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Lehrstellenkurier

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Freitag, 19. Oktober 2018<br />

Lehrstellen Kurier<br />

Seite 15<br />

Das Motorschiff „Müritz“ der Reederei Pickran aus Malchow ist nicht nur auf der Mecklenburgischen Seenplatte unterwegs. Es fährt bis nach Hamburg und Stettin. <br />

Foto: Reederei Pickran<br />

Was aus Jugendlichen werden kann<br />

Schiff ahoi - Lehrlinge auf Kurs<br />

Thore Blume und Hans-Christian Schwindt wollen den Beruf des Binnenschiffers erlernen.<br />

Wer meint, dass es dafür reicht, am Steuerrad zu stehen und<br />

immer wieder sicher im Hafen festzumachen, irrt gewaltig.<br />

Von Frank Wilhelm<br />

Malchow. Liebe Frauen, falls<br />

ihr noch nicht den Mann fürs<br />

Leben gefunden habt, solltet<br />

ihr euch einen Binnenschiffer<br />

angeln. Schließlich handelt<br />

es sich um Männer, die<br />

wohl jede Dame gerne unter<br />

ihrem Dach beherbergen<br />

würde. Binnenschiffer sind<br />

Allround-Genies, sie können<br />

fast alles. Das lässt sich<br />

zumindest schlussfolgern,<br />

wenn die Lehrlinge Thore<br />

Blume (29) und Hans-Christian<br />

Schwindt (20) über ihr<br />

Ausbildungsprogramm auf<br />

dem Weg zum Binnenschiffer<br />

erzählen.<br />

„Darf‘s ein Kaffee sein?“,<br />

begrüßt Blume den Gast an<br />

Bord des Motorschiffs (MS)<br />

„Stadt Malchow“. Es ist früh<br />

am Morgen. Er und sein Azubi-Kollege<br />

Hans-Christian<br />

Schwindt richten den Fahrgastraum<br />

für eine Seniorengruppe<br />

her, die sich für einen<br />

Ausflug auf der Seenplatte angemeldet<br />

hat. Tische werden<br />

abgewischt, Servietten und<br />

Speisekarten verteilt, der Kaffee<br />

dampft in der Maschine.<br />

Gekonnt serviert Blume mit<br />

einem freundlichen Lächeln<br />

den Kaffee. „Der freundliche<br />

Umgang mit den Menschen<br />

gehört natürlich zu unserem<br />

Job“, sagt Blume. Das fängt<br />

mit der Begrüßung an und<br />

hört mit der netten Verabschiedung<br />

auf. Dazwischen<br />

gehe es unter anderem darum,<br />

alle möglichen Fragen<br />

über das Schiff und die Natur<br />

zu beantworten. Kaffee,<br />

Service und Freundlichkeit<br />

– das ergibt insgesamt schon<br />

mal drei Pluspunkte für die<br />

beiden jungen Männer.<br />

Die Vorbereitungen für die<br />

Ausfahrt gehören zum täglich<br />

Brot der Besatzungen der<br />

Malchower Reederei Pickran.<br />

Bevor der erste Passagier an<br />

Thore Blume (links) und Hans-Christian Schwindt haben sich ihren<br />

Kindheitsraum vom Job auf einem Schiff erfüllt.<br />

Binnenschiffer haben viele berufliche Perspektiven nach der Lehre<br />

Die duale Ausbildung zum<br />

Binnenschiffer dauert drei<br />

Jahre. Die Vergütung der<br />

Lehrlinge schwankt je nach<br />

Bundesland. Für das Land<br />

Brandenburg gibt es keine<br />

konkreten Angaben. In MV<br />

werden laut Arbeitsagentur<br />

folgende Lehrlingsentgelte<br />

gezahlt: 1. Ausbildungsjahr:<br />

919 bis 936 Euro; 2. Jahr:<br />

Deck kommt, muss alles picobello<br />

sein. Die Hemden der<br />

jungen Männer sollten reinweiß<br />

strahlen, die Uniformen<br />

perfekt sitzen und Bockwurst<br />

kochen gehört ebenso zu den<br />

Selbstverständlichkeiten.<br />

Blume und Schwindt<br />

können aber weitaus mehr<br />

Speisen zubereiten. Auf der<br />

Berufsschule steht ein Kochkurs<br />

auf dem Programm.<br />

Schnitzel, Saucen und Suppe<br />

zubereiten, das habe er<br />

schon drauf, sagt Schwindt,<br />

der gerade ins dritte Lehrjahr<br />

gestartet ist. Ein Mann, der<br />

kocht, da würde wohl kaum<br />

eine Frau Nein sagen. Zwei<br />

weitere Pluspunkte.<br />

Schwindt kommt aus<br />

Lübeck. Schon mit drei Jahren<br />

wusste er, dass er aufs<br />

1051 bis 1071 Euro; 3. Jahr:<br />

1186 bis 1209 Euro.<br />

Neben der Reederei Pickran<br />

bilden in der Seenplatte die<br />

Warener Schifffahrts- und<br />

Handelsgesellschaft sowie<br />

die Weiße Flotte Müritz<br />

GmbH Binnenschiffer aus.<br />

Freie Lehrstellen gibt es<br />

laut Wirtschaftsministerium<br />

MV bei der Weißen Flotte<br />

Schiff wollte. Das Arbeitsamt<br />

habe ihm bei der Suche nach<br />

einem Ausbildungsbetrieb<br />

geholfen. So sei er auf die<br />

Reederei Pickran gestoßen.<br />

Er habe ein paar Wochen<br />

auf Probe gearbeitet und gespürt,<br />

dass es passt zwischen<br />

ihm und seinem Arbeitgeber,<br />

einem Familienbetrieb, der<br />

die MS „Stadt Malchow“ und<br />

„Müritz“ betreibt.<br />

Das Schifferdienstbuch von Hans-Christian Schwindt. Hier werden<br />

alle Dienststunden akribisch festgehalten. Fotos (2): Frank Wilhelm<br />

in Stralsund sowie dem<br />

Wolgaster Unternehmen<br />

Weiße Düne Segeltouren in<br />

Wolgast, wo allerdings ein<br />

Schulgeld fällig wird.<br />

Im Land Brandenburg gibt<br />

es ebenfalls noch freie Ausbildungsplätze,<br />

so bei der<br />

Weißen Flotte in Potsdam<br />

sowie verschiedenen Reedereien<br />

in Berlin.<br />

Binnenschiffer arbeiten in<br />

Betrieben der Güter- und<br />

Personenbeförderung<br />

der Binnenschifffahrt, in<br />

Häfen oder bei Wasser- und<br />

Schifffahrtsämtern. Sie<br />

können auch im Hafenbau<br />

und im Schiffbau, bei der<br />

Vermietung von Wasserfahrzeugen<br />

oder beim<br />

Frachtumschlag arbeiten. wil<br />

Azubi nimmt einige<br />

Umwege bis nach Malchow<br />

Sein Kollege Thore Blume<br />

wollte mit zehn Jahren Kapitän<br />

werden. Der junge Mann<br />

aus Kassel hat aber erst noch<br />

einige Umwege genommen,<br />

ehe er in Malchow landete.<br />

Blume lernte Berufskraftfahrer,<br />

absolvierte eine Fahrlehrerausbildung<br />

und arbeitete<br />

in einer Tierarztpraxis. Nach<br />

dieser „Findungsphase“, wie<br />

er selbst sagt, ist Blume überzeugt,<br />

mit dem Binnenschiffer<br />

den richtigen Job gefunden<br />

zu haben.<br />

Letztlich auch, weil die<br />

Arbeit so vielseitig ist, womit<br />

wir zu weiteren Pluspunkten<br />

kommen: Binnenschiffer<br />

müssen in der Lage sein, kleinere<br />

Reparaturen und Wartungsarbeiten<br />

an Motoren<br />

selbst auszuführen. Zudem<br />

bekommen die Azubis Einblicke<br />

in die Elektrotechnik.<br />

„Theoretisch könnten wir<br />

Kabelstränge verlegen und<br />

anschließen“, sagt Schwindt.<br />

Schließlich müssen die<br />

Matrosen geschickt mit der<br />

Leine umgehen können. Geübt<br />

werden der Wurf über<br />

einen Holzpfahl beim Anlegen,<br />

die verschiedenen Knotenarten<br />

sowie das Spleißen,<br />

das Flechten und feste Verbinden<br />

von Seilen. All das<br />

reicht für weitere drei Pluspunkte,<br />

womit Blume und<br />

Schwindt schon acht auf dem<br />

Konto haben.<br />

Das Beste am Job des Binnenschiffers<br />

sind aber die<br />

Fahrten über die Seen und<br />

Kanäle. Der Malchower und<br />

der Fleesensee, der Plauer<br />

und der Petersdorfer See<br />

und natürlich die Müritz gehören<br />

zu den Revieren, die<br />

die MS „Stadt Malchow“ und<br />

„Müritz“ auf ihren Fahrten<br />

kreuzen. Dabei dürfen Blume<br />

und Schwindt auch selbst<br />

am Steuer stehen, noch allerdings<br />

nur unter Beaufsichtigung<br />

durch einen Schiffsführer<br />

oder Steuermann. Alleine<br />

ans Steuer dürfen sie erst,<br />

wenn sie ihre Ausbildung<br />

erfolgreich absolviert haben<br />

und auf ausreichend Stunden<br />

im Kommandostand gekommen<br />

sind. Schon jetzt, als<br />

Azubi, werden diese Dienste<br />

akribisch im Schifferdienstbuch<br />

nachgewiesen.<br />

Auf große Fahrt bis nach<br />

Hamburg und Stettin<br />

Das Gute an ihrer Reederei<br />

sei, dass auch Flusskreuzfahrten<br />

zum Angebot gehören,<br />

sodass die Azubis Flüsse<br />

wie Havel, Elbe und Oder kennenlernen.<br />

Das MS „Müritz“<br />

nimmt regelmäßig Kurs auf<br />

Hamburg, Stettin (Szczecin),<br />

Berlin und Potsdam. Sorgen<br />

bereiten den Binnenschiffern<br />

die Hobbykapitäne, die sich<br />

auf den Charterbooten oft<br />

verschätzten und den Profis<br />

Probleme bereiteten, sagt<br />

Blume, der auch noch Humor<br />

hat: „Gott schütze uns<br />

vor Sturm und Wind und<br />

Booten, die gechartert sind.“<br />

Reederin Janet Pickran ist<br />

zufrieden mit ihren beiden<br />

Lehrlingen, die sie gerne nach<br />

der Ausbildung übernehmen<br />

möchte. Auch im nächsten<br />

Ausbildungsjahr würde sie<br />

gerne wieder einen Lehrling<br />

einstellen. Blume möchte<br />

bleiben, zumal inzwischen<br />

auch seine Verlobte, die er<br />

nach Malchow locken konnte,<br />

bei der Reederei arbeitet.<br />

„Wir haben hier in der Firma<br />

alle ein sehr familiäres Verhältnis“,<br />

sagt er.<br />

Summa summarum haben<br />

sich die zwei jungen Männer<br />

jeweils mindestens acht Pluspunkte<br />

verdient. Beide sind<br />

allerdings bereits vergeben.<br />

Kontakt zum Autor<br />

f.wilhelm@nordkurier.de<br />

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