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Monatsschrift zur Wissenschaft und Praxis des ... - Hofmann Verlag

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Stelle der genannten 10 zu richten<br />

sind. Weniger naheliegend ist es, dass<br />

man sich mit den inhaltlichen Sachverhalten<br />

nur am Rande auseinandersetzt,<br />

hingegen die Annahme vertritt,<br />

dass eine essayistische Betrachtung<br />

zum Schulsport nur dann<br />

wissenschaftlichen Gütemaßstäben<br />

entspricht, wenn der aktuelle Forschungsstand<br />

– was immer das in der<br />

Didaktik heißt – <strong>zur</strong> angesprochenen<br />

Thematik angemessen wiedergegeben<br />

wird.<br />

Ich gebe zu, ich bin „altmodisch“.<br />

Nach wie vor bin ich ein Vertreter der<br />

Gr<strong>und</strong>idee der bildungstheoretischen<br />

Didaktik, die Didaktik als Lehre von<br />

den Zielen <strong>und</strong> Inhalten sowie von<br />

den Methoden <strong>und</strong> Verfahren versteht.<br />

Ich habe diese wichtigen Aspekte<br />

in meinem Text mit weiteren<br />

Punkten ergänzt. Dies geht vorrangig<br />

auf Gespräche mit Lehrern <strong>und</strong> Referendaren<br />

<strong>zur</strong>ück – <strong>und</strong> ich bin nach<br />

wie vor überzeugt, dass deren Klage,<br />

die Didaktik erreiche ihre <strong>Praxis</strong><br />

nicht, berechtigt ist. Dazu habe ich<br />

Fragen formuliert, über die man nachdenken<br />

möge, aber keine Personen<br />

treffen wollen. Wenn sich einige doch<br />

betroffen fühlen, kann das wohl nicht<br />

mein Problem sein. Besser wäre es,<br />

wenn meine Fragen eine Antwort gef<strong>und</strong>en<br />

hätten.<br />

Ich bin auch insofern „altmodisch“,<br />

dass ich ein Anhänger <strong>des</strong> irreführender<br />

Weise so genannten Sportarten-<br />

Konzepts bin. Ich bin überzeugt, dass<br />

unser Sport mit seinen zahlreichen<br />

Sportarten, Sport- <strong>und</strong> Bewegungsspielen<br />

sowie Bewegungsaktivitäten<br />

vielfältig genug ist <strong>und</strong> inhaltlich genügend<br />

Stoff für jede Form <strong>des</strong> Unterrichts<br />

<strong>und</strong> der Unterrichtsgestaltung<br />

zu bieten hat. Im Gr<strong>und</strong>e kann<br />

diese Fülle unterrichtlich – ohne eine<br />

konsequente Auswahl der Inhalte –<br />

auch nicht einmal im Entferntesten<br />

bewältigt <strong>und</strong> schon gar nicht ausgeschöpft<br />

werden. Leider ist es bislang<br />

so, dass selbst in den klassischen<br />

Schulsportarten ein mittleres Niveau<br />

nicht erreicht werden kann; nicht einmal<br />

die Bewerber <strong>und</strong> Bewerberinnen<br />

um Studienplätze im Lehramt<br />

sind – wenn sie nicht in Vereinen gewesen<br />

sind – im Durchschnitt in der<br />

Lage, das zum Bestehen von Eingangsfeststellungen<br />

notwendige Niveau<br />

zu erreichen. In Kenntnis <strong>des</strong>sen<br />

erscheint mir der Ruf nach noch mehr<br />

Bewegungsaktivitäten <strong>und</strong> der kreativen<br />

Erschließung von neuen Bewegungsfeldern<br />

geradezu als zynisch. Es<br />

wird dabei von Bewegungsfeldern<br />

gesprochen, eine Bewegungserziehung<br />

gefordert <strong>und</strong> dabei mit dem<br />

Wort „Bewegung“ ein Begriff verwendet,<br />

der sich einer sinnvollen sportwissenschaftlichen<br />

Verwendung entzieht.<br />

An keiner Stelle wird gesagt,<br />

welche Bewegungen man denn überhaupt<br />

meint, z. B. Rasen mähen,<br />

Handarbeiten, tischlern, Nase bohren,<br />

tieftauchen, oder was sonst. Man<br />

muss sich schon die Frage stellen, ob<br />

beliebige <strong>und</strong> unspezifische Bewegungen<br />

überhaupt in der Lage sind,<br />

ges<strong>und</strong>heitlich wirksam zu sein, ob<br />

sie „kommunikativ“ geeignet sind,<br />

auch außerhalb der Schule Anschluss<br />

zu finden, z. B. beim Handball oder<br />

Fußball oder in der Leichtathletik<br />

oder beim Skifahren <strong>und</strong> ob sie sozial<br />

so gelagert sind, dass nicht die in der<br />

Schule ohnehin benachteiligten Schüler<br />

<strong>und</strong> Schülerinnen aus Migranten-<br />

Familien <strong>und</strong> aus ärmeren Sozialschichten<br />

nicht noch weiter benachteiligt<br />

werden. Die vielfältigen Formen<br />

<strong>des</strong> Sports sind weltweit verbreitete<br />

<strong>und</strong> anerkannte historisch gewachsene<br />

Kulturtechniken, die zu lernen<br />

wichtig ist, die man können <strong>und</strong> in<br />

denen man kompetent sein sollte. Es<br />

ist geradezu widersinnig, plötzlich<br />

Kompetenz gegen Kultur auszuspielen.<br />

Entweder man hat den Kompetenzbegriff<br />

nicht verstanden oder<br />

kennt die neuere Kulturdiskussion<br />

nicht oder ist in beidem inkompetent.<br />

Die Lücken, die die Sportdidaktik<br />

meines Erachtens hat, werden von<br />

den Kritikern vermutlich aus gutem<br />

Gr<strong>und</strong> nicht erwähnt. So gibt es bislang<br />

keine ausgearbeitete Didaktik<br />

der Sportarten, <strong>des</strong> Alters-, Behinderten-,<br />

Jugend-, Kinder- <strong>und</strong> Gefängnissports<br />

etc. Die Auffassung, dass die<br />

Schule die Verpflichtung hat, Kulturgüter<br />

zu vermitteln <strong>und</strong> zu pflegen<br />

<strong>und</strong> der Sport, so wie er in <strong>und</strong> außerhalb<br />

der Schule betrieben wird, wohl<br />

ebenso ein Kulturgut ist wie die Musik,<br />

die Sprachen, die Mathematik, die<br />

deutsche Literatur <strong>und</strong> die Geschichte,<br />

scheint für einige Fachdidaktiker<br />

wohl kaum mehr akzeptabel zu sein.<br />

Auch der Sport als Kulturgut muss gelernt<br />

werden <strong>und</strong> ist nicht ohne Anstrengung<br />

zu haben; auch die Kompetenzen,<br />

die im Sport zu erwerben<br />

sind, können gewiss nicht beliebig<br />

sein. Solche Sachverhalte scheinen jedoch<br />

immer bedeutungsloser zu werden.<br />

Aber auch, wenn ich für „altmodisch“<br />

gehalten werde <strong>und</strong> ich als jemand<br />

gesehen werde, der „alten Wein in<br />

neue Schläuche füllt“, oder der den<br />

„großen Wurf“ nicht schafft, bin ich<br />

didaktisch informiert genug zu wissen,<br />

dass es nach der Bildungstheorie<br />

<strong>und</strong> nach der Curriculumtheorie kein<br />

in sich konsistentes didaktisches<br />

Schulsportkonzept gegeben hat. Die<br />

Literatur, auf die sich die Verfasser berufen,<br />

um ihre gegenteilige Auffassung<br />

zu stützen, lässt ein solches in<br />

sich konsistentes Konzept nicht erkennen.<br />

Bei den meisten Titeln handelt<br />

es sich um kleinere Aufsätze zu<br />

partiellen Fragen, aber in keinem Fall<br />

um eine neue Didaktik. In beiden Kritiken<br />

werden im übrigen konsequent<br />

die Arbeiten eines so erfahrenen<br />

Schuldidaktikers wie Wolfgang Söll,<br />

die in der gesamten Lehrerschaft<br />

große Anerkennung finden, weil sie<br />

ihre Probleme aufnimmt, nicht erwähnt.<br />

Aber auch Söll war wohl zu<br />

sehr an einem traditionellen bildungstheoretischen<br />

Schulsportkonzept interessiert<br />

<strong>und</strong> für die beiden Autoren<br />

nicht „modernistisch“ genug.<br />

sportunterricht, Schorndorf, 56 (2007), Heft 8 243

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