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Neue Szene Augsburg 2019-01

Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung

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BRÜCKENDECKUNG<br />

KOLUMNE<br />

Wie war dein Tag, Schatz?<br />

DIE KOLUMNE VON UND MIT MARCUS ERTLE<br />

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Im Puff war die Hölle los! Ähem, ja. Diesen leicht<br />

irritierten, Huch!-Blick habe ich erwartet. Nein, natürlich<br />

war ich nicht im Puff. Nicht heute und nicht<br />

gestern und noch nie, ehrlich. Ich zitiere nur einen<br />

Stadtrat der CSU. Hehe, nein, nein, nichts Falsches<br />

denken. Der Stadtrat, der sich so über die Hölle<br />

im Puff äußerte, war dort nicht als Gast, sondern<br />

beruflich, quasi. In einem Artikel plauderte Stadtrat<br />

Göttling, seines Zeichens ehemaliger Polizist, über<br />

die Zustände, die vor noch nicht allzu langer Zeit<br />

in <strong>Augsburg</strong> herrschten. Hätte ich das gewusst! Als<br />

in der Stadt noch US-Soldaten stationiert waren,<br />

schien sie ein Pulverfass aus Sex, Gewalt und Drogen<br />

gewesen zu sein. Und mittendrin der brave Polizist<br />

Göttling, der mitansehen musste, wie es im Puff hoch<br />

herging.<br />

Wobei ich beim ersten überfliegen des Zitats gar<br />

nicht begriffen habe, dass Göttling aus seinem Berufsleben<br />

berichtet. Ich dachte mir, in dieser Millisekunde<br />

des Irrtums: Dass der sich das als Stadtrat traut! Aber<br />

warum eigentlich nicht? Ich habe mir dann überlegt,<br />

ob es für einen Puff vielleicht sogar ein Kompliment<br />

ist, wenn man ihm attestiert, dass dort die Hölle los<br />

gewesen sei. Das wirkt jedenfalls attraktiver, als würde<br />

man sagen: Im Puff war es im Großen und Ganzen<br />

recht hübsch. In der zweiten Millisekunde des Irrtums<br />

dachte ich: Vielleicht ist Puff das Kosewort Göttlings<br />

für den Stadtrat und das führt immer wieder zu ulkigen<br />

Missverständnissen. Wenn etwa seine Frau ihn<br />

auf dem Supermarktparkplatz in Hörweite anderer<br />

Menschen fragt: Und, wie wars geschtern im Puff?<br />

Und er sagt: Ah, mei, die oine von die Grüne, die<br />

kriegts net hi, die isch eifach viel z jung ! Oh, oh, oh.<br />

Böse Sache. So was sollte man öffentlich nicht sagen.<br />

könnte, dass man zu blöd für Diplomatie ist, tja auf<br />

die kommen die Leute nicht. Oder sagen wir: kamen<br />

sie lange nicht.<br />

Im Puff war die<br />

Hölle los!<br />

Denn seit die AfD und Trump die herrschenden<br />

Sprechtabus gezielt brechen, ahnen wir doch, dass<br />

wir uns mit unserer wohlmeinenden Sprachhygiene<br />

ein demagogisches Kuckucksei ins Nest gelegt<br />

haben. Was ich damit sagen will? Dass das Leben<br />

ein ständiger Balanceakt ist. Das öffentliche Leben<br />

ebenso wie das private. Ist man zu ehrlich, sorgt man<br />

für geistige und gefühlsmäßige Verrohung, macht sich<br />

zum Narren, trägt Unfrieden und Gram ins traute<br />

Heim. Ist man zu korrekt, streicht zu viel rhetorischen<br />

Zuckerguss auf seine Worte, wird die Wahrheit<br />

totgeschwiegen und irgendwann kommt ein Vollidiot,<br />

der auf derbe Art irgendeine Halbwahrheit mit<br />

großer Geste ausspricht und sich den Anschein des<br />

ehrlichen Rebellen gibt. So, jetzt weißt du es, im Puff<br />

war die Hölle los, Amen!<br />

Ist gut, Schatz.<br />

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Ach, apropos, da fällt mir ein: Ist es eigentlich<br />

aus politisch korrekter Sicht noch vertretbar, seine<br />

schwarze Katze Mohrle zu nennen? Und wieso fließt<br />

durch den Siebentischwald ein Zigeunerbach, ohne<br />

dass sich dagegen endlich Unmut äußert? Herrlich<br />

diese tiefen Griffe in die Kiste des Unaussprechbaren,<br />

oder?<br />

Es zeigt einem, was die menschliche Gesellschaft<br />

zusammenhält. Ehrlichkeit, Authentizität? Ich bitte<br />

dich! Das genaue Gegenteil. Der Verzicht auf das<br />

Aussprechen unangenehmer und verletzender Sachverhalte<br />

und Meinungen scheint doch zivilisierend zu<br />

wirken. Das gefällt vielen nicht, ich weiß. Ehrlichkeit<br />

ist ja heute eine Art Fetisch. Sagen was man denkt,<br />

denken was man sagt. Los, immer frei heraus mit den<br />

ehrlichen Gedanken, husch, husch. Auf die Idee, dass<br />

ehrlich und direkt einfach nur ein Zeichen dafür sein

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