Ärzteblatt April 2004 - Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern
Ärzteblatt April 2004 - Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern
Ärzteblatt April 2004 - Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
V 1 , (V 2 ) und VI verlaufen sowie die A. carotis interna, die die<br />
A. ophthalmica zur Augenhöhle abgibt. Nachbarschaftsbeziehungen<br />
bestehen auch zur Dura, die sich als Diaphragma<br />
sellae aufspannt und auch den N. opticus in der Orbita umhüllt.<br />
In seinem Vortrag über den unklaren Augenschmerz<br />
stellte F. Tost (Greifswald) den komplexen Rezeptorapparat<br />
von Cornea und Conjunctiva vor, die die höchste Innervationsdichte<br />
aller Augengewebe aufweisen und von denen häufig<br />
Beschwerden (auch chronischer Art) ausgehen. Tost teilte die<br />
Augenschmerzen in vier Kategorien ein: 1) reizfreies gesundes<br />
Auge; 2) Entzündung des Auges; 3) Schmerz im Kopfbereich<br />
mit Augenbeteiligung; 4) hirnorganische Erkrankungen.<br />
Th. Koppe (Greifswald) erklärte ausführlich die Anatomie<br />
der Nase. Phylogenetisch ist die menschliche Nase einzigartig,<br />
da sie hoch und schlank gestaltet ist, die Öffnungen nach<br />
unten gerichtet und nur noch drei Muscheln vorhanden sind.<br />
Die Nase ist bei Weitem nicht nur ein Riechorgan, sondern<br />
dient auch zur Konditionierung der Atemluft und zur Ausscheidung.<br />
Besonders wichtig sind die Nachbarschaftsbeziehungen<br />
der Nase zur Kieferhöhle, den Siebbeinzellen, der<br />
Keilbeinhöhle, der Orbita sowie dem Sinus cavernosus. Aufgrund<br />
der komplexen Nachbarschaftsbeziehungen gewinnen<br />
transnasale Applikationsformen unterschiedlicher Medikamente<br />
zunehmend an Bedeutung in der Therapie unterschiedlicher<br />
Migräne und Kopfschmerzformen.<br />
H. Kaftan (Greifswald) berichtete über therapieresistente Otalgien,<br />
die nicht nur ein HNO-ärztliches Problem darstellen.<br />
Otalgie steht dabei für Schmerzen, die zwar in das Ohr projiziert<br />
werden, aber oft nicht dort ihren Ursprung haben.<br />
Nach Ausschluß von manifesten HNO-ärztlichen pathologischen<br />
Erkrankungen (Fremdkörper, Trauma, Hämangiom, Neoplasie)<br />
ist eine differentialdiagnostische Abklärung von therapieresistenten<br />
Otalgien durch verschiedene Fachgebiete<br />
notwendig. In seinem Vortrag „Kraniomandibuläres, kraniozervikales<br />
und kraniosakrales System“ unterstrich J. Buchmann<br />
(Rostock), daß die ganzheitliche Betrachtungsweise bei vielen<br />
Schmerzereignissen des Kopfes nicht außer acht gelassen<br />
werden kann. Über das kraniozervikale System, zu dem myofasziale<br />
Strukturen wie die vordere Halsfaszie, infrahyale<br />
Muskeln, Pars descendens, M. trapezius, M. sternocleidomastoideus<br />
zählen, wird der Kopf mit Strukturen des Halses<br />
und des oberen Thorax verbunden.<br />
Über den Clusterkopfschmerz (Bing-Horton-Kopfschmerz) und<br />
Sinus cavernosus referierte Ch. Kessler (Greifswald). Der Clusterkopfschmerz<br />
ist ein streng einseitig auftretender, seitenkonstanter<br />
Kopfschmerz, der in bis zu acht Attacken täglich (auch<br />
aus dem Schlaf heraus) von 30 – 180 Minuten periorbital, hinter<br />
der Orbita bzw. in der Orbita auftreten kann: Männer sind<br />
häufiger betroffen als Frauen. Als Auslöser sind häufig Alko-<br />
AUSGABE 4/<strong>2004</strong> 14. JAHRGANG<br />
KONGRESSBERICHT<br />
hol oder bestimmte Medikamente (z. B. Histamin oder Nitroglyzerin)<br />
bekannt.<br />
J. Fanghänel (Greifswald) sprach in seinem Übersichtsvortrag<br />
über die anatomischen Grundlagen von Neuralgien im Mundund<br />
Gesichtsbereich. Der Kopf-Halsbereich weist eine große<br />
Anzahl von Nozizeptoren auf, die sich in den Hirnhäuten,<br />
Periost, Suturen, Bindegewebe, Weichteilen und in den Organen<br />
befinden. Für die sensible Innervation des Kopfes sind<br />
der N. trigeminus (V), N. glossopharyngeus (IV), N. vagus (X),<br />
Äste des Plexus cervicalis sowie Spinalnervenäste verantwortlich.<br />
Aus anatomisch-topographischer Sicht gibt es viele<br />
kritische Strukturen, in denen Ursachen für Engpaßsyndrome,<br />
Neuralgien bzw. Schädigungen einiger Hirnnerven zu<br />
finden sind. Insbesondere interessant sind hier das Foramen<br />
jugulare, der Sinus cavernosus sowie die okzipitozervikale<br />
Übergangsregion. J. Fanghänel (Greifswald) und W. Liebschner<br />
(Schwerin) stellten in einem gemeinsamen Vortrag den<br />
M. psoas als Paradebeispiel für eine funktionell-anatomische<br />
Problemzone vor. Der M. psoas hat enge topographische Beziehungen<br />
zum Plexus lumbalis, zur Niere, zum Ureter sowie<br />
zum N. genitofemoralis, der ihn durchbohrt. Aufgrund dieser<br />
komplexen anatomischen Beziehungen kann bei unklaren<br />
Rückenschmerzen, die in den Bauch ausstrahlen und urologisch,<br />
gynäkologisch sowie chirurgisch unauffällig sind, ein<br />
myofasziales Problem des M. psoas vorliegen.<br />
Aus der Sicht eines betroffenen Schmerzpatienten berichtete<br />
J. Klein (Göttingen) über seine Erfahrungen mit verschiedenen<br />
deutschen Schmerzkliniken. Besonders fokussiert wurde<br />
dabei auf die psychologischen Aspekte, die von den behandelnden<br />
Ärzten immer wieder ins Spiel gebracht wurden.<br />
Leider blieben vom Patienten funktionell anatomisch geschilderte<br />
Beobachtungen im Zusammenhang mit dem chronischen<br />
Schmerzphänomen unbeachtet.<br />
Ergänzt wurde das Curriculum Anatomie und Schmerz durch<br />
die seminaristischen Veranstaltungen, welche zum einen ein<br />
neurologisch-kinesiologisches Übersichtskonzept mit Untersuchungstechniken<br />
der Hirnnerven – P. Ridder (Freiburg) –<br />
sowie zum anderen ein diagnostisch-therapeutisches Übersichtskonzept<br />
Spannungskopfschmerzphänomene – F. Baudet<br />
(Aachen) – verfaßten. Im Rahmen eines Sondervortrags<br />
erarbeitete U. Preuße (Essen) die manigfaltigen Zusammenhänge<br />
zwischen Ernährung und chronischer Schmerzkrankheit<br />
mit den daraus resultierenden Konsequenzen für die<br />
tägliche Praxis.<br />
Dr. U. Preuße, Essen<br />
J. Giebel, Greifswald<br />
SEITE 137