Kaiserlich erleben
Ausgabe 1/2019
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KULTUR 29<br />
Reiner Schrumpf (l.) wollte schon als Kind Instrumentenmacher<br />
werden, seine Werkstatt hat er 1987 selbst gebaut.<br />
Für eine Schalllocheinlage leimt er verschiedene Furniere<br />
aufeinander (Kreis); so ergibt sich ein besonderes Muster.<br />
deutet dahin, wo heute die Werkbank<br />
steht.<br />
Eine weitere gibt es im angrenzenden<br />
Raum, dort baut<br />
Schrumpf derzeit Hackbretter<br />
für eine Münchner Schulklasse.<br />
Die quaderförmigen Korpusse<br />
hat er schon aus Fichtenholz,<br />
Buche und Mahagonifurnier<br />
zusammengebaut und die<br />
Schalllöcher herausgeschnitten.<br />
Wie frisch geschlüpft sehen die<br />
künftigen Instrumente aus: Reste<br />
von Zeitungspapier – damit<br />
sich das Holz nach dem Verleimen<br />
aus der Pressform lösen lässt<br />
– kleben noch wie Eierschalen<br />
auf der Oberfläche. Später werden<br />
sie abgeschliffen. Doch erst<br />
einmal will der Handwerker<br />
die Randeinlage aus Fiber und<br />
Holz um das Schallloch anbringen.<br />
Dazu wirft er den Heißluftföhn<br />
an, biegt mit der Zange die<br />
Randeinlage in die gewünschte<br />
Form, fügt sie ein. Knifflig sind<br />
die ganzen Arbeiten, für die man<br />
viel Geduld braucht. Mit langen,<br />
routinierten Bewegungen hobelt<br />
Schrumpf die Kanten ab, feine<br />
Sägespanlocken fallen auf die<br />
Werkbank. Dann feilt er die<br />
Ecken rund und bearbeitet die<br />
Fläche um das Schallloch mit der<br />
Ziehklinge, bis nichts mehr übersteht.<br />
Später wird das Gerät unter<br />
die Schleifmaschine im Hof<br />
wandern, bekommt Verzierungen,<br />
wird besaitet, und, und, und.<br />
Bis zu 120 Stunden<br />
arbeitet Schrumpf an<br />
einer Zither<br />
Zehn Stunden braucht er für<br />
ein solches Schülerhackbrett. 80<br />
bis 120 Stunden baut Schrumpf<br />
an einer Zither für 3.000 Euro;<br />
darin enthalten sind etwa 800<br />
Euro Materialkosten. Und eine<br />
besonders kunstvolle Gitarre benötigt<br />
sogar 150 Stunden Arbeit.<br />
Rentabel ist das nicht, aber dank<br />
Reparaturen (auch an E-Gitarren),<br />
Aufträgen aus Japan oder<br />
eben für die Münchner Schule<br />
hält er sein Geschäft am Laufen.<br />
Und immer mal wieder kommt<br />
ein Auftrag, der die Augen des<br />
Meisters leuchten lässt. So baute<br />
er einmal für ein Uhrenmuseum<br />
das fehlende Hackbrett in eine<br />
Hackbrettuhr. Auch gab es da<br />
den Instrumentenliebhaber, der<br />
extra aus Leipzig anreiste, um<br />
sein verzogenes Hackbrett wieder<br />
richten zu lassen.<br />
Noch vor 100 Jahren war das<br />
ursprünglich alpenländische<br />
Instrument auch in der Region<br />
weit verbreitet. „Aber es werden<br />
immer weniger, die noch Zither<br />
spielen“, sagt Schrumpf. Das sei<br />
sehr schwierig, denn die Zither<br />
vereinigt drei Instrumente in einem:<br />
Die Klänge des Griffbretts<br />
hören sich mandolinen-, die der<br />
Freisaiten harfenähnlich an,<br />
dazu kommt der Bass. Und immer<br />
seltener läutet der Dreiklang<br />
an der Tür die großen Aufträge<br />
ein – auch deshalb, weil die Generation,<br />
die sich in der Rente aufs<br />
alte Hobby besann und sich ein<br />
Stück gönnte, allmählich ausstirbt.<br />
Hat er anfangs noch etwa<br />
20 bis 24 Zithern im Jahr gebaut,<br />
sind es nun noch drei oder vier.<br />
Geblieben ist die Freude an<br />
der Arbeit, die man Schrumpf<br />
noch heute anmerkt. Und Spaß<br />
bereitet ihm auch das Spielen.<br />
Als er damals vor 32 Jahren anfing,<br />
Zithern zu bauen, wollte er<br />
ihnen auch die richtigen Töne<br />
entlocken. Er fand nicht nur einen<br />
Lehrer, sondern per Inserat<br />
auch Leute, die ebenfalls Lust<br />
dazu hatten. Seither verwandelt<br />
sich die Werkstatt einmal pro<br />
Woche in einen Proberaum für<br />
die Zithergruppe. Zwar sind auch<br />
die Mitspieler über die Jahre älter<br />
und weniger geworden. Aber<br />
auch hier hält es Schrumpf noch,<br />
wie mit seinen seltenen Kunstwerken:<br />
Weitermachen, so lange<br />
es geht.<br />
• Anita Fertl<br />
MEHR INFOS<br />
Öffnungszeiten Werkstatt,<br />
Wasenweilerstr. 7, Ihringen<br />
Di – Fr: 10 – 12 Uhr, Mo – Fr<br />
(außer Mi): 14.30 – 18 Uhr<br />
Tel. 0 76 68/77 92<br />
www.zupfinstrumenteschrumpf.de<br />
01/2019 · <strong>Kaiserlich</strong> <strong>erleben</strong>