Lenzkirch-E-Paper
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Alpgau, der bis zum Titisee und Feldberg<br />
reichte. Sie wurde angeregt durch eine alte<br />
Verkehrsverbindung über den noch unerschlossenen<br />
Hochschwarzwald vom<br />
Breisgau zum Bodensee etwa um die<br />
Jahrtausendwende. In <strong>Lenzkirch</strong>, dessen<br />
Namensgebung die gleichzeitige Gründung<br />
einer Siedlung und einer Pfarrkirche<br />
durch einen „Lanto“ anzeigt, entstand eine<br />
Ortsherrschaft, als deren Inhaber<br />
„Swiggerus de Lendischilicha“ um 1130<br />
nachgewiesen ist. Im gleichen Zeitraum<br />
lassen sich Raitenbuch sowie Ort und Kirche<br />
in Saig belegen, während die übrigen<br />
Ortsteile erst etwas später nachweisbar sind.<br />
Von den zunächst im Ortskern ansässigen<br />
Herren von <strong>Lenzkirch</strong> wurde in der Folge<br />
die noch als Ruine bestehende Burg<br />
Urach als Herrschaftsmittelpunkt und Straßensicherung<br />
errichtet, wobei die Namengebung<br />
der Burg und des Besitzergeschlechtes<br />
aus der Bezeichnung des heutigen<br />
Urseebaches als „Urach“ zu vermuten<br />
ist.<br />
Nach 1300 sind die Herren von Blumegg<br />
als Besitzer der jetzt zur Herrschaft <strong>Lenzkirch</strong><br />
gewordenen Talschaft bis zum Jahre<br />
1491 urkundlich belegt. Sie veräußerten<br />
dann ihr Gebiet im Ursee- und Haslachtal<br />
einschließlich der Rechte in der angrenzenden<br />
Vogtei Schluchsee um 6 600 Rheinische<br />
Gulden an den Landgrafen Heinrich<br />
zu Fürstenberg. Dieses von den Herzogen<br />
von Zähringen abstammende alte<br />
Grafengeschlecht gliederte diesen neuen<br />
Besitz der Herrschaft <strong>Lenzkirch</strong> als eigenes<br />
Amt ihrem Verwaltungsbereich „Über<br />
Wald“ an. 1620 wurde es mit dem Amt<br />
Neustadt zu einer eigenen Obervogtei in<br />
Neustadt vereinigt und künftig verwaltet.<br />
Zu diesem Zeitpunkt bestand schon<br />
längst eine gemeinsame Verwaltungseinheit<br />
der selbständigen Gemeinden Oberund<br />
Unterlenzkirch, Kappel, Saig, Raitenbuch<br />
mit Berg und Fischbach mit einer eigenen<br />
niederen Gerichtsorganisation von<br />
12 Richtern, dem selbstgewählten Schultheiß<br />
und von Bürgermeistern in den Gemeinden.<br />
Die Herrschaft war durch einen<br />
Vogt im Ort vertreten. Bis 1806, als Napoleon<br />
durch die Mediatisierung auch der<br />
fürstenbergischen Landesherrschaft ein<br />
Ende bereitete, waren die <strong>Lenzkirch</strong>er<br />
Untertanen für über 300 Jahre den Landgrafen,<br />
ab 1716 den Fürsten zu Fürstenberg<br />
als obersten Landesherrn, Treue und<br />
Gefolgschaft schuldig.<br />
Es folgte die Zugehörigkeit zum Großherzogtum<br />
Baden, das 1918 vom republikanischen<br />
Land Baden abgelöst wurde, während<br />
<strong>Lenzkirch</strong> heute als Bestandteil des<br />
Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald<br />
zum Land Baden-Württemberg gehört. Die<br />
Entwicklung <strong>Lenzkirch</strong>s von einer klimatisch<br />
benachteiligten, ausschließlich landwirtschaftlich<br />
ausgerichteten Schwarzwaldgemeinde<br />
über einen vorindustriellen<br />
Zustand mit Handelskompanien und<br />
Uhrenmacherei, bis zum frühindustriellen<br />
Sitz einer weltbekannten Uhrenfabrik von<br />
1851 bis 1928, nachfolgenden Bemühungen<br />
um Förderung des Fremdenverkehrs,<br />
mündete in die heutige vielseitige Ausrichtung<br />
auf umweltneutrale Industrie, Kurbetrieb,<br />
Dienstleistungen und als Verwaltungszentrum<br />
der Gesamtgemeinde.<br />
Diese Entwicklung stellt sich auch im Ortsbild<br />
dar, wo die alte Bauweise in reiner<br />
Holzkonstruktion durch Brände und Baulust<br />
der Handelsmänner des 19. Jh. zur<br />
städtischen Bauart fast vollständig verschwunden<br />
ist. Neueste Bauten lehnen sich<br />
zum Teil wieder an heimische Gestaltungen<br />
an, so dass sich das im 19. Jh. ausdrücklich<br />
gelobte schöne Ortsbild von<br />
<strong>Lenzkirch</strong> vorteilhaft weiterentwickelt hat.<br />
Kirchlich gehörten seit ältesten Zeiten Raitenbuch,<br />
Berg, Fischbach, Schwende und<br />
Hinterhäuser als Filialen zur kath. Pfarrei<br />
<strong>Lenzkirch</strong>, wobei in jüngerer Zeit die letzteren<br />
drei Orte sowohl politisch als auch<br />
kirchlich nach Schluchsee umgemeindet<br />
wurden. Die heutige Pfarrkirche St. Nikolaus<br />
entstand in unterschiedlichen Bauphasen.<br />
Die unteren Turmgeschosse stammen<br />
aus mittelalterlicher Zeit, das Turmoberteil<br />
mit dem auffallend spitzen Turmhelm wurde<br />
erst 1820 in dieser Form erbaut, nachdem<br />
einem großen Brand im Ortskern am<br />
12. Mai 1813 Rathaus, Pfarrhaus und Kirche<br />
samt 13 Häuser zum Opfer gefallen<br />
waren. Das aus Platzgründen 1934/35 vergrößerte<br />
Kirchenschiff wurde architektonisch<br />
gelungen mit dem vorhandenen,<br />
übereck stehenden unveränderten Turm<br />
verbunden. Die Ausstattung stammt z. T.<br />
aus der vorherigen Kirche und aus noch älterem<br />
Bestand.<br />
Obwohl erst seit 1970 eine evangelische<br />
Kirchengemeinde <strong>Lenzkirch</strong>-Schluchsee<br />
besteht, konnte schon 1952 eine bereits vor<br />
dem zweiten Weltkrieg geplante kleine Kirche<br />
gebaut werden, die dezent bauliche<br />
und manche kulturellen Akzente setzt.<br />
Ein weiteres kirchliches Gebäude ist<br />
die Kapelle des hl. Cyriak in der<br />
Schwende, heute Pfarrei Schluchsee,<br />
die in früherer Zeit Ziel jährlicher Flurprozessionen<br />
aus <strong>Lenzkirch</strong> war und<br />
noch heute der idyllischen Lage und der<br />
bäuerlich-künstlerischen Ausstattung<br />
wegen oft besucht wird.<br />
Im Hauptort <strong>Lenzkirch</strong> stand die ehedem<br />
zur Burg Urach bzw. zu deren landwirtschaftlichem<br />
Meierhof gehörende, dann<br />
nach dessen Verschwinden 1600 von der<br />
Einwohnerschaft <strong>Lenzkirch</strong>s als Wallfahrtsort<br />
benutzte, ganz in Holz ausgeführte Kapelle<br />
des hl. Eligius. An Stelle dieser Kapelle<br />
wurde vom Kapellenfond 1684/85 eine<br />
barocke steinerne Nachfolgerin mit einem<br />
Dachreiter in Zwiebelform erbaut, die 1884<br />
erweitert und 1981 mit Anbau versehen<br />
wurde. Seit 1821 diente sie als Friedhofkapelle,<br />
da der ehemals um die Pfarrkirche<br />
gelegene überfüllte Gottesacker nach dem<br />
westlichen Ortsausgang verlegt wurde.<br />
An die Tradition der Wallfahrten zur Kapelle<br />
des Hl. Eligius (süddeutsch: Eulogius)<br />
schloss sich mit einem neu aufgenommenen<br />
Brauch einer Pferdesegnung<br />
und anschließenden Umzug das bereits<br />
zur jährlichen Tradition gewordene<br />
„Eulogifest“ am Sonntag vor dem Festtag<br />
des Heiligen (25. Juni) an.<br />
saig,<br />
dessen nicht leicht zu deutender Ortsname<br />
in mehreren Varianten nachweisbar ist,<br />
darf nach seiner Lage am südwestlichen<br />
Abhang des Hochfirsts als „Siedlung am<br />
geneigten Berghang“ gedeutet werden.<br />
Nicht wenige der Häuser von Saig stehen<br />
oberhalb 1000 m Höhe und auch das<br />
Ortszentrum befindet sich mit 990 m nur<br />
wenig unter dieser Marke. Nur der Ortsteil<br />
Mühlingen lag mit 840 m tiefer. Ursprünglich<br />
erstreckte sich das Gemeindegebiet<br />
bis zum Feldberg, verlor diesen Teil dann<br />
an die neuen Feldbergorte Bärental, Altund<br />
Neuglashütten.<br />
Ein Gut und die Kirche Saig werden<br />
schon im 12. Jh. von Adeligen dem Kloster<br />
Allerheiligen in Schaffhausen übergeben.<br />
Dessen Besitz ist mehrfach in z. T.<br />
gefälschten kaiserlichen und päpstlichen<br />
Urkunden bestätigt. Als Besiedlungszeitpunkt<br />
darf aber bereits das 11. Jh. angenommen<br />
werden. Saig ist als typisches<br />
Hofsiedlungsgebiet mit Blockflur zu betrachten,<br />
wie die übrigen Ortsteile, wäh-<br />
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