KRGB Rundbrief 2019/1
GRUND -> RICHTUNG: Zukunft des Religionsunterrichts mitgestalten Dokumentation von Landestagung und Festakt 2018 in Münsterschwarzach zum 120-jährigen Jubiläum des KRGB
GRUND -> RICHTUNG: Zukunft des Religionsunterrichts mitgestalten
Dokumentation von Landestagung und Festakt 2018 in Münsterschwarzach zum 120-jährigen Jubiläum des KRGB
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GRUNDRICHTUNG – Zukunft des Religionsunterrichts mitgestalten<br />
DOKUMENTATION<br />
Zukunftswerkstatt<br />
»Menschenbild«<br />
von Prof. Dr. Bernhard Grümme<br />
Menschenbilder:<br />
Engführung oder Perspektiven<br />
eröffnende Fundierung<br />
religiöser Bildung?<br />
Prof. Dr. Bernhard Grümme stellt zunächst dar, dass<br />
Bildung ohne eine bestimmte Sicht auf den Menschen in<br />
den möglichen (wahrscheinlichen?) Missbrauch oder ins<br />
Leere läuft, dass sie also ein Menschenbild oder auch<br />
mehrere Menschenbilder benötigt. In diesen Überlegungen<br />
wird deutlich, welche Bedeutung unsere Bilder vom Menschen<br />
für unsere Entwicklung, für unsere Persönlichkeit<br />
und für unser Handeln haben. Daraus lässt sich für den<br />
Unterrichtsalltag die Bedeutung der Auseinandersetzung<br />
mit dem christlichen Menschenbild für die Schülerinnen<br />
und Schüler im RU ableiten.<br />
Arbeitsminister Norbert Blüm. In einer flammenden<br />
Jeremiade warnt Blüm in der ihm eigenen Leidenschaft vor<br />
einer Neubestimmung des Menschen und damit vor einer<br />
radikalen Veränderung des Menschenbildes. Er warnt vor<br />
dem Abgleiten der Anthropologie, der Lehre vom Menschen,<br />
in einen homo oeconomicus.<br />
Dass die Ökonomisierung inzwischen die Bildungsprozesse<br />
und Bildungsinstitutionen, dass Schule und Hochschule<br />
längst davon betroffen sind, dürfte wohl keiner bestreiten.<br />
Stichworte wie PISA, Kompetenzorientierung oder Bologna<br />
belegen dies eindeutig. Namhafte Erziehungswissenschaftler,<br />
Soziologen und Bildungstheoretiker haben dies<br />
aufgezeigt. So markiert der Erziehungswissenschaftler Klaus<br />
Zierer in seinem Diskurs mit Kardinal Marx diese Ökonomisierung<br />
der Hochschulen und Universitäten mit<br />
Begriffen wie „Kommerzialisierung, Privatisierung, Profilierung<br />
und Globalisierung“ 2 . Für Richard Münch ist dies<br />
letztlich ein „akademischer Kapitalismus“ 3 .<br />
„Wir haben es mit einer Wirtschaft zu tun, die sich anschickt,<br />
totalitär zu werden, weil sie alles unter den Befehl einer<br />
ökonomischen Ratio zu zwingen sucht (…). Aus Marktwirtschaft<br />
soll Marktgesellschaft werden. Das ist der neue<br />
Imperialismus. Er erobert nicht mehr Gebiete, sondern<br />
macht sich auf, Hirn und Herz der Menschen einzunehmen.<br />
Sein Besatzungsregime verzichtet auf körperliche Gewalt<br />
und besetzt die Zentralen der inneren Steuerung des<br />
Menschen“. 1<br />
Ökonomische Kategorien beschränken sich in der Sicht<br />
dieses flammenden Vetos keineswegs auf die ökonomische<br />
Sphäre. Ökonomische Kategorien des Denkens und<br />
Handelns, also alles unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten<br />
von Gewinnmaximierung, von Nutzen, Leistung und Erfolg zu<br />
sehen, haben längst alle Bereiche des Lebens erfasst. Es ist<br />
ein sanfter Druck, eine fast unmerkliche, leise Übermächtigung,<br />
mit der das Ökonomische in unser Leben<br />
einsickert. Alles wird, folgen wir diesem Zitat, unter das<br />
Diktat der Ökonomie gestellt: Kultur, Sport, Recht, Politik und<br />
– nicht zuletzt – auch Bildung. Mehr noch: eine solche<br />
Ökonomisierung hat den Menschen selber in seinem Herzen<br />
und seinem Hirn und damit „in seiner inneren Steuerung“<br />
erfasst. Es ist ein nachgerade totalitärer Zugriff, aus dem<br />
herauszukommen unmöglich erscheint. Kennen Sie dieses<br />
Zitat? Es stammt nicht von einem Neomarxisten oder<br />
radikalisierten Globalisierungskritiker. Es stammt von dem<br />
bekennenden Katholiken, langjährigen CDU-Mitglied und<br />
1<br />
Blüm, Norbert: Gerechtigkeit. Eine Kritik des Homo oeconomicus, 2006,<br />
81.<br />
2<br />
Marx, Reinhard; Zierer, Klaus: Glaube und Bildung. Ein Dialog zwischen<br />
Theologie und Erziehungswissenschaft, 2013, 133.<br />
3<br />
Münch, Richard: Akademischer Kapitalismus – Zur politischen Ökonomie<br />
Prof. Dr. Grümme während seiner Zukunftswerkstatt.<br />
Foto: B. Münch<br />
Folgt man diesen Autoren, so wird deutlich, dass diese<br />
Ökonomisierung inzwischen nicht nur das Bildungsverständnis<br />
und den Bildungsbegriff selber massiv verändert<br />
hat. Nutzenmaximierung, Funktionalität, Effizienzsteigerung<br />
stehen geradezu im Gegensatz zum<br />
emphatischen Bildungsbegriff, der auf Autonomie und<br />
Freiheit der Subjekte in und durch die Auseinandersetzung<br />
mit Welt und Traditionen ausgerichtet ist 4 . Bildung kann mit<br />
Georg Hilger verstanden werden „als das Ergebnis einer<br />
individuellen und aktiven Auseinandersetzung des<br />
verantwortlichen und handlungsfähigen Subjekts mit der<br />
Welt und der Kultur (als Objekt). Der Mensch wird Subjekt<br />
dadurch, dass er sich am Objektiven abarbeitet. Als Prozess<br />
und Ergebnis kann Bildung zwar durch andere angeregt,<br />
herausgefordert und begleitet werden, aber letztlich bleibt<br />
sie von der Eigenaktivität des Zu-Bildenden abhängig.<br />
Bildung ist deshalb immer Selbstbildung und hat die<br />
Mündigkeit des Subjekts im Blick (…) Selbstbildung zielt auf<br />
die Erfahrungs- und Urteilsfähigkeit des Menschen, auf sein<br />
der Hochschulreform, 2011.<br />
4<br />
…<br />
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