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Keonda_WEB_0217

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Die Jugendzeitschrift<br />

der Naturfreundejugend<br />

Deutschlands<br />

www.keonda.de<br />

[Ke:onda] 02 / 2017<br />

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Naturfreundejugend.<br />

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naturfreundeju<br />

Wessen<br />

bildung?


Seite 2<br />

November 2017<br />

Vorwort<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Liebe Leser*innen,<br />

das Recht auf Bildung ist eine wertvolle Errungenschaft.<br />

Doch wessen Bildung ist es<br />

eigentlich, die täglich in unseren Schulen,<br />

Ausbildungsstätten und Universitäten vermittelt<br />

wird? Ist es das Ziel, Personen auf<br />

das Leben oder auf den Markt vorzubereiten?<br />

Und ist Bildung gleich Bildung, oder<br />

gibt es Bildungsarten, die „wertvoller“ sind<br />

als andere?<br />

In der Schule war oder ist jede*r von uns.<br />

Deshalb hat auch jede*r etwas dazu zu<br />

sagen. „Dafür bist du noch zu jung“ lassen<br />

wir nicht gelten. Egal ob Christian, der in<br />

der Schule keine Motivation finden konnte<br />

(Seite 5), oder Pöbel MC, dessen Schulzeit<br />

„premium“ war (mehr dazu im Interview<br />

mit dem Deutschrapper auf Seite 6).<br />

Gesucht und Gefunden haben wir auch alternative<br />

Modelle und Protestmöglichkeiten.<br />

Wie „frei“ sind freie Schulen wirklich<br />

(Seite 9), was macht Bildung in der Naturfreundejugend<br />

aus (Seite 10) und wie geht<br />

ein Bildungsstreik (Seite 4)?<br />

Viel Spaß beim Lesen<br />

Eure [ke:onda] - Redaktion<br />

Achtung Sonderausgabe!<br />

Die nächste [ke:onda] wird etwas ganz Besonderes:<br />

Sie erscheint als gemeinsames<br />

Heft, geschrieben von senegalesischen und<br />

deutschen Naturfreund*innen. Gedruckt<br />

wird im Senegal und in Deutschland, in<br />

Französisch und in Deutsch. Wir sind<br />

gespannt auf die Zusammenarbeit und freuen<br />

uns, euch demnächst die deutsche Ausgabe<br />

präsentieren zu können.<br />

Wessen Bildung? Unsere Bildung!<br />

Diese Schule wird bestreikt 04<br />

Blickwinkel 05<br />

Interview mit Pöbel MC 06<br />

Recht auf Bildung 07<br />

Vom Wert einer Ausbildung 08<br />

Ich möchte noch nicht nach Hause gehen 09<br />

Der Samen der Demokratiefähigkeit 10<br />

Verbandskasten<br />

Bildschirm oder Papier 12<br />

Die Bundesleitung berichtet 13<br />

COP, COY und Kipp-Elemente 14<br />

Vergeben, aber nicht Vergessen 15<br />

Soziales Paddeln 15<br />

Zwei Jahre für eine Idee 16<br />

Natursportangebote mit den NaturFreunden 17<br />

Feuilleton<br />

Held der Arbeit – Henrik 18<br />

Degrowth in Bewegung(en) 18<br />

Du bist jung 19<br />

Das Gendersternchen * - Wir sind überzeugt, dass Frauen und Männer das Recht auf Gleichberechtigung haben.<br />

Aber es gibt weit mehr als nur „männlich“ und „weiblich“. Wir sind der Meinung, dass alle Menschen<br />

ihr Geschlecht selbst bestimmen dürfen. Um dies auszudrücken und ALLE einzubeziehen, nutzen wir das<br />

sogenannte Gendersternchen *.<br />

Impressum<br />

[ke:onda] – Die Jugendzeitschrift der<br />

Naturfreundejugend Deutschlands<br />

KidsPower – Die Kinderzeitschrift der Naturfreundejugend<br />

Deutschlands<br />

Herausgegeben durch das Kinder- und Jugendwerk<br />

der Naturfreunde, Verein zur Förderung der Naturfreundejugend<br />

Deutschlands e.V.,<br />

Adresse siehe unten<br />

Redaktionsanschrift und Verlag:<br />

Naturfreundejugend Deutschlands ||<br />

Warschauer Straße 59a || 10243 Berlin ||<br />

Telefon 030-297732-70 || Telefax 030-297732-80<br />

keonda@naturfreundejugend.de || www.keonda.de<br />

Mitglieder der Naturfreundejugend Deutschlands erhalten<br />

KidsPower/[ke:onda] kostenlos.<br />

KidsPower/[ke:onda] kann auch als Abo für 5 € pro<br />

Jahr inkl. Versandkosten bestellt werden.<br />

Redaktion [ke:onda]: Frauke Gehrau, Jannis Pfendtner,<br />

Steffen Filz, Tanja Kelm, Lina Mombauer, Tobias<br />

Thiele, Dennis Melsa (V.i.S.d.P)<br />

Redaktion KidsPower: Sine Schnitzer, Larissa Donges,<br />

Dennis Melsa (V.i.S.d.P)<br />

Fotos [ke:onda]:<br />

Naturfreundejugend Deutschlands (S. 3, 10, 11, 12,<br />

13, 14, 15, 16), Janinka Lutze/Naturfreundejugend<br />

Deutschlands (S. 3, 13, 14, 15, 18), Jugend gegen<br />

G20 (S. 4), Christian Schnitzler (S. 5), Steffen Filz<br />

(S. 5), Pöbel MC (S. 6, 7), Julia Zimmermann (S.<br />

9), Sebastian Suk (S. 11), Elman Asgarov (S. 13),<br />

Naturfreundejugend Teutoburger Wald (S. 16), Armin<br />

Stangl (S. 17), Henrik Sonnenburg (S. 18), Pixabay<br />

Foto Stadion (S. 20, 21)<br />

Fotos KidsPower:<br />

Matej Kotula/ Shutterstock (S. 1), red mango/ Shutterstock<br />

(S. 2-3), Oleksii Sidorov/ Shutterstock<br />

(S. 3), Naturfreundejugend Nordrhein-Westfalen<br />

(S. 3, 4, 6, 7), Naturfreundejugend Teutoburger Wald<br />

(S. 3), pixabay (S. 3, 4, 5, 10), Naturfreundejugend<br />

Deutschlands (S. 10, 11)<br />

Illustrationen KidsPower: S. 8-9: Martina Sophie<br />

Pankow: www.msp-world.de<br />

Illustrationen und Gestaltung: Sabrina Gröschke ||<br />

Formgefüge || www.formgefuege.de<br />

Druck: Druckerei Lokay e.K.<br />

Klimaneutral gedruckt auf 100 % Altpapier,<br />

ausgezeichnet mit dem Blauen Engel und dem EU<br />

Eco-Label.<br />

© Naturfreundejugend Deutschlands 2017<br />

KidsPower/[ke:onda] wird gefördert vom


Unsere<br />

Bildung!


Seite 4<br />

“Wessen Bildung? Unsere Bildung!”<br />

November 2017<br />

Diese Schule wird bestreikt<br />

07. Juli 2017 – in Hamburg ist Ausnahmezustand.<br />

Neben Politiker*innen<br />

aus 19 Staaten und der EU versammeln<br />

sich zehntausende Menschen zu Demonstrationen<br />

und Aktionen zivilen Ungehorsams.<br />

Abertausende Polizist*innen<br />

sollen für Sicherheit sorgen. Mittendrin<br />

befinden sich einige hundert Schüler*innen,<br />

die sich unter dem Bündnis „Jugend<br />

gegen G20“ zum Bildungsstreik zusammengefunden<br />

haben.<br />

Ein Schüler*innen-, Studierenden- oder<br />

Bildungsstreik ist in Deutschland eine eher<br />

ungewohnte Sache. In anderen Ländern,<br />

wie z.B. Frankreich, ist es jedoch eine normale<br />

Form des politischen Protestes, bei<br />

dem Schulen schon mal Monate lahmgelegt<br />

werden. Die Grundidee: Etwas stört<br />

die Schüler*innen so sehr, dass sie sich<br />

entscheiden ihre Schulzeit zu nutzen, um<br />

die Schule währenddessen zu „bestreiken“.<br />

Plötzlich wird aus einer ganz normalen<br />

Schule ein Ort des zivilen<br />

Ungehorsams, und jede*r ist<br />

gezwungen, sich dazu eine Meinung<br />

zu bilden.<br />

Teilweise hunderte Schüler*innen versammeln<br />

sich mit Bannern und Trillerpfeifen<br />

vor den Schulen und fordern ihre Klassenkamerad*innen<br />

auf, mit ihnen in den<br />

Streik zu treten. Plötzlich wird aus einer<br />

ganz normalen Schule ein Ort des zivilen<br />

Ungehorsams, und jede*r ist gezwungen,<br />

sich dazu eine Meinung zu bilden. Es ist<br />

etwas, das Menschen politisiert und Debatten<br />

schafft, wo vorher keine waren.<br />

Dabei sollte erwähnt werden: Ein formelles<br />

Recht auf einen Schulstreik gibt es in<br />

Deutschland nicht.<br />

Damals wurde es richtig ernst mit<br />

der Einführung der „verschulten“<br />

Bachelor- und Master-Studiengänge.<br />

Zudem mussten 70% aller<br />

Studierenden Gebühren zahlen und<br />

das neunjährige Gymnasium sollte<br />

in fast allen Bundesländern abgeschafft<br />

werden.<br />

Eine große Streikwelle in Schule und<br />

Unis überrollte Deutschland in den Jahren<br />

2008 bis 2010. Damals wurde es richtig<br />

ernst mit der Einführung der „verschulten“<br />

Bachelor- und Master-Studiengänge.<br />

Zudem mussten 70% aller Studierenden<br />

Gebühren zahlen und das neunjährige<br />

Gymnasium sollte in fast allen Bundesländern<br />

abgeschafft werden. Überall bildeten<br />

sich Gruppen, die selbstständig – aber vernetzt<br />

– Streiks organisierten. Sie konnten<br />

zumindest teilweise einen Meinungsumschwung<br />

bewirken: Alle Bundesländer mit<br />

Studiengebühren schafften diese wieder<br />

ab und auch das neunjährige Gymnasium<br />

kam vielerorts zurück. Klar, eigentlich<br />

gingen die Forderungen noch viel weiter<br />

und die Streikenden träumten vom Lernen<br />

ohne Leistungsdruck, mehr Mit- und<br />

Selbstbestimmung in der Schule, der Abschaffung<br />

der unsozialen Separation in drei<br />

Schularten und vielem mehr.<br />

In Hamburg organisierten sich die jungen<br />

Menschen in ihren Schulen, weil sie gegen<br />

den Gipfel der G20 protestieren wollten<br />

– für viele die erste politische Aktivität,<br />

aber bestimmt nicht die letzte. Der Bildungsstreik,<br />

eine kreative Idee des Protestes,<br />

der sicher irgendwo wieder aufploppen<br />

wird.<br />

von Jannis Pfendtner


Seite 5 “Wessen Bildung? Unsere Bildung!”<br />

November 2017<br />

Blickwinkel<br />

Schule ist ein<br />

Lebensabschnitt,<br />

durch den wir alle gehen,<br />

hüpfen, kriechen, krabbeln,<br />

sprinten, springen. Wir alle müssen<br />

da durch. Wie wir Schule jedoch<br />

Christian: Es gibt gute und schlechte Lehrer*innen.<br />

Ich fand, einige haben nur auf<br />

ihr nächstes Gehalt hingearbeitet und nicht<br />

alle Schüler*innen lagen ihnen am Herzen.<br />

Ich hab ziemlich schnell gemerkt, dass ich<br />

mit den Charakteren von vielen Lehrer-<br />

*innen nicht so gut klar gekommen bin und<br />

sie mit meinem auch nicht.<br />

erleben, ist sehr unterschiedlich.<br />

Als zwei alte Freunde, die zusammen<br />

die Schule begonnen, aber nicht beendet<br />

haben, haben wir unsere Blickwinkel<br />

mal auf Papier gebracht.<br />

Lehrer*innen<br />

Steffen: Lehrer*innen sind Menschen,<br />

darum haben sie Lieblinge und können<br />

auch keine 100% fairen Noten geben. Das<br />

ist aber nur eine Erklärung, keine Rechtfertigung.<br />

Durch die unterschiedlichen<br />

Charaktere von Lehrer*innen, kann man<br />

jedoch eine Menge über Menschen lernen.<br />

Misserfolge<br />

Steffen: Zu Beginn hat es mich extrem aufgewühlt,<br />

wenn ich eine schlechtere Note<br />

als erwartet bekommen habe. Mittlerweile<br />

sehe ich das entspannter, weil ich von mir<br />

weiß, dass ich alles, was ich bereit bin zu<br />

geben, gebe. Das ist dann entweder genug<br />

oder eben nicht.<br />

Christian: Ab einem gewissen Zeitpunkt<br />

habe ich mich nicht mehr wirklich für<br />

meinen schulischen Erfolg interessiert und<br />

einfach dicht gemacht. Ich wollte etwas mit<br />

Freund*innen machen, anstatt stundenlang<br />

über Hausaufgaben zu sitzen. Noten<br />

spiegeln für mich kein Können wieder. Bin<br />

ich ein Genie wenn ich Einsen schreibe und<br />

einfach nur dumm mit Fünfen?<br />

Christian: Mir hat es gut getan, Pause zu<br />

machen. Jetzt hole ich mein Abitur nach,<br />

und es ist meine Entscheidung. Dadurch<br />

bin ich viel motivierter als früher.<br />

Schulabschluss<br />

Steffen: Für mich war‘s wichtig fix mit<br />

der Schule durch zu sein, um mich<br />

dann Dingen zuzuwenden, an denen<br />

ich mehr Gefallen finde.


Seite 6<br />

“Wessen Bildung? Unsere Bildung!”<br />

November 2017<br />

Interview mit Pöbel MC<br />

Pöbel MC sorgt mit seinem Deutschrap<br />

für gute Laune und manchmal auch<br />

Kopfschütteln. Freundschaftlich mit<br />

der Waving the Guns Crew verbunden<br />

startet er auch alleine voll durch und<br />

begeistert ein wachsendes Publikum mit<br />

seinen Songs. Mit uns redet er über seine<br />

Schulzeit, Leistungsdruck, Kauflust und<br />

politische Meinungen in der Musik.<br />

Vielen unserer Leser*innen ist dein Name<br />

wahrscheinlich noch kein Begriff, aber die<br />

Tatsache macht dich als Künstler für uns<br />

nicht weniger interessant. Im Gegenteil,<br />

deine Musik macht uns sehr neugierig<br />

und wir sind froh darüber, dich mit Fragen<br />

überschütten zu können (auf die du bestimmt<br />

gekonnt mit rhetorischer Athletik antworten<br />

wirst).<br />

In drei Sätzen: Wer ist Pöbel MC?<br />

Sapiosexuelle nennen mich Lexington<br />

Steel, progressiv, aggressiv, antilässig mit<br />

Stil. Diese Punchline trifft es vielleicht momentan<br />

ganz gut, hehe. Ich möchte mich da<br />

aber auf nichts festlegen, da ich eventuell<br />

auch nächstes Jahr unter diesem Pseudonym<br />

ein Kuschelrockalbum mit Autotunereggeaevibe<br />

release.<br />

Wann hast du mit rappen angefangen?<br />

Als Pöbel MC mache ich seit 2015 Musik.<br />

Vorher habe ich gerne mal ungebeten<br />

rumgefreestylt, mich jedoch weder Pöbel<br />

MC genannt, noch anderweitig ambitioniert<br />

mit Rap befasst. Ursprünglich und<br />

nachwievor spiele ich Schlagzeug, ich<br />

glaube seit ca. 2004. Auch davor habe ich<br />

schon oft bewusst Musik gehört, ohne dabei<br />

auf ein bestimmtes Genre fixiert zu sein.<br />

Wir sollten viel mehr die Frage<br />

stellen, was benötige ich wirklich<br />

um einen akzeptablen Lebensstil<br />

zu pflegen?<br />

In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit<br />

dem Schulsystem. Wie hast du deine Schulzeit<br />

wahrgenommen?<br />

Ich glaube, von der 5ten bis zur 7ten gab‘s<br />

vorpubertätsbedingt ein bisschen Stress,<br />

ansonsten war‘s premium. Während der<br />

Schulzeit habe ich meine nachwievor<br />

besten Freunde kennengelernt und viel Zeit<br />

für Quatsch gehabt. Schulisch hatte ich nie<br />

größere Probleme. Mein Abitur ist zwar<br />

nicht sonderlich gut, aber dafür habe ich es<br />

mit Stil erworben und es scheint ja trotzdem<br />

was aus mir zu werden, lol...<br />

Was stört dich am meisten an unserer heutigen<br />

Gesellschaft und dem damit verbundenen<br />

ständigen Leistungsdruck?<br />

Das ist eine recht mächtige Frage für<br />

ein derartiges Interview. Eine Sache, die<br />

mich stört, ist, dass die kapitalistisch-konsumorientierte<br />

Logik der uns umgebenden<br />

Gesellschaft stets die Frage nach der Ermöglichung,<br />

selten jedoch die Frage nach<br />

der Notwendigkeit stellt. „Der Markt“ ringt<br />

mit immer neuen Produkten und obsoleten<br />

Möglichkeiten um die Aufmerksamkeit und<br />

Kauflust einer meist ohnehin schon recht<br />

gut ausgestatteten Käufer*innenschaft.<br />

Das mag auch Gutes zu Tage fördern, ist<br />

aber angesichts der gegebenen und noch<br />

drohenden klimatischen sowie sozialen<br />

Probleme die falsche Priorität.<br />

Wir sollten viel mehr die Frage stellen,<br />

was benötige ich wirklich um<br />

einen akzeptablen Lebensstil zu<br />

pflegen? Ich denke auch, der von vielen<br />

Menschen empfundene „ständige Leistungsdruck“<br />

hat etwas mit dem angedeuteten<br />

Problem zu tun.


Seite 7 Wessen Bildung? Unsere Bildung!”<br />

November 2017<br />

Recht auf<br />

Bildung<br />

Klar, an Schule, Studium und Ausbildung<br />

ist einiges auszusetzen und es gibt<br />

vieles, was man besser machen könnte.<br />

Aber das Recht auf Bildung ist eine<br />

wichtige Errungenschaft, für die lange<br />

gekämpft wurde.<br />

,,Auch ich kann´s nicht bestreiten, häng´ in<br />

Fängen von Gruppenzwängen, weil schon<br />

Begriffe Menschen in Gruppen zwängen“.<br />

Mit solchen Zeilen machst du deutlich, dass<br />

dir neben einer klaren Haltung zum Antifaschismus<br />

eine vielfältige und selbstreflektierte<br />

Gesellschaft wichtig ist. Welche Rolle<br />

spielt es für dich, eine politische Meinung<br />

mit deinen Texten zu vermitteln?<br />

Eigentlich keine. Kunst ist zwar quasi nie<br />

vollkommen unpolitisch (auch wenn das<br />

Ich glaube, dass gelungene Kommunikation<br />

einen großen Teil<br />

zur Befreiung der Gesellschaft<br />

beitragen kann.<br />

viele gern behaupten), aber im Grunde gebe<br />

ich erstmal meine Meinung wieder und die<br />

lässt sich dann irgendwie politisch kategorisieren.<br />

Das, was Menschen an meiner<br />

Musik als politisch wahrnehmen, ist wohl<br />

vor allem mein Anliegen meinem Reproduktionsverständnis<br />

von Sprache gerecht<br />

zu werden. Ich hau Punchlines raus die<br />

zwar in erster Linie unterhalten, dabei jedoch<br />

genauso (zumindest manchmal)<br />

meine Haltung widerspiegeln. Alles andere<br />

wäre für mich aber auch eh unauthentisch.<br />

Pöbel MC wirkt auf uns sehr selbstbewusst<br />

und kritisch. Sind die beleidigenden<br />

Parts deiner Texte Teil der Hip Hop Battle-Rap-Kultur<br />

oder denkst du, dass es<br />

manchmal keinen anderen Ausweg gibt, um<br />

seine Meinung lautstark zu vertreten und<br />

durchzusetzen?<br />

Beides.<br />

Was kannst du unseren Leser*innen mitgeben,<br />

die weniger Selbstbewusstsein haben,<br />

aber trotzdem gegen Rassismus, Sexismus,<br />

Homophobie oder andere gruppenbezogene<br />

Menschenfeindlichkeit im Alltag “kämpfen“<br />

wollen?<br />

Mir hilft es, einen möglichst eigenständigen<br />

Standpunkt zu entwickeln und trotz persönlicher<br />

Frustration offen/gesprächsbereit zu<br />

bleiben. Ich glaube, dass gelungene Kommunikation<br />

einen großen Teil zur Befreiung<br />

der Gesellschaft beitragen kann. Wie man<br />

wiederum eine Verfassung erlangt, in der<br />

man sich frei fühlt, seine Positionen auch<br />

zu kommunizieren bzw. überhaupt erst zu<br />

entwickeln, ist schwer zu sagen. Hilfreich<br />

ist es, sich in Strukturen zu organisieren,<br />

die einen Schutzraum vor Rassismus, Sexismus<br />

sowie Homophobie bieten und eine<br />

entsprechende Kommunikationskultur zur<br />

Selbstentfaltung fördern.<br />

Wie gut kennst du dich mit den Fakten rund<br />

um das Bildungsrecht aus? Es kann auch<br />

mehr als eine Antwort richtig sein.<br />

1. Wo ist das Recht auf Bildung fest<br />

verankert?<br />

a) im deutschen Grundgesetz<br />

b) in der UN-Kinderrechtskonvention<br />

c) in der Charta der Grundrechte der EU<br />

2. Wie lange gilt in Deutschland die<br />

Schulpflicht?<br />

a) 10 Jahre<br />

b) 12 Jahre<br />

c) das ist von Bundesland zu<br />

Bundesland unterschiedlich<br />

3. Eigentlich ist BAFöG der Name<br />

eines Gesetzes, umgangssprachlich nennt<br />

man so aber auch die staatliche finanzielle<br />

Unterstützung, die aufgrund des<br />

Gesetzes gezahlt wird.<br />

Wer kann BAFöG erhalten?<br />

a) Student*innen<br />

b) Abiturient*innen<br />

c) Auszubildende, die nicht in einem<br />

Betrieb arbeiten<br />

3. Alle drei Antworten sind im Prinzip richtig, allerdings<br />

müssen sich Student*innen und Auszubildende in ihrem<br />

Erststudium oder ihrer ersten Ausbildung befinden und<br />

zu Beginn jünger als 30 Jahre alt sein.<br />

2.c) Kaum zu glauben, aber wahr: In Deutschland muss<br />

man in der Regel mindestens zwölf Jahre zur Schule gehen.<br />

Dazu gehört aber auch die Zeit an der Berufsschule<br />

oder am Gymnasium. Jedes Land hat dafür aber eigene<br />

Regelungen.<br />

Das Interview führte Tanja Kelm<br />

Lösungen:<br />

1.b) und c). Im deutschen Grundgesetz geht das Recht<br />

auf Bildung nur indirekt aus Artikel 1 zur Menschenwürde<br />

und Artikel 3 zur Gleichberechtigung hervor.


Seite 8<br />

„Wessen Bildung? Unsere Bildung!“<br />

November 2017<br />

Vom Wert einer Ausbildung<br />

Wenn du die Wörter Ausbildung und<br />

Studium hörst, welchem misst du persönlich<br />

mehr Wert zu?<br />

Die Meisten wählen hier vermutlich das<br />

Studium, zumindest entscheidet sich laut<br />

OECD mehr als die Hälfte aller junger Menschen<br />

in Deutschland für diesen Weg. Wer<br />

studiert, genießt in der Regel ein höheres<br />

Ansehen als ein*e Auszubildende*r. Und<br />

so sind die Hörsäle überfüllt, während es an<br />

ausgebildeten Bäcker*innen, Klempner*innen<br />

und Gerüstbauer*innen fehlt.<br />

Viele fangen ein Studium an, weil sie sich<br />

bessere Zukunftschancen erhoffen. Aber<br />

das man mit einem Studium automatisch<br />

mehr verdient, ist so nicht korrekt. Versicherungsvertreter*innen<br />

und Industriemechaniker*innen<br />

verdienen z. B. sehr viel,<br />

während dies bei studierten Geisteswissenschaftler*innen<br />

nicht unbedingt der Fall sein<br />

muss. Es kommt auf das Fach an. Im Durchschnitt<br />

ist laut FAZ dennoch korrekt, dass<br />

ein Akademiker ab dem 31. Lebensjahr mehr<br />

verdient als ein Mensch mit Ausbildung.<br />

Und so wächst der Druck auf junge Menschen,<br />

einen Studienabschluss zu machen,<br />

egal, ob es ihnen Spaß macht oder nicht.<br />

Doch was soll schon an der Arbeit mit den<br />

Händen schlechter sein, als an der Arbeit mit<br />

dem Kopf?<br />

Versicherungsvertreter*innen und<br />

Industriemechaniker*innen verdienen<br />

z. B. sehr viel, während dies<br />

bei studierten Geisteswissenschaftler*innen<br />

nicht unbedingt der Fall<br />

sein muss.<br />

Doch warum ist das so? Viele Personen mit<br />

Ausbildung leisten einen riesigen Beitrag<br />

zur Gesellschaft: egal, ob Personen in<br />

der Pflege, Erzieher*innen, Bauarbeiter*innen,<br />

Techniker*innen oder Reinigungskräfte.<br />

Ohne ihre Arbeit würde<br />

unsere Gesellschaft nicht funktionieren.<br />

Dennoch werden sie oft nicht<br />

wertgeschätzt, weder monetär<br />

noch ideell.<br />

von Frauke Gehrau


Seite 9<br />

“Wessen Bildung? Unsere Bildung!”<br />

November 2017<br />

„Ich möchte noch nicht<br />

nach Hause gehen“<br />

Julia Zimmermann hat ein Freiwilliges<br />

Soziales Jahr an einer Freien Schule gemacht<br />

und anschließend fünf Jahre in diesem<br />

Bereich gearbeitet. Mit mir spricht<br />

sie heute über den Spaß am Lernen und<br />

falsche Argumente.<br />

Vielleicht kannst du nochmal ganz kurz die<br />

wichtigsten Unterschiede zwischen Freier<br />

Schule und Regelschule erklären?<br />

Der gravierendste Unterschied ist, dass es<br />

keine Noten an Freien Schulen gibt. Stattdessen<br />

gibt es als Rückmeldung oft eine Art<br />

Bericht, ähnlich wie in der Grundschule.<br />

Ein anderer Unterschied ist, dass es keinen<br />

Unterricht gibt wie: eine Stunde Mathe, eine<br />

Stunde Deutsch, eine Stunde Erdkunde. Stattdessen<br />

machen Begleiter*innen Angebote<br />

für die Schüler*innen, die diese wahrnehmen<br />

können, wenn sie wollen. Das können<br />

„normale“ Fächer sein, aber auch Fußball<br />

oder Kochen oder sonstwas. Jedes Kind<br />

sucht sich seine Angebote selbst aus. Wenn<br />

es keine wahrnehmen will, macht es etwas<br />

anderes, z.B. mit Freund*innen spielen.<br />

Freie Schulen sind in Deutschland allerdings<br />

immer Privatschulen, für die man Schulgeld<br />

bezahlen muss.<br />

Nach den Jahren Erfahrung in Freien<br />

Schulen: Würdest du sagen, dass das ein<br />

Konzept ist, bei dem es Kindern besser geht<br />

und sie mehr im Mittelpunkt stehen?<br />

Ich habe öfter erlebt, dass Kinder sagen,<br />

„Nein, ich möchte noch nicht nach Hause<br />

gehen“. Bei mir selbst oder bei anderen<br />

Mitschüler*innen in meiner Schulzeit habe<br />

ich so etwas nicht mitbekommen.<br />

Natürlich gab es auch Kinder, die nach einer<br />

Zeit entschieden haben, wieder auf eine<br />

Regelschule zu gehen. Manche wollten<br />

eine geregeltere Struktur und einen klareren<br />

Rahmen, den es in der Freien Schule nicht<br />

gibt. Es gibt aus ganz verschiedenen Gründen<br />

eben auch verschiedene Wünsche bei<br />

Kindern.<br />

Viele sagen ja, dass die Kinder nur die Freiheiten<br />

ausnutzen, faul werden und nichts<br />

lernen. Wie sind da deine Erfahrungen?<br />

Ich finde, dass das eine ganz schön krasse<br />

Einstellung gegenüber Kindern und ihrem<br />

Lernverhalten ist. Die meisten machen ihre<br />

Abschlussprüfung und erfahrungsgemäß<br />

sind die Ergebnisse auch ähnlich, obwohl die<br />

Prüfung an einer anderen Schule gemacht<br />

werden muss.<br />

Aber eigentlich finde ich das Argument an<br />

sich problematisch, denn derjenige sagt quasi:<br />

„Oh mein Gott, das Kind hat Spaß an der<br />

Schule, das ist ja ganz furchtbar“. Ich finde,<br />

dass es nicht schlimm ist, wenn Kinder auch<br />

mal nichts machen und ihren Tag genießen.<br />

Wir sollten Spielen und Chillen als ein legitimes<br />

Bedürfnis anerkennen.<br />

Gibt es denn auch etwas, dass du an der<br />

Freien Schule kritisieren würdest?<br />

Ja. Oft wird z. B. argumentiert, dass die<br />

Kinder durch die Freie Pädagogik viel teamfähiger,<br />

kreativer, selbstdisziplinierter und<br />

hilfsbereiter sind, als an Regelschulen. Nicht<br />

damit, dass es den Kindern besser geht und<br />

sie einfach keine Angst haben, morgens in<br />

die Schule zu gehen. Das heißt, man orientiert<br />

sich oft an den gleichen Tugenden wie<br />

bei den Betragensnoten an Regelschulen. Es<br />

wird oft nicht der Druck und das Ziel der<br />

Selbstdisziplin hinterfragt, sondern nur argumentiert:<br />

„Wir machen das viel besser als die<br />

Regelschule“.<br />

Die Freie Schule wird also auch damit beworben,<br />

dass sie den Menschen besser für<br />

den modernen Kapitalismus vorbereitet?<br />

Ja, das habe ich genau so schon gehört.<br />

Du bist bei den Falken aktiv, wir sind ja<br />

von der Naturfreundejugend – also beides<br />

Arbeiter*innenjugendverbände, die eine<br />

andere Gesellschaftsform schaffen wollen.<br />

Glaubst du, dass das Konzept hinter Freien<br />

Schulen die Schüler*innen zu kritischeren<br />

Menschen macht?<br />

Ob andersdenkende Menschen dabei herauskommen?<br />

Sowohl an Freien Schulen als<br />

auch an Regelschulen gibt es Kinder mit<br />

linker Kritik an dieser Gesellschaft, aber<br />

auch viele, die überhaupt keine Kritik üben.<br />

Wenn Begleiter*innen in Freien Schulen<br />

keine Kritik an der Gesellschaft haben, dann<br />

können Kinder sie auch nicht mitbekommen.<br />

Genauso ist es in unseren Jugendverbänden.<br />

Nur ein bisschen Mitbestimmung im Zeltlager<br />

reicht nicht.<br />

Wir müssen unsere Kritik an der Gesellschaft<br />

klarmachen und mit den Kindern und Jugendlichen<br />

diskutieren!<br />

Das Interview führte Jannis Pfendtner


Seite 10<br />

“Wessen Bildung? Unsere Bildung!”<br />

November 2017<br />

Der Samen der<br />

Demokratiefähigkeit<br />

Das Ergebnis der Bundestagswahl ist<br />

das Argument für unser Bildungsverständnis.<br />

24. September 2017: Dieser Tag ist ein<br />

historisches Datum. Erstmalig seit 1960<br />

zieht mit der sogenannten Alternative für<br />

Deutschland (AfD) wieder eine rechtsnationale<br />

Partei in den Bundestag ein. Sie<br />

vertritt rechtspopulistische, in Teilen auch<br />

rassistische und völkisch-nationale Positionen.<br />

Manche ihrer Mitglieder sind von<br />

ihrer Denkweise her schlichtweg Nazis.<br />

Als Jugendverband beschäftigt uns besonders,<br />

dass die AfD auch unter den 18<br />

bis 24-jährigen Wähler*innen eine Zustimmung<br />

von 10 Prozent verbuchen konnte. Bei<br />

den Altersgruppen 25 bis 35 bzw. 45 bis 55<br />

Jahre war es sogar eine überproportionale<br />

Zustimmung von 14 bzw. 16 Prozent. Es<br />

ist also nicht wie beim EU-Referendum in<br />

Großbritannien zum Brexit oder der Präsidentschaftswahl<br />

von Donald Trump in den<br />

USA.<br />

Wer an seine Selbstwirksamkeit<br />

glaubt, fühlt sich nicht als Opfer von<br />

Umständen. Wer politisch mündig<br />

ist, lässt sich schwer von populistischen<br />

Stimmenfänger*innen manipulieren.<br />

Da galt die Formel, dass sich Wählende<br />

jungen bzw. mittleren Alters markant<br />

weniger von nationalistischen und rechtspopulistischen<br />

Argumenten bei ihrer<br />

Wahlentscheidung beeinflussen lassen.<br />

Die Gründe für diesen „Rechtsruck“<br />

wurden viel diskutiert. Doch eine konstruktive<br />

und zukunftsweisende Frage kann<br />

nicht nur lauten „Wie können wir rechtsextreme<br />

Einstellungen vermeiden?“.<br />

Viel entscheidender ist „Wie gelangen wir<br />

zu Demokratiefähigkeit bei jungen Mitbürger*innen?“,<br />

„Wie zu selbstbewussten,<br />

mündigen, politisch gebildeten und aktiven<br />

jungen Demokrat*innen?“. Dies ist keine<br />

Wortklauberei, sondern die Frage einer<br />

Haltung. Wollen wir uns nur gegen etwas<br />

zur Wehr setzen, oder wissen wir um unsere<br />

eigenen Werte und Kompetenzen?<br />

Ich persönlich durfte diesen Sommer als<br />

Teamer Ferienfreizeiten, Klassenfahrten<br />

und eine internationale Jugendbegegnung<br />

in unserem Verband mitgestalten.


Seite 11<br />

“Wessen Bildung? Unsere Bildung!”<br />

November 2017<br />

Auch als Teilnehmer auf Seminaren und<br />

Konferenzen konnte ich meine eigenen<br />

demokratischen Kompetenzen erweitern.<br />

Denn bei uns als Naturfreundejugend sind<br />

Teilnehmende immer auch Mitgestaltende.<br />

Hier befähigen wir uns selbst,<br />

komplexe politische Sachverhalte<br />

zu diskutieren, zu verstehen und<br />

eigene Konzepte zu entwickeln und<br />

durchzusetzen.<br />

Kinder und Jugendliche entscheiden über<br />

die Aktivitäten, planen deren Durchführung<br />

und lernen dabei ihre Fähigkeiten kennen.<br />

Als Teamer*innen unterstützen wir sie nur<br />

dort, wo sie Hilfe wünschen. Dadurch lernen<br />

sie auch herausfordernde Situationen<br />

zu bewältigen. In der Pädagogik nennen<br />

wir das Selbstwirksamkeit durch Beteiligung.<br />

Unser Konzept der nonformalen Bildung,<br />

vermittelt nicht nur Wissen, sondern<br />

Lebensfertigkeiten. Es bereitet die Lernenden<br />

auf ihre Rolle als aktive Bürger*innen<br />

vor. Wer an seine Selbstwirksamkeit glaubt,<br />

fühlt sich nicht als Opfer von Umständen.<br />

Tobias (27 Jahre, Teilnehmer italienisch-deutsche<br />

Jugendbegegnung “Friedensarbeit<br />

Sant’Anna di Stazzema”)<br />

“Erst war ich über die flache Hierarchie<br />

zwischen Teamenden und Teilnehmenden<br />

irritiert. Am Ende war ich begeistert, wie<br />

sehr wir dadurch die Begegnung zu unserem<br />

Projekt machen konnten. Dies hat uns<br />

als Gruppe gestärkt und wir haben dadurch<br />

viel an neuen Ideen und an interessanten<br />

Erfahrungen mitnehmen können.”<br />

Wer politisch mündig ist, lässt sich schwer<br />

von populistischen Stimmenfänger*innen<br />

manipulieren. Wer eine politische Haltung<br />

hat, kann sich mit dieser in den Diskurs einmischen.<br />

Nonformale Bildung ist der Samen<br />

der Demokratiefähigkeit, aus der<br />

wir als junge Menschen unsere<br />

politische Bildung, Haltung und<br />

Beteiligung wachsen lassen<br />

Hannes (13 Jahre, Ferienfreizeit<br />

“Klettern, Kanu, Höhle”)<br />

“In den Ferien möchte ich viel Freizeit<br />

und Spaß. Deshalb fand ich es cool, dass<br />

wir selbst bestimmen durften, was wir<br />

machen können und wann. Endlich wurden<br />

wir Jugendliche auch immer nach unserer<br />

Meinung gefragt.”<br />

Diesen Ansatz tragen wir in Projekttagen<br />

und auf Klassenreisen auch in Schulen<br />

oder durch Hochschulgruppen in die<br />

Universtäten hinein. Auch unsere Konferenzen,<br />

Seminare und Gremien sind<br />

Demokratielabore. Hier befähigen wir uns<br />

selbst, komplexe politische Sachverhalte<br />

zu diskutieren, zu verstehen und eigene<br />

Konzepte zu entwickeln und durchzusetzen.<br />

So erlangen wir politische Mündigkeit.<br />

Nonformale Bildung ist der Samen der<br />

Demokratiefähigkeit, aus der wir als junge<br />

Menschen unsere politische Bildung, Haltung<br />

und Beteiligung wachsen lassen. Erst<br />

als zarter Spross, dann als fest verwurzelter<br />

Stamm, der auch Stürmen standhält.<br />

Der 24. September 2017 war ein demokratisches<br />

Unwetter und wird ein historischer<br />

Tag bleiben. Ob es ein reinigendes Gewitter<br />

war, das gesellschaftliche Probleme<br />

aufzeigt, oder sich als Dauerregen rechtsextremen<br />

Gedankenguts entpuppt, ist die<br />

entscheidende Frage. Auch wir haben dies<br />

in der Hand. Lasst uns für unser Bildungskonzept<br />

streiten. Für uns, für andere und für<br />

eine freie und solidarische Demokratie!<br />

von Wendelin Haag


Seite 12 Verbandskasten<br />

November 2017<br />

Bildschirm oder Papier?<br />

Florian: Du bist der einzige Mensch, den<br />

ich kenne, der noch Bücher hat.<br />

Michèle: Ich weiß gar nicht, was ihr alle<br />

gegen Bücher habt. Ich mag Bücher, denn<br />

ich kann sie in die Hand nehmen, herumblättern,<br />

wie ich möchte und einfach mal<br />

der grellen, digitalen Welt entfliehen. Unsere<br />

Generation starrt doch fast nur noch<br />

auf Bildschirme. Da ist es doch entspannt,<br />

mal ein schönes Buch zu lesen oder sich<br />

einfach nur die Bilder anzuschauen.<br />

Florian: Aber das<br />

ganze Papier, das<br />

verbraucht wird,<br />

um ein Buch zu<br />

drucken!<br />

Papier<br />

Florian: Ja, ok, ich müsste mir jetzt auch<br />

nicht jedes zweite Jahr ein neues Handy<br />

kaufen. Vielleicht schaue ich das nächste<br />

Mal nach einem Gerät, das lange hält, oder<br />

kaufe gebraucht. Zudem gibt es auch Anbieter,<br />

die versuchen, die seltenen Erden<br />

unter fairen Bedingungen zu kaufen.<br />

Aber mal ehrlich, insgesamt können wir<br />

doch durch Computer und Co. richtig viel<br />

Papier sparen. Es müssen weniger Briefe<br />

versandt werden und die Zeitersparnis ist<br />

doch geil: Eine E-Mail oder Textnachricht<br />

ist sofort da und man wartet nicht noch<br />

zwei Tage auf die Post.<br />

Denk doch mal an die ganzen<br />

seltenen Erden und Metalle, die<br />

mit viel Chemie und unter unmenschlichsten<br />

Bedingungen abgebaut<br />

werden.<br />

Michèle: Dass die digitalen Geräte sehr<br />

praktisch und vor allem zeitsparend sind,<br />

sehe ich ja genauso wie du. Dafür schreiben<br />

wir aber heute viel mehr Nachrichten<br />

als früher, oft nur mit wenigen<br />

Wörtern drin. Das verbraucht<br />

auch Energie. Dennoch hast<br />

du Recht, der Papierverbrauch<br />

ist wirklich hoch. Jannis hat<br />

mir erst letzte Woche erzählt, dass jede*r<br />

Deutsche im Jahr ca. 250 Kilogramm Papier<br />

verbraucht. Bei der Zahl wird mir<br />

richtig unwohl.<br />

Florian: Tja Michèle, da haben wir die<br />

Zahlen! Würdest du dich also doch darauf<br />

einigen, dass Bücher unnötig und sowas<br />

von 2012 sind?<br />

Aber mal ehrlich, insgesamt können<br />

wir doch durch Computer und<br />

Co. richtig viel Papier sparen.<br />

Florian: Ja, gab es. Wenn viele Menschen<br />

gemeinsam für eine gute Sache einstehen,<br />

geht die Entwicklung manchmal schneller<br />

voran, als man denkt. Auch im Alltag: wenn<br />

man auf unnötige Verpackungen verzichtet<br />

und sich anschaut, ob die Materialien recycelt<br />

sind oder nicht.<br />

Michèle: Ja, das ist eine gute Idee. Gut für<br />

die Umwelt und<br />

mein Gewissen.<br />

Dann kann ich<br />

ja doch noch<br />

bildschirm<br />

Das könntest du alles sparen, wenn du einen<br />

E-Reader kaufst. So schlecht liest sich<br />

ein E-Ink-Bildschirm auch nicht.<br />

Michèle: E, E, E – ich hör immer nur E.<br />

Denk doch mal an die ganzen seltenen Erden<br />

und Metalle, die mit viel Chemie und unter<br />

unmenschlichsten Bedingungen abgebaut<br />

werden. Die machen deine elektronischen<br />

Geräte auch nicht umweltfreundlicher!<br />

Michèle: Du wieder, immer musst du aus<br />

allem einen Wettkampf machen. Deine<br />

Aussage würde ich tatsächlich nicht so<br />

einfach durchgehen lassen. Bücher haben<br />

etwas Magisches, dieses Gefühl kann kein<br />

Bildschirm ersetzen. Und es hängt immer<br />

auch von der Nutzung ab: wie viel nutze ich<br />

das Buch oder E-Book und gebe ich es auch<br />

an andere weiter, statt es in den Schrank zu<br />

stellen oder wegzuwerfen.<br />

Trotzdem hast du mich zum Nachdenken<br />

angeregt, der Papierverbrauch ist wirklich<br />

hoch, auch bei uns im Büro. Vielleicht wäre<br />

es eher ein Anfang, Papier bei Versandaktionen<br />

zu sparen. Gab es da nicht auch einen<br />

Beschluss auf dem letzten Bundesausschuss<br />

in Hannover?<br />

ab und zu meine Nase in ein Buch stecken.<br />

Und du solltest wenigstens in unserer Mittagspause<br />

mal den „Strom abstellen“.<br />

Florian: Hä, das verstehe ich nicht ganz.<br />

Michèle: Wie wäre es mit Energiesparmodus?<br />

Florian: Akku alle. (Lach)


Seite 13<br />

Verbandskasten<br />

November 2017<br />

Die Bundesleitung berichtet<br />

Begegnungen, Demonstrationen und<br />

Wahlen...<br />

Die Sonne strahlte über dem historischen<br />

Weimar, als sich rund 100 Delegierte,<br />

Mitarbeitende und Gäste Ende April zur<br />

Bundeskonferenz unserer Naturfreundejugend<br />

trafen.<br />

Die Bundeskonferenz ist das höchste Verbandsgremium<br />

und wir beraten auf ihr unsere<br />

Verbandspolitik. Teil der Bundeskonferenz<br />

sind auch die Wahlen zur Bundesleitung.<br />

Die lockten das Strahlen letztendlich auch<br />

auf unsere Gesichter, denn uns wurde das<br />

Vertrauen der Delegierten geschenkt.<br />

Motto der Tage in Weimar und gleichzeitig<br />

einer unserer Schwerpunkte war und ist<br />

„Naturfreundejugend grenzenlos“. Grenzenlosigkeit<br />

bedeutet für uns, dass wir uns<br />

gegen Barrieren in unserem Land und in<br />

den Köpfen unserer Mitbürger*innen einsetzen.<br />

Aktuell bearbeiten wir vor allem<br />

die Themen Überwindung von Barrieren<br />

für Geflüchtete, Kinder in Armut und Menschen<br />

mit Behinderung.<br />

Grenzenlos – so wollen wir unsere Formate<br />

der Bildungs- und Begegnungsarbeit verstanden<br />

wissen und zu internationalem und<br />

interkulturellem Austausch kommen. Wie<br />

Tina, die für uns das Fachkräfteprogramm<br />

in Aserbaidschan mitgestaltete und Frauke,<br />

die für uns am deutsch-senegalesischen Jugendaustausch<br />

teilnahm. Die internationale<br />

Jugendarbeit wird einer unserer Schwerpunkte<br />

bleiben.<br />

Grenzenlos solidarisch – das ist für uns<br />

auch eine politische Position, die wir in<br />

Gesprächen mit dem SPD-Parteivorsitzenden<br />

Martin Schulz und der amtierenden<br />

Umweltministerin Barbara Hendricks vertraten.<br />

Das bedeutet für uns auch, dort zu<br />

demonstrieren, wo wir eine andere Position<br />

zu Politik und Gesellschaft haben: Gegen<br />

den G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg,<br />

für eine nachhaltige Landwirtschaft oder<br />

für fairen Welthandel.<br />

Grenzen abbauen ist für uns aber auch ein<br />

innerverbandliches Thema. Wir wollen die<br />

Verbindung zu Aktiven in unseren Landesverbänden<br />

stärken und mehr Austausch<br />

und Zusammenarbeit mit den Kinder- und<br />

Wie Tina, die für uns das Fachkräfteprogramm<br />

in Aserbaidschan<br />

mitgestaltete und Frauke, die für<br />

uns am deutsch-senegalesischen<br />

Jugendaustausch teilnahm. Die internationale<br />

Jugendarbeit wird einer<br />

unserer Schwerpunkte bleiben.<br />

Jugendleitungen aus ganz Deutschland ermöglichen.<br />

Auf internationaler Ebene sind<br />

wir diesbezüglich bereits ein Schritt weiter:<br />

Unser Bundesleitungsmitglied Sina wurde<br />

auf dem Council der IYNF (International<br />

Young Naturefriends) im August in Frankfurt<br />

als Vizepräsidentin in das Präsidium<br />

gewählt. Nicht zuletzt vertritt uns Malin<br />

weiter im Bundesvorstand der NaturFreunde<br />

Deutschlands.<br />

Weder akzeptieren noch tolerieren wollen<br />

wir dagegen, dass rund um die Bundestagswahl<br />

zunehmend die Grenzen dessen gefallen<br />

sind, was in unserem Land laut gesagt<br />

und vertreten wird. Rassistische Reden und<br />

Positionen sowie nationalistisches Gedankengut<br />

haben wieder Einzug in Gesellschaft<br />

und Bundestag erhalten und fordern uns als<br />

Demokrat*innen heraus, unser Bild einer<br />

offenen und solidarischen Gesellschaft<br />

noch entschiedener zu vertreten.<br />

Dabei müssen wir das, was wir uns für die<br />

Gesellschaft wünschen, innerverbandlich<br />

selbst vorleben: Nachhaltigkeit im Handeln<br />

und Solidarität im Miteinander. Gemeinsam<br />

mit Euch allen.<br />

Denn: Die Naturfreundejugend Deutschlands,<br />

das sind wir alle!<br />

von Wendelin Haag<br />

Ehrenamtliche Bundesleitung (von links nach rechts): Sezen, Wendelin, Tina, Frauke, Florian, Sina, Jannis, Malin<br />

Für die Bundesleitung der Naturfreundejugend<br />

Deutschlands


Seite 14 Verbandskasten<br />

November 2017<br />

COP, COY und Kipp-Elemente<br />

Zum 23. Mal findet die Weltklimakonferenz<br />

der Vereinten Nationen statt –<br />

diesmal in Bonn!<br />

Janinka und Tilo wollen als Naturfreund-<br />

*innen dabei nicht nur tatenlos zusehen,<br />

sondern sich vor Ort für den Klimaschutz<br />

starkmachen. Vor ihrer Abfahrt<br />

hatten wir noch ein paar Fragen:<br />

COP und COY, das sind jeweils drei mysteriöse<br />

Buchstaben. Was heißt das genau<br />

und was ist da los?<br />

Tilo: Auf der Conference of the Parties<br />

(COP), der internationalen Klimakonferenz,<br />

verhandeln vom 6. bis 17. November<br />

Vertreter*innen von fast 200 Ländern<br />

und der Zivilgesellschaft darüber, wie die<br />

Welt es schaffen kann, den Klimawandel<br />

zu begrenzen. Vorher findet vier Tage lang<br />

die Jugendkonferenz (Conference of Youth<br />

– COY) statt.<br />

2 Grad Erwärmung klingt nicht viel. Ist<br />

die strenge Begrenzung, die gefordert<br />

wird, wirklich so wichtig?<br />

Tilo: Es geht ja nicht darum, ob wir zukünftig<br />

im Sommer bei 30° oder bei 32° baden<br />

gehen. Ziel ist, dass die globale Temperaturerhöhung<br />

im Durchschnitt auf maximal<br />

zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau<br />

vor der Industrialisierung, also um 1850, begrenzt<br />

wird. Das ist ein großer Unterschied.<br />

Wissenschaftler*innen können zeigen, dass<br />

bei einer stärkeren Erwärmung mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit ganze Systeme auf unsere<br />

Erde schlagartig und unumkehrbar anders<br />

funktionieren. Solche Systeme nennt<br />

man auch „Kipp-Elemente“. Ein Beispiel<br />

ist der indische Sommermonsun. Die Niederschläge,<br />

die er bringt, werden durch die<br />

Erderwärmung deutlich mehr. Was dann<br />

passiert, konnten wir diesen Sommer schon<br />

beobachten...<br />

Tilo Podstatny-Scharf<br />

Und wie kann man sich als junger Mensch<br />

dort einbringen?<br />

Janinka: Vor allem die COY bieten jungen<br />

Menschen aus aller Welt die Chance, sich<br />

auszutauschen, Erfahrungen und Ideen zu<br />

teilen und gemeinsam Lösungsvorschläge<br />

zu erarbeiten. Gleichzeitig ist der internationale<br />

Ansatz eine super Möglichkeit, sich<br />

über Auswirkungen des Klimawandels,<br />

Anpassungs- und Vermeidungsmaßnahmen<br />

sowie weitere aktuelle Themen des Umweltschutzes<br />

zu informieren. Und auch auf<br />

der COP gibt es beispielsweise einen Jugenddialog.<br />

Was müsste passieren, damit du zufrieden<br />

nach Hause fährst?<br />

Janinka: Ich möchte die Chance nutzen,<br />

mich zu informieren, mich mit anderen<br />

über den Klimaschutz auszutauschen und<br />

mich mit ihnen gemeinsam für unsere Ziele<br />

einzusetzen. Wichtig ist mir auch, dass die<br />

Vertragsstaaten der COP eine vernünftige<br />

Entscheidung treffen und möglichst viele<br />

Menschen das öffentliche Programm nutzen,<br />

an den Veranstaltungen teilnehmen<br />

und so ein Zeichen für den Klimaschutz<br />

setzen.<br />

Janinka Lutze<br />

Du willst wissen, was Janinka, Tilo und<br />

andere junge Menschen in Bonn erleben?<br />

Dann bleib durch unsere Webseite (www.<br />

naturfreundejugend.de/klima) und Facebook<br />

(www.facebook.com/naturfreundejugend.deutschlands)<br />

auf dem Laufenden.<br />

Auch unsere Klimadelegation vom Jugendbündnis<br />

Zukunftsenergie (JBZE) berichtet<br />

von den Verhandlungen:<br />

www.klimadelegation.de<br />

Das Interview führte Larissa Donges


Seite 15 Verbandskasten<br />

November 2017<br />

Vergeben, aber nicht<br />

vergessen<br />

Wir haben Glück. Gerade auf der Fahrt<br />

hat es noch in Strömen geschüttet, jetzt<br />

scheint wieder die Sonne.<br />

Wir sind in der „Mohrenstraße“ in Berlin.<br />

Wir, das sind dreiundzwanzig Personen und<br />

ich, zur Hälfte aus Deutschland, zur Hälfte<br />

aus dem Senegal. Und dann ist da Stefan,<br />

der uns mitnehmen will auf die Spuren des<br />

Kolonialismus in Deutschland.<br />

Die erste Spur zu finden ist nicht so schwer,<br />

schließlich prangt direkt neben uns das<br />

Schild „Mohrenstraße“. Ich erinnere<br />

mich noch gut an die „Pink Rabbit“-Aktion<br />

der Berliner Naturfreundejugend, die<br />

die Straße durch zwei Punkte einfach in<br />

„Möhrenstraße“ umbenannten. Doch für<br />

unsere Freund*innen aus<br />

dem Senegal ist die Sache<br />

erstmal verwirrend.<br />

Was bedeutet „Mohr“, inwiefern ist es ein<br />

schlimmes Wort und warum hat eine Straße<br />

in Berlin überhaupt diesen Namen bekommen?<br />

Es ist spannend und emotional, das<br />

Thema mal nicht aus der weißen Filterblase<br />

heraus zu betrachten.<br />

Wir gehen weiter, unterhalten uns über die<br />

Zur-Schau-Stellung von Menschen, die Aufarbeitung<br />

des Kolonialismus, die deutsche<br />

Rolle und über Kolonialwaren und deren<br />

Bewerbung. Zum Schluss sagt Aïssatou:<br />

„Wir können vergeben, aber wir werden<br />

nicht vergessen. Und eine Sache ist sicher:<br />

Wir werden nicht zulassen, dass so etwas je<br />

wieder passiert.“<br />

Es sind Momente wie diese, die einem<br />

im Gedächtnis bleiben. Die Fragen und<br />

Herangehensweisen sind teilweise verschieden,<br />

aber die Basis, eine weltoffene<br />

Einstellung und junge Sicht, ist gleich. Dies<br />

macht internationalen Austausch so interessant<br />

und einzigartig.<br />

Mehr zum Austausch unter<br />

www.naturfreundejugend.de/<br />

engagementglobal<br />

Soziales Paddeln<br />

Naturfreund*innen haben gegen Nazis<br />

gekämpft und sind für ihre Überzeugungen<br />

gestorben. Unsere Organisation war<br />

in der Nazizeit in Deutschland verboten.<br />

Wir sollten der Erinnerung deshalb besonders<br />

verpflichtet sein und den Opfern<br />

des Naziregimes gedenken.<br />

Der Schwur von Buchenwald besagt „Wir<br />

stellen den Kampf erst ein, wenn auch der<br />

letzte Schuldige vor den Richtern der Völker<br />

steht. Die Vernichtung des Nazismus<br />

mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der<br />

Aufbau einer neuen Welt des Friedens und<br />

der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir<br />

unseren gemordeten Kameraden und ihren<br />

Angehörigen schuldig“.<br />

Dieser Schwur ist in der heutigen Zeit aktueller<br />

denn je. Um den Kampf gegen den<br />

Nazismus und seine Wurzeln (Kapitalismus,<br />

Militarismus, Elitismus, Ausgrenzung<br />

etc.) effektiv führen zu können, ist es<br />

wichtig, die schrecklichen Auswirkungen<br />

des Nazismus niemals zu vergessen. Deshalb<br />

wollen wir vom 9. bis 13. Mai 2018<br />

(über Christi Himmelfahrt) mit euch eine<br />

Gedenkstättenfahrt zum Mädchen- und<br />

Frauen-KZ Uckermark (nahe Fürstenberg)<br />

machen. Hier waren junge Mädchen und<br />

Frauen „inhaftiert“, die als (sexuell) verwahrlost<br />

und/oder arbeitsscheu galten und<br />

so angeblich dem gesunden Volkskörper<br />

schadeten. Sie alle wurden als „asoziale“<br />

unter dem Symbol des schwarzen Winkels<br />

inhaftiert.<br />

Wir wollen uns auf der Fahrt mit diesen,<br />

im Naziregime als „Asozial“ markierten,<br />

Menschen beschäftigen. Wie wirkt dieses<br />

Wort auch nach der NS-Zeit weiter? Wer<br />

wird heute als asozial bezeichnet? Diese<br />

Fragen wollen wir in Tradition des sozialen<br />

Wanderns behandeln, draußen unter freiem<br />

Himmel und fortbewegend (jedoch mit<br />

dem Kanu statt zu Fuß, also „soziales Paddeln“).<br />

Am Ende möchten wir uns vor Ort<br />

nützlich machen und die Initiative für einen<br />

Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V<br />

mit unserer Arbeitskraft unterstützen.<br />

von Jannis Gustke


Seite 16 Verbandskasten<br />

November 2017<br />

Zwei Jahre für eine Idee<br />

Vor zwei Jahren<br />

hatten die Naturfreundejugend Teutoburger<br />

Wald und die NaturFreude<br />

Bielefeld eine gemeinsame Idee. Aus<br />

einem 200 Jahre altem, denkmalgeschütztem<br />

Gebäude – dem sogenannten<br />

Bootshaus – sollte eine Boulderhalle<br />

und ein Ort für Verbandsaktivitäten<br />

entstehen.<br />

Aus der Idee ist nun Wirklichkeit geworden.<br />

Nach zwei intensiven Jahren feierte<br />

der „Meierhof“ im Juni 2017 seine<br />

Eröffnung. Möglich war dies nur durch das<br />

riesige, ehrenamtliche Engagement. Bei<br />

Arbeitseinsätzen an fast jedem Samstag<br />

wurde geschaufelt, geschleppt, gestrichen,<br />

gesägt, gehämmert, verputzt, aufgeräumt,<br />

gemauert und noch einiges mehr. Kurz gesagt:<br />

All das, wofür keine Fachfirmen nötig<br />

waren, wurde selbst in die Hand genommen<br />

– unter der Beachtung denkmalgeschützter,<br />

ökologischer und klimafreundlicher<br />

Aspekte. Dabei kamen über 80 freiwillige<br />

Mithelfer*innen aus allen Altersklassen<br />

zusammen. Finanziert wurde das Unterfangen<br />

zu gleichen Teilen durch kleine Spenden,<br />

Eigenkapital der NaturFreunde und<br />

Fördermittel des Landes NRW.<br />

Nun ist der Meierhof Dreh und Angelpunkt<br />

vieler Aktivitäten. Die Boulderhalle im<br />

Dachgeschoss mit etwa 200 m² Kletterfläche<br />

wird von Jung und Alt genutzt, vom<br />

Bootslager brechen Kajaktouren auf und in<br />

der Sauna ist Entspannung angesagt. Auch<br />

das Büro der Naturfreundejugend Teutoburger<br />

Wald ist hier und nutzt die Tagungsräume<br />

für Diskussionsrunden und Landesleitungssitzungen.<br />

Wir finden: ein tolles Beispiel für naturfreundliches<br />

Engagement!<br />

von Steffen Filz


Natursportangebote mit<br />

den Naturfreunden<br />

03/01/18<br />

-<br />

07/01/18<br />

Teste Schneesportaktivitäten deiner Wahl: von Anfängerkursen<br />

im Ski alpin und Snowboard bis zu Tiefschneefahrten und Skitouren<br />

für Fortgeschrittene.<br />

Ort NF-Preis Gast-Preis<br />

Grainau 350,00* 650,00*<br />

08/01/18<br />

-<br />

12/01/18<br />

Grainau<br />

350,00*<br />

600,00*<br />

Gefällt dir das Erklimmen der Berge und die anschließende<br />

Abfahrt mit Ski oder Snowboard? Dann ist das Skitourencamp<br />

das Richtige für dich.<br />

19/01/18<br />

-<br />

21/01/18<br />

Grainau<br />

175,00*<br />

300,00*<br />

Du hattest keine spezielle Schnee- und Lawinenkunde, willst<br />

aber trotzdem im winterlichen Gebirge unterwegs sein? Dieser<br />

Lehrgang vermittelt dir Grundwissen, um selbständig erste<br />

Beurteilungen der Lawinensituation vornehmen zu können.<br />

19/01/18<br />

-<br />

21/01/18<br />

Unterjoch/<br />

Allgäu<br />

140,00**<br />

180,00**<br />

Pistenspaß mit und ohne Handicap. In diesem Skikurs kannst<br />

du das Skifahren mit dem Monoski erlernen, egal ob du auf<br />

den Rollstuhl angewiesen bist oder nicht. Der Fortgeschrittenenkurs<br />

findet vom 16/03/18 - 18/03/18 statt.<br />

24/04/18<br />

-<br />

02/05/18<br />

In vier erlebnisorientierten/intensiven Tagen lernst du, wie du<br />

in der eigenen Ortsgruppe Mountainbiketouren im bekannten,<br />

heimischen Gelände durchführen kannst.<br />

Kiefersfelden<br />

350,00*<br />

600,00*<br />

* inklusive Lehrgangsgebühr, Übernachtung,<br />

Halbpension<br />

** inklusive Lehrgangsgebühr, Übernachtung,<br />

Halbpension, Leihgebühr, Monoski, Liftkosten<br />

Anmeldung und weitere Infos unter<br />

www.naturfreunde.de/natursport


Seite 18<br />

Feuilleton<br />

November 2017<br />

Held der Arbeit – Henrik<br />

Henrik ist Landesleitungsvorsitzender der<br />

Naturfreundejugend Teutoburger Wald,<br />

Trainer C im Alpinklettern und Mitglied<br />

der Fachgruppe Bouldern der NaturFreunde<br />

Bielefeld.<br />

Wer bist du?<br />

Beschreib dich in drei Sätzen.<br />

Ich bin Henrik Sonnenburg, 29 Jahre alt und<br />

komme aus Bielefeld. Seit ca. 12 Jahren bin<br />

ich Naturfreund und bei der Naturfreundejugend<br />

im Kletter- und Kanu-Sport aktiv.<br />

Beruflich bin ich selbstständiger Zimmerermeister.<br />

Deshalb habe ich in den letzten<br />

zwei Jahren auch sehr gerne den Bau der<br />

Boulderhalle der NaturFreunde Bielefeld<br />

begleitet.<br />

Mit wem würdest du gerne einmal frühstücken<br />

und warum?<br />

Mit meinem Großvater, wenn er noch leben<br />

würde, da ich noch viel von ihm lernen<br />

könnte.<br />

Dein Rezept gegen Stress und zu viel<br />

Arbeit?<br />

Danach suche ich auch grad. Ich glaube,<br />

Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen,<br />

hilft viel. Manchmal vielleicht auch<br />

einfach nicht drüber nachdenken, sondern<br />

einfach alles liegen lassen.<br />

Ohne was kannst du nicht leben?<br />

Freunde und Familie.<br />

Was willst du der Welt mit auf den Weg<br />

geben?<br />

Kümmert euch drum, wir haben nur eine.<br />

Und denkt einmal mehr an andere. Man<br />

sagt zwar schnell „wenn sich jeder um sich<br />

selber kümmert, ist allen geholfen“, aber so<br />

leicht ist es dann doch oft nicht.<br />

Für mich ist die Naturfreundejugend....<br />

ein Ort, um Gemeinschaft zu leben, um<br />

Neues zu entdecken, sich zu unterstützen<br />

und vor allem, um Spaß zu haben.<br />

von Jannis Pfendtner<br />

Degrowth in Bewegung(en)<br />

Degrowth in Bewegung(en): 32 alternative<br />

Wege zur sozial-ökologischen Transformation.<br />

E m p f e h l u n g<br />

Weit im Südwesten Deutschlands treffen<br />

sich Anfang September mehrere junge<br />

Naturfreund*innen. Für mehrere Tage<br />

wollen sie mit der alten NaturFreunde-Tradition<br />

„Soziales Wandern“ Freiburg und<br />

Umgebung erkunden. Sie besuchen Projekte<br />

der sozial-ökologischen Transformation,<br />

wie Unverpackt-Läden, Gemeinschaftsgärten<br />

und solidarische Landwirtschaftsbetriebe.<br />

Dort finden sie Veränderung im<br />

Kleinen – manchmal für sich, oft aber auch<br />

mit dem Gedanken einer graswurzelartigen<br />

Ausbreitung.<br />

der [ke:onda]-Redaktion<br />

Gemeinsam ist allen die kritische<br />

Auseinandersetzung mit den problematischen<br />

Folgen des Wirtschaftssystems.<br />

Viele dieser Projekte beziehen sich auf eine<br />

Bewegung, die sich in den letzten Jahren<br />

unter Bezeichnungen wie „Degrowth“ oder<br />

„Postwachstum“ versammelt hat. Auch<br />

wir als Naturfreundejugend zählen dazu.<br />

Die verschiedenen Akteur*innen dieser<br />

Bewegung stellt das Buch „Degrowth in<br />

Bewegung(en)“ in kurzen und prägnanten<br />

Texten vor. Es beschreibt Gruppen, die für<br />

ein „Recht auf Stadt“ kämpfen, genauso<br />

wie Anti-Kohle-Aktivist*innen. Es geht<br />

um die Rolle von Gewerkschaften, wie<br />

auch darum, was Urban-Gardening bewegt,<br />

um das Konzept des Guten Lebens („Buen<br />

Vivir“) aus Lateinamerika oder die Bewegung<br />

der spanischen Platzbesetzungen.<br />

Gemeinsam ist allen die kritische Auseinandersetzung<br />

mit den problematischen<br />

Folgen des Wirtschaftssystems. Immer<br />

mehr Gruppen scheinen von ihren eigenen<br />

Kämpfen wieder zu einer breiteren Kritik<br />

am Kapitalismus zu kommen.<br />

Auch als Naturfreund*innen haben wir<br />

diesen Ansatz: Soziale und ökologische<br />

Widersprüche benennen und dabei über den<br />

Kapitalismus hinausdenken.<br />

von Jannis Pfendtner


Tanja Kelm

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