Ottakringer Flaneur Ausgabe 1/2019
Das neue Bezirksmagazin für Wien 16.
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12 Orte und ihre Geschichte<br />
Text: Al Bird Sputnik<br />
STAR<br />
CLUB<br />
Wien<br />
Unter den heimischen Jugendtreffs<br />
der 1960er-Jahre sticht ein Ort besonders<br />
hervor, der – für Wiener<br />
Verhältnisse recht untypisch – mit<br />
internationalem Flair und Musik am<br />
Puls der Zeit zu punkten vermochte<br />
und dessen Name in der Retrospektive<br />
synonym für geglückte Nachwuchsförderung<br />
steht. Ein Club in<br />
der Peripherie der Bundeshauptstadt,<br />
über den es heisst, dass dort die<br />
besten österreichischen Bands ihrer<br />
Zeit aufgetreten seien: alle hätten<br />
sie dort gespielt, von den Bambis<br />
bis zu den Slaves und darüber hinaus<br />
so-gut-wie-jede Wiener Twistoder<br />
Slop-Combo, die genügend<br />
Repertoire für einen abendfüllenden<br />
Gig zusammenstoppeln konnte. Und<br />
das alles inmitten von Rotlicht-Spelunken,<br />
Stoßpartie-Platten und provinziellen<br />
Fünf-Uhr-Tees. Der Star<br />
Club Wien, beheimatet im <strong>Ottakringer</strong><br />
Albert Sever Saal.<br />
Zur Vorgeschichte: Sonntägliche Tanzveranstaltungen<br />
der Jungen Generation<br />
Ottakring hatten im geräumigen<br />
Albert Sever Saal am Schuhmeierplatz<br />
bereits in den späten 1950er-Jahren<br />
Konjunktur, wo sich die B- und C-Liga<br />
heimischer SchlagersängerInnen –<br />
unter wechselnder Beschlagwortung<br />
(etwa: „Rendezvous der Jungen“) – die<br />
Bühne mit HumoristInnen, gelegentlich<br />
ZirkusartistInnen und ZauberkünstlerInnen<br />
teilte. Auch Bezirkspolitiker,<br />
vom Gemeinderat abwärts, waren geladen,<br />
um einleitende Wort zu sprechen.<br />
Ein Blick in lokale Archive befördert<br />
zudem längstvergessene Altherren-Tanzkapellen<br />
wie Die Melodischen<br />
6 oder Die Rhythmischen 7<br />
zu Tage, die alternierend für die akustische<br />
Unterfütterung der Abende zuständig<br />
waren: Swing, Dixieland und<br />
Schlager – Musik, wie aus einer Vico<br />
Torriani-Revue. Der Andrang von Bohémiens,<br />
Beatniks und Coolcats der<br />
Stadt, dem Schauspiel beizuwohnen<br />
hielt sich demgemäß in Grenzen.<br />
Erst im Jahr 1962 erlebte die Veranstaltungsreihe<br />
ihren Durchbruch, als<br />
der 21-jährige Schriftsetzer und Schluckauf-Sänger<br />
Hannes Patek zum Chef-<br />
Conférencier bestellt wurde. Die Altherren-Tanzkapellen<br />
hatten ausgedient<br />
und wichen zeitgemässen Rock-N-<br />
Roll- und Beat-Formationen aus der<br />
lokalen Subkultur. Aus dem anachronistischen<br />
Schlager-Stelldichein wurde<br />
– in Anlehnung an das gleichnamige<br />
Hamburger In-Lokal – der Star Club<br />
Wien, der sich über Nacht zum Stadtgespräch<br />
entwickelte. Die ungestümen<br />
Live-Shows, die Patek fortan mit wechselnden<br />
Begleitbands auf die Bühne<br />
brachte, waren ein Novum in der Wiener<br />
Szene und bescherten der Einrichtung<br />
ein stetig wachsendes Publikum<br />
euphorischer Teenager.<br />
Bis zu drei heimische Bands waren<br />
allabendlich auf der Bühne zu sehen,<br />
doch auch Gastspiele renommierter<br />
Showgrößen aus Funk und Fernsehen,<br />
die zu einer spontanen Autogrammstunde<br />
in den Albert Sever Saal eingeladen<br />
wurden, standen auf dem<br />
Programm. So kamen etwa Peter Alexander,<br />
Roy Black, Udo Jürgens und<br />
sogar Ella Fitzgerald. Guter Stoff für<br />
die lokale Presse, die immer häufiger<br />
Berichte über Besucher-Rekorde des<br />
Star Clubs brachte: „600 Glückliche<br />
fanden Einlaß, 300 Enttäuschte, die<br />
keine Karten mehr bekommen hatten,<br />
trösteten sich im Hinblick auf den<br />
nächsten Sonntag“. Sogar vom „größten<br />
Tanzclub Österreichs“ war bereits<br />
die Rede.<br />
Zu veranstalterischen Richtlinien zählten<br />
die Betriebszeiten des Star Clubs<br />
(„Sonntag von 17 bis 20 Uhr“) sowie<br />
moderate Fixpreise, die der sozialistischen<br />
Tradition der Direktion verpflichtet<br />
waren („15 Schilling Eintritt<br />
ohne Konsumationszwang“). „Kein<br />
Neppen von Jugendlichen also, sondern<br />
reines Tanzvergnügen“, konstatierte<br />
eine Gewerkschaftszeitung im<br />
Frühling 1966.<br />
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