LEBE_132
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Thema<br />
Die Auswirkungen übermäßigen<br />
Medienkonsums zeigen sich nicht sofort!«<br />
Schicksal. Eine differenzierte Sicht auf<br />
das Leben geben Telenovelas nicht.<br />
Statistiken zufolge hat ein Fünftel der<br />
6- bis 7-Jährigen ein eigenes Handy,<br />
Tendenz steigend. Unter den 12- bis<br />
13-Jährigen sind es weit über 80 Prozent.<br />
„Snuff-Videos“, filmische Darstellungen<br />
von Folter, einer Exekution oder eines<br />
Mordes, oder „happy slapping“ („fröhliches<br />
Schlagen“), bei dem eine Gruppe<br />
Schüler einen Mitschüler schlägt und<br />
bedrängt und das gleichzeitig filmisch<br />
festhält, sind nur einige der Gefahren<br />
der Smartphone-Kultur. Gewalt- und<br />
Pornovideos auf dem Handy sind selbst<br />
in Grundschulen keine Seltenheit.<br />
Weil moderne Handys nicht nur mit<br />
Infrarot- und Bluetooth-Schnittstellen<br />
ausgestattet sind, sondern zumeist<br />
auch eine 4G-Datenverbindung haben<br />
oder wenigstens W-LAN empfangen,<br />
können die Videos einfach und kostenlos<br />
per Internet, Mail oder Whatsapp<br />
verbreitet werden. Der extreme Grad<br />
an Grausamkeit bei manchen dieser<br />
Videos kann bei Kindern zu Ängsten<br />
führen oder verrohend wirken.<br />
Bei Ermittlungen nach Amokläufen<br />
an Schulen wurde häufig ein<br />
Bezug zu gewaltverherrlichenden<br />
Computerspielen nachgewiesen: Auf<br />
den Geräten der Amokläufer wurden<br />
Killerspiele und Ego-Shooter gefunden,<br />
deren Spielhandlung in der Tötung von<br />
Gegnern besteht. Studien zufolge trainieren<br />
diese Computerspiele (z.B. die<br />
Spiele der Call-of-Duty-Reihe, von denen<br />
zwischen 2003 und 2009 über 55<br />
Millionen Spiele verkauft wurden) aktiv<br />
durch viele Wiederholungen ganze<br />
Handlungssequenzen mit Belohnung<br />
von Aggression und Gewalt. Wenn<br />
also junge Menschen gewalttätige<br />
Videospiele spielen, verändern sie ihre<br />
Wahrnehmung und betrachten andere<br />
eher als Gegner und Feind. Sie üben<br />
aggressive Gefühle, Gedanken und<br />
Verhaltensweisen. Außerdem lehren<br />
Killerspiele indirekt Gleichgültigkeit<br />
und Gefühllosigkeit, mit der im virtuellen<br />
Spiel Menschen getötet werden.<br />
Aus diesem Grund nutzt auch<br />
das amerikanische Militär diesen Typ<br />
an Computerspielen zum Training der<br />
Soldaten, um das Mitgefühl gegenüber<br />
dem Gegner abzumildern.<br />
Unter den Fernsehzusehern, darunter<br />
zahlreichen jugendlichen Mädchen,<br />
freuen sich Castingsshows ungebrochener<br />
Beliebtheit: Ob Germany’s Next<br />
Topmodel oder Deutschland sucht<br />
den Superstar, ob Popstars oder Das<br />
Supertalent – wenn Heidi Klum oder<br />
Dieter Bohlen und andere Juroren<br />
jugendliche Teilnehmer in die nächste<br />
Runde schicken oder wie Kinder<br />
behandeln, gnadenlos aussieben und<br />
nicht selten auch hänseln und blamieren,<br />
ist ein Millionenpublikum gesichert. Die<br />
Senderverantwortlichen freut es, denn<br />
junge Menschen und frische Gesichter<br />
sind eben auch Quotenbringer. Wer<br />
sich vor das Millionenpublikum wagt,<br />
kommt selten ohne Schrammen davon,<br />
wie die rüden Bemerkungen von<br />
Dieter Bohlen bei Deutschland sucht<br />
den Superstar zeigen. Auch wenn der<br />
Zuseher der Bewertung Bohlens zustimmen<br />
sollte, und die Darbietung<br />
tatsächlich grottenschlecht gewesen<br />
war: Was ist mit den Folgen für den<br />
Künstler, der doch alles gegeben und<br />
nichts erreicht hat, und statt ein Lob<br />
und einen (unvorteilhaften) Vertrag<br />
mit einer Produktionsfirma, oder bei<br />
Modelcastings ein Knebelvertrag mit einer<br />
Modelagentur, nichts als Spott und<br />
Häme erhält: „Deshalb haben irgendwelche<br />
Leute Drogen erfunden – um so<br />
was auszuhalten“, sagte Dieter Bohlen<br />
einem der Teilnehmer. Einem anderen:<br />
„Ich könnte dich in meinem Garten vergraben,<br />
als Kompost für die Blumen“. In<br />
einem ähnlichen Ton geht es weiter: „Ich<br />
kann nicht mal sagen, dass das scheiße<br />
war, das war schlechter. Wenn du mir einen<br />
Affen mitgibst für ein halbes Jahr,<br />
dann singt der besser“, oder „Du klingst<br />
wie wenn ein Schaf an den Elektrozaun<br />
<strong>LEBE</strong> <strong>132</strong>/2017<br />
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<strong>132</strong>-Lebe RZ 31 06.04.17 16:52