G L A N Z L IC H T E RO K T O B E R - Sonnendeck
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6 – BRISE<br />
linge sein müssen, da sich ihre Methoden<br />
ähneln. Schwarzenegger umarmt<br />
mit dem Ziel der vollen Massenkompatibilität<br />
Mainstream und Subkulturen.<br />
Ursprünglich widersprüchliche<br />
Eigenschaften, Zielgruppen und Käuferschichten<br />
amalgamieren unter der<br />
Hitze und dem Druck seiner Muskeln.<br />
Das Ergebnis dieser Synthese ergänzt<br />
er durch den krachledernen Konservatismus<br />
seiner österreichischen Heimatregion.<br />
Analog hierzu, gesellt sich<br />
beim internationalen Starkünstler<br />
Warhol ein hartnäckiger slawischer<br />
Katholizismus zum Bild der weltläufigen<br />
Sphinx und Daddy-Figur der<br />
Homosexuellen. „Warhol übersetzte<br />
Religiosität und Spiritualität in Materialismus<br />
und Konsumismus, so wie<br />
Schwarzenegger humanistische und<br />
aufklärerische Selbstformungstechniken<br />
auf Bizepsumfänge und Wadenvolumen<br />
herunterbricht.“ Doch mit<br />
diesem Leuchtturmbefund ist Jörg<br />
Scheller noch lange nicht am Ende<br />
seiner Zwillingsforschung angelangt.<br />
Im Anschluss präsentiert der Autor<br />
acht Analogien zwischen Andy und<br />
Arnie, die beim Leser letzte Zweifel<br />
ausräumen dürften, dass die beiden<br />
tatsächlich Zwillinge sind. Die achtzylindrige<br />
Beweisführung führt beim<br />
Rezensenten sogar zu dem Eindruck,<br />
dass Schwarzenegger der bessere,<br />
weil stromlinienförmigere, teflonbeschichtetere<br />
Warhol ist. Auf einen<br />
verkürzten Nenner gebracht, bestehen<br />
diese Analogien im Folgenden:<br />
Beide Künstler agieren im Geist der<br />
Postmoderne und des Camp – jeweils<br />
mit einem stabilen Standbein im Konservatismus<br />
und in zuweilen reaktionären<br />
Haltungen. Beide sind nicht<br />
kreativ – zumindest nicht im engeren<br />
Sinne – sondern greifen das Treibgut<br />
auf, das ihre Epoche so anspült, und<br />
Atelier 212: CONAN THE BARBARIAN, 2011, 30 x 100 cm, Siebdruck auf Papier, Auflage 120 Stück<br />
integrieren dieses in ihren jeweiligen<br />
Werkkosmos. Beide verändern ihren<br />
Körper auf strategische Weise. Arnie<br />
als Selbstbildhauer, Andy durch plastische<br />
Chirurgie, Perücken, Brillen<br />
und Linsen. Beide haben das Ideal<br />
der Mensch-Maschine verinnerlicht,<br />
zeigen gegenüber ihren Mitmenschen<br />
Kälte und sind doch extrem offene<br />
Personen mit ubiquitärer Präsenz.<br />
Beide vermitteln zwischen Hoch- und<br />
Populärkultur und holen so Millionen<br />
ins Boot. Für beide ist das Geldverdienen<br />
eine ästhetische Praxis. Arbeit<br />
und Leben sind in eins verschmolzen<br />
und folgen einer umfassenden Verwertungslogik.<br />
Metaphysisches ist<br />
beiden fremd – alles ist jene Oberfläche,<br />
die wir sehen. Und schließlich<br />
sind sowohl Schwarzenegger als auch<br />
Warhol Aristokraten aus einfachen<br />
Haushalten, die „Erhabenheit“ für sich<br />
in Anspruch nehmen. Die Erzeugung<br />
dieser, ist wesentliche Bestandteil und<br />
ein strategisches Ziel ihres Agierens.<br />
Mit derselben Ausdauer und Sehschärfe,<br />
wie dem Thema „Schwarzenegger<br />
und Kunst“, widmet sich<br />
Scheller in weiteren Kapiteln seines<br />
Buchs den Bereichen „Mythos“,<br />
„Macht“ und „Vita“. Zusammengenommen<br />
ergibt das eine „Scheinsgeschichte“<br />
Schwarzeneggers, denn<br />
im Gegensatz zu einem Biografen,<br />
findet Scheller die Wahrheit nicht<br />
hinter sondern in den Texten, Bildern<br />
und Mythen. Für die Arnoldologie<br />
ist seine Schrift ein Meilenstein,<br />
beruht sie doch auf die Sichtung<br />
und Neubewertung von Unmengen<br />
von Material. Für Kunstinteressierte<br />
und Massenkulturfans bedeutet die<br />
Lektüre eine enorme Horizonterweiterung,<br />
erfahren sie doch darin,<br />
was sie eigentlich sehen, wenn sie<br />
Popkultur schauen. Und auch die<br />
Bildungsbürger werden am Ende<br />
einsehen, dass vom Einzug des Steirers<br />
in den Olymp der Postmoderne<br />
keine Gefahr ausgeht. Die eingangs<br />
erwähnten Leibwächter wird Scheller<br />
also nicht brauchen.<br />
Hansjörg Fröhlich