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KRGB Rundbrief 2019/1

GRUND -> RICHTUNG: Zukunft des Religionsunterrichts mitgestalten Dokumentation von Landestagung und Festakt 2018 in Münsterschwarzach zum 120-jährigen Jubiläum des KRGB

GRUND -> RICHTUNG: Zukunft des Religionsunterrichts mitgestalten
Dokumentation von Landestagung und Festakt 2018 in Münsterschwarzach zum 120-jährigen Jubiläum des KRGB

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GRUNDRICHTUNG – Zukunft des Religionsunterrichts mitgestalten<br />

DOKUMENTATION<br />

dagegen. Nur mit einem bestimmten Menschenbild kann<br />

man sich in den Streit um den Menschen offensiv einschalten.<br />

Damit ergeben sich aus unseren bisherigen Überlegungen<br />

folgende Funktionen von Menschenbildern für Bildungsprozesse:<br />

1. Eine analytische Funktion, insofern sie helfen können,<br />

vorhandene Menschenbilder zu entziffern und<br />

freizulegen,<br />

2. Eine normative Funktion, weil die in Bildungsprozesse<br />

eingebrachten Ziele und Methoden stets mit anthropologischen<br />

Hintergrundannahmen verbunden sind. Es<br />

qualifiziert religiöse Bildungsprozesse vollkommen<br />

unterschiedlich, wenn man sie im Lichte eines<br />

ungebrochenen Gutseins des Kindes wie bei Rousseau<br />

oder im Lichte einer durch die Erbsünde zutiefst<br />

geprägten Existenz ausrichtet 18 .<br />

3. Eine kritische Funktion, weil sie die vorhandenen<br />

Menschenbilder kritisieren und mit anderen normativ<br />

aufgeladenen Perspektiven auf den Menschen<br />

konfrontieren. Hierin erscheint dann mit der<br />

dekonstruierenden Bedeutung vorhandener Menschenbilder<br />

zugleich deren prophetisch-befreiende<br />

Dimension.<br />

2. Der Mensch als Geheimnis. Dimensionen christlichtheologischer<br />

Anthropologie<br />

In einem zweiten Schritt benennt Prof. Dr. Grümme<br />

Dimensionen des christlichen Menschenbildes und deren<br />

„Leistungen“ für den Bildungsprozess, aber damit auch<br />

Folgen für unsere Sichtweise auf den Menschen und den<br />

Umgang mit ihnen.<br />

Wie deutlich geworden sein sollte, sind Menschenbilder von<br />

einer inneren Spannung geprägt: Einerseits orientieren sie,<br />

prägen sie, andererseits festigen sie, können sie verengen.<br />

Dies gilt unter gewandelten Vorzeichen des Bilderverbots in<br />

radikaler Weise auch in der Religionspädagogik.<br />

Diese Spannung muss ausgehalten und darf nicht vorzeitig zu<br />

einer Seite hin aufgelöst werden. Vielmehr kann man theologisch<br />

zeigen, dass diese Spannung von Bild und Bildlosigkeit<br />

dem christlichen Menschenbild selber innewohnt. Das<br />

Entscheidende für die christliche Rede vom Menschen ist es,<br />

dass sie in dieser Spannung die Spannung von Nähe und<br />

Ferne Gottes sieht. Der Mensch als Bild Gottes ist der Ort, wo<br />

Gott Wohnung nimmt. „Was ist der Mensch, dass du seiner<br />

gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner<br />

annimmst?“ (Ps 8,5): In dieser Rede werden die Höhe, die<br />

Würde, die Freiheit, aber auch die Endlichkeit und das Elend<br />

des Menschen eindrucksvoll deutlich. Es ist nicht vorlaute<br />

Metaphysik, die durch ontologische Überlegungen meint<br />

festlegen zu können, wer denn der Mensch sei, und die am<br />

Ende auch Gott zu einem Schlussstein eines philosophischen<br />

Denkgebäudes degradiert. Es ist der liebende Gott, der dem<br />

18<br />

Vgl. Boschki, Reinhold: Erbsünde.<br />

19<br />

Vgl. Grümme, Behard: Menschen bilden?<br />

20<br />

Vgl. zu Begründungen Grümme, Bernhard: Menschen bilden. Eine<br />

Menschen Sein, Freiheit und Würde wirksam zusagt und<br />

verbürgt 19 . Von daher ist die christliche Rede vom<br />

Menschenbild im Rückgriff auf die unterschiedlichen<br />

Erfahrungen des Menschen in unterschiedlichen Bereichen<br />

seines Lebens zu entfalten, die er mit sich selber, mit anderen<br />

Menschen und darin mit Gott macht und die sich vor allem<br />

in den biblischen Texten wie diesem Psalmzitat ausgedrückt<br />

finden. Angemessener wäre es deshalb, statt von einer<br />

systematisch ausgearbeiteten Anthropologie von<br />

Dimensionen des Menschen sprechen, in denen sich ein<br />

christliches Menschenbild entfaltet.<br />

Diese Dimensionen sind nicht theologisch oder pädagogisch<br />

deduziert. Sie sind in dem begründet, was man<br />

Personerfahrung nennen könnte. Jeder von uns hat bereits<br />

erfahren, was es heißt, ein begrenztes, endliches Wesen zu<br />

sein. Wer hätte nicht schon die Freuden wie die<br />

Schwierigkeiten des menschlichen Zusammenlebens erlebt<br />

und darin erfahren, dass in gewissen Momenten wirklich der<br />

Kern unseres Lebens berührt ist, wer hätte nicht in<br />

Momenten des Schuldiggewordenseins die Schwere gespürt,<br />

die so sehr auf einem lastet, dass darin tatsächlich Elementares<br />

von dem hervorkommt, was über den Menschen<br />

zu sagen ist. Diese Dimensionen sind aus dem Erfahrungsvollzug<br />

entwickelt und sind an ihn zurückgebunden. Sie<br />

können folgendermaßen benannt werden: 1. Endlichkeit;<br />

2. Körperlichkeit – Leiblichkeit – Geistigkeit; 3. Identität;<br />

4. Sozialität; 5. Freiheit; 6. Versagen – Schuld – Sünde; 7. Zeit;<br />

8. Rationalität; 9. Religion.<br />

Rationalität<br />

Endlichkeit<br />

Religion<br />

Körperlichkeit,<br />

Leiblichkeit,<br />

Geistigkeit<br />

Identität<br />

Zeit<br />

Grafik: Prof. Dr. B. Grümme.<br />

Es ist verständlicherweise ganz unmöglich, hier etwas tiefer<br />

die einzelnen Dimensionen des Menschseins zu verstehen 20 .<br />

Stattdessen konzentriere ich mich auf ganz kurze Hinweise,<br />

die ich dann in ihren Potentialen für den Bildungsprozess<br />

markiere. Im 3. Abschnitt wird dies dann weiter konkretisiert.<br />

Was also könnte eine christlich-theologische Anthropologie<br />

nun einbringen: Es sind folgende Dimensionen:<br />

1. Insbesondere aus den Traditionen des Alten<br />

Testaments (AT) heraus ist für eine christliche<br />

religionspädagogische Anthropologie, 2012, 156-480.<br />

Sozialität<br />

Versagen,<br />

Schuld,<br />

Sünde<br />

Freiheit<br />

<strong>KRGB</strong>-<strong>Rundbrief</strong> 1/<strong>2019</strong> | www.<strong>KRGB</strong>.de<br />

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