08.07.2019 Aufrufe

ra_michael_schmitt_paschen_rechtsanwaelte_arbeitskreis_insolvenzpraxis

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Insolvenzanfechtung –<br />

die Wende ist eingeleitet!<br />

Foto: Horst Schröder / pixelio.de<br />

Arbeitskreis Insolvenzp<strong>ra</strong>xis des BvCM e.V. in Hamburg, 21. Februar 2019


Insolvenzanfechtung<br />

Worum geht es?<br />

§ 133 InsO § 134 InsO § 130/131<br />

Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens<br />

INSOLVENZ-<br />

ANTRAG<br />

.<br />

Vorläufiges<br />

Insolvenzverfahren<br />

.<br />

Gericht<br />

Insolvenzverfahren<br />

10 Jahre / 4 Jahre<br />

vorsätzliche<br />

Gläubigerbenachteiligung<br />

4 Jahre<br />

Unentgeltliche<br />

Leistungen<br />

3 Monate<br />

Anfechtung<br />

kongruente /<br />

inkongruente<br />

Deckung<br />

Anordnung<br />

vorläufige<br />

Insolvenz<br />

Aufhebung des<br />

Insolvenzverfahrens.


Insolvenzanfechtung in der P<strong>ra</strong>xis…


Reform des Anfechtungsrechts<br />

VI.


Änderungen durch die Reform<br />

stark „entrümpelt“ gegenüber dem Referentenentwurf<br />

<br />

<br />

<br />

Anfechtungszeit<strong>ra</strong>um für sog. Deckungshandlungen auf 4 Jahre<br />

reduziert<br />

Anknüpfung an Kenntnis „eingetretener“ statt „drohender“<br />

Zahlungsunfähigkeit bei kongruenter Deckung<br />

„Umkehr“ der Beweislast betr. Kenntnis Zahlungsunfähigkeit,<br />

wenn mit dem Schuldner Zahlungsvereinbarung getroffen<br />

oder Zahlungserleichterung gewährt wurde


Änderungen durch die Reform<br />

Bargeschäft (§142 InsO) nur noch anfechtbar, wenn die<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzungen von § 133 InsO vorliegen und der Gläubiger erkannt<br />

hat, dass der Schuldner unlauter gehandelt hat<br />

kein Fiskusprivileg<br />

gilt für alle Fälle, in denen die Insolvenz nach Ink<strong>ra</strong>fttreten eröffnet<br />

wurde<br />

Verzinsung des Anfechtungsanspruchs nur noch ab Verzugseintritt;<br />

dies gilt auch für Altfälle!


Begründung zur Änderung des § 133 InsO<br />

Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung<br />

Bundestag Drucksache 18/7045<br />

Damit wird der Erosion bewährter und effizienter Verkehrsübungen begegnet, auf deren<br />

Grundlage Unternehmen vorübergehende Liquiditätsengpässe überbrücken können und die<br />

funktional der Gewährung von Überbrückungsfinanzierungen entsprechen können.<br />

Hinter der Regelung steht der Gedanke, dass die mit einer Stundungs- oder<br />

Ratenzahlungsbitte dem Gläubiger offenbar werdende Liquiditätslücke mit Gewährung der<br />

Stundung respektive Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung regelmäßig beseitigt sein<br />

wird. Ein Gläubiger, der einer Stundungs- oder Ratenzahlungsbitte seines Schuldners<br />

entspricht, hat daher grundsätzlich keinen Anlass, von der Insuffizienz des schuldnerischen<br />

Vermögens auszugehen.<br />

Zur Widerlegung der Vermutung des Absatzes 3 Satz 2 muss der Insolvenzverwalter konkret<br />

Umstände darlegen und ggf. beweisen, die da<strong>ra</strong>uf schließen lassen, dass dem<br />

Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der<br />

angefochtenen Handlung doch bekannt war. Die Vermutung hat vor diesem Hintergrund die<br />

Wirkung, dass der Insolvenzverwalter den ihm ohnehin obliegenden Beweis der Kenntnis des<br />

Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners weder auf die Gewährung<br />

der Zahlungserleichterung noch auf die dieser Gewährung typischerweise zugrunde liegende<br />

Bitte des Schuldners stützen kann.


Gesetz nach Reform<br />

Neufassung des § 133 Insolvenzordnung<br />

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den<br />

letzten zehn Jahren vor dem Ant<strong>ra</strong>g auf Eröffnung des<br />

Insolvenzverfahrens oder nach diesem Ant<strong>ra</strong>g mit dem Vorsatz, seine<br />

Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil<br />

zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese<br />

Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die<br />

Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung<br />

die Gläubiger benachteiligte.<br />

(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder<br />

Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeit<strong>ra</strong>um nach<br />

Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.<br />

Das bedeutet, bei Deckungsgeschäften verringert sich der<br />

Anfechtungszeit<strong>ra</strong>um von zehn auf vier Jahre!


Gesetz nach Reform<br />

Neufassung des § 133 Insolvenzordnung<br />

(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder<br />

Befriedigung gewährt und ermöglicht, welche dieser in der Art und zu<br />

der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden<br />

Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Abs. 1 Satz 2 die<br />

eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine<br />

Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine<br />

Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der<br />

Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.<br />

Bei kongruenter Deckung muss die Zahlungsunfähigkeit eingetreten<br />

sein, die drohende reicht nicht mehr aus!<br />

Bei Zahlungsvereinbarungen dreht sich die Beweislast um!


Schlussfolgerung aus Änderung des § 133 InsO<br />

Ratenzahlung/Zahlungserleichterung<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

führt grundsätzlich nicht zur Anfechtbarkeit der erhaltenen Zahlung<br />

ist zur Überbrückung vorübergehender Liquiditätsengpässe ausdrücklich<br />

„zulässig“<br />

bzw. die ihr zugrundeliegenden Umstände dürfen vom Insolvenzverwalter<br />

nicht he<strong>ra</strong>ngezogen werden, um den ihm obliegenden Beweis der<br />

Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer Zahlungsunfähigkeit des<br />

Schuldners zu erbringen<br />

ist unschädlich, wenn nicht erhebliche neue Überfälligkeiten nach<br />

Abschluss entstehen


Aussagen zur Änderung des § 133 InsO<br />

Ratenzahlung/Zahlungserleichterung<br />

Prof. Kayser (Vorsitzender Insolvenzrechtssenat BGH in ZIP 2018,1153)<br />

• Ratenzahlungsbitte zur Überbrückung eines vorübergehenden<br />

Liquiditätsengpass hat keine Indizwirkung<br />

• Offene Forderungen in eigener Sache reichen nicht aus<br />

• Andere offene Forderungen werden auch bei gewerblich tätigen<br />

Schuldnern nicht „automatisch“ vermutet, sondern nur dann, wenn<br />

Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit bereits kennt<br />

• Umstände, die über Stundungsbitte hinaus bekannt sind, können<br />

berücksichtigt werden<br />

Uhlenbruck ( Standardkommentar zur Insolvenzordnung, 15. Aufl, 2019, §<br />

133 Rn. 82a)<br />

• Ratenzahlungsbitte darf nicht als Indiz he<strong>ra</strong>ngezogen werden


Erste Entscheidung nach neuem Recht<br />

LG Aachen, Urteil vom 19.07.2018, Az. 9 O 16/18<br />

Ausgangsfall:<br />

Die Beklagte hatte gegen die Insolvenzschuldnerin offene Forderungen aus<br />

Warenlieferungen für den Zeit<strong>ra</strong>um vom 16.09.2015 bis zum 28.12.2015, wegen<br />

der sie am 20.12.2015 einen Mahnbescheid und am 19.02.2016 einen<br />

Vollstreckungsbescheid in Höhe von 16.442,91 € erwirkte. Seit Juni 2016<br />

vollstreckte sie insgesamt 9.200,00 €, welche die Insolvenzschuldnerin in<br />

Absp<strong>ra</strong>che mit dem zuständigen Gerichtsvollzieher in Raten an diesen zur<br />

Weiterleitung an die Beklagte überwies. Mit Beschluss des Amtsgericht Aachen<br />

vom 06.11.2017 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das<br />

Insolvenzverfahren eröffnet. Die Zahlungen wurden angefochten.


Erste Entscheidung nach neuem Recht<br />

LG Aachen, Urteil vom 19.07.2018, Az. 9 O 16/18<br />

(…) Bei der im Rahmen der Zwangsvollstreckung vereinbarten<br />

Ratenzahlung gemäß § 802b ZPO handelt es sich um eine<br />

Zahlungsvereinbarung im Sinne der des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO…. Hierfür<br />

spricht nicht nur der Wortlaut der Norm, der für einen Ausschluss von<br />

Zahlungsvereinbarungen, die im Rahmen der Zwangsvollstreckung erfolgen,<br />

keinen Anhalt bietet, sondern auch die bereits erwähnte Intention des<br />

Gesetzgebers, vollstreckende Gläubiger besser davor zu schützen, einen<br />

errungenen Vollstreckungserfolg wieder he<strong>ra</strong>usgeben zu müssen (…)


Erste Entscheidung nach neuem Recht<br />

LG Aachen, Urteil vom 19.07.2018, Az. 9 O 16/18<br />

(...)vor allem aber darf die Insolvenzverwalterin im Rahmen des § 133 Abs. 3<br />

S. 2 InsO die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit<br />

des Schuldners weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf<br />

die dieser Gewährung typischerweise zugrunde liegende Bitte des Schuldners<br />

stützen - der Gesetzgeber wollte mit dem neuen Insolvenzrecht ge<strong>ra</strong>de<br />

verhindern, dass der Tatrichter das Ersuchen des Schuldners um<br />

Zahlungserleichterungen als Beweisanzeichen für das Vorliegen der Kenntnis<br />

eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verwendet (…)


P<strong>ra</strong>xishinweise<br />

Reform des Anfechtungsrechtes – was tun?<br />

auch in Altverfahren mit der Reform argumentieren<br />

Aufspaltung Altverbindlichkeiten und Neulieferungen<br />

im Zweifel immer Zahlungsvereinbarungen abschließen<br />

im Zweifel Sanierungskonzept verlangen<br />

Haftungsfalle erweiterter EV in der Krise vermeiden<br />

BGH wird sich nicht über den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers<br />

hinwegsetzen, dass Zahlungserleichterungen künftig nicht mehr der<br />

Anfechtung unterfallen sollen


Für F<strong>ra</strong>gen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung!<br />

PASCHEN Rechtsanwälte PartGmbB<br />

Kaiserin-Augusta-Allee 113<br />

10553 Berlin<br />

www.<strong>paschen</strong>.cc<br />

Ihr Ansprechpartner:<br />

Michael Schmidt<br />

Partner in Berlin<br />

Telefon: 030 / 34 67 56-0<br />

Telefax: 030 / 34 67 56-22<br />

E-Mail: m.schmidt@<strong>paschen</strong>.cc

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!