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StadtHochDrei – Berlin Mitte

ISBN 978-3-86859-529-1 https://www.jovis.de/de/buecher/product/stadthochdrei-berlin-mitte.html

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Innenstadt Mailand, Fotos: Rene Wildgrube<br />

debatte der Frühmoderne) hat 1903 einen Text mit<br />

dem Titel »Die Großstädte und das Geistesleben«<br />

verfasst, der die Voraussetzungen für das, was wir<br />

die »lebendige Stadt« nennen, beschreibt: »Die psychologische<br />

Grundlage, auf der der Typus großstädtischer<br />

Individualitäten sich erhebt, ist die Steigerung<br />

des Nervenlebens, die aus dem raschen und<br />

ununterbrochenen Wechsel äußerer und innerer<br />

Eindrücke hervorgeht. Der Mensch ist ein Unterschiedswesen,<br />

d.h., sein Bewusstsein wird durch<br />

den Unterschied des augenblicklichen Eindrucks<br />

gegen den vorhergehenden angeregt; beharrende<br />

Eindrücke, Geringfügigkeit ihrer Differenzen, die gewohnte<br />

Regelmäßigkeit ihres Ablaufs und ihrer Gegensätze<br />

verbrauchen sozusagen weniger Bewusst<br />

sein als die rasche Zusammendrängung<br />

wechselnder Bilder, der schroffe Abstand innerhalb<br />

dessen, was man mit einem Blick erfasst, die Unerwartetheit<br />

sich aufdrängender Impressionen. Indem<br />

die Großstadt gerade diese psychologischen Bedingungen<br />

schafft <strong>–</strong> mit jedem Gang über die Straße,<br />

mit dem Tempo und den Mannigfaltigkeiten des<br />

wirtschaftlichen, beruflichen, gesellschaftlichen Lebens<br />

<strong>–</strong> stiftet sie schon in den sinnlichen Fundamenten<br />

des Seelenlebens einen tiefen Gegensatz gegen<br />

die Kleinstadt und das Landleben mit dem langsameren,<br />

gewohnteren, gleichmäßiger fließenden<br />

Rhyth mus ihres sinnlich-geistigen Lebensbildes.<br />

Daraus wird vor allem der intellektualistische Charakter<br />

des großstädtischen Seelenlebens begreiflich.« 6<br />

Albert Erich Brinckmann beschreibt dieses »großstädtische<br />

Seelenleben« als »psychophysisch«: »Das<br />

Primäre alles architektonischen Gestaltens ist das<br />

Raumgefühl, das wiederum seinen Ursprung in der<br />

Empfindung des Menschen für eine bestimmte Körperlichkeit<br />

hat, also psychophyisch ist.« 7<br />

Giorgio de Chirico hat 1920 (also in einer Zeit der<br />

Blüte expressionistischer Stadtmalerei) versucht,<br />

diesen »intellektualistischen« oder auch »psychophysischen«<br />

Charakter der Empfindung des Stadtbewohners<br />

bildlich zu fassen, indem er über das<br />

Mensch-Architektur-Verhältnis in der französischen<br />

Malerei schreibt: »Nicolas Poussin und Claude Lorrain<br />

waren unter den Franzosen diejenigen, die das<br />

tiefste Verständnis für die Architektur hatten. Bei<br />

Poussin ist es so stark verwurzelt, dass er auch bei<br />

den einfachsten Landschaften immer seinen, dem<br />

Bau verschworenen, Geist walten lässt. In einigen<br />

Gemälden wie etwa im »Raub der Sabinerinnen« hat<br />

Poussin den höchsten Grad an Gleichgewicht und<br />

architektonischer Wucht erreicht. In dieser genialen<br />

Komposition schieben sich die Körper wie Statuen<br />

ineinander und scheinen sich mit den Würfeln aus<br />

Stein zu vermählen.« 8 De Chirico selbst hat übrigens<br />

in seinen frühen, wohlgemerkt surrealistischen Bildern<br />

die Stadt ohne Menschen gemalt, dafür aber <strong>–</strong><br />

als ein menschlich-architektonisches Monument sozusagen<br />

<strong>–</strong> den Menschen als ein architektonisches<br />

Konstrukt bildhaft aufgebaut. Der Mensch also als<br />

das bewegende Moment und damit kon se quen terweise<br />

auch als maßstabs- und pro por tions gebendes<br />

Element (in einer natürlich weit dyna mische ren und<br />

10

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