medizin&technik 01.2018
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Das Testergebnis liefert<br />
die App: Hier ging es den<br />
Entwicklern vor allem<br />
um eine einfache Lösung,<br />
die keine zusätzlichen<br />
Gerätschaften erfordert<br />
und dennoch sichere<br />
Informationen liefert<br />
Mit dem Laser fein geschnitten<br />
Mit dem Ultrakurzpulslaser schneiden die Forscher nicht nur das Papier<br />
für den neuen Sensor. Auch filigrane Sensornetzwerke, die auf<br />
dünnen Folien hergestellt werden, lassen sich damit verändern. So<br />
werden die Trägerfolien durchlässig und dehnbar, können in ein Silikonmaterial<br />
eingebettet werden und bekommen zum Beispiel die<br />
Form eines bequem auf die Haut applizierbaren Sensorpflasters.<br />
Ein Video zu solchen Sensoren, die für die Atmungskontrolle eingesetzt<br />
werden könnten, ist auf der Homepage des Instituts für Mikro<strong>technik</strong><br />
an der Technischen Universität Braunschweig zu sehen:<br />
http://bit.ly/2AY2muq/<br />
Bild: Uni Oldenburg<br />
Dank der Mikrostrukturierung aber<br />
werden mit dem neuen Teststreifen jetzt<br />
auch quantitative Aussagen möglich – etwa<br />
über die Menge von CRP-Eiweißmolekülen,<br />
wodurch man künftig auf die<br />
Schwere einer Infektion wird schließen<br />
können. „Dank der Kanäle durchwandert<br />
eine Flüssigkeit den Teststreifen ungehindert<br />
und mit hoher Geschwindigkeit“,<br />
sagt Günter Gauglitz. „Die nachzuweisenden<br />
Substanzen erreichen das Farbassay<br />
gewissermaßen unter kontrollierten Bedingungen.<br />
Aus der Stärke des roten Farbumschlags<br />
können wir dann auf die Konzentration<br />
der Substanzen schließen.“<br />
Bei herkömmlichen Teststreifen ist das<br />
problematisch, weil die Flüssigkeit vom<br />
Papier ungleichmäßig aufgesaugt wird.<br />
Eine kontrollierte Farbreaktion ist da<br />
schwierig. Gauglitz: „Wir haben für den<br />
Farbstoff und die verschiedenen Substanzen<br />
Konzentrationskurven bestimmt, mit<br />
denen das Messergebnis dann abgeglichen<br />
wird.“<br />
Dieser Abgleich geschieht übrigens<br />
vollautomatisch. Dafür haben die Informatiker<br />
vom Oldenburger Institut für Informatik<br />
Offis gesorgt, die mit zum Projektteam<br />
gehören. Sie haben eine<br />
Smartphone-App entwickelt, die den<br />
Farbwert analysiert und das Ergebnis auf<br />
dem Bildschirm anzeigt. Die Entwicklung<br />
dieser App hatte es in sich, denn sie sollte<br />
besonders leicht zu handhaben sein: Ein<br />
Klick mit der Smartphone-Kamera, und<br />
schon ist das Ergebnis da.<br />
App erkennt den Streifen und<br />
die Position automatisch<br />
„Dafür mussten wir einige Hindernisse<br />
überwinden“, sagt der Offis-Informatiker<br />
Tobias Tiemerding. „Wir mussten die App<br />
so programmieren, dass sie den Teststreifen<br />
automatisch erkennt – und zwar unabhängig<br />
von der Entfernung zur Kamera<br />
und der Lage des Teststreifens.“ Tiemerding<br />
und seine Kollegen lösten das unter<br />
anderem mit winzigen QR-Code-Symbolen,<br />
die neben den Mikrokanälen in den<br />
Teststreifen eingebrannt werden. Daran<br />
orientiert sich die App, um den Streifen<br />
im Bild auszurichten. „Zudem mussten<br />
wir die Software so programmieren, dass<br />
sie einen Weißabgleich durchführt“, sagt<br />
Tiemerding, „denn je nach Umgebungslicht<br />
erscheint das Rot auf dem Teststreifen<br />
in ganz unterschiedlichen Farbtönen.<br />
Das muss berücksichtigt werden.“<br />
Tiemerding betont, dass es bereits<br />
Apps gebe, mit denen man Teststreifen<br />
auswerten könne. „Dafür muss man das<br />
Smartphone aber in eine Halterung einspannen,<br />
um einen genau definierten Abstand<br />
einzuhalten. Bei manchen Produkten<br />
muss der Teststreifen sogar in einem<br />
Gehäuse mit Blitz fotografiert werden,<br />
damit das Umgebungslicht die Messung<br />
nicht verfälscht.“ All das sei viel zu aufwendig,<br />
insbesondere dann, wenn die<br />
Teststreifen künftig in Entwicklungsländern<br />
eingesetzt werden sollen. „Die Lösung<br />
muss einfach und billig sein. Wenn<br />
man für die Analyse extra Zubehör kaufen<br />
muss, dann ist das schon ein Ausschlusskriterium.<br />
Wir hingegen brauchen tatsächlich<br />
nicht mehr als ein Smartphone<br />
und den Teststreifen, der künftig weniger<br />
als 30 Cent kosten soll.“<br />
Bei der Entwicklung der Software hatten<br />
die Offis-Experten auch die neue europäische<br />
Medical Device Regulation<br />
(MDR) im Blick, die künftig höhere Anforderungen<br />
an die Prüfung und Zuverlässigkeit<br />
von Software stellt. „Wir haben die<br />
App in dieser Hinsicht programmiert“,<br />
sagt Tiemerding. „Die MDR sieht aber<br />
auch zahlreiche Tests vor, die den Rahmen<br />
der ersten Projektphase gesprengt<br />
hätten. Diese werden wir mit einem weiteren<br />
Partner jetzt in der zweiten Projektphase<br />
angehen.“<br />
Dann soll auch der Sensor weiterentwickelt<br />
werden. So wollen die Partner<br />
künftig selbst sehr kleine Moleküle nachweisen<br />
können – etwa Rückstände von<br />
Medikamenten im Abwasser von Kläranlagen.<br />
Zudem soll die Analyse noch optimiert<br />
werden. Da Flüssigkeiten wie etwa<br />
Blut unterschiedlich viskos sein können,<br />
ändert sich auch das Fließverhalten in<br />
den Kanälen, was die Farbreaktion beeinflusst.<br />
Deshalb wird auf dem Teststreifen<br />
jetzt eine Funktion zur Auto-Kalibrierung<br />
realisiert.<br />
Wann der Teststreifen auf den Markt<br />
kommen wird, können die Projektpartner<br />
derzeit noch nicht sagen. Da das Projekt<br />
vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert<br />
und von der Arbeitsgemeinschaft<br />
industrieller Forschungsvereinigungen<br />
unterstützt wird, stehen Industrieunternehmen<br />
beratend zur Seite, damit die<br />
Teststreifen eine gute Chance haben, Produktreife<br />
zu erlangen.<br />
■<br />
Tim Schröder<br />
Wissenschaftsjournalist in Oldenburg<br />
Weitere Informationen:<br />
www.imt.tu-bs.de/<br />
www.offis.de<br />
www.mnf.uni-tuebingen.de<br />
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