STADTJournal Mai 2019
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<strong>STADTJournal</strong> Heimat<br />
Unsere Heimat<br />
Viktor Flöck – letzter Bürgermeister von Kärlich<br />
Seit 1969 sind die ehemals selbstständigen<br />
Dörfer Kärlich und Mülheim<br />
zur Gemeinde Mülheim-Kärlich vereinigt.<br />
Meinungsverschiedenheiten und<br />
Empörung, die es in der Bevölkerung und<br />
in den Gemeinderäten darum gab, sind<br />
weitgehend vergessen. Ein entschiedener<br />
Gegner des Zusammenschlusses, der sich<br />
bald als gut und richtig erwies, war Viktor<br />
Flöck, der letzte Bürgermeister von Kärlich.<br />
Viktor Flöck (rechts) und sein Zwillingsbruder<br />
Johannes 1979 auf dem Festplatz zur<br />
50-Jahr-Feier der Kolpingsfamilie<br />
Viktor Flöck wurde am 30. März 1934 in<br />
Kärlich geboren und blieb bis zum Tod mit<br />
ganzer Seele Kärlicher. Er war das vierte<br />
Kind der Eheleute Anton Flöck und Gudula,<br />
geborene Bengel, und Zwillingsbruder von<br />
Johannes Flöck, dem späteren Koblenzer<br />
Dechanten und langjährigen Pfarrer von<br />
Koblenz Herz Jesu. Viktor war der ältere der<br />
beiden, was er scherzhaft gern betonte. Das<br />
Elternhaus, ein landwirtschaftliches Anwesen,<br />
stand in der Schweizerstraße.<br />
Nach der Volksschulzeit machte Viktor bei<br />
seinem Patenonkel Viktor Zils eine Schreinerlehre.<br />
In dem Betrieb an der Ecke von<br />
Kirchstraße und Burgstraße, nur wenige<br />
Meter von zu Hause entfernt, arbeitete<br />
er auch als Geselle, bevor er von Ostern<br />
1956 bis Ostern 1960 das altsprachliche<br />
Aufbaugymnasium Clementinum in Bad<br />
Driburg besuchte und im dortigen Internat<br />
wohnte. Er studierte später jedoch nicht,<br />
sondern arbeitete bei der „Silika“ (heute<br />
RHI Magnesita) in Urmitz-Bahnhof wieder<br />
als Schreiner und in den letzten Jahren vor<br />
dem Ruhestand als Pförtner.<br />
Seit seiner Jugendzeit war Viktor Flöck<br />
in der Kommunalpolitik, im kirchlichen<br />
Bereich wie auch im Vereinsleben engagiert,<br />
und er war äußerst kritisch, mitunter<br />
unbequem. „Jef et de Katz“ (Gib es der<br />
Katze)“, war gelegentlich zu hören, wenn<br />
er mit einer Sache nicht einverstanden war.<br />
Es gab Menschen, die er über alles schätzte<br />
und verehrte, zum Beispiel Papst Johannes<br />
XXIII. und Pastor Peter Greif, von Januar<br />
1961 bis zum Herbst 1969 Pfarrer in Kärlich.<br />
Andere lehnte er ohne Wenn und Aber<br />
ab, darunter Helmut Kohl, einstiger Ministerpräsident<br />
von Rheinland-Pfalz, Bundeskanzler<br />
und Bundesvorsitzender der CDU,<br />
der Viktor Flöck schon früh als Mitglied<br />
beigetreten war.<br />
Pastor Peter Greif und<br />
Viktor Flöck 1979 in Köln<br />
Am 13. Juli 1964 wählte der Gemeinderat<br />
von Kärlich im Saal Gappenach in der<br />
Hauptstraße den CDU-Fraktionsführer<br />
Viktor Flöck als Nachfolger des 1963 verstorbenen<br />
Hermann Neckenig zum Bürgermeister.<br />
Acht Ratsmitglieder stimmten<br />
für Flöck, fünf für Herbert Ebert (SPD)<br />
und zwei enthielten sich der Stimme.<br />
Drei Tage danach legte die SPD-Fraktion<br />
schriftlich Einspruch gegen die Wahl ein,<br />
weil auf einem Wahlzettel der Vorname<br />
Viktor mit einem F statt mit V abgekürzt<br />
war, hatte damit allerdings keinen Erfolg.<br />
Am 29. Juli 1964 führte Landrat Karl Rittel<br />
den mit 30 Jahren damals vermutlich<br />
jüngsten Bürgermeister von Rheinland-<br />
Pfalz in sein Amt ein.<br />
Viktor Flöck war wortgewandt und um<br />
keine Antwort verlegen. Als ihn zum Beispiel<br />
ein Ratsmitglied fragte, ob er die<br />
Genehmigung für eine bestimmte Entscheidung<br />
gehabt habe, entgegnete er:<br />
„Glauben Sie, ich treffe eine solche Entscheidung<br />
ohne Genehmigung der übergeordneten<br />
Behörde?“ Jahre später sagte er<br />
schmunzelnd: „Ich wusste gar nicht, dass<br />
ich die Genehmigung gebraucht hätte;<br />
aber mit der Gegenfrage hatte ich doch<br />
nicht gelogen.“ Flöck war auch beweglich,<br />
obwohl er keinen Führerschein hatte. Er<br />
fuhr mit Bahn, Bus und Taxi, ließ sich von<br />
Bekannten chauffieren und nicht selten<br />
vom Gemeindediener Karl Färber, genannt<br />
„Dattel“, als Sozius auf dessen Moped.<br />
In die Amtszeit von Viktor Flöck fielen<br />
bemerkenswerte Maßnahmen wie die<br />
Sanierung der Kärlicher Schule, der Bau der<br />
Friedhofskapelle, der Umbau der Gemeindehalle<br />
in der Burgstraße mit Nebengebäude<br />
und der Ausbau von Straßen.<br />
Außerdem geht der 1967 eingeführte bunte<br />
Nachmittag für die älteren Mitbürger am<br />
zweiten Adventssonntag jeden Jahres auf<br />
ihn zurück.<br />
1968 wurde Viktor Flöck zusammen mit<br />
den Ratsmitgliedern Herbert Ebert und<br />
Toni Schmidt beim Innenministerium in<br />
<strong>Mai</strong>nz vorstellig, um gegen die Verwaltungsreform<br />
und damit gegen den Zusammenschluss<br />
von Kärlich und Mülheim zu<br />
protestieren. Dennoch wurden die beiden<br />
Orte am 7. Juni 1969 zur Gemeinde<br />
Mülheim-Kärlich vereint. Für Viktor Flöck<br />
war es der wahrscheinlich traurigste Tag im<br />
Leben; die Fahne an seinem Büro setzte er<br />
auf halbmast. Seine letzte Gemeinderatssitzung<br />
hatte er am 29. <strong>Mai</strong> 1969 geleitet.<br />
Bürgermeister der neuen Großgemeinde<br />
wurde Philipp Heift († 2002) aus Mülheim,<br />
ein Mann des Ausgleichs zwischen<br />
Mülheimern und Kärlichern. Viktor Flöck,<br />
zunächst noch Zweiter Beigeordneter im<br />
neuen Rat, trat zur Gemeinderatswahl 1974<br />
nicht mehr an und zog sich aus der Politik<br />
zurück. Er war auch Kernkraftgegner; deshalb<br />
hatte er 1972 an der Abstimmung über<br />
den Antrag des RWE zum Bau des Kernkraftwerks<br />
nicht teilgenommen.<br />
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