KuS 2018-6_GzD
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Waldfriedhöfe<br />
der Grablege, Gleichheit statt Individualismus. Ein<br />
Grossteil der Grabzeichen auf dem Davoser Waldfriedhof<br />
besteht aus schlichten Holzkreuzen mit<br />
Chaletdach. Ihre Grösse und Gestaltung sind vorgeschrieben.<br />
Vor allem auf den ausgedehnteren<br />
Gräberfeldern fühlt man sich durch die Gleichförmigkeit<br />
der Kreuze vage an einen Soldatenfriedhof<br />
erinnert. Bei den Einzelgräbern sind auch steinerne<br />
Grabzeichen zugelassen. Mehrere von ihnen<br />
wurden vom Bildhauer Wilhelm Schwerzmann<br />
gestaltet. Die streng auf Einheitlichkeit angelegten<br />
Grabmalvorschriften liessen allerdings auch<br />
einem Künstler wie ihm keinen grossen Spielraum.<br />
Herausragende Bildhauerkunst sucht man auf<br />
dem Davoser Waldfriedhof vergeblich. Immerhin<br />
konnte Schwerzmann im Jahr 1926 für das Gemeinschaftsgrab,<br />
die «Ruhestätte der Einsamen»,<br />
ein grosses Relief schaffen, das einen prominenten<br />
Platz im Zentrum der Anlage erhielt.<br />
Die Topographie des Geländes blieb grösstenteils<br />
unangetastet; die Gräber folgen den natürlichen<br />
Hebungen und Senkungen. Einzig für die<br />
Reihengräber wurden einige Flächen behutsam terrassiert.<br />
Um das Friedhofsgelände legt sich in weichen<br />
Schwüngen eine niedere Trockensteinmauer,<br />
ohne die Sicht in die weite Berglandschaft zu behindern.<br />
Wer hier begraben liegt, liegt wahrlich frei.<br />
WALDFRIEDHÖFE GESTERN UND HEUTE<br />
Das Konzept «Waldfriedhof» konnte sich in der<br />
Schweiz nicht durchsetzen. Die beiden idealtypischen<br />
Anlagen in Schaffhausen und Davos sind<br />
die einzigen überlebenden Zeugen für ein lediglich<br />
kurzes Intermezzo zwischen dem künstlich angelegten<br />
Parkfriedhof des 19. Jahrhunderts und dem<br />
architektonischen, auf Funktionalität ausgerichteten<br />
Friedhof, wie er nach dem Ersten Weltkrieg<br />
allgemein üblich wurde.<br />
In den letzten Jahren steigt jedoch der Wunsch<br />
nach naturnahen Friedhofsanlagen stetig. Diesem<br />
Wunsch versuchen einerseits bestehende grosse<br />
Friedhöfe nachzukommen, indem sie Areale, häufig<br />
auch Waldstücke, auf ihrem Gebiet entsprechend<br />
gestalten. Andererseits hat der gesellschaftliche<br />
Wandel neue Formen von Friedhöfen entstehen<br />
lassen, die gänzlich auf Grabmäler verzichten. Ein<br />
Beispiel ist der «Friedwald», wo die Asche von Verstorbenen<br />
zu den Wurzeln eines Waldbaumes gegeben<br />
wird – der Baum als lebendes Grabzeichen.<br />
Sowohl bewaldete Teile auf Friedhöfen wie auch<br />
Friedwälder werden von den Betreibern häufig als<br />
«Waldfriedhöfe» bezeichnet. Mit der ursprünglichen<br />
Idee des Waldfriedhofs haben sie indes meist<br />
wenig bis nichts gemeinsam.<br />
WALDFRIEDHÖFE IN EUROPA<br />
Mehr Anklang fanden Waldfriedhöfe in Deutschland,<br />
wo eine stattliche Anzahl von Anlagen errichtet wurde.<br />
Für einen Besuch auf dem berühmtesten Waldfriedhof<br />
überhaupt muss man jedoch noch ein Stück<br />
weiter nach Norden reisen: zum Skogskyrkogården<br />
in der schwedischen Hauptstadt Stockholm. «Kunst<br />
und Stein» hat die Reise gemacht. Einige Eindrücke<br />
finden Sie auf den folgenden Seiten.<br />
Oben links: 1931 wurde<br />
unmittelbar neben dem<br />
Waldfriedhof ein jüdischer<br />
Friedhof eingeweiht, auch<br />
er von einer niedrigen Mauer<br />
umgeben.<br />
Oben rechts: Spätherbstliche<br />
Stimmung auf dem<br />
Davoser Waldfriedhof.<br />
Literatur:<br />
Yvonne Schmid: Davos – eine<br />
Geschichte für sich. Historischer<br />
Stadtbegleiter 13.-21.<br />
Jahrhundert, Chur 2012.<br />
Erwin Poeschel: Der Waldfriedhof<br />
von Davos. R. Gaberel,<br />
Architekt B.S.A., in: Das<br />
Werk: Architektur und Kunst<br />
15 (12), 1928, S. 377-385.<br />
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