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LGBB_032018_korrektur_02

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Sämtliche Graffiti eines jeden Hauses, z.T. mit<br />

Detailfotos und/oder Umzeichnungen, findet der<br />

Leser in einer umfangreichen Appendix (367-<br />

439). Die Deutung der Befunde je Wohnhaus<br />

bringen vielfältige Ergebnisse: mehrfach ist auch<br />

vom Zahn der Zeit die Rede, wie er den Ausgrabungen<br />

zusetzt: "Aus dem Bestand der 26 geritzten<br />

Inschriften an den Säulen des Peristyls war<br />

sage und schreibe nur noch ein einziger Graffito<br />

bei der Autopsie vor Ort zu finden. Die fehlende<br />

Überdachung der südlichen Peristylhälfte hat<br />

merklich zu dem heutigen Zustand des Säulenputzes<br />

in diesem Bereich beigetragen"<br />

(S. 191).<br />

Kapitel sieben lautet: Technik, Form, Inhalt:<br />

Merkmale des graffiti habit. "Es behandelt die<br />

praktischen Aspekte des Graffitischreibens,<br />

andererseits die Wahrnehmung der Inschriften<br />

durch ihre Macher anhand selbstreflektiver Texte<br />

und durch Zweite und Dritte anhand von schriftlichen<br />

Reaktionen sowie die bewusste Ästhetik,<br />

die sich sowohl in der Wahl des Anbringungsortes<br />

als auch der formalen Gestaltung von Text<br />

und Schrift vieler Graffiti widerspiegelt" (S. 243).<br />

Spannend zu lesen ist ein archäologisches Experiment,<br />

das Polly Lohmann recht aufwendig<br />

durchgeführt hat: "... die technische Akkuratesse<br />

etlicher für diese Arbeit autopsierter Graffiti ließ<br />

Zweifel an der Beliebigkeit des Schreibwerkzeugs<br />

aufkommen” (S. 246). Auf einer an der TU Mün-<br />

chen unter Berücksichtigung von technischen<br />

und Material-Angaben im zweiten und siebten<br />

Buch von Vitruvs De architectura rekonstruierten<br />

Wandputzplatte testete Lohmann zwölf verschiedene<br />

Objekte: „Rekonstruktionen eines Calamus<br />

aus Schilfrohr (1), eines buchenhölzernen Stilus<br />

(2), eines Messing-Stilus (3), eines eisernen Stilus<br />

(4), zweier bronzener Stili (5, 6), eines beinernen<br />

Stilus (7), eines Eisennagels (8) sowie ein modernes<br />

Taschenmesser (9), einen modernen Schlüssel<br />

(10), einen Schlitz-Schraubenzieher (11) und<br />

eine Gabel (12). Letztere vier Objekte wurden<br />

in Ermangelung von Rekonstruktionen anderer<br />

antiker Gegenstände zu Hilfe genommen, um<br />

die Tauglichkeit von Objekten unterschiedlicher<br />

Länge, Stärke und Schärfe zu testen” (S. 247).<br />

Lohmann kommt zu dem Resultat, „dass von den<br />

erprobten (antiken) Gegenständen einzig der Stilus<br />

gut genug handhabbar ist, um für den überwiegenden<br />

Teil der pompejanischen Graffiti,<br />

die autopsiert wurden, als Schreibutensil in Frage<br />

zu kommen. Dieses Ergebnis wirft wiederum die<br />

Frage auf, wie spontan – und wie schnell – man<br />

bei der Anbringung eines Graffitos sein<br />

konnte” (S. 251).<br />

Vollends interessant wird<br />

es in dem Kapitel 7.1.2.,<br />

in dem es „um diejenigen<br />

Graffiti geht, die etwas<br />

über das Können und (ästhetische)<br />

Wollen ihrer<br />

Autoren und über deren<br />

Beeinflussung durch die<br />

Schriftform und das Textlayout<br />

anderer Inschriften<br />

im Stadtraum verraten”<br />

(S. 260). Hier geht es um<br />

tabulae ansatae, um die<br />

Imitation der Buch-<br />

Blick aus der Regio VIII zum Vesuv<br />

(Polly Lohmann,<br />

(© Sprintendenza Archeologica Pompei)<br />

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<strong>LGBB</strong> 03 / 2018 · JAHRGANG LXII<br />

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