Liebesleben der<br />
Gäste <strong>und</strong> Kollegen im Café<br />
will angekurbelt werden <strong>und</strong><br />
auch um ihr eigenes Liebesglück<br />
muss sie sich kümmern.<br />
Kamerad Instettens, auftaucht.<br />
Effi beginnt eine leidenschaftliche<br />
Affäre <strong>und</strong> sie lernt die wahre<br />
Liebe kennen. für Crampas endet<br />
sie tödlich. Anders als in Fontanes<br />
Werk zieht Effi in der Verfilmung<br />
von Hermine Huntgeburth<br />
daraus ihre Konsequenzen<br />
<strong>und</strong> beginnt ein neues Leben.<br />
Dieser Film begeistert durch den<br />
Mut, den Klassiker konsequent<br />
zu modernisieren. Effi geht nicht<br />
an der Gesellschaft zu Gr<strong>und</strong>e,<br />
sondern entwickelt sich zu einer<br />
freien <strong>und</strong> emanzipierten Frau.<br />
07. August<br />
Der Film genießt Kultstatus<br />
<strong>und</strong> gehört zu den erfolgreichsten<br />
französischen Produktionen.<br />
Er ist eine hemmungslose<br />
Liebeserklärung an<br />
das Leben <strong>und</strong> der Zuschauer<br />
erliegt dem Zauber der Bilder.<br />
Mit einem Wort: Magie!<br />
15.August
Agnes Obel<br />
Die in Berlin lebende dänische<br />
Sängerin, Songwriterin <strong>und</strong><br />
Musikerin Agnes Obel lernte<br />
das Klavierspielen bereits in<br />
jungen Jahren auf dem Familienpiano.<br />
Sie spielte in der<br />
Schulband, war Mitglied einer<br />
Girlband <strong>und</strong> gründete die<br />
Band „Sohio“, bevor sie einige<br />
Jahre später wieder eigene<br />
Wege ging <strong>und</strong> ihre Solokarriere<br />
startete. Ihre Debüt-Single<br />
„Just So“ wurde in ihrem<br />
Schlafzimmer geschrieben<br />
<strong>und</strong> für eine große Kampagne<br />
für T-Mobile/T-Home in<br />
Europa verwendet. Daraufhin<br />
fand der Song den Weg<br />
in die deutschen Charts.<br />
Sie strahlt eine geheimnisvolle<br />
Faszination aus. Einfache, harmonischeKlavierarrangements,<br />
eine sanfte Stimme <strong>und</strong><br />
zarte Texte, die einen zuerst<br />
an Sommermusik denken lassen,<br />
die aber eine Ernsthaftigkeit<br />
offenbaren, in die man<br />
gerne eintaucht. Agnes Obel<br />
ist für ihre „do-it-yourself-<br />
Haltung“ gegenüber der Musik<br />
bekannt. Sie schreibt, spielt,<br />
singt, zeichnet auf <strong>und</strong> produziert<br />
ihre Lieder selbst.<br />
06. August<br />
E i n b l i c<br />
&<br />
k e<br />
A u s b l i c k e<br />
Ein Blick ins Veranstaltungsprogramm 2011<br />
Sharon Jones & the Dap-Kings<br />
Wenn diese Frau die Bühne<br />
betritt, regiert die Queen of<br />
Funk. Es wird eine Mischung<br />
von Gospel <strong>und</strong> Soul, nicht<br />
dem glatten Hitparaden-Soul,<br />
sondern Funk-Soul, geboten.<br />
Musik spielte für sie bereits<br />
früh eine Rolle. Sie sang im<br />
Kirchenchor <strong>und</strong> imitiert zusammen<br />
mit ihrem Bruder<br />
James Brown. Später nimmt<br />
sie, unterstützt von lokalen<br />
Funkbands, an einigen Talentwettbewerben<br />
teil, doch der<br />
große Erfolg blieb aus. Erst<br />
im Alter von 46 nimmt sie ihr<br />
erstes Soloalbum auf <strong>und</strong><br />
formiert dafür eine Soulband<br />
aus alten Kollegen, die Dap-<br />
Kings, die inzwischen auch<br />
für Amy Winehouse einspielten.<br />
12. August<br />
Batucada So<strong>und</strong> Machine<br />
Der Neuseeländer an sich ist<br />
ja eher für seine Schafe bekannt,<br />
aber mit Batucada<br />
So<strong>und</strong> Machine kommt etwas<br />
wildes, heißes <strong>und</strong> rasantes<br />
vom anderen Ende der Welt.<br />
Eine Explosion von Percussion,<br />
Bläsersets, Gitarren,<br />
Bässen <strong>und</strong> Vocals bietet eine<br />
kraftvolle Mischung aus Samba,<br />
Funk, HipHop, Reggae,<br />
Afrobeat, Rap <strong>und</strong> Soul. Die<br />
zehn Bandmitglieder stammen<br />
alle aus unterschiedlichen<br />
Ländern <strong>und</strong> Kulturen. Dementsprechend<br />
bunt, aber stim-<br />
mig ist das musikalische Angebot.<br />
Sie haben sich beim<br />
Publikum den Ruf erarbeitet,<br />
als Band knallige Live-Auftritte<br />
abzuliefern, die von feinster<br />
Musikalität <strong>und</strong> kollektiver<br />
Impulsivität nur so strotzen.<br />
KonzertArena<br />
03. August, Mittwoch,<br />
Paul Raz<br />
04. August, Donnerstag,<br />
Golden Kanine<br />
05. August, Freitag,<br />
Miss Li<br />
06. August, Samstag,<br />
Agnes Obel<br />
10. August, Mittwoch,<br />
Hugh Masekela<br />
11. August, Donnerstag,<br />
Hindi Zahra<br />
12. August, Freitag,<br />
Sharon Jones & Dap Kings<br />
13. August, Samstag,<br />
Rainald Grebe & das Orchester<br />
der Versöhnung<br />
14. August, Sonntag,<br />
Zusatzkonzert<br />
Rainald Grebe & das Orchester<br />
der Versöhnung<br />
17. August, Mittwoch,<br />
Gogol Bordello<br />
18. August, Donnerstag,<br />
Asa<br />
19. August, Freitag,<br />
The Earth, Wind & Fire Experience<br />
featuring<br />
The All McKay Allstars<br />
20. August, Samstag,<br />
Gaby Young & Other Animals<br />
21. August, Sonntag,<br />
Wilhelm-Grimpe<br />
Sandra Teammitglied korrespondierendes unser gestaltete Seite<br />
Batucada So<strong>und</strong> Machine<br />
21. August Diese<br />
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○<br />
Anzeigen<br />
19
20<br />
NOTAUSGANG Jg. 15 /AUSGABE 3 - 2011<br />
40 Jahre Synanon - eine einzigartige Erfolgsgeschichte<br />
Selbsthilfestiftung setzt erfolgreich auf völlige Abstinenz <strong>und</strong> Mitarbeit<br />
Kennen Sie den Synanonblues?<br />
- Nein? - Aber Blues schon -<br />
mit seinen melancholisch-traurigen<br />
Klängen? Jene herzergreifenden<br />
Rhythmen <strong>und</strong> Akkorde,<br />
die getragen sind von Sehnsucht<br />
nach Glück in Freiheit.<br />
Frank Laurent (Synanon) intonierte<br />
ihn auf seiner Konzertgitarre.<br />
In Berlin. Im Synanon-<br />
Haus. In der Bernburgerstraße.<br />
Zur Jubiläumsfeier - 40 Jahre<br />
Synanon.<br />
Mechthild Dyckmans, Drogenbeauftragte<br />
der B<strong>und</strong>esregierung,<br />
sagte tief berührt, die<br />
Musik sei ihr ein ganz besonderes<br />
Geschenk.<br />
Wer als Hilfesuchender zu Synanon<br />
kommt, ist am Ende. Bei<br />
ihm geht nichts mehr. Thomas<br />
(27 Jahre) erinnert sich: „Als ich<br />
mich vor 16. Monaten auf die<br />
Holzbank am Empfang setzte,<br />
hatte ich alles verloren. Keine<br />
Wohnung, keine Arbeit, kein<br />
Bett - nichts zu essen.“ Drei<br />
Gr<strong>und</strong>regeln hat Synanon: 1.<br />
keine Drogen, kein Alkohol,<br />
keine bewusstseinsverändernden<br />
Medikamente, 2. keine<br />
Gewalt oder deren Androhung,<br />
3. kein Tabak, wir rauchen<br />
nicht. Harter Tobak, sagt<br />
da mancher. Suchtmittel beherrschen<br />
das Denken <strong>und</strong><br />
Handeln eines Drogenabhängigen.<br />
Es ist oft ein weiter Weg<br />
vom Verlangen, von den unerträglichen<br />
Folgeerscheinungen<br />
der Sucht weg zu kommen bis<br />
zum Entschluss, ein drogenfreies<br />
Leben führen zu wollen. Bei<br />
Synanon geht ohne den Willen<br />
zur Mitarbeit gar nichts. Substitution<br />
- ist nicht. In der Zwischenzeit<br />
hat Thomas sein<br />
Selbstvertrauen wieder erlangt<br />
- er habe gelernt, sich selbst<br />
auszuhalten. Die Arbeit mache<br />
ihm Freude. Was er in seinem<br />
Team den Gästen auf das Buffet<br />
stellte, war köstlich. Mit der<br />
nun beginnenden Berufsausbildung<br />
werde er an <strong>und</strong> über seine<br />
Grenzen gehen.<br />
Synanon habe, so Dr. Fleck<br />
(Förderer der Stiftung), den<br />
Wert der Arbeit als therapeutische<br />
Maßnahme im vollen<br />
Umfang erkannt <strong>und</strong> nicht nur<br />
in seine Philosophie einbezogen,<br />
sondern in tagtägliche Praxis<br />
umgesetzt. Es sind derweil<br />
13 Zweckbetriebe entstanden.<br />
In ihnen wird in 17 Berufen<br />
ausgebildet. Im Durchschnitt<br />
sind die Auszubildenden über<br />
dreißig Jahre alt. Mancher<br />
drückt mit 40 hier die Schulbank.<br />
Was 1971 mit einer WG<br />
Suchtabhängiger begann, ist<br />
heute nicht wegzudenken. Profis<br />
schüttelten den Kopf. Völliger<br />
Verzicht auf Drogen - ausgeschlossen.<br />
23 000 Genesene<br />
geben der Synanon-Praxis<br />
Recht. Die Zahl, darin waren<br />
sich alle Teilnehmer <strong>und</strong> Festredner<br />
einig, sei nicht zu übersehende<br />
Bestätigung <strong>und</strong> Erfolgsgeschichte<br />
einer einzigartigen<br />
Suchtselbsthilfe für ein<br />
Leben ohne Drogen.<br />
2010 hatte das Synanon-Haus<br />
104 Bewohner bei 248 Aufnahmen<br />
<strong>und</strong> 208 Krisenaufenthalten.<br />
Joachim Hennig<br />
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />
Klaus Wowereit,<br />
Regierender Bürgermeister<br />
von Berlin:<br />
Wer es hier schafft, hat gute Aussichten<br />
für immer clean zu sein.<br />
Josef Hecken,<br />
Staatssekretär im B<strong>und</strong>esministerium<br />
für Familie, Senioren,<br />
Frauen <strong>und</strong> Jugend: Fünf<br />
Alleinstellungsmerkmale habe die<br />
Gemeinschaft Synanon, sie ist: 1.<br />
freiwillig <strong>und</strong> menschlich (Nie-<br />
Goldene Worte zu Synanon<br />
mand wird abgewiesen), 2.<br />
nimmt dem Betroffenen die<br />
Angst, 3. konsequent (Regeln <strong>und</strong><br />
Prinzipien), erfolgreich (Erfolgsquote<br />
bei 70 Prozent), 4. sinnstiftend<br />
(gibt Perspektive <strong>und</strong><br />
Selbstwertgefühl - entwickelt den<br />
Hilfebedürftigen zum Helfer), 5.<br />
gibt Würde.<br />
Prof. Barbara John, Vorsitzen-<br />
de des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes,<br />
Land Berlin<br />
e. V.: Bei Synanon glauben die<br />
Leute, dass du es schaffst. Nach<br />
den Ideen der Synanon trägt jeder<br />
suchtmittelabhängige<br />
<strong>Mensch</strong> die Fähigkeit in sich,<br />
wieder ein drogenfreies Leben<br />
zu führen, wenn ihm der geeignete<br />
Rahmen dafür geboten wird.<br />
Rolf Hüllinghorst, Fre<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> Wegbegleiter der Synanon:<br />
Häufig höre ich, dass die Hilfesuchenden<br />
bei Synanon ihre<br />
Freiheit abgeben müssen - zu viele<br />
Regeln. Das Gegenteil ist der Fall.<br />
Wer von Drogen <strong>und</strong> Suchtmitteln<br />
abhängig ist, ist nicht frei.<br />
Freiheit ist das Gegenteil von Abhängigkeit<br />
- <strong>und</strong> die Regeln sind<br />
der erste Schritt auf dem Weg<br />
zur persönlichen Freiheit.<br />
○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○ ○<br />
○<br />
Anzeigen
DIE STRASSENZEITUNG AUS JENA<br />
Führung von Arbeitszeitkonten <strong>und</strong> Vergütung<br />
Wie Zeitguthaben oder - schulden zur Sollarbeitszeit zu behandeln sind<br />
Die Auftragslage in vielen<br />
Unternehmen unterliegt<br />
Schwankungen. Viele Arbeitgeber<br />
haben daher mit<br />
den bei ihnen beschäftigten<br />
Arbeitnehmer Vereinbarungen<br />
über die Führung<br />
eines Arbeitszeitkontos<br />
getroffen. Entsprechende<br />
Regelungen in Tarifverträgen<br />
<strong>und</strong> Betriebsvereinbarungen<br />
sind ebenfalls üblich.<br />
Die Arbeitszeit ist<br />
damit flexibel. Grenzen<br />
finden sich nur im Arbeitszeitrecht.<br />
Die wöchentliche Arbeitszeit<br />
darf 48 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die tägliche<br />
Arbeitszeit nicht 10 St<strong>und</strong>en<br />
überschreiten. Dem Interesse<br />
des Arbeitnehmers an<br />
einem „festen“ Einkommen<br />
wird dadurch Rechnung getragen,<br />
dass ein „festes“ Monatseinkommen<br />
auf der Basis<br />
einer vereinbarten Sollar-<br />
beitszeit vereinbart wird –<br />
unabhängig von den tatsächlich<br />
geleisteten Arbeitsst<strong>und</strong>en.<br />
Bei der Führung eines Arbeitszeitkontos<br />
werden die<br />
vom Arbeitnehmer geleisteten<br />
St<strong>und</strong>en erfasst. Über der<br />
vereinbarten Sollarbeitszeit<br />
erbrachte Arbeitsst<strong>und</strong>en<br />
führen zu einem Arbeitszeitguthaben;<br />
weniger geleistete<br />
Arbeitsst<strong>und</strong>en zu Zeitschulden<br />
oder sog. Minusst<strong>und</strong>en.<br />
Bei der Vereinbarung eines<br />
Arbeitszeitkontos ist zudem<br />
ein Ausgleichszeitraum festzulegen,<br />
innerhalb dessen die<br />
Zeitguthaben oder –schulden<br />
abgebaut werden müssen.<br />
Scheidet ein Arbeitnehmer<br />
aus dem Arbeitsverhältnis<br />
sind Zeitguthaben auszuzahlen.<br />
Wie ist jedoch zu verfahren,<br />
wenn das Arbeitsverhältnis<br />
endet <strong>und</strong> das Arbeitszeitkonto<br />
des Arbeitnehmers<br />
Minusst<strong>und</strong>en aufweist? Der<br />
Arbeitnehmer hat in diesen<br />
Fällen ja in der Vergangenheit<br />
seine Arbeitsvergütung aufgr<strong>und</strong><br />
des vereinbarten „festen“<br />
Einkommens vom Arbeitgeber<br />
bereits als Vorschuss<br />
erhalten.<br />
Die Belastung eines Arbeits-<br />
zeitkontos mit Minusst<strong>und</strong>en<br />
setzt voraus, dass der Arbeitgeber<br />
diese St<strong>und</strong>en im Rah-<br />
Unsere Autorin RA Susanne<br />
Gliech Foto: privat<br />
men einer verstetigten Vergütung<br />
entlohnt hat <strong>und</strong> der<br />
Arbeitnehmer zur Nachleistung<br />
verpflichtet ist, weil er<br />
die in Minusst<strong>und</strong>en ausgedrückte<br />
Arbeitszeit vorschussweise<br />
vergütet erhalten<br />
hat. Dies ist insbesondere der<br />
Fall, wenn der Arbeitnehmer<br />
allein darüber entscheiden<br />
kann, ob eine Zeitschuld entsteht<br />
<strong>und</strong> er damit einen Vorschuss<br />
erhält (vgl. BAG 13. Dezember<br />
2000 - 5 AZR 334/99).<br />
Obliegt es allein dem Arbeit-<br />
geber dem Arbeitnehmer Arbeiten<br />
zuzuweisen <strong>und</strong> erfolgt<br />
keine solche Zuweisung,<br />
ist der Arbeitnehmer dagegen<br />
nicht zur Nacharbeit verpflichtet.<br />
Der Arbeitgeber<br />
befindet sich im sog. Annahmeverzug.<br />
Der Anspruch des<br />
Arbeitnehmers auf Vergütung<br />
der Minusst<strong>und</strong>en bliebe in<br />
diesem Fall erhalten (dazu<br />
BAG 9. Juli 2008 - 5 AZR<br />
810/07).<br />
Weiterhin kommt es zu keinem<br />
Vergütungsvorschuss,<br />
wenn der Arbeitnehmer aufgr<strong>und</strong><br />
eines Entgeltfortzahlungstatbestands<br />
Vergütung<br />
ohne Arbeitsleistung beanspruchen<br />
kann (z. B. bei Lohnfortzahlung<br />
im Krankheitsfall, vgl.<br />
BAG, Urteil vom 26.01.2011,<br />
Az. 5 AZR 819/09). Auch<br />
dann bleibt der Vergütungsanspruch<br />
für Minusst<strong>und</strong>en<br />
erhalten <strong>und</strong> kann – <strong>und</strong> sollte<br />
auch – geltend gemacht<br />
werden. Wichtig ist, dass diese<br />
Ansprüche rechtzeitig geltend<br />
gemacht werden, damit<br />
sie nicht verfallen. Hier also<br />
noch mal im Arbeitsvertrag<br />
oder Tarifvertrag nachlesen,<br />
ob Ausschlussfristen für die<br />
Geltendmachung von Ansprüchen<br />
vereinbart wurden.<br />
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○<br />
Anzeigen<br />
21
22<br />
NOTAUSGANG Jg. 15 /AUSGABE 3 - 2011<br />
Mächtig mutig<br />
„Was guckst du denn so<br />
grimmig?“ fragt der Vater<br />
seinen Sohn Martin. Dieser<br />
schüttelt ärgerlich den<br />
Kopf: „Ich sollte heute so<br />
eine doofe Mutprobe machen.<br />
Ich hab mich geweigert,<br />
<strong>und</strong> dann haben mich<br />
die anderen ausgelacht.“ Der<br />
Vater setzt sich zu Martin an<br />
den Tisch: „Das erinnert<br />
mich an meine Kindheit. In<br />
unserer Straße wohnten drei<br />
Jungs, etwas älter als ich. Die<br />
hatten eigentlich nur<br />
Dummheiten im Kopf. Aber<br />
ich hab sie bew<strong>und</strong>ert <strong>und</strong><br />
wollte unbedingt zu ihrer<br />
Bande dazugehören. Also<br />
verlangten sie eine Mutprobe.<br />
Ich sollte für sie aus dem<br />
kleinen Eckladen Süßigkeiten<br />
stehlen. Aber das kam<br />
für mich überhaupt nicht infrage.<br />
Ich wollte kein Dieb<br />
sein, <strong>und</strong> erst recht nicht<br />
wollte ich die nette alte Frau<br />
bestehlen, der der Laden gehörte.<br />
Ich erklärte den Jungs,<br />
wie blöd ich ihre Mutprobe<br />
fände. Die meinten, ich würde<br />
mich nur drücken wollen<br />
<strong>und</strong> wäre ein Schwächling.<br />
Da bin ich einfach gegangen,<br />
mit denen wollte ich<br />
eh nix mehr zu tun haben.“<br />
„Schwächling?“ Martin runzelt<br />
die Stirn: „Das war doch<br />
echt stark von dir!“<br />
HALLO<br />
ihr kleinen <strong>und</strong><br />
großen Bastler!<br />
Bunte Windlichter basteln<br />
Dafür benötigt ihr alte Gläser (z. B. Senfgläser), Tapetenleim<br />
<strong>und</strong> Transparentpapier in verschiedenen<br />
Farben. Und so wird es gemacht:<br />
Das Transparentpapier wird<br />
in viele kleine Stücke zerrissen, die<br />
möglichst unterschiedlich groß sein<br />
sollten. Rührt den Tapetenleim an<br />
<strong>und</strong> streicht das Glas damit ein. Nun<br />
klebt ihr nach Belieben die Schnipsel<br />
aus Transparentpapier darauf<br />
<strong>und</strong> fertig ist das Windlicht.<br />
Bernis Lachsack<br />
Die Mutter bringt ihre Zwillinge<br />
Tim <strong>und</strong> Tom ins Bett. Der eine lacht <strong>und</strong> lacht.<br />
Da fragt die Mutter: „Warum lachst du denn so viel?“.<br />
Darauf antwortet er: „Du hast Tom zweimal gebadet<br />
<strong>und</strong> mich gar nicht!“<br />
„Hitze dehnt aus <strong>und</strong> Kälte zieht zusammen“,<br />
erklärt der Lehrer. Wer kann mir ein Beispiel geben?<br />
Katharina meldet sich: „Die Ferien im Sommer dauern<br />
sechs Wochen, die im Winter nur zwei!“<br />
"Junge, mach doch bitte das Fenster zu,<br />
draußen ist es zu kalt!" Als Werner das Fenster<br />
geschlossen hat, meint er:<br />
"Wird es nun draußen wärmer?"<br />
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○<br />
Anzeige<br />
Schwach<br />
oder stark?<br />
Brücken<br />
Ein Konstruktionswettbewerb<br />
für <strong>Jena</strong>er SchülerInnen ab<br />
Klasse 5. Ein spannendes Rennen,<br />
zu dem Ihr Euch in Teams<br />
bis zu 4 Personen anmelden<br />
könnt! Es gilt: Welche Brücke<br />
ist am längsten, am tragfähigsten,<br />
am schönsten? Ihr<br />
habt die Wahl, ob sie aus<br />
Papier oder aus Holz<br />
sein soll. Die Imaginata<br />
stellt das Baumaterial,<br />
planen <strong>und</strong> bauen müsst<br />
Ihr!<br />
Anmeldeschluss: 23.9.<br />
Fr., 7.10. bis Sa., 8.10.<br />
Aus dem Programm der Imaginata<br />
… <strong>und</strong> bei den folgendenVeranstaltungen<br />
wird es schon<br />
ganz weihnachtlich.<br />
Advent, Advent …<br />
Ein schönes Vorweihnachtskonzert:<br />
Die Familie<br />
Jagusch aus <strong>Jena</strong> spielt<br />
bekannte <strong>und</strong> unbekannte<br />
Klassiker <strong>und</strong> Weihnachtslieder.<br />
Sa., 3.12., 16 Uhr<br />
Zucker <strong>und</strong> Zimt<br />
Nach dem Konzert machen<br />
es sich die Gäste<br />
mit den MusikerInnen<br />
gemütlich im Kerzenlicht<br />
bei Kinderpunsch,<br />
heißer Schokolade <strong>und</strong><br />
Weihnachtsgebäck, - <strong>und</strong> warten<br />
auf ’s Christkind!<br />
Sa., 3.12., 17 Uhr<br />
Rotkäppchen<br />
Ein Figurentheaterstück mit<br />
dem Theater im Globus, Leipzig.<br />
Sa., 10.12., 16 Uhr<br />
Rumpelstilzchen<br />
Ein Figurentheaterstück mit<br />
dem Theater im Globus, Leipzig.<br />
Sa., 17.12., 16 Uhr
BAG Wohnungslosenhilfe<br />
e. V. fordert bedarfsgerechte<br />
Arbeitsmarktprogramme<br />
statt flächendeckender Kürzungen<br />
bei der Eingliederung<br />
in Arbeit.<br />
Die geplante Reform der Eingliederung<br />
in Arbeit („Instrumentenreform“)<br />
wird zu flächendeckenden<br />
Kürzungen der<br />
bestehenden Eingliederungsangebote<br />
in den Arbeitsmarkt für<br />
wohnungslose Langzeitarbeitslose<br />
führen.<br />
Dr. Thomas Specht, Geschäftsführer<br />
der BAG Wohnungslosenhilfe<br />
(BAG W): „Die geplanten<br />
Reformen sind weder<br />
gerecht noch bedarfsgerecht.<br />
Statt Rahmenbedingungen für<br />
passgenaue Hilfeangebote zu<br />
machen, werden die Hilfen<br />
nicht nur eingeschränkt, sondern<br />
b<strong>und</strong>esweit abgebaut.<br />
Das bisherige <strong>und</strong> die weiteren<br />
Sparpakete im Bereich der<br />
Wiedereingliederung in den<br />
Arbeitsmarkt sind ein neuer<br />
Höhepunkt in der Politik der<br />
sozialen Ausgrenzung. Der Sozialstaat<br />
ist offensichtlich nicht<br />
mehr für alle da!“<br />
Arbeit ist – ganz entgegen<br />
mancher veröffentlichter Meinung<br />
- ein zentraler Wert für<br />
<strong>Mensch</strong>en in Armut <strong>und</strong> Wohnungsnot.<br />
Zwar sind sie oft<br />
langzeitarbeitslos, d. h. länger<br />
als ein Jahr ohne Arbeit, haben<br />
aber in ihrem Leben immer<br />
wieder für kürzere oder längere<br />
Zeit gearbeitet: als Maler,<br />
Raumausstatter, Pflegekraft,<br />
Landschaftsgärtner, Metallarbeiter<br />
oder Lackierer.<br />
Immerhin haben 40 % der betroffenen<br />
Frauen <strong>und</strong> 50 % der<br />
Männer eine abgeschlossene<br />
Berufsausbildung. Aber woh-<br />
Regierung schreibt wohnungslose<br />
Langzeitarbeitslose ab!<br />
nungslose <strong>Mensch</strong>en sind neben<br />
ihrer Wohnungslosigkeit zu<br />
90 % langzeitarbeitslos <strong>und</strong> bedürfen<br />
daher einer besonderen<br />
Förderung.<br />
Die Dienste <strong>und</strong> Einrichtungen<br />
der Wohnungslosenhilfe bieten<br />
deshalb auch selbst Hilfen zur<br />
Qualifikation <strong>und</strong> Wiedereingliederung<br />
an: Dies geschieht<br />
über Angebote im Bereich von<br />
Holzverarbeitung, Küchen <strong>und</strong><br />
Cafeterias, Sozialkaufhäusern,<br />
in der Garten- <strong>und</strong> Landschaftsgärtnerei,<br />
Hausmeisterei,<br />
bei Montagearbeiten <strong>und</strong> vielen<br />
anderen Bereichen der Wirtschaft.<br />
Die BAG Wohnungslosenhilfe<br />
weist darauf hin, dass eine<br />
Deckelung der Trägerpauschale<br />
bei der Finanzierung das faktische<br />
Aus für viele Angebote<br />
der Träger bedeutet. Die Kürzungen<br />
im Eingliederungstitel<br />
der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit<br />
beliefen sich schon 2010 auf<br />
20 %; 2011 kommen weitere<br />
20 % dazu <strong>und</strong> 2012 erneut<br />
10 %. Damit bricht dann die<br />
entscheidende Finanzierungssäule<br />
weg <strong>und</strong> ist nicht zu ersetzen.<br />
Dies trifft neben vielen<br />
anderen Bereichen der sozialen<br />
Arbeit die Wohnungslosenhilfe<br />
besonders, da es hier eine<br />
deutliche Unterversorgung mit<br />
Eingliederungsmaßnahmen<br />
gibt.<br />
Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf<br />
weitere Regelungen<br />
zur so genannten „Wettbewerbsneutralität“<br />
von Fördermaßnahmen<br />
vor. Die Hilfeangebote<br />
führen in aller Regel<br />
nicht zur Wettbewerbsverzerrung.<br />
Notwendige Absprachen wurden<br />
<strong>und</strong> werden bisher vor Ort<br />
mit den Industrie- <strong>und</strong> Handelskammern<br />
erfolgreich getroffen.<br />
Die Neuregelung ist<br />
nicht nur überflüssige Bürokratie,<br />
sondern wird dazu führen,<br />
dass Angebote aufgr<strong>und</strong> formaler<br />
Risiken de facto nicht<br />
mehr aufrechterhalten werden<br />
können <strong>und</strong> geschlossen werden.<br />
Die BAG W fordert in ihrem<br />
Arbeitsmarktpolitischen Programm<br />
eine Neuausrichtung<br />
der gesamten Arbeitsmarktpolitik<br />
für Langzeitarbeitslose. Dr.<br />
Thomas Specht: „Die jetzige<br />
Ausrichtung der Arbeitsmarktinstrumente<br />
erreicht gerade<br />
nicht die besonderen Problemgruppen<br />
des Arbeitsmarktes in<br />
ausreichender Form, sondern<br />
schafft einen neue Klasse der<br />
`Überflüssigen`.“<br />
Die BAG W fordert deshalb:<br />
• Einführung eines öffentlich<br />
geförderten Arbeitsmarktes<br />
mit sozialversicherungsrechtlicher<br />
Absicherung : Es müssen<br />
endlich dauerhafte Strukturen<br />
für besonders arbeitsmarktferne<br />
<strong>und</strong> wohnungslose <strong>Mensch</strong>en<br />
geschaffen werden.<br />
• Streichung der neuen Fördervoraussetzungen„Zusätzlichkeit“,<br />
„öffentliches Interesse“<br />
<strong>und</strong> „Wettbewerbsneutralität“.<br />
• Aufhebung der Deckelung<br />
der Trägerpauschale, um die<br />
Finanzierung der Eingliederungsangebote<br />
in Arbeit zu erhalten.<br />
Rückfragen:<br />
Dr. Thomas Specht, Gf BAG<br />
W, 0521 14396–15 oder<br />
Werena Rosenke, stellv. Gf,<br />
Presse&ÖA, 0521 14398–11,<br />
werenarosenke@bagw.de<br />
DIE STRASSENZEITUNG AUS JENA<br />
Schnittstelle<br />
Das Wirken der Wohnungslosenhilfe<br />
in Deutschland<br />
währt Jahrzehnte. Doch zu<br />
oft sehen sich deren Aktivisten<br />
allein gelassen. Bei der<br />
Vielfalt der anliegenden sozialen<br />
Integrationsaufgaben<br />
aber sind sie auf starke Partner<br />
angewiesen. Diese versteht<br />
sich als „Schnittstelle<br />
der Hilfen für <strong>Mensch</strong>en in<br />
Wohnungsnot <strong>und</strong> Armut zu<br />
angrenzenden Hilfssystemen“.<br />
So lautet auch das Motto einer<br />
mehrtägigen Tagung der<br />
B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft<br />
Wohnungslosenhilfe e. V. Die<br />
will ihren Standort für Hilfen<br />
für <strong>Mensch</strong>en in Wohnungsnot<br />
<strong>und</strong> Armut den<br />
Extremen von „Lückenbüßer“<br />
<strong>und</strong> „alleinzuständig“<br />
neu bestimmen.<br />
Dabei wird es darum gehen,<br />
wie weit die Verantwortung<br />
<strong>und</strong> Zuständigkeit der Wohnungslosenhilfe<br />
reicht <strong>und</strong><br />
welche liegt bei angrenzenden<br />
Hilfssystemen <strong>und</strong> Institutionen<br />
im Bereich sozialer<br />
Ausgrenzung. Schwerpunktfrage<br />
auch, wie verbindliche<br />
<strong>und</strong> tragfähige Kooperationen<br />
entwickelt <strong>und</strong> durchgehalten<br />
werde. Das in Gesamtsystem<br />
der Wohnungslosenhilfe aber<br />
auch in den Feldern Arbeit,<br />
Wohnen, Ges<strong>und</strong>heit.<br />
JoHe<br />
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