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Gazette Wilmersdorf September 2019

Gazette für Wilmersdorf, Schmargendorf, Grunewald und Halensee

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4 | <strong>Gazette</strong> Charlottenburg <strong>Wilmersdorf</strong> | <strong>September</strong> & <strong>Wilmersdorf</strong> <strong>2019</strong><br />

Ladenöffungszeiten und Spätis im Bezirk<br />

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) diskutiert<br />

Sonntags noch schnell ein Bier oder etwas<br />

Süßes kaufen? Für die Einen sind Spätis<br />

praktische Ergänzungen, für die Anderen<br />

sind sie überflüssig. Auch die Meinungen<br />

der BVV-Fraktionen gehen auseinander.<br />

In den folgenden Beiträgen nehmen sie<br />

zu diesem Thema Stellung.<br />

Berlin SPD-Fraktion<br />

Spätis sind oft Bestandteil eines lebendigen<br />

Kiezes - als Treffpunkt oder feste Größe in<br />

der Spontanversorgung. Es ist deshalb ein<br />

nachvollziehbarer Wunsch, Spätis auch<br />

Sonntagsöffnungen zu ermöglichen. Und im<br />

ersten Moment klingt es gut: Ladenbesitzer<br />

können am oft umsatzstärksten Tag öffnen<br />

und Kund*innen können einkaufen gehen.<br />

Doch es ist komplexer, auch weil es für Spätis<br />

keine einheitliche Definition gibt, sowie Art<br />

und Umfang des Verkaufs stark variieren.<br />

Verschiedene Herangehensweisen, wie zum<br />

Beispiel, Ladengröße, Sortiment oder der alleinige<br />

Verkauf durch Inhaber*innen, führen<br />

bei näherer Betrachtung nur zu weiteren<br />

Fragen. Diese Fragen müssen aus unserer<br />

Sicht vorher geklärt werden - und auch ob<br />

es sinnvoll und notwendig ist, den Spätis<br />

mit einer Sonntagsöffnung einen Wettbewerbsvorteil<br />

gegenüber dem Einzelhandel<br />

zu verschaffen.<br />

Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass<br />

Berlin bereits das liberalste Ladenöffnungsgesetz<br />

aller Bundesländer hat: Montags bis<br />

samstags dürfen Geschäfte rund um die<br />

Uhr öffnen. Zudem gibt es mehrere verkaufsoffene<br />

Sonntage. Eine grundsätzliche<br />

Ausweitung der Ladenöffnungszeiten für<br />

den Einzelhandel, so wie es die FDP auf Landesebene<br />

zuletzt gefordert hat, lehnen wir<br />

dagegen ab.<br />

Alexander Sempf<br />

www.gazette-berlin.de<br />

CDU-Fraktion<br />

Sonntag – der Ruhetag. Als CDU-Fraktion<br />

stimmen wir dem zu. Nicht nur aus Sicht<br />

des Grundgesetzes, sondern auch aus Sicht<br />

unserer christlichen Werte.<br />

Und doch gehören „Spätis“ zu Berlin – auch<br />

am Sonntag. Sie sind nicht nur Anlaufstelle<br />

für Touristen, sondern mittlerweile zentraler<br />

Bestandteil der Berliner Kieze. Selbstverständlich<br />

kann man in Zeiten, wo Supermärkte<br />

bis tief in die Nacht geöffnet haben,<br />

seine Wocheneinkäufe flexibel erledigen.<br />

Allerdings darf man auch nicht verkennen,<br />

dass viele Mitbürger in Wohngebieten auf<br />

die Versorgung durch Spätis angewiesen<br />

sind. Ein vernünftiger Kompromiss wäre eine<br />

inhabergeführte Öffnung. Wenn die Chefin<br />

oder der Chef am Sonntag öffnen und arbeiten<br />

will, wieso sollte man ihnen diese freie<br />

Entscheidung verbieten? Das Land Berlin<br />

könnte das Ladenöffnungsgesetz dementsprechend<br />

anpassen. Und natürlich ist dabei<br />

auch Augenmaß gefragt. Wir brauchen keine<br />

Party-Spätis oder Tankstellen, die zu Supermärkten<br />

mutieren.<br />

An Gesetze muss man sich halten. Aber Gesetze<br />

kann man auch klug ändern. Doch die<br />

linke Arbeitssenatorin interessiert das alles<br />

nicht. Das ist eindeutig ein schwerer Schlag<br />

gegen den Einzelhandel und die Berliner<br />

Kiezkultur.<br />

Simon Hertel<br />

B‘90/Grünen-Fraktion<br />

Sonntage haben „als Tage der Arbeitsruhe<br />

und der seelischen Erhebung“ Verfassungsrang.<br />

Und Ladenöffnungszeiten sind für den<br />

Schutz von Arbeitnehmer*innen wichtig.<br />

Der oft belächelte Schulterschluss von Kirchen<br />

und Gewerkschaften hat also einen<br />

ernsten Hintergrund. Freilich: für die Spätis,<br />

meist inhabergeführte Läden, geht es<br />

bei der Sonntagöffnung um die Existenz.<br />

Da ist nur der Verkauf von „Reiseartikeln“<br />

erlaubt, erklärt das Bezirksamt, und fahndet<br />

regelmäßig und personalintensiv nach Toast,<br />

Zucker und Kaffeepulver. Am Ende bekommt<br />

es vor Gericht recht und gewonnen hat doch<br />

niemand.<br />

Die Läden sind Institutionen im Kiez und aus<br />

dem Leben der Berliner*innen nicht mehr<br />

wegzudenken. Wir Grüne haben deshalb<br />

einen Dialog über die Zukunft der Spätis<br />

begonnen - mit den Besitzer*ìnnen, den<br />

Kund*innen und der Anwohnerschaft, über<br />

eine Anpassung der Regelungen und die<br />

Möglichkeiten der Läden selbst, Bußgelder<br />

zu vermeiden und ihre Existenzgrundlage zu<br />

sichern. Den Weg wollen wir weitergehen.<br />

Wir werden aber auch denen in den Arm<br />

fallen, die bei der Gelegenheit den Sonntag<br />

gleich ganz schleifen wollen. Wer Freiheit<br />

mit Konsum rund-um-die-Uhr verwechselt,<br />

sollte es doch nochmal mit der „seelischen<br />

Erhebung“ versuchen.<br />

Christoph Wapler<br />

FDP-Fraktion<br />

Charlottenburg-<strong>Wilmersdorf</strong> ist besonders<br />

engagiert darin, zu verhindern, dass<br />

Menschen am Sonntag sich unkompliziert<br />

fehlende Lebensmittel kaufen können. Von<br />

2017 zu 2018 hat sich die Zahl der geschriebenen<br />

Anzeigen mehr als verdoppelt. In keinem<br />

anderen Berliner Bezirk wurden höhere<br />

Bußgelder verhängt. Die Frage ist nur, wem<br />

hilft diese Verbotskeule?<br />

Die Inhaber der Geschäfte stehen oft selbst<br />

hinter dem Tresen. Ihnen fehlt das Einkommen,<br />

wenn sie nicht öffnen dürfen. Sie<br />

profitieren also nicht von solchen Verboten.<br />

Genauso wenig hilft es den Menschen in<br />

unserem Bezirk. Ihnen wird nur ein Stück<br />

Freiheit und Kiezkultur genommen.<br />

Manche sagen, dass es doch genügend Zeit<br />

an anderen Wochentagen gäbe, um einkaufen<br />

zu gehen. Doch es ist eben nicht der Wocheneinkauf,<br />

der im Späti erfolgt, sondern<br />

die vergessene Zutat oder der spontane Getränkewunsch.<br />

Es kann zudem niemand verstehen,<br />

wieso Tankstellen oder Geschäfte an<br />

Bahnhöfen sonntags geöffnet sein dürfen,<br />

der Späti gegenüber jedoch nicht. Verbote,<br />

die niemanden nützen, sollten abgeschafft<br />

werden. Passen wir die Regeln dem Leben<br />

an. Die FDP-Fraktion setzt sich deshalb dafür<br />

ein, dass Spätis selbstverständlich auch am<br />

Sonntag öffnen dürfen.<br />

Pascal Tschörtner<br />

Alternative<br />

für<br />

Deutschland<br />

AfD-Fraktion<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat 2009 in<br />

der Sonntagsruhe eine wesentliche Grundlage<br />

für die Erholungsmöglichkeiten der<br />

Menschen und für ein soziales Zusammenleben<br />

gesehen und festgestellt, dass ein wirtschaftliches<br />

Umsatzinteresse wie auch ein<br />

„Shopping-Interesse“ für Ausnahmen nicht<br />

ausreichen. Das Bundesverwaltungsgericht<br />

hat 2014 festgestellt, dass der Arbeitnehmerschutz<br />

Vorrang genießt, wenn Sonntagsarbeit<br />

vermieden werden kann. Daher sehen<br />

die Ladenöffnungsgesetze Ausnahmeregelungen<br />

(z. B. für Apotheken, Zeitungskioske,<br />

Tankstellen, Warenautomaten, Bahnhöfe)<br />

und aus besonderen Anlässen vor. Darüber<br />

hinaus darf bei Rettungsdiensten, bei Feuerwehr<br />

und Polizei, in der medizinischen<br />

Versorgung, bei Energieversorgern und der<br />

Mobilität, z. B. bei Bussen und Bahnen sowie<br />

im Luftverkehr, an Sonn- und Feiertagen<br />

gearbeitet werden, ebenso im Hotel- und<br />

Gaststättengewerbe. Dies ist erforderlich<br />

und wird auch von niemandem bezweifelt.<br />

Gewerkschaften und Kirchen wenden sich<br />

aber zu Recht gegen darüber hinaus gehende<br />

Sonn- und Feiertagsarbeit. An Werktagen<br />

besteht genug Gelegenheit, sich zu versorgen.<br />

Ein Bedürfnis, „Spätis“ an Sonn- und<br />

Feiertagen zu öffnen, besteht nicht, zumal<br />

Tankstellen, Bahnhöfe und Gaststätten verfügbar<br />

sind.<br />

Markus Bolsch<br />

Linksfraktion<br />

Sonntags bleiben Geschäfte geschlossen.<br />

Für DIE LINKE gilt dies für Spätis nicht anders<br />

als für Handelskonzerne. Die Frage, ob ein<br />

Laden sonntags geöffnet haben sollte, stellt<br />

sich insofern nicht nur beim Spätkauf im<br />

Kiez, sondern auch bei der Tankstelle und<br />

dem Supermarkt an der Ecke. Denn verkaufsoffene<br />

Sonntage gehen vor allem zu Lasten<br />

der Beschäftigten und deren Familien. Deswegen<br />

gelten die Bestimmungen des Ladenöffnungsgesetzes<br />

für alle. Während Wochenendarbeitszeiten<br />

wie von Pflegekräften,<br />

Polizei und Feuerwehr eine Notwendigkeit<br />

sind, ist die Öffnung von Geschäften vor<br />

allem eines: umsatzorientiert. Der Sonntag<br />

ist jedoch oft der einzig verlässliche Familien-<br />

und Ruhetag, der im Sinne des Arbeitsschutzes<br />

nicht weiter ausgehöhlt werden<br />

sollte. Vielmehr muss darüber gesprochen<br />

werden, wie die Kinder der Beschäftigten<br />

betreut werden, die am Wochenende arbeiten<br />

müssen, ob mehr Menschen auch<br />

ein Bier in der Eckkneipe trinken würden,<br />

wenn dort die Preise nicht wegen explodierender<br />

Gewerbemieten ständig stiegen oder<br />

warum das Lebensgefühl in den Kiezen an<br />

Spätis gebunden ist, statt Stadträume neu<br />

und ohne verkaufsorientierte Angebote zu<br />

denken, bspw. in verkehrsberuhigten Kiezen,<br />

durch Parklets oder mehr Stadtgrün.<br />

Annetta Juckel<br />

Vorwort --<br />

SPD 1233<br />

CDU 1191<br />

Grüne 1229<br />

FDP 1208<br />

AfD 1243<br />

Linke 1236<br />

KIRCHHOFF<br />

RECHTSANWÄLTE<br />

STEUERBERATER<br />

Dr. Michael Kirchhoff<br />

Rechtsanwalt - Steuerberater<br />

Fachanwalt für Steuerrecht<br />

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht<br />

Hohenzollerndamm 201<br />

10717 Berlin<br />

Telefon: 030/8649830<br />

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