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Monatsschrift zur Wissenschaft und Praxis des ... - Hofmann Verlag

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Alter Wein in neuen Schläuchen?<br />

Stellungnahme aus schulischer Sicht zum Beitrag von Helmut Digel<br />

Dirk Schlüter<br />

Mit Verw<strong>und</strong>erung habe ich den Beitrag<br />

von Digel <strong>zur</strong> Didaktik <strong>des</strong> Schulsports<br />

gelesen. Folgen<strong>des</strong> Bild drängt<br />

sich mir auf: Da hastet jemand blind<br />

durch die didaktische Landschaft <strong>und</strong><br />

holt zu einem R<strong>und</strong>umschlag aus. Die<br />

fehlenden Literaturangaben zeigen,<br />

dass die Schläge ins Leere gehen. Wer<br />

mit den kritischen Anmerkungen gemeint<br />

ist, bleibt unklar, da Ross <strong>und</strong><br />

Reiter nicht genannt werden. Dieses<br />

Vorgehen hält wissenschaftlichen Ansprüchen<br />

nicht stand.<br />

Aus schulischer Sicht möchte ich zu<br />

einigen Anmerkungen von Digel Stellung<br />

nehmen:<br />

An den Anfang seines Beitrags setzt<br />

Digel 10 Leitfragen für die Didaktik<br />

<strong>des</strong> Schulsports, ohne ihre Herleitung<br />

als Gr<strong>und</strong>lage einer Didaktik zu begründen,<br />

um anschließend den aktuellen<br />

didaktischen Konzepten vorzuwerfen,<br />

dass sie diese 10 Fragen bisher<br />

nicht zusammenfassend beantwortet<br />

hätten. Damit wird begründet,<br />

dass die <strong>Praxis</strong> <strong>des</strong> Schulsports von<br />

den bisherigen didaktischen Diskussionen<br />

nur wenig profitieren konnte.<br />

Ein Blick in die Beiträge der einschlägigen<br />

Fachzeitschriften („sportunterricht“,<br />

„sportpädagogik“, „Sportpraxis“<br />

usw.) beweist sehr wohl den Einfluss<br />

der didaktischen Diskussion auf<br />

die Schulsportpraxis der letzten Jahre.<br />

Hier melden sich oft Praktiker zu<br />

Wort, die Basisarbeit leisten, um neueren<br />

didaktischen Überlegungen gegen<br />

die Routine <strong>des</strong> Schulalltags den<br />

Weg zu ebnen. Beispielhaft seien hier<br />

die Sonderhefte der Zeitschrift „Sportpädagogik“<br />

zum Sportunterricht der<br />

Sek. I (Balz, o. J.) <strong>und</strong> der Sek. II (Kurz,<br />

o. J. ) genannt. Digel weiß, dass die<br />

<strong>Praxis</strong> <strong>des</strong> Schulsports ein weites Feld<br />

ist, das nicht auf einen einfachen Nenner<br />

zu bringen ist, auch wenn mit<br />

Recht beklagt wird, dass es im<br />

Schulsport Resistenzen gegen didaktische<br />

Neuerungen gibt.<br />

Dass die didaktischen Diskussionen<br />

der letzten Jahre einen erheblichen<br />

Einfluss auf den Schulsport genommen<br />

haben, spiegelt sich in der pädagogischen<br />

Leitidee <strong>des</strong> Doppelauftrags<br />

<strong>des</strong> Schulsports wider. Das ist<br />

kein alter Wein in neuen Schläuchen,<br />

das ist ein wegweisender Paradigmenwechsel.<br />

Es geht nicht mehr nur<br />

um den Erwerb von Kulturgütern,<br />

sondern v. a. auch um den Erwerb<br />

von Kompetenzen. ( s. auch Schmidt-<br />

Millard, 2007, S. 106). Dieser Doppelauftrag<br />

hat Auswirkungen auf allen<br />

didaktischen Ebenen. Im Zentrum<br />

steht nicht mehr der Sport, sondern<br />

das Sich-Bewegen als eine Möglichkeit<br />

<strong>des</strong> Subjekts, für sich eine Bewegungswelt<br />

zu konstruieren bzw.<br />

die traditionelle Bewegungskultur<br />

nachzugestalten. Eine derartige Bewegungserziehung<br />

intendiert eine<br />

erweiterte Handlungsfähigkeit, die<br />

nicht nur das Handeln in Sportarten<br />

meint, sondern eine Handlungsfähigkeit,<br />

„mit der die eigene Lebenswelt<br />

sinnvoll <strong>und</strong> verantwortungsbewusst<br />

gestaltet werden kann“ (MSWWF<br />

NRW, 1999, S. XXX). Das sind nicht<br />

„lediglich schönere Worthülsen“, sondern<br />

das zielt auf eine Didaktik erweiterter<br />

Ansprüche.<br />

Digel schreibt: „Eine Didaktik <strong>des</strong><br />

Schulsports hat die Frage nach dem<br />

Exemplum zu beantworten.“ In einer<br />

Didaktik reduzierter Ansprüche mag<br />

es darum gehen, sich auf wenige<br />

Sportarten als Exemplum zu beschränken.<br />

Eine Didaktik erweiterter<br />

Ansprüche begreift das exemplarische<br />

Prinzip im Sinne von Wagenschein<br />

(Wagenschein 1991). Hier geht es um<br />

eine pädagogische Perspektivierung<br />

<strong>des</strong> Unterrichts. Es geht um die Frage:<br />

Welchen Beitrag leisten Bewegung,<br />

Spiel <strong>und</strong> Sport, um unterschiedliche<br />

Sinngebungen den Jugendlichen zugänglich<br />

zu machen? Eine Reduktion<br />

auf Kernsportarten wird dem Doppelauftrag<br />

<strong>des</strong> Schulsports nicht gerecht,<br />

sondern es muss um eine mehrperspektivische<br />

Sicht sportlicher Inhalte<br />

gehen, die exemplarisch zu vermitteln<br />

ist. Digels Position entspricht<br />

dem Sportartenkonzept <strong>und</strong> übersieht<br />

die Lehrplanentwicklung von<br />

sportartorientierten zu bewegungsfeldorientierten<br />

Lehrplänen, die den<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schülern mehr<br />

Möglichkeiten zu einer eigenständigen<br />

Gestaltung <strong>des</strong> Lernprozesses mit<br />

unterschiedlichen Sinngebungen bieten.<br />

Digel beklagt, dass bei der Ziel-<br />

Inhalts-Diskussion die Frage nach der<br />

Methodik <strong>des</strong> Schulsports nur am<br />

Rande bearbeitet worden ist. Neuere<br />

Veröffentlichungen <strong>zur</strong> Didaktik <strong>des</strong><br />

Schulsports beweisen das Gegenteil<br />

(s. z. B. Günzel & Laging, 2001, Wolters<br />

u. a., 2000). Schon 1989 orientierten<br />

sich die Bielefelder Sportpädagogen<br />

an einer didaktischen Position<br />

der Methodik (Bielefelder Sportpädagogen,<br />

1989). Laging widmet in<br />

seinem 2006 erschienenen Buch „Methodisches<br />

Handeln im Sportunterricht“<br />

der Dimension der Zielerreichung<br />

ein eigenes Kapitel. Hier geht<br />

er auf den wechselseitigen Zusammenhang<br />

von Inhalten <strong>und</strong> Methoden<br />

ein. Immer sei der jeweilige Lerngegenstand<br />

auf ein Ziel hin auszulegen,<br />

er werde perspektivisch zum<br />

Thema für die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen<br />

(Laging, 2006, S. 55). Laging<br />

setzt dem tradierten Methodenverständnis<br />

ein alternatives entgegen, in<br />

dem gerade die von Digel angemahnte<br />

Ziel-Inhalt-Methode-Relation<br />

berücksichtigt wird.<br />

Wenn einem Autor kein weiteres Argument<br />

gegen eine Position mehr<br />

einfällt, wird vorschnell mit der „ideologischen<br />

Keule“ hantiert. Dieser<br />

Ideologievorwurf ohne einen fachlichen<br />

Begründungszusammenhang<br />

überschreitet die Grenze wissenschaftlicher<br />

Fairness. Hier zeigt sich<br />

beispielhaft die rudimentäre Argumentationsstruktur<br />

<strong>des</strong> Beitrags von<br />

Digel. Behauptungen werden aufgestellt,<br />

wie z. B.: „Betrachten wir die<br />

vorgelegten didaktischen Konzeptionen,<br />

so ist diesbezüglich nur sehr<br />

wenig Konkretes zu erkennen“ … „Einzelne<br />

Methoden werden propagiert,<br />

…“ Notwendige Veranschaulichungen<br />

fehlen aber, sodass der Leser keine<br />

Klarheit gewinnt, welche didaktischen<br />

Konzeptionen <strong>und</strong> welche Methoden<br />

eigentlich gemeint sind. Dann<br />

werden die nicht abgesicherten Behauptungen<br />

mit Werturteilen verb<strong>und</strong>en:<br />

„… weil bestimmte Ziele überhöht<br />

<strong>und</strong> anderen Zielen nicht die<br />

notwendige Toleranz entgegengebracht<br />

wird, …“ Auch hier fehlen notwendige<br />

Konkretionen: Welche Ziele<br />

sportunterricht, Schorndorf, 56 (2007), Heft 8 241

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