sporting hamburg SEPTEMBER 2019
Stadtsportmagazin
Stadtsportmagazin
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Blindentennis<br />
© Foto: Andeas Hardt<br />
© Fotos: Betriebssportverband Hamburg<br />
Klingelnde<br />
Bälle<br />
Links: Ronald Hinz (li.) und Axel Eichstädt haben Blindentennis erfolgreich nach Hamburg gebracht.<br />
immer. Trainer zum Beispiel werden immer gesucht, die sich darauf<br />
einlassen können. „Da muss man an den Spieler rangehen. Man muss<br />
bereit sein, den Schüler auch mal anzufassen und ihm zu zeigen, wie er<br />
den Arm führen muss.“ Es gibt zwar Trainerin Sarah, aber die hat auch<br />
nicht immer Zeit. Inzwischen gibt es aber Spieler in fünf Schadensklassen<br />
zwischen B1 wie Ronald und Axel, die außer rudimentären Hell-Dunkel-<br />
Kontrasten nichts sehen (schon gar nicht Bälle), bis B5 mit 20 Prozent<br />
Sehvermögen. „Wenn die spielen, ist das fast wie bei Sehenden.“ Das<br />
sind also ganz andere Anforderungen.<br />
Doch sich Herausforderungen zu stellen, das haben Ronald und Axel<br />
gelernt. „Ich bin schon ehrgeizig“, sagt Ronald Hinz. Das betrifft sein<br />
eigenes Spiel, das betrifft aber auch den Aufbau seiner Blindentennisgruppe,<br />
die inzwischen die größte in Deutschland ist. Es soll aber weitergehen:<br />
„Wir wollen gerne Kinder zwischen vier und zehn Jahren gewinnen“, so<br />
Ronald, „in diesem Alter bringt der Sport sehr viel für die Koordination.“<br />
Und überhaupt: „Blinden Kindern wird auch von ihren Eltern oft nur wenig<br />
zugetraut.“ Wer aber einmal mit Ronald und Axel Tennis gespielt<br />
hat, wird Blinden nie mehr irgendetwas<br />
nicht zutrauen.<br />
Am 23. Oktober veranstaltet<br />
der Betriebssportverband in<br />
der Wendenstraße zwischen 16<br />
und 18 Uhr einen Blindentennis-<br />
Workshop. Jeder kann da einmal<br />
ausprobieren, ob der Sport etwas für ihn ist.<br />
Kontakt und weitere Informationen:<br />
claudia.bergmann@bsv-<strong>hamburg</strong>.de<br />
Das ist doch völlig unmöglich. Du kniest da auf dem Boden der Tennishalle, siehst<br />
genau gar nichts. Außer tiefem Schwarz. Und jetzt sollst du den klingelnden Ball,<br />
der da hörbar auf Dich zukommt, mit einem Tennisschläger treffen. Lächerlich.<br />
Es ist ein einziges Versuchen und Scheitern. Wie bitte soll man einen Ball<br />
treffen, wenn man nichts sieht? „So haben wir alle angefangen“, tröstet<br />
Ronald Hinz, „irgendwann geht es tatsächlich.“<br />
Muss ja wohl. Er macht das schließlich regelmäßig und seine Mitspieler<br />
auch. Heute ist Axel Eichstädt mit in der Halle des Betriebssportverbandes<br />
an der Wendenstraße. Sie haben schon ein Feld mit Klettband abgesteckt,<br />
mit den Füßen spüren sie so die Auslinien und können sich orientieren.<br />
Sehen können sie wie gesagt nichts, Ronald und Axel spielen Blindentennis.<br />
Sie haben die Gruppe vor etwa eineinhalb Jahren gegründet. Eine<br />
Erfolgsgeschichte. „16 Aktive spielen inzwischen bei uns“, sagt Ronald,<br />
der Initiator und „Kopf“ dieser unwahrscheinlichen und krassen<br />
Sportgeschichte. „Ich bin selbst immer noch begeistert, wenn ich den<br />
Ball treffe.“ Das tut er. Bei unserem Spielchen kommt die klingelnde<br />
Schaumstoffkugel regelmäßig zurück. Und Ronalds Aufschläge... – aber<br />
hallo! Dreimal darf der Ball auftippen, er ist auch etwas größer und<br />
langsamer als bei sehenden Spielern, und das Feld ist kleiner. Na gut,<br />
irgendeine Hilfe muss es ja geben. Aber die Sache ist auch für den Sehenden<br />
auf der anderen Seite ein Spaß und keinesfalls<br />
einfach. Irgendwann will man einfach den Ball<br />
erwischen und ihn zurückschlagen. Tennis<br />
eben. Und dann vergisst man einfach, dass<br />
der „Gegner“ drüben im völligen Dunkel steht.<br />
„Das“, sagt Ronald, „das ist dann Inklusion.“<br />
Deshalb auch ist Tennis so klasse. Ronald<br />
kann mit seiner Frau und seiner Tochter im<br />
Urlaub oder der Freizeit spielen, jeder kann<br />
das. Beim Tennis braucht es nicht so viele<br />
Mitspieler wie beim Fußball zum Beispiel.<br />
Das haben die beiden Tennis-Asse vorher<br />
jahrelang beim FC St. Pauli gemacht. „Mir<br />
wurde es irgendwann zu hart und zu anstrengend“, erzählt Axel, „deshalb<br />
habe ich etwas Neues gesucht. Da kam Tennis gerade richtig.“ Axel ist<br />
50 Jahre alt, ein Verwaltungsfachangestellter, der trotz seines Handicaps<br />
beim FC St. Pauli Schachpunktspiele bestreitet. Ronald ist drei Jahre älter<br />
und Richter. „Ich hatte davon gehört und bin dann zu einem Workshop<br />
nach Köln gefahren“, erzählt er, „danach habe ich beschlossen: Das ist<br />
es.“ Im Januar 2018 haben sie die Sache also begonnen, im April des<br />
Jahres gab es einen Einführungs-Workshop. Der Durchbruch. „14 Leute<br />
sind dabei hängen geblieben“, erzählt Ronald und philosophiert in Sachen<br />
Gruppengrößen: „Ab einer bestimmten Masse trägt sich etwas selbst.<br />
Ab zehn Spielern wird es gehen, einfach weil auch die interne Werbung<br />
und die Netzwerke funktionieren.“ Der Erfolg aber bringt auch neue<br />
Herausforderungen. Die Spezialbälle kosten sieben Euro pro Stück, die<br />
Hamburger Spohn Stiftung hilft da zum Glück. Und Hallenzeiten sind<br />
ein großes Thema. Als sie angefangen haben, gab es nur Absagen von<br />
Hamburger Tennisclubs. Ronald und Axel sind zu gut erzogen, um genau<br />
zu sagen, wer sie nicht wollte. „Es war eine Front zwischen Skepsis<br />
und Ablehnung.“ Die Rettung war die Betriebssportgemeinschaft mit<br />
ihrer Anlage am Berliner Tor. Ein Glücksfall.<br />
Die Blindentennissparte in der BSG Justiz<br />
war dann schnell gegründet. Mit Beginn der<br />
Wintersaison ab Mitte September haben<br />
sie jetzt eine echte Sahnezeit: zwei Plätze<br />
zwischen 17 und 20 Uhr – „besser geht es<br />
nicht“, meint Ronald. Doch, besser geht es<br />
Uns<br />
auf<br />
Anzeige<br />
Folgt uns doch auch auf<br />
Facebook. Guckt uns beim<br />
Entstehen der nächsten<br />
Ausgabe über die Schulter,<br />
erfahrt frühzeitig, welche<br />
Themen anstehen, und füttert<br />
uns mit Ideen und Infos. Wir<br />
freuen uns auf Euch.<br />
Facebook<br />
folgen!<br />
facebook.com/<br />
<strong>sporting</strong><strong>hamburg</strong><br />
32<br />
Jedem Aufschlag geht ein Dialog voraus, „Ready?“<br />
(Aufschläger ), „Yes!“ (Rückschläger), „Play.“ (Aufschläger).