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Historische Friedhöfe
«HISTORISCHE FRIEDHÖFE» ‒ EINE
KOMPLIZIERTE DEFINITIONSFRAGE
ES GIBT IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM ZAHLREICHE ORTE, DIE ALS «HISTORISCH» BEZEICHNET WERDEN. DARUN-
TER BEFINDEN SICH IMMER MEHR FRIEDHÖFE, DIE DIESES LABEL OFFIZIELL TRAGEN. DIE FRAGE, NACH WELCHEN
KRITERIEN DIESE BEZEICHNUNG VERGEBEN WIRD, SOLL UNS HIER KURZ BESCHÄFTIGEN. Lambrini Koutoussaki
sein und sich auf die verstorbene Person und ihre
Tätigkeit, auf die Architektur oder gar auf das gesamte
Konzept des Monuments beziehen. Liegen
mehrere solche Monumente beisammen, spricht
man heute oft von einem historischen Friedhof.
Oft, ja vielleicht sogar in den meisten Fällen, fusst
diese Bezeichnung nicht auf einer offiziellen Anerkennung.
Wer oder was bestimmt also die Historizität
eines Friedhofs oder einer Grabstätte, eines
Grabmals?
Oben: Ältester Teil des
Friedhofs Beauregard,
Neuchâtel.
Fotos: Lambrini Koutoussaki
Rechts: Historisches Grabmal
im Friedhof Sihlfeld,
Zürich
Sucht man in Wörterbüchern nach Definitionen
des Begriffes «historisch», beziehen sich diese vorwiegend
auf das Geschichtliche. Je nach Thematik
birgt der Begriff aber eine weit grössere Komplexität.
Dies wird deutlich, wenn man beispielsweise
von historischen Ortschaften oder wie im vorliegenden
Fall von historischen Friedhöfen spricht.
Es ist nicht einfach, die Entwicklung des Begriffs
«historisch» in Bezug auf Friedhöfe zeitlich eindeutig
zu bestimmen. Sicherlich aber kann man eine
Verbindung zur Entwicklung des Friedhofs als «Besucherattraktion»
herstellen. Schon die antiken
Quellen berichten von Reisen berühmter Persönlichkeiten,
die mit dem Ziel, die Grabstätten ihrer
Vorfahren oder sonstiger berühmter Männer zu
besuchen, unternommen wurden. Zahlreiche dieser
Stätten sind noch heute erhalten, man denke
nur an die Grabmäler entlang der Via Appia in Rom.
In der modernen Zeit lässt sich die Bezeichnung
«historisch» vorerst auf einzelne Monumente eines
bestimmten Friedhofs beziehen. Das Interesse am
konkreten Monument kann vielfältig begründet
FRIEDHÖFE ALS KULTURELLES ERBE
Die Unesco-Weltkulturerbe-Liste umfasst auch einige
Friedhöfe, die vorneuzeitlichen Epochen angehören
(Mittelalter, Antike). Betrachtet man die
heute geltenden Aufnahmekriterien für ein Kulturgut,
wozu ja zweifellos auch die Friedhöfe gehören,
dann sind mehrere Aspekte hervorzuheben. Ausschlaggebend
sind die Einzigartigkeit, die Originalität
und die Bedeutung der Stätte bzw. des Denkmals,
wobei die historischen, die künstlerischen
und die wissenschaftlichen Aspekte auf universell
anerkannten Kriterien beruhen. Bis jetzt wurde kein
Friedhof der Moderne (seit Ende des 18./Anfang des
19. Jahrhunderts) in das Weltkulturerbe aufgenommen;
die Aufnahme solcher Friedhöfe in ein Inventar
bleibt vorerst Sache des jeweiligen Landes oder gar
der Gemeinde. Dies ist insofern verständlich, als
die Bedeutung dieser Stätten meistens nur auf ein
Land oder eine Region begrenzt ist und folglich zur
einheimischen Geschichte gehört. In diesen Fällen
bezieht sich der Begriff «historisch» einerseits auf
die örtliche bzw. regionale Bedeutung; andererseits
bringt er aber auch zum Ausdruck, dass die
so bezeichnete Stätte als schutzwürdig und erhaltenswert
betrachtet wird.
Viele europäische Länder ‒ Frankreich und
Deutschland gelten in diesem Zusammenhang als
Pioniere ‒ und insbesondere Städte bemühen sich
um dieses einheimische materielle und immaterielle
kulturelle Erbe. Das Interesse daran wächst stän-
24 05/18