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Storry<br />

15<br />

Diese Motte fliegt in kein Licht mehr. Schon<br />

der durchstochene Nachtfalter auf dem<br />

Cover des heiß ersehnten fünften Grundregelwerkes<br />

der neuen World of Darkness<br />

macht eines deutlich – die „Bunte Welt<br />

der Dunkelheit“, wie man das Setting des<br />

alten Changeling – Systems oft bezeichnete,<br />

ist hier nicht mehr zu erwarten.<br />

Als Changeling: The Dreaming – begeisterte<br />

Spielleiterin war ich besonders<br />

gespannt auf dieses Regelwerk...<br />

Der Spieler schlüpft hier in die<br />

Rolle eines einstmals normalen<br />

Menschen, der von merkwürdigen,<br />

erschreckenden und<br />

dennoch faszinierenden Wesen,<br />

den Feen, in eine verborgene<br />

Welt hinter der „Hecke“<br />

gebracht wurden. Jenseits der<br />

Grenze, die das Reich der Menschen<br />

von dem der sogenannten<br />

True Fae trennt, hielt man sie gefangen,<br />

bis ihnen die Flucht gelang,<br />

doch zurück an dem Ort, der ihnen einst<br />

vertraut war, müssen sie feststellen, dass<br />

sie keine Menschen mehr sind... verändert<br />

durch die unbegreifliche Feenwelt Arkadien<br />

ist ihr Äußeres nicht mehr das, was es einstmals<br />

war, und sie nennen übernatürliche Fähigkeiten<br />

ihr Eigen. Nicht mehr Mensch, aber auch<br />

nicht Fee, nennt man sie Changelings, und<br />

sie stehen der schwersten Aufgabe ihres<br />

Lebens gegenüber – sich selbst zu finden,<br />

ein Leben zu finden in einer Welt, die sie<br />

nun mit gänzlich anderen Augen sehen<br />

und die ganz neue Herausforderungen<br />

und Gefahren birgt. Ein spannendes<br />

und sehr ungewöhnliches Setting,<br />

das einen näheren Blick auf jeden<br />

Fall verdient.<br />

Von der Aufmachung her ist das Regelwerk<br />

sehr stimmungsvoll gestaltet.<br />

Die düstere, grüne Hecke, deren Dornen<br />

das Leben einer Motte forderten,<br />

schaffen zusammen mit dem kalten Silberfinish<br />

eine Atmosphäre, die sehr gut zu<br />

dem Spiel passt. Während die Illustrationen des<br />

alten Changeling-Systems von vielen verschiedenen<br />

Künstlern mit ebenso vielen Stilrichtungen stammten,<br />

was einen bunten, experimentellen Teppich aus<br />

Bildmaterial schuf, hat man sich hier auf eine klare<br />

Linie geeinigt. Die Bilder sind schwarz-weiß, sehr<br />

naturalistisch und trotzdem poetisch, sie untermalen<br />

den Spielinhalt und ermöglichen eine bessere Vorstellung<br />

des Beschriebenen. Schön wäre es vielleicht<br />

gewesen, auch einmal von dem abzuweichen, was im<br />

Text beschrieben wurde, und ein paar Illustrationen<br />

einzubringen, die etwas zum Nachdenken anregen<br />

und die Grenzen des Textes sprengen.<br />

Mir persönlich<br />

fehlt die Atmosphäre<br />

des Kreativen, Überbordenden,<br />

manchmal auch etwas Verrückten, dass<br />

sich in den alten Changeling-Büchern schon in den<br />

Bildern zeigte. Changeling: The Lost wirkt im Vergleich<br />

dazu recht sachlich, schlicht. Was durchaus<br />

kein Nachteil ist, denn der Inhalt des Regelwerkes<br />

ist nicht länger etwas, dass den kindlichen Teil der<br />

Phantasie anregen soll. Es ist eine sehr erwachsene,<br />

dunkle und bedrohliche Welt, sie beschäftigt sich<br />

nicht mit dem, was es zu bewahren gilt, sondern mit<br />

dem, was man unwiederbringlich verloren hat.<br />

Die Gliederung des Buches ist ist klar und einfach,<br />

man findet sehr schnell, wonach man sucht. Der<br />

Schreibstil hingegen ist eine Enttäuschung. Der<br />

Funke springt einfach nicht über, die nüchternen,<br />

einfachen und sich oft wiederholenden Sätze werden<br />

der Stimmung, die eigentlich aufkommen soll, nicht<br />

gerecht. Der Versuch, das Spielgefühl zu beschreiben,<br />

welches die Autoren als „beautiful madness“,<br />

beschreiben, ist wenig inspirierend, auch sonst lesen<br />

sich die Texte eher wie eine Bedienungsanleitung.<br />

Der Erzähler erfährt alles über das Regelsystem und<br />

die Hintergründe, doch nur, wenn er etwas Geduld<br />

aufbringt und sich darauf einstellt, selbst ein paar<br />

Dinge einzuführen, die den trockenen Worten Leben<br />

einhauchen. Merkwürdigerweise sind die kurzen Geschichten,<br />

die sich am Anfang jedes Buchteils finden,<br />

das absolute Gegenteil davon. Sie sind spannend, verstörend<br />

und absolut lesenswert. Auf der Länge einer<br />

einzigen Seite schaffen es die Autoren, die<br />

Essenz des Spiels auf den Punkt zu bringen,<br />

sie spielen mit Vorstellungen, mit Phantasie<br />

und auch mit Angst und zeigen die Dunkelheit,<br />

die jenseits von dem liegt, was wir zu<br />

kennen glauben. Wer als Spielleiter ein Gefühl<br />

für dieses System bekommen möchte, dem seien<br />

sie auf jeden Fall ans Herz gelegt, sie sind wirklich<br />

beeindruckend.<br />

Die Charaktererstellung ist, wie bei allen Systemen<br />

des White-Wolf-Verlages, schnell geschehen. Sie<br />

basiert im Wesentlichen auf der Vergabe von Punkten<br />

und dem Auswählen spezifischer Eigenschaften.<br />

Kenner der alten World of Darkness wird<br />

bei dem System der Vor-und Nachteile<br />

eine Änderung auffallen, zwar muss man<br />

für positive Besonderheiten nach wie vor<br />

bezahlen, doch Nachteile bringen keinen<br />

Bonus mehr, den man in andere Dinge investieren<br />

könnte.<br />

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie das zu bewerten<br />

ist – natürlich lud das alte System dazu ein,<br />

möglichst viele kleine Nachteile zu sammeln, um<br />

dadurch die Möglichkeit zu bekommen, den Charakter<br />

stärker zu machen. Aber meine Spieler waren<br />

immer Rollenspieler genug, um diese Tatsache nicht<br />

auszunutzen und den Aspekt der tatsächlichen Stärke<br />

eines Charakter über seiner Glaubwürdigkeit in<br />

seiner Lebendigkeit zurück zu stellen. So, wie es in<br />

einem erzählenden Rollenspiel auch sein sollte.<br />

Ich fand es recht glaubwürdig, für Nachteile Zusatzpunkte<br />

zu bekommen, manchmal sogar ganz konkret<br />

logisch – ein blinder Charakter verfügt natürlich<br />

über eine verbesserte Sinneswahrnehmung, und<br />

auch sonst hat ein Mensch doch Stärken und<br />

Schwächen, die ihn zu einem Individuum<br />

machen. Das Punktesystem ermöglichte hier<br />

eine große Bandbreite an Möglichkeiten,<br />

während man mit den neuen Regelungen<br />

eingeschränkter ist.<br />

Das Regelsystem ist ebenfalls nicht kompliziert<br />

und kann schnell verinnerlicht werden.<br />

Das ist von Vorteil, weil es den Spielverlauf<br />

nicht stört.<br />

Pen&Paper<br />

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