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ZeitBlatt Magazin "80 Jahre Romy"

Die Welt hielt 1982 den Atem an, als bekannt wurde, das Romy Schneider starb. Leise hatte sie ein lautes Leben verlassen. Romy Schneider selbst beschrieb ihren Wunsch, ihre Denkweise über dieses Leben mit den Worten „Besser kurz und schön als lang und in Maßen“. „Das Maß“ – in ihrem Leben hatte sie wahrscheinlich nie gefunden. Als Autorin des Buches Bühne des Lebens und als Inhaberin des Romy Schneider Archiv ist es meine persönliche Meinung – dass es das Mittelmaß- zwischen den Dingen in Romy Schneiders Lebens nie etablierte. Romy Schneider als Schauspielerin, Weltstar und Frau – betrachte ich als ein Leben, geführt permanent am Limit. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.

Die Welt hielt 1982 den Atem an, als bekannt wurde, das Romy Schneider starb. Leise hatte sie ein lautes Leben verlassen. Romy Schneider selbst beschrieb ihren Wunsch, ihre Denkweise über dieses Leben mit den Worten „Besser kurz und schön als lang und in Maßen“. „Das Maß“ – in ihrem Leben hatte sie wahrscheinlich nie gefunden. Als Autorin des Buches Bühne des Lebens und als Inhaberin des Romy Schneider Archiv ist es meine persönliche Meinung – dass es das Mittelmaß- zwischen den Dingen in Romy Schneiders Lebens nie etablierte. Romy Schneider als Schauspielerin, Weltstar und Frau – betrachte ich als ein Leben, geführt permanent am Limit. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.

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Einleitung<br />

„Die Erinnerung ist oft das schönste“<br />

„Ich werde weiterleben und das richtig gut“<br />

„Besser kurz und schön als lang und in Maßen“<br />

-Romy Schneider-<br />

In diesem Jahr wäre Romy Schneider <strong>80</strong> <strong>Jahre</strong> alt geworden.<br />

Die Welt hielt 1982 den Atem an, als bekannt wurde das Romy Schneider starb. Leise hatte sie ein<br />

lautes Leben verlassen. Romy Schneider selbst beschrieb ihren Wunsch, ihre Denkweise über<br />

dieses Leben mit den Worten „Besser kurz und schön als lang und in Maßen“. „Das Maß“ - in ihrem<br />

Leben hatte sie wohl nie gefunden. Als Autorin des Buches Bühne des Lebens und als Inhaberin<br />

des Romy Schneider Archivs ist es meine persönliche Meinung – das sich das Mittelmaßzwischen<br />

den Dingen in Romy Schneiders Leben nie etablierte. Romy Schneider als<br />

Schauspielerin, Weltstar und Frau – betrachte ich als ein Leben, geführt permanent am Limit.<br />

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Alles ist perfekt, das private Glück, der berufliche Erfolg<br />

– alles, aber wirklich alles ist so schlecht wie es dramatischer nicht möglich wäre. Das wäre meine<br />

Antwort auf die Frage wie ich ihr Leben in einem kurzen Satz beschreiben würde. Aber das ist<br />

meine Meinung, und vielleicht auch nur meine Meinung. So wie alles im Leben immer im Auge des<br />

Betrachters liegt.<br />

So verhält es sich auch mit dem heutigem Interesse an der Person und der Schauspielerin Romy<br />

Schneider.<br />

Wer war Romy Schneider?<br />

Diese Frage stellte ich mir mein Leben lang. Mein Leben lang begeisterte ich mich für Romy<br />

Schneider. Bereits in frühster Jugend habe ich damit begonnen alles über Romy Schneider zu<br />

sammeln was mir in die Hände geriet. Bis heute betrachte ich diese Person, als Künstlerin wie<br />

auch als Mensch – als ewigen Mythos, als Legende.<br />

Doch was ist ewig?<br />

„Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ - predigt die Kirche.<br />

Nun, ich persönlich glaube nicht an Gott. Diese beschriebene Ewigkeit entzieht sich somit meiner<br />

Vorstellungskraft - leider. Viel mehr glaube ich daran, das Nichts ewig ist. Romy Schneider gilt als<br />

Mythos, als Legende – unvergessen, geliebt, und in den Herzen eines Millionen Publikums.<br />

Im Wandel der Zeit erkenne ich, das es immer weniger Menschen gibt, die sich von Romy<br />

Schneider in ihren Bann gezogen fühlen, die sich weder für die Person, als auch das künstlerische<br />

Werk dieser Frau interessieren. Nach der Veröffentlichung von Bühne des Lebens plante ich ein<br />

weiteres Werk zu Ehren Romy Schneider zu Ihrem <strong>80</strong>. Geburtstag in diesem Jahr. Doch eines<br />

Tages stellte ich mir die Frage was ich eigentlich noch sagen will, ich habe doch schon so viel<br />

gesagt und noch mehr geschrieben.<br />

Was die Herausgabe eines Buches an dieser Stelle überflüssig macht. Auch wollte ich nicht das<br />

tausendste Buch über Romy Schneider schreiben.


So kam ich, zusammen mit dem Vorstand meines Romy Schneider Archiv e.V zu der Erkenntnis, es<br />

bei der Herausgabe eines <strong>Magazin</strong>s anlässlich des <strong>80</strong>. Geburtstages zu belassen.<br />

Es mag sein, das Romy Schneider in der heutigen Zeit, im Zeitalter eines medialen Überangebotes<br />

nicht mehr von allzu großem Interesse ist. In Zeiten von Social Media Stars oder auch<br />

Influencern – was meiner Meinung nach , nach einer mittelschweren Krankheit klingt...Ist das<br />

Interesse an den wirklichen Ikonen, den Personen die in ihrem Leben doch tatsächlich etwas<br />

geleistet haben, viel mehr etwas bewirkten – gesunken. So lässt sich auf dem Internationalen<br />

Markt beobachten wie Exponate von oder über Romy Schneider den Sammlern völlig hinterher<br />

geschmissen werden. Noch vor einiger Zeit war es so, das sich ein Sammler daran erfreute<br />

Autogramme, Bücher oder gar Objekte die ihr persönlich gehörten zu erwerben. Das war etwas<br />

ganz besonders.<br />

Heute ist es anders. Heute ist der Sammler an Dumpingpreise gewöhnt, denn er verfolgt die<br />

erzielten Preise auf zahlreichen Online Plattformen. Original Fotografien, Handabzüge von<br />

Fotografen mit deren Signatur sind drastisch im Wert gesunken. Denn Heute gibt es Google,<br />

Facebook oder Instagram, um nur einige der neuen Quellen zu benennen. Dort so das verbreitete<br />

denken, ist es möglich sich die Fotografie herunterzuladen um sie anschließend im Fotoautomaten<br />

auszudrucken.<br />

Dies ist die eine Seite die ich ohne sie zu bewerten niederschreibe. Die andere Seite ist die, das der<br />

Kreis derer, welche überhaupt etwas über Romy Schneider wissen, immer überschaubarer wird –<br />

gerade in der Generation von „heute“. Mein persönliches Ziel ist es nie gewesen, diesen Menschen<br />

Romy Schneider näher zu bringen. Mein Ziel ist und bleibt es, jenen die sie kennen und verehren<br />

den Menschen Romy Schneider noch ein Stück weit näher zu bringen. Dies durch die Publikation<br />

von vielleicht unbekanntem Material in meinen Büchern als auch im Romy Schneider Archiv.<br />

Mein ganz persönliches Anliegen ist die Schauspielkunst. Die Bühnenkunst in der Welt des<br />

Theaters und des Films nach den großen Mythologen Jerzy Grotowski, Konstantin S. Stanislawski,<br />

Lee Strasberg. Als Schauspielerin war es Romy Schneider gelungen diese Kunst zu verstehen, zu<br />

verinnerlichen und dem Publikum zu präsentieren. Zeugnis dafür sind ihre zahlreichen Filme<br />

beispielsweise mit Ihrem Lehrer, Ihrem Meister, Ihrem Weggefährten Luchino Visconti. Sie selbst<br />

sagte einmal, „ich bin keine Liz Taylor, keine Marilyn Monroe, aber ich bin Schauspielerin –<br />

verstehen sie?“ Das ist es worauf ich meine Arbeit für das Romy Schneider Archiv und auch meine<br />

Arbeit als Autorin des Buches Bühne des Lebens begründe. Sie war eine Schauspielerin welche der<br />

Nachwelt, uns Künstlern oder auch Filmbegeisterten etwas bleibendes hinterließ.<br />

Kunst basiert auf der Grundlage eines Fundamentes, auf Talent, Technik und das Wissen darüber<br />

eine erlernte Technik anzuwenden, was durch die permanente Arbeit des Schauspielers an sich<br />

selbst und des Rollenfaches erreicht werden kann – dies sind Themen des ersten Semesters einer<br />

jeden Schauspielschule. An dieser Stelle möchte ich meine Mentorin zitieren, die einmal zu mir<br />

sagte: „ Es ist nicht wichtig welches Talent in dir steckt, es ist nur wichtig was du bereit bist dafür<br />

zu tun, an dir selbst zu arbeiten.“ Heute ist ein solches Wissen über Grundlagen und Technik einer<br />

Kunst nur selten erkennbar in den Darstellungen der jeweiligen Protagonisten. Im<br />

Schauspielbereich gibt es natürlich Namen von Größen die heute auf der selben Stufe stehen wie<br />

Romy Schneider damals. Dies möchte ich nicht bestreiten und schon gar nicht in Frage stellen.<br />

Dennoch gibt es auch die andere Seite auf der sich die sogenannten Personen des öffentlichen<br />

Lebens wiederfinden, für deren passende Beschreibung nur wenige Worte genügen – nichts<br />

gelernt, nichts geleistet – sich selbst mit dem Namen Weltstar getauft.


Junge Talente zu fördern, ihre Begabungen zu erkennen und sie auf Ihrem Weg zu begleiten.<br />

Diese Aufgabe haben wir uns mit der Arbeit des Romy Schneider Archiv e.V. zum Ziel gesetzt.<br />

Zusammen mit unseren Gründungsmitgliedern suchten wir nach Möglichkeiten die Wege<br />

aufzeigen dieses Ziel zu erreichen. In Boxpromoterin Eva Rolle fanden wir eine gestandene<br />

Persönlichkeit mit dem Herzen auf dem rechtem Fleck. Eva Rocky Rolle oder auch“Pitbull“<br />

konzipierte bereits vor einigen <strong>Jahre</strong>n ein Projekt welches Kinder der Großstadt ländliche<br />

Gebiete besuchen lies um dort etwas von den Grundlagen des Boxsportes zu erfahren.<br />

Gemeinsam entstand die Idee dieses Projekt erneut ins Leben zu rufen, im sportlichen Bereich als<br />

auch in der Kunst – im darstellenden Spiel. Am Ende dieses <strong>Magazin</strong>s stellt sich das Romy<br />

Schneider Archiv e.V. vor, lesen sie dort über die Entstehung des Vereins und natürlich über<br />

unsere Philosophie. Vielleicht ist es uns gelungen, mit unseren Ideen, unserem Konzept etwas<br />

anzusprechen was auch Ihren Wünschen und Vorstellungen entspricht. Wir würden uns freuen,<br />

zahlreiche neue Mitglieder begrüßen zu dürfen die gemeinsam mit uns an der Realisierung dieser<br />

Ziele arbeiten.<br />

Die Einleitung zu diesem <strong>Magazin</strong> möchte ich mit einem Gesprächsresüme beenden.<br />

Ich wurde von einer mir nahestehenden Person angesprochen warum ich mich mit Toten<br />

beschäftige. Eine ganz banale und plumpe Frage – wie ich fand. Da es für mich keine „doofen<br />

Fragen“ sondern nur „doofe Antworten“ gibt setzte ich mich mit dieser mit weniger<br />

verständlichen Frage auseinander. Gemeint war natürlich - Romy Schneider. Dieses Gespräch,<br />

vielmehr der Inhalt des Gespräches beschäftigte mich eine lange Zeit. So kam es, das ich meine<br />

Arbeit sogar für einen kurzen Moment in Frage stellte und mich selbst nach dem warum fragte...<br />

Heute kenne ich die Antwort auf diese Frage... Die Schauspielkunst, ihre Geschichte die Personen<br />

die etwas auf diesem Gebiet vollbrachten sind das Bestreben meiner Arbeit. Das Bestreben des<br />

Romy Schneider Archivs, sowie auch das Bestreben des <strong>ZeitBlatt</strong> <strong>Magazin</strong>s. Nachhaltigkeit, Talent<br />

– Kunst, das ist es was wir als unsere Passion beschreiben. Diese Themen sollen uns auch<br />

weiterhin beschäftigen, denn das ist das Getriebe des Motors der uns in unserem kreativen<br />

Schaffen antreibt. Unsere Zielsetzungen und Leitfäden die wir auch in Zukunft verfolgen und<br />

verwirklichen wollen.<br />

Diese Passion, möchten wir mit Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser teilen.<br />

Berlin, im September 2018<br />

Ariane Rykov – von Niepello<br />

Uwe Marcus Rykov<br />

Inhaber:<br />

Romy Schneider Archiv e.V.<br />

ZEITBLATT <strong>Magazin</strong>


Wie alles begann -Rosemarie Albach und der erste Film<br />

Am Abend des 14. Juli 1953 rasselte im Hause<br />

Mariengrund das Telefon.<br />

Es war schon spät, Romy saß mit ihren<br />

Großeltern am Tisch und sie spielten gemütlich<br />

Karten, als ein Anruf von ihrer Mutter Magda aus<br />

München eintraf. „Pack deine Koffer und mach<br />

dich hübsch. Nimm den Frühzug nach München.“<br />

Romy wusste gar nicht, wie ihr geschah, als sie die<br />

Worte ihrer Mutter vernahm.<br />

Auf dem Weg nach München schrieb sie voller<br />

Freude in ihr Tagebuch, welches sie „Peggy“<br />

nannte: „Ich filme, ich fiiilme, wenn alles klappt,<br />

heißt es, das war ein Tag!“<br />

Magda Schneider hatte einen Vertrag für eine<br />

neue Filmarbeit in München angeboten<br />

bekommen, für den Film: „Wenn der weiße<br />

Flieder wieder blüht“. Da die Besetzung noch<br />

nicht vollständig war und es für die Rolle ihrer<br />

Filmtochter noch keine Besetzungsvorschläge<br />

gab, wurde Magda gefragt, ob sie nicht eine<br />

Tochter habe und diese nicht auch mal im Film<br />

ihre Tochter spielen würde. Romy schrieb am 15.<br />

Juli 1953 in ihr Tagebuch, was ihrer Mutter in<br />

diesem Moment durch den Kopf ging:<br />

„Sie sagte nicht nein (die Liebste!). Sie sagte aber<br />

auch nicht ja. Sie sagte zuerst gar nichts, nahm<br />

das Drehbuch und fuhr nach Hause ins Hotel, um<br />

es dort zu lesen.“<br />

Zunächst einmal sollte Romy sich beim Regisseur<br />

vorstellen. Sie zog ihr schönstes Kleid an, das<br />

Hellblaue von Mama, dazu den guten Mantel, die<br />

Handschuhe und ihre Absatzschuhe und machte<br />

sich hübsch. Sie war sehr aufgeregt, schließlich<br />

würde sich in ein paar Stunden entscheiden, ob<br />

sie ihre erste Rolle bekommen sollte.<br />

Kaum war Romy in München angekommen,<br />

machte sich Magda Schneider zusammen mit<br />

ihrer Tochter auf den Weg ins Krankenhaus. Dort<br />

lag der Regisseur Hans Deppe mit einem<br />

bandagierten Bein. Sie wurden von Hans Deppe<br />

und den anderen Mitarbeitern des Films bereits<br />

erwartet.<br />

Romy bekam lediglich das Gesicht von Hans<br />

Deppe zu sehen, der Rest blieb für Sie unter<br />

Decken und Verbänden verborgen. Dennoch<br />

machte sie brav einen Knicks und stellte sich vor.<br />

„Mensch, det isse ja!“, stieß Deppe hervor und lud<br />

Romy prompt zu Probeaufnahmen nach Berlin<br />

ein.“ „Ich, Romy Albach, zu Probeaufnahmen<br />

nach Berlin?“<br />

Am 18. August kannte sie ihren Text längst<br />

auswendig und war voller Vorfreude auf die<br />

bevorstehenden Probeaufnahmen. Sie konnte es<br />

gar nicht abwarten. Romy konnte sich sehr gut in<br />

das Mädchen, das sie im Film verkörpern sollte,<br />

hinein versetzen, konnte erahnen, was diese in<br />

der jeweiligen Situation fühlen und denken<br />

würde. Ihrem Tagebuch, das Sie „Peggy“ nannte,<br />

vertraute sie zuversichtlich an: „Ich kann das<br />

bestimmt spielen.“<br />

Anfang September endlich sollten die lang<br />

erwarteten Probeaufnahmen beginnen. Romy<br />

konnte überhaupt nicht mehr klar denken und<br />

war völlig irritiert von den vielen Menschen, die<br />

sich im Aufnahmeraum befanden. Sie war davon<br />

ausgegangen, das sich nur die Schauspieler und<br />

Hans Deppe dort aufhalten würden.<br />

Sie verstand, dass die übrigen Leute auch<br />

dazugehörten, und gewöhnte sich schnell an all<br />

die Menschen, das Licht und die Kamera.<br />

„Nicht in die Kamera schauen!“, tönte es aus der<br />

Regieanweisung. Romy folgte gehorsam, ging wie<br />

besprochen durch die Tür, hängte ihren Mantel<br />

auf und setzte sich an den Tisch, an dem Magda<br />

Schneider bereits saß. „Und dann sprachen wir<br />

beide so, wie ich es gelernt hatte. Plötzlich, auf<br />

einmal, war es aus. Fein Romychen, fein haste det<br />

jemacht“, sagte Herr Deppe.<br />

Damit waren die Probeaufnahmen beendet und<br />

Romy Albach war zusammen mit ihrer Mutter für<br />

ihren ersten Film: „Wenn der weiße Flieder wieder<br />

blüht“ engagiert. Der Einstieg in die Welt des<br />

Films war geschafft, am 8. September 1953<br />

starteten die offiziellen Dreharbeiten. Romy war<br />

glücklich. Und Mutter Magda noch viel<br />

glücklicher.


Ein Traum wird wahr<br />

Das Mädchen Rosemarie Albach Retty<br />

wurde zum Filmstar Romy Schneider. Vom<br />

„Schrecken“ des Internats zum<br />

Kassenschlager des Deutschen<br />

Filmgeschäfts. Das Pendant zum deutschen<br />

Wirtschaftswunder. Das Erfolgskonzept des<br />

frisch gebackenen Nachwuchstalents?<br />

Ein zarter unbekümmerter Charme. Romy<br />

erinnert sich zurück an die Zeit, wo sie<br />

selbst noch keine Schauspielerin, sondern<br />

das Kind eines berühmten Schauspieler-<br />

Paares war: „Als ich ins Internat kam wurde<br />

ich gleich bestürmt: Was, du bist Rosemarie<br />

Albach? Und dein Vater ist Wolf Albach<br />

Retty? Was sollte ich damals darauf sagen?<br />

Ich war nämlich noch nie in einem Atelier<br />

gewesen. Kurz darauf war ich in einem<br />

Atelier, und ich sollte es auch so schnell<br />

nicht mehr vergessen. Ich spielte<br />

hemmungslos drauf los, bei den<br />

Probeaufnahmen „Zum weißen Flieder“. Ich<br />

werde nie vergessen wie es war, der<br />

gestrengen Präfektin noch einmal die Hand<br />

zu schütteln und den anderen Mädchen ein<br />

letztes Mal zuzuwinken.“<br />

Vergessen waren nun die Tage, wo<br />

Rosemarie Albach von der Frau Präfektin<br />

mit einem Karl May Buch bei der Andacht<br />

erwischt wurde. Vorbei waren die Stunden,<br />

in denen in den Schlafräumen der Mädchen<br />

quatsch gemacht wurde. Die Schulzeit glich<br />

dem Hauch der Erinnerung an vergangene<br />

Schulmädchen-Tage: „Doch ich habe mich<br />

nicht geändert.“<br />

Die gleiche Unbekümmertheit, die einst der<br />

Frau Präfektin im Internat Kopfschmerzen<br />

bereitet hatte, bereitete nun einem<br />

Millionen-Publikum Freude: „Man sagt, den<br />

Erfolg des weißen Flieders hätte ich dieser,<br />

meiner Unbekümmertheit zu verdanken.“<br />

Nach dem „Weißen Flieder“ engagierte man<br />

die junge Romy für die Filme „Feuerwerk“,<br />

dann folgten „Mädchenjahre einer<br />

Königin“, „Die Deutschmeister“, „Der letzte<br />

Mann“ und schließlich „Sissi“.<br />

In nur zwei <strong>Jahre</strong>n Filmkarriere überschritt<br />

die Zahl der Heiratsanträge die Grenze der<br />

Zehntausend. Die Filmproduzenten<br />

überboten einander um den<br />

Nachwuchsstar zu engagieren. Denn<br />

insgeheim fragte man sich, wie lange der<br />

zarte Schmelz dieses Backfisches wohl<br />

andauern würde, um den kommerziellen<br />

Erfolg der Filme zu garantieren. „Jeder wird<br />

mal älter“, sagten die Produzenten in<br />

Geiselgasteig und Tempelhof, denen es<br />

nicht gelang Romy zu engagieren. „Aber<br />

dann ist es vorbei mit ihr“.<br />

Mit dem Film „Kitty und die große Welt“<br />

gelang Romy erstmals der Absprung von<br />

den mit der Zeit ungeliebten „Backfisch-<br />

Rollen“ zu annähernd ernsthaften<br />

Filmstoffen.<br />

Sie irrten sich mächtig, so wie sich die<br />

Studios von Hollywood geirrt hatten, als sie<br />

Romy nicht engagierten.<br />

In nur zwei <strong>Jahre</strong>n war es Romy gelungen<br />

sich mit den sogenannten Backfisch-Rollen<br />

an die Spitze des deutschen Films zu<br />

spielen.<br />

„Romy spielt alle an die Wand“ lobte ihr<br />

Regisseur Alfred Weidenmann. In „Kitty<br />

und die große Welt“ präsentiert sich Romy<br />

erstmals nicht mehr als Backfisch, sondern<br />

als junge Dame mit erlerntem Beruf. Mit<br />

dieser zarten Rolle, der Angestelltem eines<br />

Genfer Coiffeur-Salons, erlangte ihre<br />

Persönlichkeit einen reiferen Charme.


Ein Traum wird wahr<br />

Die Skala ihrer Ausdrucksmöglichkeiten<br />

erweiterte sich beträchtlich und führten ihr<br />

schließlich viele neue Bewunderer zu.<br />

Dem Regisseur Alfred Weidenmann war es<br />

gelungen, Charakter-Schauspieler wie O.E.<br />

Hasse, Ernst Schröder, Paul Dahlke, und<br />

Charles Regnier in einem heiteren Film vor<br />

die Kamera zu bekommen und ihnen die<br />

jungen Publikumslieblinge Romy Schneider<br />

und Karlheinz Böhm zu Partnern zu geben.<br />

So gegensätzlich, wie die Hauptdarsteller des<br />

Kitty Films in ihrem Rollenfach sind, ist auch<br />

das Milieu, in dem die Geschichte spielt. Für<br />

Kitty sind in dem Münchner Filmatelier die<br />

kleine und die große Welt enge Nachbarn<br />

geworden: Hier der Coiffeur-Salons des<br />

Monsieur Jeannot (Charles Regnier), in dem<br />

die Maniküren Kitty (Romy Schneider) und<br />

Jeanette (Ina Peters) Nägel aus vielen<br />

Ländern polieren, weil in ihrer Stadt, in Genf,<br />

gerade wieder eine Außenministerkonferenz<br />

bevorsteht.<br />

Das Palais, in dem die Vertreter der großen<br />

Vier über das Schicksal der Welt beraten<br />

werden. Die beiden Welten, vertreten durch<br />

den britischen Außenminister Sir William<br />

Ashlin (O.E. Hasse) und die kleine Maniküre<br />

Kitty, begegnen sich in einer Straße Genfs.<br />

Der Außenminister, auf der Suche nach<br />

einem bisschen einfachen Leben, will<br />

ausgerechnet von dem ahnungslosen<br />

Backfisch Kitty erfahren, wo man in dieser<br />

Stadt nett zu Abend essen kann.<br />

Kitty, voller Lokalstolz, führt – alle<br />

Ermahnungen ihrer Eltern vergessend – den<br />

Fremden zu einem Gartenrestaurant.<br />

Sie kann auch nicht widerstehen, als er sie<br />

einlädt, mit ihm zu Abend zu essen. Und so<br />

kommt Romy Schneider, alias „Kitty“ in die<br />

Weltpresse, weil die Pressefotografen von<br />

Genf das ungleiche Paar fotografiert haben.<br />

Um den drohenden Skandal zu verhindern,<br />

greift Robert Asklin (KarlHeinz Böhm) der<br />

Neffe des Außenministers ein und bringt<br />

Kitty in pressesichere Gefilde am Genfer<br />

See.<br />

Nachdem schon das Photo mit dem kleinen<br />

Mädchen Sir William in den Mittelpunkt<br />

wilder Sensationsgerüchte gebracht hat,<br />

passiert ihm auf einem Spaziergang eine<br />

ganz dumme Geschichte, die ihn davon<br />

abhält auf der Konferenz zu erscheinen.<br />

Dort rätselt man herum, was ihn zu diesem<br />

Affront gegen die Politiker der anderen<br />

Länder veranlasst haben kann. Sir William<br />

seinerseits glaubt, diese Geschichte<br />

bedeute das Ende seiner diplomatischen<br />

Laufbahn – und schließlich kommt alles<br />

ganz anders, als alle dachten.<br />

Wie in dem Film „Kitty und die große Welt“<br />

bleibt auch in „Sissi“ die Natürlichkeit<br />

Romys Trumpf. Mit dem ersten Teil der<br />

Sissi Erfolgs-Trilogie eroberte Romy die<br />

Herzen eines Millionenpublikums im<br />

Sturm. Sissi wurde von Romy Schneider so<br />

herzerfrischend dargestellt, das in Madrid,<br />

Amsterdam und Stockholm während der<br />

Vorstellung spontaner Beifall aufrauschte.<br />

So kam es zum Beispiel, das während eines<br />

Madrid Besuchs einer der Söhne des<br />

Saudiarabischen Königs Sand gefallen an<br />

Romy gefunden hatte. Da er im Castella–<br />

Hilton Hotel direkt über den Schneiders<br />

wohnte, bat er Romy einfach telefonisch<br />

zum Tee auf sein Zimmer.


Ein Traum wird wahr<br />

Als Marischka nach den Erfolgen der ersten<br />

beiden Sissi Filme einen Dritten folgen lassen<br />

wollte, lehnte Romy ab.<br />

Auch die Höhe des Honorars brachte sie<br />

vorerst nicht von ihrer Weigerung ab. Die<br />

Gazetten überschlugen sich mit klangvollen<br />

Schlagzeilen über Romys Ablehnung eines<br />

dritten Teils der Erfolgs Trilogie. „Scheut sich<br />

Romy vor der Rolle der lungenkranken<br />

Kaiserin“ oder „Sissi nicht mehr Salonfähig“<br />

titelten die Gazetten in ganz Europa.<br />

Doch Romy war geplagt von starken<br />

Angstgefühlen. Sie hatte Angst davor in das<br />

Rollenklischee der pausbäckigen Kaiserin<br />

gepresst zu werden. Von Glanz und Elend des<br />

Wiener Hofes wollte sie sich endlich befreien.<br />

Doch bevor ihr dieser Befreiungsschlag<br />

gelang spielte sie noch ein drittes Mal an der<br />

Seite von Karl-Heinz Böhm die Rolle der<br />

österreichischen Kaiserin. Alle drei Sissi-<br />

Filme waren nach den Ideen und Texten jenes<br />

Ernst Marischka entstanden, der zusammen<br />

mit seinem Bruder im <strong>Jahre</strong> 1932 schon die<br />

Texte für Kreislers „Singspiel“ geschrieben<br />

hatte.<br />

Ein Millionen-Publikum hätte es damals wie<br />

heute sehr bedauert, wenn Romy ihrem ersten<br />

Impuls nachgegeben und nicht ein drittes Mal<br />

Sissis Kaiserkrone aufgesetzt hätte, wie sie es<br />

aus Angst vor dem Klischee zunächst wollte.<br />

Ernst Marischka hatte noch einmal ein<br />

Drehbuch geschrieben, das Romy sowohl als<br />

Schauspielerin, als auch als junge und<br />

begeisterungsfähige Frau von neunzehn<br />

<strong>Jahre</strong>n einfach ansprechen musste. Als<br />

Schauspielerin bot ihr die Rolle die<br />

Möglichkeit, ihren <strong>Jahre</strong>n beträchtlich voraus<br />

zu eilen, und verlangte von ihr, sich in die<br />

Gefühlswelt einer reifen Frau und Monarchin<br />

hinein zu finden.<br />

Romy müsste jedoch nicht das unverfälschte<br />

junge Menschenkind sein, wenn sie nicht<br />

auch die prachtvollen Kostüme und der<br />

grandiose Aufwand des Films reizen würden.<br />

Vor allem die Schlussszene, das Finale des<br />

letzten Films lassen selbst noch die Pracht der<br />

ungarischen Krönung im zweiten Teil<br />

verblassen. Ernst Marischka fuhr mit seiner<br />

Kaiserin Romy und seinem Kaiser Karl-Heinz<br />

extra für Außenaufnahmen nach Italien.<br />

Dort hatte er für die Verwirklichung seiner<br />

Vision, das Leben der österreichischen<br />

Kaiserin Elisabeth, Sissi, filmisch<br />

darzustellen, keine Kosten und Mühen<br />

gescheut. Für die Dreharbeiten von „Sissi,<br />

Schicksalsjahre einer Kaiserin“ wurde eigens<br />

der berühmte Canale Grande eine Stunde<br />

lang gesperrt.<br />

Wo sonst Motorboote, Barken und Gondeln<br />

dicht an dicht dahin gleiten, regierte sechzig<br />

Minuten lang einzig und allein der<br />

Aufnahmestab von „Sissi, Schicksalsjahre<br />

einer Kaiserin“. Er inszenierte ein wahres<br />

Märchen von Venedig: Eine glanzvolle<br />

Gondelfahrt auf dem Canale Grande und eine<br />

phantastische Demonstration auf dem<br />

Markusplatz. Marischka mag bei diesem<br />

grandiosen Schluss vielleicht ganz bewusst<br />

nach dem alten Sprichwort gehandelt haben:<br />

“Wenn es am Schönsten ist, soll man<br />

aufhören“. So endete die Sissi Trilogie in<br />

Glanz und Schönheit.<br />

Gazetten in der ganzen Welt titelten : „Der<br />

glanzvolle 3. Teil eines Welterfolges“ „Der<br />

Höhepunkt der<br />

faszinierenden Lebensgeschichte der


Ein Traum wird wahr<br />

Kaiserin Elisabeth von Österreich“ „Der<br />

schönste Sissi Farbfilm, glanzvoller denn je“<br />

Schließlich erhielt Sissi den Bambi als<br />

kassenstärkster Film.<br />

Im dritten Teil der Sissi Trilogie verkörperte<br />

Romy die unglückliche Herrscherin, deren<br />

melancholische Persönlichkeit immer wieder<br />

Historiker, Romanschriftsteller, Film- und<br />

Operetten-Autoren und ein<br />

MillionenPublikum in ihren Bann zieht, ein<br />

letztes Mal.<br />

Elisabeth, genannt Sissi, als Kind einer<br />

Nebenlinie des Hauses Wittelsbach zum<br />

ungezwungenen Landleben, aber nicht zum<br />

regieren erzogen, wird im <strong>Jahre</strong> 1854 plötzlich<br />

in das kalte Zeremoniell des Wiener Hofes<br />

gepresst. Das auch die Liebe des Kaiser Franz<br />

Joseph nicht erwärmen kann. Sie erlebt die<br />

unglückliche Liebe ihrer Schwester Sophie zu<br />

ihrem Vetter, dem Bayernkönig Ludwig II. Ihre<br />

Schwester Sophie hatte sich hoffnungslos in<br />

den Märchenkönig von Bayern verliebt.<br />

Doch dieser hegte nur freundschaftliche<br />

Gefühle zu ihr, da er, so munkelte man,<br />

homosexuell war. Worunter sie ein Leben lang<br />

zu leiden hatte, denn er war ihre einzige große<br />

Liebe.<br />

Sie verliert in der Tragödie von Schloß<br />

Mayerling ihren einzigen Sohn, Kronprinz<br />

Rudolf. Und sie irrt schließlich ruhelos und<br />

gehetzt durch die Welt, die keine Aufgabe<br />

mehr für sie hat. Denn das komplizierte<br />

Gefüge des österreichischen Staates lässt der<br />

Kaiserin nur die leeren Pflichten der<br />

Repräsentation, die ihr verhasst sind. Selbst<br />

bei der Erziehung der Kinder regiert nicht das<br />

Gefühl der Mutter, sondern die Staatsraison.<br />

Mit ihrer Verkörperung der österreichischen<br />

Kaiserin wird Romy zur jüngsten Mutter des<br />

deutschen Films. Im Film sichert sich Sissi,<br />

aller Hofintriegen zum Trotze, doch<br />

wenigstens das Familienglück.<br />

Dieses Familienglück welches sich Kaiserin<br />

Sissi im Film erkämpfte, in dem sie sich gegen<br />

die verhasste Schwiegermutter, Erzherzogin<br />

Sophie durchsetze, war der echten Kaiserin<br />

nicht vergönnt.<br />

„Film ist eben Illusion – Filmstars sind eben<br />

Menschen mit Illusionen“<br />

Ernst Marischka hatte Recht, in dem er zu<br />

Romy sagte: „Du wirst alle jungen Mädchen<br />

Europas zum Träumen bringen“<br />

Wer andere zum Träumen bringen mag, mag<br />

auch selbst gern einmal träumen. So träumte<br />

Romy im zarten Alter von achtzehn <strong>Jahre</strong>n von<br />

den eigenen vier Wänden, der ersten eigenen<br />

Wohnung. Sie hatte es satt während der<br />

Dreharbeiten immer in Hotels zu wohnen „Ich<br />

möchte endlich einmal eine eigene Wohnung,<br />

eigene vier Wände haben“.<br />

Das Haus soll in Berlin stehen. In der<br />

Königsallee im Grunewald. Während der<br />

Drehpausen zu Sissi verbrachte Romy jede<br />

freie Minute damit, die Pläne der Architekten<br />

eifrig zu studieren. Sie wählt zwischen<br />

Tapetenmustern und Möbelangeboten.<br />

„Eines steht fest: Alle Räume werden im<br />

Pariser Stil eingerichtet.“ Romy träumt weiter:<br />

„ Alle Zimmer sollen helle Pastellfarben<br />

erhalten. Der große Wohnraum wird gelb... das<br />

Schlafzimmer wird gelb, das Badezimmer<br />

hellblau.


Ich stelle mir eine große Terrasse zum See vor,<br />

und im Garten natürlich ein schönes<br />

Schwimmbassin.“ Die Möbel? Nichts geziertes,<br />

keine teuren Goebelins, kein Plüsch. „Auch in<br />

Paris gibt es helle, moderne Möbel.“ In der<br />

Villa soll ein Lokal untergebracht werden! „Es<br />

soll aber keines Weges Romys Künstlerkeller<br />

oder Romys Bar heißen.“<br />

Scherzhaft sagt Romys Stiefvater Hans<br />

Herbert Blatzheim, der Kölner Gastronomie-<br />

Zar „Bei meiner Tochter werde Ich Wirt im<br />

Haus“ Sichtlich erfreut über den Erfolg seiner<br />

Stieftochter wehrte er jedoch ab „Mit Romys<br />

Namen möchte ich keine Geschäfte machen.“<br />

Doch schien auch er sichtlich erfreut darüber<br />

zu sein, dass es Romy gelungen war mit nur<br />

neunzehn <strong>Jahre</strong>n weltweiten<br />

Bekanntheitsgrad zu erlangen.<br />

Ein Traum wird wahr


Ein deutscher Star in Amerika<br />

Vor ihrem Abflug nach Amerika gab Romy der<br />

Redakteurin Louella Parsons ein Interview, in<br />

ihrem schönen Haus in Mariengrund, mit<br />

Magda Schneider.<br />

„Ich bin weder schön noch sexy“ sagte sie zur<br />

Parsons, weil es ihr peinlich war, als schönste<br />

Schauspielerin Europas betitelt zu werden.<br />

Louella Parsons bestätigte: „Sie sei nicht schön<br />

und auch nicht sexy, sie sei mehr: nämlich<br />

reizend hoch drei!“<br />

Romy wirkt wie ein Schulmädchen, nicht wie<br />

der größte Star Europas, befanden die Interna<br />

der Weltstars. Romy vertraute Louella Parsons<br />

an, sie bekomme nicht, wie in den Medien<br />

behauptet, 3000 Liebesbriefe wöchentlich, es<br />

seien „nur“ 600. Sie sagte ihr auch, sie hasse das<br />

Wort „Glamour“, sie wolle als ernsthafte<br />

Schauspielerin akzeptiert werden und nicht auf<br />

Beine zeigen und Nacktkunst zurückgreifen.<br />

Mit einem weißen Bären im Arm, begleitet von<br />

Mutter Magda, startete Romy von München aus<br />

nach New York. Die mit einer Luxuskabine für<br />

Mutter und Tochter ausgestattete planmäßige<br />

Maschine von Düsseldorf nach New York war<br />

eigens über München umgeleitet worden.<br />

Gleichzeitig in 400 amerikanischen Städten lief<br />

deren gemeinsamer Film „Mädchenjahre einer<br />

Königin“ erstmals vor amerikanischem<br />

Publikum.<br />

Der größte Filmmanager der Welt, der Micky<br />

Maus Schöpfer Walt Disney hatte Romy und<br />

Magda Schneider eingeladen. Mit Hilfe eines<br />

täglichen, zwölfstündigen Pensums sollte Romy<br />

in New York und dann in Hollywood, mit allen<br />

Mitteln der amerikanischen Publicity Maschine,<br />

für die Kinobesucher populär gemacht werden<br />

„So gewaltig habe ich mir die Wolkenkratzer<br />

nicht vorgestellt“ gestand Romy, die gleich<br />

nach ihrer Ankunft einen Stadtrundgang<br />

durch New York machte. Zusammen mit ihrer<br />

Mutter, Magda Schneider, stellte sie sich vor<br />

einem New Yorker Revue Theater den<br />

Fotografen. Wenige Stunden später hatte ihr<br />

gemeinsamer Film „Mädchenjahre einer<br />

Königin“ Premiere. Die dreiwöchige<br />

Amerikareise sollte sie quer durchs Land und<br />

durch Hollywood, der Traumstadt aller Stars<br />

führen. Natürlich stand auch ein Besuch des<br />

Trickfilm-Ateliers von Walt Disney auf dem<br />

Plan.<br />

In New York saß Romy dem berühmten Maler<br />

Pietro Annigoni Modell. Pietro Annigoni hatte<br />

sie in sein feudales New Yorker Atelier<br />

eingeladen, um sie dort für die Ewigkeit in Öl<br />

festzuhalten. Wenige Tage vorher erregte<br />

Pietro Annigoni großes Aufsehen mit seinem<br />

Portrait von der englischen Prinzessin<br />

Margret. Annigoni malte Romy in dem Kostüm<br />

der jungen Queen Viktoria von England aus<br />

ihrem Film: „Mädchenjahre einer Königin“.<br />

Auch danach hatte Romy kaum Zeit zum<br />

verschnaufen.<br />

Ein Termin folgte dem Nächsten, Romys<br />

Terminkalender war prall gefüllt. Auf dem<br />

Plan standen Empfänge beim österreichischen<br />

Generalkonsul, bei den verschiedensten<br />

Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehstationen.<br />

Trotz der ganzen Flut an Terminen war es<br />

Romy gelungen, sich einen ganz persönlichen<br />

Herzenswunsch zu erfüllen: Den Ausverkauf<br />

in Macys Warenhaus zu besuchen, das gerade<br />

sein 100 jähriges Jubiläum feierte.


Ein deutscher Star in Amerika<br />

Bewegt von den vielen tausend Eindrücken<br />

sagte Romy: „So schnell kann ich gar nicht alles<br />

verarbeiten.“ Ihr Weg führte sie unter anderem<br />

auch durch die MGM Filmstudios in Hollywood,<br />

wo man ihr den baumlangen Held der<br />

Fernsehverfilmung des Romanes<br />

„Mord Westpassage“, Buddy Ebsen vorstellte.<br />

Felix Wayne führte Romy und Magda Schneider<br />

an zwei Tagen durch die MGM<br />

Produktionsstätten.<br />

Nach fünf Tagen in New York hatte Romy<br />

bereits sechs Fernsehsendungen und vierzehn<br />

Interviews absolviert. Erstaunt bemerkte sie:<br />

„Ich hätte nie geglaubt, das so viele Leute in<br />

Amerika deutsch sprechen können. Viele, viele<br />

gute Freunde und alte Bekannte haben wir<br />

begrüßen können. Auf einer Party, die der<br />

deutsche Generalkonsul Dr. Eduard Schneider<br />

in Los Angeles für uns gab, schüttelten wir<br />

Hände mit der unvergessenen Fritzi Massary,<br />

dem Regisseur William Dieterle, dem<br />

Produzenten Gottfried Reinhardt.<br />

Auch Liselotte Pulver, Curd Jürgens und<br />

Helmut Käutner, die alle in Hollywood drehten,<br />

waren gekommen, um mir zur Premiere meines<br />

Films: „Mädchenjahre einer Königin“ Hals und<br />

Beinbruch zu wünschen. Was mir am Besten<br />

gefallen hat? Ich kann es einfach noch nicht<br />

sagen. Die vielen, vielen Eindrücke haben mich<br />

überwältigt. Interessant war auf alle Fälle die<br />

großartige Aufführung des Broadway Erfolgs<br />

„My fair Lady“, der Wiener Opernball und der<br />

„Rosenkavalier“ in der Metropolitan unter<br />

Professor Böhm. Was mir hier nicht gefällt?-<br />

Vor allem die überheizten Räume in New York.<br />

Wo man sich sofort die Kleider vom Leib reißen<br />

möchte, wenn man von draußen in ein Zimmer<br />

kommt. Nicht ganz einverstanden war ich auch<br />

mit der Reklame, die manchmal um mich<br />

gemacht wurde. In Zeitungsnotizen war ich<br />

als „schönste Europäerin“ vorgestellt worden.<br />

Einfach lächerlich! Bei manchen Interviews<br />

wurden mir auch törichte Fragen gestellt.<br />

Beispielsweise fragte man immer und immer<br />

wieder, ob ich Elvis Presley gern habe und ihn<br />

sehen möchte. Wenn ich erklärte, dass ich<br />

Bing Crosby oder Frank Sinatra vorziehe,<br />

lachten sie.“<br />

In den Walt Disney Studios wurden von Romy<br />

Schneider erste Probeaufnahmen gemacht. In<br />

einer Schweizer Tracht à la Hollywood<br />

machte Romy Probeaufnahmen für den<br />

Sommerfilm „Banner in the sky“, den Disney<br />

1959 in der Schweiz verfilmen wollte. Ihr<br />

Erster Filmpartner in Hollywood war der<br />

Fernsehstar Jerome Courtland, den Romy seit<br />

dieser Zeit anhimmelte, da er sie um mehr als<br />

Haupteslänge überragte.<br />

„Was ich spielen werde, kann ich noch nicht<br />

sagen. Ich habe eigentlich keine Idealrollen<br />

im Sinn. Aber wenn ich eine nennen sollte,<br />

dann müsste ich sagen, die Christine in<br />

Schnitzlers „Liebelei“, die Rolle, die meine<br />

Mama in der ersten Fassung gespielt hat und<br />

die ich bald in Frankreich drehen werde. Ich<br />

pauke dafür schon eifrig französisch.<br />

Ich weiß das Amerika filmisch gesehen ein<br />

schweres Pflaster ist. Aber ich bin bereit den<br />

Kampf aufzunehmen. Hoffentlich findet man<br />

für mich die richtige Story. Kein Teenager,<br />

sondern eine Art „Christine“. Königinnen gab<br />

es ja keine in der amerikanischen Geschichte.<br />

Ich habe vieles gesehen und erlebt. Aber ich<br />

weiß, dass man auf den ersten Blick nicht alles<br />

erfassen kann.


Ein deutscher Star in Amerika<br />

Ich hoffe, eines Tages nach Amerika<br />

zurückzukehren und in Ruhe mehr zu sehen.<br />

Zunächst werde ich in Deutschland meinen<br />

nächsten Film: „Mädchen in Uniform“ drehen.“<br />

Als man Felix Wayne fragte, wann denn Romy<br />

Schneider in den MGM Produktionen drehen<br />

würde, antwortete der kluge Mann von der<br />

internationalen Publicity: „Romy ist ein<br />

reizendes, sehr intelligentes Mädchen. Wir<br />

haben Foto- und Test-Aufnahmen mit ihr<br />

gemacht. Eine Rolle haben wir noch nicht, aber<br />

die MGM behält das junge Fräulein im Auge.“<br />

Romy hatte damals, als sie an der Hand von<br />

Felix Wayne, dem so ziemlich wichtigsten Mann<br />

der Produktion, dem „Talent Exekutive“<br />

vorgestellt wurde, einen Regiefehler begangen.<br />

Sie kam sehr schlicht, ganz „Unzurechtgemacht“<br />

und ohne jegliche pompösen, affektierten<br />

Allüren, was man in den USA von einem<br />

berühmtem europäischen Star erwartete, zum<br />

Termin.<br />

Ein junges Mädchen ist immer am Schönsten<br />

wenn es natürlich ist, aber wer nach Hollywood<br />

kommt, um hier Weltkarriere machen zu<br />

wollen, der muss in der Stadt des schönen<br />

Scheins mitscheinen.<br />

Hollywood sagte: „Romy Schneider ist bestimmt<br />

ein hübsches Mädchen, aber für eine wirksame<br />

PortraitFotografie bedarf dieses junge Gesicht<br />

mit den zu tief liegenden grün grauen Augen<br />

einer unmerklich raffinierteren Betonung. Auch<br />

steht ihr die straff zurückgekämmte Frisur die<br />

sie jetzt trägt nicht so recht. Jedenfalls nicht<br />

besser als die weiche Haarwolke ihrer braunen<br />

Kastanienmähne, die das Gesicht vorher<br />

einrahmte. Und die aus tapferem Hungern<br />

entstandene Elfenlinie prägt das<br />

Jungmädchengesicht und die Figur doch ein<br />

bisschen zu schmal und elend.“<br />

Romy Schneider hat einfach nicht das, was<br />

einen berühmter Star ausmacht, nicht so wie<br />

wir uns einen Star vorstellen, keine Marylin,<br />

keine Jane, befand Hollywood.<br />

Die MGM gab Romy also keinen Vertrag, auch<br />

keine Rolle, aber man interessierte sich<br />

trotzdem für sie. Da man in Hollywood von<br />

Romys Filmen nichts gesehen hatte, wussten<br />

die Produzenten nicht recht was sie mit<br />

diesem schlichten und gescheiten Mädchen<br />

anfangen konnten.<br />

Von Maria Schells Filmen hatte man in<br />

Hollywood auch nichts gesehen. Doch die<br />

junge Schauspielerin hatte ein Quäntchen<br />

mehr Glück als Romy, als sie durch einen<br />

simplen Zufall dort als „Gruschenka“<br />

entdeckt und verpflichtet wurde. Erst danach<br />

sah man sich Maria Schells deutsche Filme<br />

an.<br />

Jubel und Kritik wurden laut, als Romy in<br />

Begleitung ihrer Mutter, Magda Schneider,<br />

auf einer Vorstellungstournee durch Amerika<br />

reiste. Die Fachpresse, die den Film vorher<br />

vorgeführt bekam, hatte ihn in der Luft<br />

zerrissen. Mit Ihm auch Magda Schneider,<br />

doch Romy fand man allerliebst.<br />

Jubel für Romy und ihren in den USA<br />

synchronisieren Film „Mädchenjahre einer<br />

Königin“. Kritik, an der schon so oft<br />

beanstandeten Mutter-Tochter-Kombination<br />

Romy und Magda Schneider. Die sich<br />

drastisch verstärkte, als sich Mutter Magda<br />

immer wieder in den Vordergrund schob.<br />

Doch Romy lies sich nicht beirren und<br />

schenkte dem wenig Gehör.


Viel lieber genoss sie zusammen mit ihrer<br />

Mutter die vielfältigen und farbenprächtigen<br />

Eindrücke dieser Reise. New York hatte auch<br />

Romys Herz im Sturm erobert. Besonders<br />

überwältigt schien sie vom Rockefeller<br />

Wolkenkratzer. Dort traf sie auf eine Schar<br />

übermütiger Kadetten der Georgia Militär<br />

Akademie. „Nun gehen die wundervollen, aber<br />

gleichzeitig auch so anstrengenden Tage leider<br />

zu Ende. Hollywood empfing mich mit dem<br />

schönsten „Sissi Wetter“, es ist hier herrlich<br />

warm wie im Sommer. Die Leute sind nett und<br />

zauberhaft zu Mami und mir, und wir haben in<br />

drei Wochen mehr gesehen als normalerweise in<br />

einem ganzen Jahr. Manchmal fühle ich mich<br />

wie eine Ameise im Irrenhaus – aber im besten<br />

Sinne.“<br />

Ein deutscher Star in Amerika


Sissi, Romy und ein Traum von Freiheit<br />

„Ich wollte leben, lieben, mich künstlerisch<br />

weiterentwickeln, ein neuer Mensch werden.<br />

Vor allem aber: frei sein. Ich suchte diesen<br />

Absprung, seit ich achtzehn <strong>Jahre</strong> alt war. “<br />

Wie jedes Junge Mädchen mit Anfang Zwanzig<br />

wollte auch Romy Ihr eigenes Leben in Freiheit<br />

leben. Selbstständig werden, sich aus den<br />

Zwängen der Familie lösen, auf eigenen Beinen<br />

stehen: Romy suchte den Absprung, konnte ihn<br />

aber nicht finden. Die Nähe zum Elternhaus, die<br />

Verträge die sie noch erfüllen musste … das alles<br />

ließ keinen Platz für Freiheit.<br />

Millionen Mädchen mit Anfang zwanzig<br />

träumen den Traum von der Freiheit, dem<br />

Leben auf eigenen Beinen, ohne<br />

bevormundende Worte der Eltern. Millionen<br />

Mädchen in Romys Alter hatten ihr aber etwas<br />

Entscheidendes voraus: Sie waren kein Star! Sie<br />

konnten einfach in eine andere Stadt ziehen,<br />

eine andere Stellung suchen und ihr Leben so<br />

gestalten wie sie es für richtig hielten. Romy<br />

konnte das nicht, Romy war gebunden an<br />

Stiefvater und Mutter, gebunden in Verträgen.<br />

Sissi hat einen Weltstar aus der jungen Romy<br />

Schneider gemacht. Sissi hat Romy sehr viel zu<br />

verdanken, genauer gesagt, Sissi hat sie alles zu<br />

verdanken. Sissi ermöglichte ihr den Sprung in<br />

das sogenannte Starsystem, wie Romy den<br />

Ruhm und den weltweiten Erfolg zu nennen<br />

pflegte.<br />

Bereits im Internat konnte sich Romy nichts<br />

anderes vorstellen als einmal eine<br />

Schauspielerin zu werden. Sie wollte eine<br />

Schauspielerin werden und Figuren darstellen,<br />

ihnen Leben einhauchen. Sissi hatte sie dieses<br />

Leben eingehaucht, Sissi verbindet man seit<br />

diesen Filmen mit Romy Schneider.<br />

Aber Romy Schneider ist nicht Sissi. Sie hat<br />

diese Rolle gespielt und war während dieser<br />

Zeit Sissi. Danach war Romy wieder Romy<br />

Schneider. Für das Publikum und für ihre<br />

Verehrer blieb Romy Schneider auch danach<br />

Sissi. Davon wollte sie sich befreien.<br />

Diese Befreiung war keineswegs undankbar.<br />

Romy wollte einfach nur raus aus der Rolle<br />

der süßen, lieben, pausbäckigen Prinzessin.<br />

Sie wollte nicht zeitlebens die süßen jungen<br />

Wiener Mädel Rollen spielen. Sie wollte sich<br />

künstlerisch weiter entwickeln, sich endlich<br />

selbst realisieren. ihrer Mutter wäre sie mit<br />

vierzehn durchgebrannt, hätte diese Ihr nicht<br />

die Möglichkeit gegeben Ihren Traum von der<br />

Schauspielerei zu verwirklichen. „Der weiße<br />

Flieder“ war der Anfang und der Start zur<br />

Verwirklichung ihres Traums. Sissi war der<br />

Höhepunkt und die Eintrittskarte zur Pforte<br />

zum Weltstar.<br />

Die Dreharbeiten zu Sissi waren eine<br />

wunderbare Zeit in ihrem Leben.<br />

Sie war die Prinzessin, und das nicht nur vor<br />

der Kamera. Auch in späteren <strong>Jahre</strong>n redete<br />

Romy Schneider gerne über die schöne Zeit<br />

die sie als Sissi hatte. Ernst Marischka war Ihr<br />

ein guter Freund geworden, seine Frau wurde<br />

Ihre zweite Mutter. „Aber Sissi war ich nie. -<br />

Das soll nicht undankbar klingen, man könnte<br />

meine Worte unrichtiger nicht auslegen“<br />

Der Erfolg dieser Filme bildete den<br />

Grundstock Ihres Vermögens. Wenn gleich sie<br />

damals darüber nicht verfügen konnte und<br />

Daddy Blatzheim ihr davon lediglich ein<br />

Taschengeld auszahlte.<br />

Ein Taschengeld was ihr noch lange nicht<br />

erlaubte so zu leben wie die anderen Stars,


Sissi, Romy und ein Traum von Freiheit<br />

die oftmals weniger Erfolg hatten als Romy zu<br />

dieser Zeit.<br />

Romy fühlte sich abgestempelt. Sich<br />

abgestempelt fühlen ist für jeden Schauspieler<br />

der absolute Albtraum. Jeder Schauspieler und<br />

jede Schauspielerin möchte als eigenständige<br />

Person und eigenständige Künstlerin<br />

wahrgenommen werden. Nicht zeitlebens auf<br />

eine Rolle reduziert werden. Während der<br />

Dreharbeiten zum zweiten Sissi Film überkam<br />

Romy diese Angst, auf diese Rolle reduziert zu<br />

werden und einen Stempel zu bekommen. Den<br />

Sissi Stempel. Mutter und Stiefvater Blatzheim<br />

drängten auf einen dritten Teil der<br />

Erfolgstrilogie. Sissi Teil drei wollte Romy<br />

ablehnen, die Rolle der Kaiserin hing ihr zum<br />

Halse raus. Sie wehrte sich schon gegen die<br />

zweite Sissi und spielte trotzdem die Dritte<br />

Innerlich kämpfte Romy gegen Sissi. Auf Sissis<br />

Seite standen Magda und Daddy, also gewann<br />

Sissi den Kampf und Romy blieb bis zum<br />

Dritten Teil der Erfolgstrilogie Sissi!<br />

Romy wollte ausbrechen, privat sowie auch<br />

künstlerisch. Sie wollte endlich ein neues Leben<br />

beginnen. Mit neuen Menschen und neuen<br />

beruflichen Herausforderungen. Die Situation<br />

erschien ihr ausweglos! Romy war verzweifelt.<br />

Sie wusste nicht was sie tun konnte um<br />

auszubrechen in die von ihr angestrebte<br />

Freiheit die sie solange suchte.<br />

Weitere Prinzessinnen Rollen sollten folgen!<br />

„Aber Romy, du wirst doch nicht<br />

siebenhundertfünfzigtausend Mark<br />

ausschlagen! Du wirst doch die Katja noch<br />

spielen“<br />

Wieder lies sie sich überzeugen, unterschrieb<br />

einen Vertrag für einen weiteren Kostümfilm,<br />

für eine weitere ungeliebte Prinzessinnen Rolle.<br />

Dann kam der Wendepunkt.<br />

Ein Mann trat in ihr Leben, der ihr Leben von<br />

einem Tag zum anderen verändert hat. Der ihr<br />

Leben von jetzt auf gleich komplett auf den<br />

Kopf gestellt hatte. ,<br />

Alain Delon!<br />

Dieser junge aufmüpfige Franzose, der frei<br />

von Konventionen war, jegliche Regeln brach,<br />

der lebenslustig und wild war, den es „une<br />

merde“ interessierte was andere von ihm<br />

denken würden. Er tat das was er für richtig<br />

hielt, lebte wie er es für richtig hielt. Regeln?<br />

Sind dazu da das man sie bricht. Das war sein<br />

Lebensmotto. Romy lernte alle diese Regeln<br />

und Normen, nur nicht wie man sie bricht.<br />

Alain beherrscht diese Kunst perfekt.<br />

Alain stand mit seinen dreiundzwanzig<br />

<strong>Jahre</strong>n mitten im Leben, er glaubte an große<br />

Träume, und der Glaube an etwas versetzt ja<br />

bekanntlich Berge. Alain verwirklichte sich<br />

selbst, verwirklichte seine Träume. Mutter<br />

Magda rümpfte die Nase über diesen jungen,<br />

zu sehr von sich überzeugten Burschen. Alain<br />

wusste um sein Talent, wusste um seine<br />

Fähigkeiten, und das gab ihm die<br />

Selbstsicherheit die er hatte. Die ihn auf viele<br />

Menschen höheren Alters überheblich wirken<br />

ließ.<br />

Bei Romy Schneider und Alain Delon prallten<br />

zwei Welten aufeinander. In Romys Welt gab<br />

es klare Regeln und Normen an die man sich<br />

zu halten hatte, die ihr seit frühester Kindheit<br />

aufdiktiert wurden, es gab Verträge, die<br />

mahnenden Worte der Mutter und die<br />

mahnenden Worte des Stiefvaters.<br />

Alains Welt war beherrscht von Freiheit,<br />

Rebellion, Lebenslust und Ungezwungenheit.<br />

Romy war das komplette Gegenteil von Alain.


Sissi, Romy und ein Traum von Freiheit<br />

Alain das komplette Gegenteil von Romy. Ein<br />

altes Sprichwort sagt „Gegensätze ziehen sich<br />

an“. Was sich bei den beiden bewahrheiten<br />

sollte: „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner<br />

Brust. Die eine heißt Rosemarie Albach, die<br />

andere Romy Schneider.<br />

Romy Schneider ist wild, lebenslustig und<br />

mutig. Rosemarie Albach ist schüchtern,<br />

zurückhaltend und ängstlich.“<br />

Alain Delon liebt die Romy, die wild, frech und<br />

lebenslustig ist über alles auf der Welt. Mit der<br />

gleichen Intensität hasst er allerdings die andere<br />

Romy. In Alains Brust schlagen auch mindestens<br />

zwei Seelen. Auch er ist das was man eine<br />

gespaltene Persönlichkeit nennt. Liebe und Hass<br />

liegen so nah beieinander.<br />

Aus Hass kann ganz schnell Liebe werden,<br />

ebenso schnell kann aus Liebe ganz schnell Hass<br />

entstehen.<br />

Als Romy und Alain sich kennen lernten hassten<br />

sie einander. Er empfand sie als naiv und<br />

langweilig. Ein süßes Wiener Mädel so ganz ohne<br />

Pfiff! Zum kotzen, wie er später sagte. Und sowas<br />

wird in Deutschland zum Star.<br />

Sie empfand Ihn als arrogant, zu aufgesetzt, zu<br />

perfekt. Seine Frisur, sein zu modischer Anzug<br />

mit Schlips und Kragen, das war für Romy<br />

keineswegs natürlich, das sah verkleidet,<br />

kostümiert aus. Er bewegte sich in diesem<br />

Kostüm nicht authentisch, deshalb wirkte er<br />

verkleidet und eben wie in einem Kostüm. Die<br />

Rosen die er Ihr bei ihrer ersten Begegnung<br />

schenkte waren für Romys Geschmack zu rot.<br />

Wie alles an Ihm für Ihren Geschmack zu viel, zu<br />

übertrieben, eben zu aufgesetzt war. Es wirkte<br />

einfach nicht echt. Für Romys Geschmack war er<br />

geschmacklos und uninteressant.<br />

„ISCH LIEBE DISCH“ lernte Alain auswendig<br />

und fand es sehr amüsant, Romy das alle paar<br />

Minuten während eines für die Fotografen<br />

organisierten Tanzabends, ins Ohr zu flüstern.<br />

Romy fand das keineswegs amüsant und Alain<br />

fand Sie komplett uninteressant. Das beruhte<br />

auf Gegenseitigkeit.<br />

Und ausgerechnet diese beiden jungen Leute,<br />

die sich einander anscheinend überhaupt<br />

nicht riechen konnten sollten in den nächsten<br />

sechs Wochen zusammen einen Film drehen.<br />

Romy sprach zu dieser Zeit kein französisch,<br />

Delon sprach kein Englisch. Also unterhielten<br />

sie sich in einem Sprach-Melange…<br />

Nach diesem ersten Kennenlernen flog Romy<br />

mit dem Drehbuch im Petto nach Ibiza. Dort<br />

besaß sie ein Grundstück. Sie wollte die Zeit<br />

genießen, das Drehbuch lesen, verinnerlichen,<br />

sich mit der Figur die sie in den nächsten<br />

sechs Wochen spielen würde, vertraut<br />

machen.<br />

Zurück in Paris lernte sie einen vollkommen<br />

anderen Alain Delon kennen. Sie lernte nun<br />

sein zweites ICH, sein wahres ICH kennen.<br />

Den Alain den sie am Anfang kennen gelernt<br />

hatte gab es jetzt nicht mehr. Das heißt es gab<br />

ihn schon, er präsentierte sich nur von einer<br />

völlig anderen Seite. Er zeigte nun seine<br />

andere Seite. Den übermodischen Anzug hatte<br />

er gegen eine lässige Blue Jeans mit T-Shirt<br />

getauscht. Seine Stimme war laut, er sprach<br />

wie ein Wasserfall, raste mit seinem Rennauto<br />

in zerzausten Haaren durch Paris, überfuhr<br />

mit einer Selbstverständlichkeit sämtliche<br />

rote Ampeln.<br />

Ins Atelier kam er immer zu spät -<br />

Maßregelungen der Kollegen? Ins eine Ohr<br />

rein- ins Andere wieder raus…


Sissi, Romy und ein Traum von Freiheit<br />

Das kann ja heiter werden, dachte sich Romy…<br />

auch diesen neuen Alain, den sie jetzt kennen<br />

gelernt hatte fand sie nicht sonderlich<br />

sympathisch.<br />

Bei den Dreharbeiten flogen die Fetzen. Romy<br />

und Alain waren ständig damit beschäftigt sich<br />

zu streiten. Danach folgte Funkstille und ihr<br />

Partner Jean-Claude Brialy musste zwischen<br />

den beiden Streithähnen vermitteln. Dieser<br />

Zustand etablierte sich über Tage hinweg, die<br />

Crew war verzweifelt und litt unter dem Krieg<br />

den die beiden am Filmset austrugen.<br />

Doch nach dem Krieg folgte Frieden.<br />

Grund dafür war eine Einladung von Romys<br />

Stiefvater Hans Herbert Blatzheim nach Brüssel<br />

zum Filmball. Blatzheim besaß ein Restaurant in<br />

Brüssel, Romy und Alain erhielten eine<br />

Einladung zum Ball und machten sich<br />

gemeinsam auf den Weg. Auf der Zugfahrt von<br />

Paris nach Brüssel geschah eine Art Wunder:<br />

Die Streithähne waren auf einmal friedlich! Sie<br />

flirteten miteinander.<br />

Romy hatte es erwischt, sie war ein Stück weit<br />

verliebt in den verhassten Filmpartner.<br />

Schließlich war es nicht das erste Mal das Romy<br />

für einen Filmpartner schwärmte. Das war keine<br />

Seltenheit, man kann sagen, das gehörte eben<br />

dazu. Und was gibt es schöneres als verliebt zu<br />

sein und zu flirten? Romy liebte dieses Gefühl<br />

des Verliebtseins, und das flirten... „Mit fast allen<br />

Partnern meiner Filme hatte ich auf Teufel<br />

komm raus geflirtet. Immer hatte ich mich recht<br />

schnell verliebt. So was ändert sich- das Tempo,<br />

meine ich -, aber ich werde mich immer wieder<br />

verlieben.“<br />

Dieser Flirt führte zur offenen<br />

Auseinandersetzung zwischen Romy und ihrer<br />

Familie. Es war nicht das erste Mal. Schon<br />

früher,<br />

als Romy während der Dreharbeiten zu<br />

Monpti einen Flirt mit Filmpartner Horst<br />

Buchholz hatte, wetterte Stiefvater Blatzheim<br />

los: Entweder er oder ich.<br />

Damals hatte Romy nicht den Mut aufbringen<br />

können, sich zu entscheiden… oder waren<br />

eben ihre Gefühle zu Horst Buchholz nicht<br />

stark genug. Jedenfalls kuschte sie und es<br />

blieb alles beim Alten. Bei Alain war das<br />

anders!<br />

Diesmal hatte Romy keine Lust zu kuschen<br />

und weiterhin die Rolle der braven Tochter zu<br />

spielen. Sie wollte sich nicht mehr<br />

bevormunden lassen, wollte endlich auf die<br />

Stimme ihres eigenen Herzens hören, und ihr<br />

folgen!: „Lasst mich frei! Lasst mich doch<br />

endlich los, euer kleines Mädchen ist schon<br />

groß!“ … dachte sie sich.<br />

Damit provozierte sie während des Filmballs<br />

in Brüssel ein regelrechtes Donnerwetter. Ein<br />

Gewitter das harmlos aufzog und schnell zu<br />

explodieren drohte. Alles fing ganz harmlos<br />

an: im Blitzlichtgewitter tanzte sie mit Alain<br />

auf dem Filmball in Brüssel, die Fotografen<br />

machten ihre Fotos… Während sie tanzten bat<br />

Alain sie an seinen Tisch. Romy willigte ein,<br />

gab Mutter und Daddy Blatzheim Bescheid<br />

das sie sich an Alains Tisch setzten möchte.<br />

Nach Aussprache dieser Bitte stieg das<br />

Gewitter auf. „Du kannst nicht zu einem Mann<br />

an den Tisch gehen. Was sollen denn die Leute<br />

denken.“<br />

Wieder lies sich Romy überreden<br />

Der Ball war vorbei, und die Arbeit ging<br />

weiter. Außenaufnahmen in Wien standen auf<br />

dem Plan. Romy wohnte zusammen mit<br />

Mutter Magda im Hotel Sacher, wo auch Alain<br />

Delon für diese Zeit wohnte


Sissi, Romy und ein Traum von Freiheit<br />

Sie waren sich jetzt so nah und doch so fern…<br />

man sah sich jeden Tag, arbeitete zusammen,<br />

lebte zusammen, aber redete nicht über die<br />

Gefühle die man füreinander empfand. Romy<br />

war verliebt in Alain und Alain war verliebt in<br />

Romy und keiner von beiden konnte dem<br />

anderen sagen was er für den anderen empfand.<br />

Beide hatten Angst, abgewiesen zu werden -<br />

besonders Romy. Durch eine<br />

Sondergenehmigung durfte sie ihn bis zum<br />

Flugzeug begleiten. Romy stand auf dem<br />

Rollfeld: „Er küsste mich zum Abschied, dann<br />

drehte er sich um und ging die Treppe hinauf.“<br />

Für Romy war dieser Abschied etwas<br />

Endgültiges… sie fühlte sich auf einmal so<br />

unglaublich traurig und einsam. Bevor das<br />

Flugzeug abhob sah Romy ihn noch einmal<br />

durch die Scheibe, das war das Letzte was sie<br />

erkennen konnte. Tränen flossen über ihr<br />

Gesicht. Der Abschiedsschmerz war so stark.<br />

Stärker als sie es jemals für möglich gehalten<br />

hätte. In diesem Moment wurde ihr schlagartig<br />

bewusst das Alain mehr für sie war - er war<br />

mehr als nur ein Flirt während einer Filmarbeit.<br />

Ein Flirt der nach dem Dreh zu Ende ist.<br />

Der Film war zu Ende - der Flirt fing jetzt erst<br />

an.<br />

Wieder zurück im Hotel hatte sie sich ihrer<br />

Mutter anvertraut. Ihr Ihre Gefühle zu Alain<br />

anvertraut. Das Gesicht immer noch voller<br />

Tränen sah sie einen Brief, den Magda vorher<br />

von Alain erhalten hatte mit der Bitte diesen<br />

Brief nach seinem Abflug an Romy<br />

weiterzuleiten.<br />

Sie konnte ihn nicht lesen, konnte kein Wort<br />

erkennen… Ihr Gesicht war immer noch voller<br />

Tränen. Sie dachte nach, dachte über das nach<br />

was in diesen sechs Wochen passiert war. Ihr<br />

wurde klar dass dieser junge Rebell Ihr Leben<br />

komplett auf dem Kopf gestellt hatte. Sie<br />

wusste, das nach dieser Begegnung und dieser<br />

Zeit die sie während der Dreharbeiten<br />

miteinander verbracht hatten nie wieder<br />

etwas so sein konnte wie vorher.<br />

Romy konnte mit dieser Zeit nicht<br />

abschließen. Der Film war abgeschlossen,<br />

aber Alain? Mit Alain konnte sie unmöglich<br />

abschließen. Sie konnte unmöglich so<br />

weiterleben wie zu der Zeit bevor Alain in Ihr<br />

Leben trat… das war nicht möglich. Sie konnte<br />

Ihn nicht vergessen und schon gar nicht<br />

konnte sie zurück in Ihr altes Leben.<br />

Sie sollte sich ausruhen für die nächste<br />

Filmarbeit, Ferien machen in Köln, neue<br />

Filmstoffe lesen, spazieren gehen,<br />

Autogramme unterschreiben…<br />

Anstatt des Flugtickets nach Köln kaufte<br />

Romy sich ein Flugticket nach Paris. Von Orly<br />

aus rief sie Alain an. Als sie den Hörer auf die<br />

Gabel legte begriff sie was geschehen war.<br />

Sie hatte es geschafft!<br />

Mit dem Ticket Wien-Paris hatte Sie<br />

automatisch das Ticket zur großen Freiheit<br />

erlangt.<br />

Romy war ausgebrochen!<br />

Zum ersten Mal in ihrem Leben war Romy<br />

wirklich frei!


Stationen eines Lebens...Berlin<br />

Die Betrachtung des Lebens als Reise, als<br />

ständiges unterwegs sein, auf der Suche nach<br />

dem eignen Ich, auf der Suche nach sich selbst.<br />

So beschrieb Tara, eine enge Freundin Romy<br />

Schneiders das Leben der Schauspielerin.<br />

Die russische Schauspielerin Tara lernte Romy<br />

Schneider in einem privaten Moment im<br />

Berliner Schlosshotel kennen. Romy lebte nicht<br />

mehr in Paris. Alain Delon war Geschichte,<br />

Romys Leben verlief in neuen Bahnen.<br />

Am 1. April 1965 lernte sie den Berliner<br />

Regisseur und Schauspieler Harry Meyen bei<br />

den Eröffnungsfeierlichkeiten des Europa<br />

Centers kennen. Romy Schneiders Stiefvater<br />

Hans Herbert Blatzheim konnte sich mit der<br />

Eröffnung des Europacenters einen lang<br />

geträumten Wunsch erfüllen. Hans Herbert<br />

Blatzheim galt als „Gigant des<br />

bundesdeutschen Wirtschaftswunders“ - mit<br />

dem Bau des Europa Centers sah er sich am<br />

Ziel angekommen, er kontrollierte die<br />

gastronomischen Einrichtungen Westberlins.<br />

Harry Meyen und Romy Schneider kannten<br />

einander länger, jedoch erhielten Sie an jenem<br />

Abend zum ersten Mal die Möglichkeit ihre<br />

Gespräche zu intensivieren und einander<br />

besser kennen zu lernen. Harry Meyen der<br />

während dieser Zeit noch mit Anneliese Römer<br />

verheiratet war, verliebte sich in Romy<br />

Schneider.<br />

Das Paar heiratete und bezog im Westberliner<br />

Bezirk Grunewald eine Vierzimmerwohnung in<br />

der Winklerstraße 22. Zum ersten Mal in ihrem<br />

Leben, so schien es lebte Romy Schneider in<br />

gefestigten Strukturen. In späteren <strong>Jahre</strong>n<br />

beschrieb Romy Schneider selbst ihre Berliner<br />

Zeit als die Glücklichsten <strong>Jahre</strong> Ihres Lebens. In<br />

Berlin sah sie Ihren Sohn David aufwachsen,<br />

sie genoss das private Glück. Endlich, so schien<br />

es, war es ihr gelungen ein Stück bürgerliches<br />

Leben<br />

zu spüren. Zusammen mit Ihrem Mann Harry<br />

Meyen, der bürgerlich Haubenstock hieß und<br />

dessen Namen sie angenommen hatte, lebte der<br />

Star zurückgezogen in der Idylle einer Stille.<br />

Diese Stille war es, was ihr fehlte, was sie suchte<br />

und endlich gefunden hatte.Romy war glücklich,<br />

doch auch dieses Glück sollte ihr nicht lange<br />

beschert bleiben.<br />

Wie so oft in Ihrem Leben, immer dann wenn<br />

Romy Schneider glaubte alles erreicht zu haben,<br />

endlich an einem Ziel angekommen zu sein,<br />

geschah alles anders. Das Glück mit Harry<br />

verrinnt, wie der Sand in einer Sanduhr der<br />

seinen Weg nach unten sucht.<br />

Die russische Schauspielerin Tara erinnert sich<br />

an eine Begegnung mit Romy Schneider in der<br />

Winklerstr. 22 im Grunewald.<br />

Am 17. Juli 1968 gegen 14.00 Uhr betrat Tara das<br />

Haus Winklerstrasse 22 im Berliner Grunewald<br />

ein letztes Mal. Den nächsten Tag zur selben Zeit<br />

sollte sie schon längst im Zug zurück nach<br />

Moskau sitzen. Sie besuchte Romy ein letztes<br />

Mal in ihrer Berliner Wohnung. Das nächste<br />

Wiedersehen fand erst <strong>Jahre</strong> später in Paris<br />

statt.<br />

Die Stimmung an jenem Tag im Juli im Hause<br />

Haubenstock war angespannt, um nicht zu<br />

sagen, es brannte die Luft. Romy und Harry<br />

hatten Streit. Ihre Auseinandersetzung<br />

übertönte das Läuten der Klingel, sodass Tara<br />

einige wenige Bruchstücke der Konfrontation<br />

vor geschlossener Tür vernahm. „Dein Erfolg in<br />

völlig verkitschten 50er-<strong>Jahre</strong> Streifen ist<br />

Geschichte. Fang endlich an die Realität<br />

wahrzunehmen. Die Zeiten des Ruhms sind<br />

vorbei.“<br />

In einem weiteren Satz, warf Harry seiner Frau<br />

„ein mangelndes Intellekt auf Grund<br />

mangelnder Bildung“ vor. Auch dass sie ohne<br />

ihn nicht lebensfähig wäre und völlig


Stationen eines Lebens...Berlin<br />

Realitätsfremd sei, vernahm Tara aus Harrys<br />

Mund. Sie klingelte erneut und erhoffte sich<br />

insgeheim, dass das Paar ihren Streit während<br />

ihrer Anwesenheit beilegen werde. Doch als<br />

Romy ihr nach dem dritten Klingelversuch<br />

endlich öffnete ging der Streit weiter. Es sollte<br />

noch besser werden: Harry involvierte Tara in<br />

die bestehende Auseinandersetzung mit seiner<br />

Frau. Tara war die Art und Weise wie Harry<br />

seine Frau herunterputze, und sie als<br />

Dummerchen darstellte peinlich. Sie hatte<br />

Romy in der intensiven Zeit die sie miteinander<br />

verbrachten als keineswegs ungebildet oder<br />

gar dumm kennen gelernt. Genau das<br />

Gegenteil war der Fall! Romy war von der Art<br />

ihres Denkens und Handelns viel weiter als die<br />

meisten Menschen ihres Alters.<br />

Auch die Tatsache das Harry Meyen 14 <strong>Jahre</strong><br />

älter war als Romy, gab ihm noch lange nicht<br />

das Recht seine Frau derart zu bevormunden.<br />

Während der Konversation gab Harry ihr<br />

anfangs indirekt, und später sehr direkt zu<br />

verstehen dass sie mit einem großen Defizit an<br />

Bildung und mangelnden Fähigkeiten behaftet<br />

sei. Romy kochte vor Wut. Am Liebsten hätte<br />

sie sofort das Wort ergriffen und ihrem Mann<br />

gehörig die Meinung gesagt. Doch Harry gab<br />

ihr nicht den Raum, um jene Argumente die ihr<br />

auf der Zunge lagen vorzubringen. Er duldete<br />

keinen Widerspruch, ließ Romy gar nicht zu<br />

Wort kommen. Taras Anwesenheit hatte er<br />

zwar registriert, aber in dem Moment als<br />

unbedeutend wahrgenommen.<br />

Tara setzte sich auf Romys Sofa und verfolgte<br />

das Geschehen von weitem. Harry steigerte sich<br />

immer stärker in ein nicht zu definierendes<br />

Problem hinein. Für Tara hatte es den<br />

Anschein das Romys Mann Harry sich selbst<br />

sehr gerne reden hörte. Langsam aber sicher<br />

bekam Tara den Eindruck das Harry redete um<br />

des reden Willens.<br />

Für sie erschloss sich nicht die Sinnhaftigkeit<br />

des Problems, welches Harry offensichtlich mit<br />

seiner Frau hatte. Er drehte sich im Kreis, fing<br />

immer wieder an bereits Gesagtes zu<br />

wiederholen. Tara hatte nichts gegen<br />

Wiederholungen, im Gegenteil! Wiederholungen<br />

verleihen dem bereits Gesagten eine gesteigerte<br />

Wichtigkeit. Allerdings war diese Wichtigkeit bei<br />

den von Harry getroffenen Aussagen nicht<br />

gegeben. Tara reflektierte in diesen Momenten<br />

das von Romy über ihren Mann Gesagte. Romy<br />

hatte ihr vor wenigen Tagen noch offenbart das<br />

Harry der komplette Gegenpol zu ihrer Person<br />

wäre, und wie glücklich sie doch wäre diesen<br />

Mann in ihrem Leben zu haben. Harry Meyen ist<br />

in der Tat der komplette Gegenpol zu Romy.<br />

Tara beschreibt ihn als arrogant, unnahbar,<br />

seine ganze Art wirkt komplett unterkühlt.<br />

Harry untergräbt Romys Selbstbewusstsein, gibt<br />

ihr permanent das Gefühl mit einem Mangel an<br />

Intellekt und einem Mangel an künstlerischen<br />

Fähigkeiten behaftet zu sein.<br />

Anfangs liebte Romy seine anscheinende<br />

Überlegenheit und seine geschickt verpackte<br />

Kritik, die er an ihrer Arbeit äußerte. Seiner<br />

Anschauung nach war das Theater die<br />

Königsklasse der Kunst. Die Filmarbeit<br />

beschreibt er als zweitklassige Unterhaltung mit<br />

geringem künstlerischem Anspruch. Im Film, so<br />

erklärte er, finden auch minderbemittelte und<br />

völlig talentfreie Schauspieler ohne<br />

Berufsausbildung eine Anstellung. Während im<br />

Film Schönheit ein Auswahlkriterium darstellt,<br />

geht es im Theater nur um das wirkliche<br />

künstlerische Verständnis. Romy, so erklärte<br />

Harry wäre eben ein Filmfräulein ohne eine<br />

adäquate Berufsausbildung und ganz ohne<br />

Handwerk. „Dein Bauchgefühl wird dir<br />

irgendwann auch nicht mehr weiterhelfen, dir<br />

fehlt jegliches Handwerk.


Stationen eines Lebens...Berlin<br />

Du verfügst über keinerlei künstlerische<br />

Gestaltungsmittel. Du hast nie eine<br />

Schauspielausbildung gemacht, du bist keine<br />

Schauspielerin, du wirst niemals wirklich<br />

ernsthaftes Theater spielen können! Da<br />

helfen dir auch all deine Beziehungen aus<br />

vergangenen Zeiten nichts! Fang endlich an<br />

realistisch zu denken, und danach zu<br />

handeln.“<br />

Romy war den Tränen nahe. Sie raffte sich<br />

zusammen und bat Harry den Raum zu<br />

verlassen und sie mit ihrer Freundin allein<br />

zu lassen. „Tara fährt morgen zurück nach<br />

Russland! Ich möchte die letzten Stunden<br />

noch mit meiner Freundin verbringen und<br />

mit ihr allein sprechen… wenn du gestattest!“<br />

Harry warf seiner Frau einen prüfenden Blick<br />

zu, machte allerdings keine Anstalten den<br />

Raum zu verlassen. Im Gegenteil, nun wandte<br />

er sich auch Tara zu, die er bisher noch nicht<br />

einmal begrüßt hatte.<br />

„Guten Tag meine liebe Tara ! Ich habe ihr<br />

kommen gar nicht wahrgenommen… ich<br />

hegte die Annahme Sie wohnen jetzt bei uns…<br />

schließlich sehen sie meine Frau ja häufiger<br />

als Ich!… Bitte entschuldigen sie vielmals…<br />

ich vergaß… sie sind ja nun die Lehrerin<br />

meiner Frau. Glauben sie ernsthaft sie<br />

könnten meiner Frau in einem zwei Wochen-<br />

Seminar eine fehlende Berufsausbildung<br />

ersetzen?“<br />

Tara schwieg, auch sie ließ Harry nicht zu<br />

Wort kommen! „Sie selbst befinden sich<br />

derzeit in einer Schauspielausbildung... wie<br />

naiv zu glauben, das die Tatsache das man<br />

Schauspiel studiert, einen dazu befähigt<br />

selbst Schauspiellehrer zu spielen. Es ist ja<br />

ganz amüsant das sie sich zusammen setzen<br />

um sich künstlerisch auszutauschen und das<br />

Eine oder Andere zu lernen.<br />

Aber Unterricht? Unterricht kann man das<br />

beim besten Willen nicht nennen. Beenden<br />

sie erstmal ihr Studium, und bewähren sie<br />

sich 10 <strong>Jahre</strong> in dem Beruf… und dann<br />

können sie, wenn sie gut sind vielleicht<br />

einmal darüber nachdenken, Unterricht<br />

erteilen!“<br />

Tara schluckte! Mittlerweile kochte auch sie<br />

vor Wut über den „Pseudo Intellektuellen“<br />

von oben herabschauenden Ehemann ihrer<br />

Freundin. Harry glaubte wirklich die<br />

Weisheit dieser Welt mit goldenen Löffeln<br />

gefressen zu haben! Sie hielt kurz inne und<br />

raffte sich auf, dem eben gesagten etwas zu<br />

erwidern. Sie atmete kurz durch und<br />

begann ihre Gedanken in Worte zu fassen:<br />

„Lieber Harry, ich glaube du hast irgendwas<br />

grundlegendes nicht ganz mitbekommen!<br />

Ich bin nicht Romys Lehrerin, ich bin<br />

Romys Freundin… und Freundschaft ist ein<br />

Geben und Nehmen! Ich gebe Romy etwas,<br />

Romy gibt mir etwas. Wir sind beide<br />

Schauspielerinnen, und wir sind beide der<br />

Meinung etwas von einander lernen zu<br />

können. Romy hat so viel Erfahrung in<br />

diesem Beruf, die mir fehlt. Ich befinde<br />

mich in einer Schauspielausbildung und<br />

freue mich wenn ich Romy etwas aus dem<br />

Unterricht zeigen kann. Das hat überhaupt<br />

nichts mit Unterrichten zu tun! Wir<br />

tauschen uns lediglich aus!“<br />

Ohne auch nur eine Sekunde darüber<br />

nachzudenken, und das eben Gesagte zu<br />

reflektieren ergriff Harry erneut das Wort.<br />

„Das ist ja alles schön und gut… aber meine<br />

Frau hegt, naiv wie sie eben ist, die<br />

tatsächliche Annahme, das sie eine<br />

fundierte Schauspielausbildung in ein paar<br />

Stunden des sogenannten


Stationen eines Lebens...Berlin<br />

Nachhilfeunterrichts bei einer<br />

Schauspielschülerin des ersten Semesters<br />

nachholen könne. Und diese Annahme ist<br />

eben komplett realitätsfremd.“<br />

Tara traf in diesem Moment eine innere<br />

Entscheidung. Aus einem Impuls heraus<br />

hatte sie entschieden für ihre Freundin<br />

Partei zu ergreifen. Minutenlang musste sie<br />

ertragen wie Romy durch ihren Mann<br />

gemaßregelt wurde. Sie wollte das Wort<br />

ergreifen und Harry in die Schranken<br />

weisen. Doch ohne sich anzuhören was Tara<br />

eben Gesagtem zu entgegnen hatte stand er<br />

auf und ging. Mit kratziger Stimme krächzte<br />

er betont kühl: „Gute Reise und auf<br />

Wiedersehen“<br />

Er schloss die Tür hinter sich und ging. Bei<br />

ihrem ersten Zusammentreffen war Harry<br />

sehr nett zu ihr, an diesem Tage offenbarte er<br />

sein wirkliches Ich. Ihr schien es, als hätte<br />

Romy ihre so lang erkämpfte<br />

Eigenständigkeit verloren. Sie stand<br />

komplett unter der Fuchtel ihres Mannes.<br />

Harry bestimmte Romys Leben, er entschied<br />

über ihre Arbeit, urteilte über Freunde und<br />

Kollegen.<br />

Wortlos ging sie nun auf Romy zu und<br />

umarmte sie fest. Über Romys Gesicht flossen<br />

Tränen, ihre Freundin umklammerte sie nun<br />

ganz fest. Minuten lang verharrten sie in<br />

dieser Umarmung. Romy sollte dieses Gefühl<br />

haben und wissen, das sie in diesem Moment<br />

nicht allein war. Zu wissen das es einen<br />

Menschen gab mit dem sie reden konnte, der<br />

Harry erlebt hatte, und der sie versteht, gab<br />

ihr das Gefühl das sie in diesem Moment<br />

brauchte.<br />

Tara erinnert sich nach über 40 <strong>Jahre</strong>n noch<br />

sehr genau an jenes Gespräch, welches sie<br />

an diesem Abend mit Romy führte.<br />

Das was Romy ihr an diesem Abend von<br />

sich offenbarte brannte sich so fest in ihre<br />

Erinnerungen. So dass sie den Inhalt ihres<br />

Gesprächs auch nach all den <strong>Jahre</strong>n nicht<br />

vergessen konnte: „Es ist als wäre es gestern<br />

gewesen! Ich sehe Harry noch ganz genau<br />

vor mir, in seiner grauen Stoffhose, der dazu<br />

passenden grauen Jacke und seinem<br />

Professor Higgins Ausdruck im Gesicht.<br />

Auch Romy sehe ich noch ganz genau vor<br />

meinem inneren Auge – sie trug ein<br />

beigefarbenes Nachmittagskleid. Diese<br />

Traurigkeit in ihren Augen nach dem<br />

Gespräch mit Harry werde ich nie<br />

vergessen. Ich hatte kein Mitleid für Romy.<br />

Sie war keineswegs eine Frau die Mitleid<br />

erweckte. Ich empfand nur eine<br />

wahnsinnige Wut auf Harry und war froh<br />

das er dann doch gegangen ist!“<br />

Nach dieser Auseinandersetzung dachte<br />

Tara darüber nach ob Romy in Berlin<br />

wirklich glücklich war. Schließlich liebte sie<br />

Paris. Dort lebten all ihre Freunde, ihre<br />

Kollegen, ihre beruflichen Kontakte. Paris<br />

war die Stadt die Romy einst umarmte, die<br />

sie liebt, die ihr das Lebensgefühl vermittelt<br />

das sie braucht. Ihr Pariser Boheme Leben,<br />

das sie nie wieder missen wollte, hatte sie<br />

aufgeben. Aufgegeben für ein gut<br />

bürgerliches Glück in Berlin. Zwischen<br />

Romy und Berlin bestand eine wahnsinnige<br />

Anziehungskraft. Sie liebte Berlin. Für<br />

Romy war Berlin der Ort an dem alles<br />

begann.


Stationen eines Lebens...Berlin<br />

Nach der Trennung von Alain Delon war<br />

Romy ganz unten, sie befand sich in einem<br />

großen schwarzen Loch aus dem sie sich aus<br />

eigener Kraft nicht befreien konnte. In<br />

diesem Moment trat Harry Meyen in ihr<br />

Leben.<br />

Harry Meyen ist das komplette Gegenteil von<br />

Alain Delon, Romy gefiel das Gefühl, sich bei<br />

diesem gebildeten Mann von Welt, der ihr ein<br />

Gefühl von Sicherheit vermittelte, komplett<br />

fallen lassen zu können. Harry steht mit<br />

beiden Beinen im Leben, er weiß ganz genau<br />

was er will. Romy träumte immer noch den<br />

Traum vom Theater, diesen Traum glaubte<br />

sie, könne sie durch Harrys Hilfe Wirklichkeit<br />

werden lassen. Harry hatte Träume, die er<br />

glaubte mit Romys Hilfe realisieren zu<br />

können. Bald schon fing Romy an Harry zu<br />

idealisieren. Sie glaubte fest daran, bei ihm<br />

jene Tugenden zu finden die sie selbst nicht<br />

besaß.<br />

Erstmals in ihrem Leben war Romy bereit den<br />

Erfolg und das Filmbusiness ihrem privaten<br />

Glück hinten anzustellen. Sie glaubte ihren<br />

Traum von dem kleinen privaten Glück mit<br />

Harry leben zu können. Sie glaubte das<br />

verloren gegangene Nest wiedergefunden zu<br />

haben, doch da verwechselte Romy Reibung<br />

mit Nestwärme: „Früher war alles ganz<br />

anders, ich war ganz anders. Ich habe mich<br />

verändert, das heißt das Filmbusiness hat<br />

mich verändert. Das Filmbusiness hat meine<br />

menschliche Entwicklung beeinflusst, mich<br />

geprägt und mich verändert.“<br />

Romy erzählte Tara von früher, von den<br />

Anfängen ihrer Filmarbeit, ihrem Zenit mit<br />

Sissi und den Veränderungen die sie in<br />

diesen Zeiten durchlebt hat. Das Leben hatte<br />

Romy geprägt, und schließlich zu dem<br />

Menschen gemacht der sie heute war.<br />

„Früher war alles ganz anders, ich war ganz<br />

anders. Ich habe mich verändert, das heißt<br />

das Filmbusiness hat mich verändert. Das<br />

Filmbusiness hat meine menschliche<br />

Entwicklung beeinflusst, mich geprägt und<br />

mich verändert.“<br />

Romy erzählte Tara von früher, von den<br />

Anfängen ihrer Filmarbeit, ihrem Zenit mit<br />

Sissi und den Veränderungen die sie in<br />

diesen Zeiten durchlebt hat. Das Leben<br />

hatte Romy geprägt, und schließlich zu dem<br />

Menschen gemacht der sie heute war. „Mir<br />

selbst ist es nie aufgefallen, das ich arrogant<br />

rüberkomme. Meine Mutter und einige<br />

Freunde sagten mir wie arrogant ich doch<br />

klinge, und vor allem wie arrogant ich mich<br />

verhalte… meine Stimme klingt arrogant…<br />

unbewusst… die mahnenden Worte meiner<br />

Mutter… sie meinte in einem ihrer Briefe<br />

meine überhebliche Arroganz wäre nicht<br />

mehr zu ertragen… ich stoße die Leute vor<br />

den Kopf und merke es noch nicht einmal,<br />

sagt sie! Ich wäre so überheblich, zu denken<br />

das auf mich sogar das Flugzeug wartet.“<br />

Romy fühlt sich missverstanden. Diese<br />

Arroganz, die ihr beispielsweise von Mutter<br />

Magda nachgesagt wird ist keinesfalls<br />

eingebildet oder herabschauend gemeint.<br />

Nein! Es ist vielmehr ein Schutzwall in den<br />

sich Romy begeben hatte um sich vor<br />

Angriffen seitens der Familie und seitens<br />

der Öffentlichkeit zu schützen. Schon im<br />

elterlichen Hause in Mariengrund bemühte<br />

sich Romy an Selbstsicherheit zu gewinnen.<br />

Ihre Sicherheit verflog, sobald Stiefvater<br />

Blatzheim sie in einem gesteigert lautem<br />

Tonfall ansprach, sie anbrüllte. Sofort begab<br />

sie sich in ihr Kinderzimmer, schloss ab und<br />

heulte los. Mit einem Schrei war das neu<br />

gewonnene Gefühl weg, erschüttert, und die


Stationen eines Lebens...Berlin<br />

Angst, es für immer verloren zu haben war<br />

groß.<br />

Der Erfolg ihrer Filme gab ihr das ersehnte<br />

Selbstbewusstsein und die ersehnte<br />

Selbstsicherheit, die sie immer suchte und<br />

doch nie fand. Jeder Schauspieler durchlebt<br />

Momente des kompletten an sich selbst<br />

Zweifels. Jeder Schauspieler trägt eine starke<br />

Sensibilität in sich, für die Arbeit vor der<br />

Kamera und die Arbeit auf der Bühne ist eine<br />

Übersensibilität erforderlich.<br />

Im wirklichen Leben jedoch ist diese<br />

Übersensibilität oft ein Laster, welches der<br />

betreffende Schauspieler nicht abstellen<br />

kann. Der Schauspieler ist ein ganz normaler<br />

Mensch! - Eigentlich! Nur das er ein bisschen<br />

mehr Freude empfindet, ein bisschen<br />

verrückter ist, ein bisschen mehr leidet, ein<br />

bisschen trauriger ist. Eben von jedem<br />

Gefühl ein bisschen mehr in sich trägt!<br />

Romy war sehr jung als sie in das<br />

Haifischbecken des Filmgeschäfts hinein<br />

gerutscht ist. Alles im Leben hat zwei Seiten,<br />

wo Licht ist, ist immer auch Schatten. Das<br />

Licht ist das Glück, so früh wie möglich in die<br />

Filmbranche einzusteigen und Erfahrungen<br />

zu sammeln.<br />

Konstantin Sergejewitsch Stanislawski hat<br />

einmal gesagt: „Das Leben hinter den<br />

Kulissen untergräbt die Moral des<br />

Schauspielers. Erfolg, Schmeichelei,<br />

Eitelkeit, Eigenliebe, Boheme,<br />

Schmierenkomödiantentum, Eigendünkel,<br />

Prahlsucht, Klatsch, Intrigen – das alles sind<br />

Bazillen, die dem jungen Organismus eines<br />

unerfahrenen Anfängers sehr gefährlich<br />

werden können.“<br />

Die Gefahr sich mit diesen Bazillen zu<br />

infizieren ist beim Einstieg ins Filmgeschäft<br />

als gegeben zu betrachten.<br />

So wird Romy beispielsweise übersteigerte<br />

Eitelkeit, Arroganz, und Eigenliebe<br />

vorgeworfen. Keine dieser genannten<br />

Eigenschaften sind Eigenschaften die Romy<br />

charakterisieren. Unbewusst und durch<br />

Mangel an Erfahrung entsteht vielleicht<br />

dieses Bild von Romy. Doch Romy hatte die<br />

Problematik und deren Ernsthaftigkeit<br />

erkannt. Die Erkenntnis ist der erste Schritt<br />

auf dem Weg zur Besserung.<br />

Es ist illusorisch zu glauben eine Lösung<br />

dieses Problems in Tagen, Wochen oder<br />

Monaten zu finden. Die Zeit spielt dabei<br />

keine gesteigerte Rolle, wichtig ist das man<br />

sich auf den Weg der Lösung begibt, und<br />

genau das tat Romy. Es belastete sie,<br />

unbewusst Menschen dieses falsche Bild von<br />

sich zu vermitteln. „Ich gebe Menschen die<br />

ich sehr liebe oftmals das Gefühl, sie nur zu<br />

lieben weil sie grade da sind. Da sind weil<br />

ich sie brauche, weil es mir grade schlecht<br />

geht, ich mit ihnen reden kann, ich sie<br />

umklammern kann. Ich vermittele ihnen das<br />

Gefühl sie wären eine Art Notnagel, den ich<br />

nur in Anspruch nehme weil grade niemand<br />

anderes da ist. Sobald ich jemanden<br />

Anderen gefunden habe, ist die Person<br />

zweitrangig und für mich nicht mehr von<br />

Interesse… Das bin nicht Ich!<br />

Das ist die Andere! Sie ist immer da, sie ist in<br />

mir. Ich kriege sie nicht raus aus mir. Gegen<br />

Sie ziehe ich in den Krieg. Sie ist mein Berg…<br />

der für mich so unüberwindbar scheint. Ich<br />

habe noch keine Lösung gefunden… aber ich<br />

suche…“<br />

Der Schauspieler ist ein Kind, sagt K.<br />

Sergejewitsch Stanislawski. Das ein Kind<br />

geimpft wird ist eine Selbstverständlichkeit.<br />

Doch wer impft den Schauspieler? Wer<br />

schützt den Schauspieler vor dem


Stationen eines Lebens...Berlin<br />

sogenannten Gift, welches der Beruf mit sich<br />

bringt? Der Schauspieler muss also eine Art<br />

Schutzimpfung bekommen, um sich selbst<br />

vor den Schattenseiten des Berufes schützen<br />

zu können. Auf die Frage wie der<br />

Schauspieler denn zu dieser Schutzimpfung<br />

gelange, antwortet Stanislawski wie folgt:<br />

„Indem man ihn erzieht, die Kunst in sich,<br />

nicht aber sich selbst in der Kunst zu lieben.“<br />

Ein Kind wird von seinen Eltern, seinen<br />

Erziehungsberechtigten erzogen. Ein<br />

Schauspieler ist zu dem Zeitpunkt wo er sich<br />

in die Berufsausbildung zum Schauspieler<br />

begibt bereits ein erwachsener Mensch, die<br />

Phase der Erziehung hat er bereits hinter<br />

sich. Dennoch begibt er sich freiwillig in eine<br />

erneute Phase des erzogen Werdens, in die<br />

Phase der künstlerischen Erziehung. Die<br />

künstlerische Erziehung muss sogleich eine<br />

Hilfestellung beinhalten die es dem<br />

Schauspieler auf seinem späteren Weg<br />

möglich macht sich selbst zu schützen. Nur<br />

wie kann das geschehen? „Mit Hilfe des<br />

eigenen Bewusstseins, durch eine feste<br />

Überzeugung, durch Gewohnheit, Willen,<br />

Abhärtung und Disziplin, durch Verständnis<br />

für die Voraussetzungen der kollektiven<br />

Arbeit und durch Entwicklung der<br />

Kameradschaft. Das alles bildet ein<br />

wirksames Gegengift.“<br />

Romy infizierte sich schnell mit dem<br />

sogenannten Gift. Erst durch die Arbeit mit<br />

Lucino Visconti sollte sie an das Gegengift<br />

gelangen. Romy spricht von: „Dem Krieg mit<br />

mir selbst“.<br />

Die Eigenschaft der Selbstreflektion ist bei<br />

Romy seit frühster Jugend sehr stark<br />

ausgeprägt. In ihrem Tagebuch schreibt sie<br />

über Erlebtes, sie bringt das Erlebte nicht<br />

nur zu Papier, sondern reflektiert dabei sich<br />

selbst in der jeweiligen Situation.<br />

„Ich beobachte mich so oft wie ich in den<br />

Krieg mit mir selber ziehe.“<br />

Sie selbst bezeichnet sich als ein Mensch, der<br />

sich vieles im Leben recht schwierig macht,<br />

schwieriger als es in Wirklichkeit ist. Romy<br />

hat es geschafft aus den Fittichen der<br />

Familie, vor allem aus den Fittichen ihres<br />

Stiefvaters Hans Herbert Blatzheim<br />

auszubrechen. Sie hat es geschafft sich von<br />

der Rolle der Sissi zu befreien. So oft ist sie<br />

in den Krieg mit sich selbst gezogen. So oft<br />

hat sie den Krieg gewonnen. Dieses Gefühl<br />

ist unbeschreiblich, nicht von dieser Welt<br />

und erst Recht nicht in Worte zu fassen:<br />

„Sich selbst bekriegen, ist der schwerste<br />

Krieg. Sich selbst besiegen, ist der schönste<br />

Sieg!“<br />

Oftmals wird Romy vorgeworfen, das sie sich<br />

zu oft selbst widerspreche. Das hat<br />

keineswegs etwas damit zu tun das Romy<br />

nicht ehrlich ist, oder das sie feige ist, schon<br />

gar nicht hat es was damit zu tun das sie<br />

keine eigene Meinung hat. Ein starker Wille<br />

war bei Romy schon seit frühster Kindheit<br />

sehr ausgeprägt. Sie hatte genaue<br />

Vorstellungen von dem was sie wollte, und<br />

noch genauere Vorstellungen von dem was<br />

sie nicht wollte. Ihrer Freundin Tara<br />

vertraut sie an:<br />

„Ich bin oft hin und her gerissen. Dann<br />

kommt es zu widersprüchlichen Aussagen<br />

meiner Person. Das soll nicht heißen, ich<br />

wäre zu feige zu meiner Meinung und<br />

meinem tun zu stehen! Oftmals weiß ich<br />

eben nicht ob ich A oder B sagen soll. Und<br />

wenn mein Kopf vielleicht grade A gesagt<br />

hat, sagt mein Herz im nächsten Moment B. -<br />

Also entscheide ich mich für B und lasse mir<br />

ein Hintertürchen offen. Dazu kommt, dass<br />

ich das was ich mir wünsche, was meine<br />

Träume sind - oftmals für real empfinde.


Stationen eines Lebens...Berlin<br />

Tara sitzt noch immer auf dem Ledersofa in Romys Wohnzimmer, Romy sitzt im Schneidersitz<br />

neben ihr. Mit einer Zigarette in der rechten und einem Glas Wein in der linken Hand. Sie<br />

versucht sich Tara zu erklären. Spricht von den zwei Seelen die sie in Ihrer Brust fühlt.<br />

Wiederholt erwähnt sie die Andere, die immer da ist. Die Andere die in ihr drin ist, ihr zweites Ich<br />

das sie nicht loswerden kann! Das zweite Ich, gegen das sie nicht ankommt! Wie aus dem Nichts<br />

erscheint es plötzlich, und plötzlich ist es auch wieder weg. Sie spricht von der „Last ihrer selbst“.


Romy Schneider im Visier der Stasi<br />

In West Berlin gründete sich 1976 die<br />

Untergrund Partei „Schutzkomitee für<br />

Freiheit und Sozialismus“. Die Partei wurde<br />

von Intellektuellen und Künstlern<br />

gegründet und engagierte sich für die<br />

Freilassung von politischen Gefangenen in<br />

der DDR. Der West Berliner Publizist<br />

Hannes Schwenger war Initiator dieser<br />

Partei. Hannes Schwenger übte eine<br />

Tätigkeit als Lehrbeauftragter am Institut<br />

für Medienwissenschaft und<br />

Literatursoziologie an der FU Berlin aus.<br />

Trotz der Annahme eines Lehrauftrags an<br />

der FU zu Berlin bemühte sich Hannes<br />

Schwenger nie um einen Professorentitel.<br />

Zusammen mit anderen Künstlern, wie Max<br />

Frisch, Heinrich Böll und Romy Schneider<br />

entwickelte er Strukturen für eine mögliche<br />

Hilfestellung für politische Gefangene in der<br />

DDR. Das Schutzkomitee für Freiheit und<br />

Sozialismus begann seine Arbeit nach der<br />

Biermann Ausbürgerung und der darauf<br />

folgenden Flut an Verhaftungen wie<br />

beispielsweise der Verhaftung von Christian<br />

Kunert.<br />

In ihrer ersten Aktion bemühten sich die<br />

Mitglieder des Komitees um die Freilassung<br />

des Schriftstellers und Bürgerrechtlers<br />

Jürgen Fuchs. Jürgen Fuchs geriet bereits in<br />

jungen <strong>Jahre</strong>n in Konflikt mit der Regierung<br />

der DDR. Auslöser für diesen Konflikt war<br />

seine offen geäußerte Gesellschaftskritik<br />

während der Studentenproteste und des<br />

Prager Frühlings 1968. Jürgen Fuchs schrieb<br />

Gedichte und Prosatexte, in Jena arbeitete er<br />

im „Arbeitskreis Literatur und Lyrik“. In<br />

kürzester Zeit wurde die DDR<br />

Staatssicherheit auf den jungen<br />

Schriftsteller aufmerksam.<br />

Seine Gedichte und Prosatexte fielen durch<br />

das Raster der Zensur. Aus diesem Grunde<br />

wurde er an allen Universitäten, Hoch- und<br />

Fachschulen der DDR ausgeschlossen und<br />

politisch zwangsexmatrikuliert. Nachdem er<br />

1973 der SED beigetreten war, wurde er<br />

bereits zwei <strong>Jahre</strong> später, wegen eines<br />

gemeinsamen Auftritts mit Bettina Wegner<br />

und Gerluf Pannach, aus der Partei<br />

ausgeschlossen. Am 19. November 1976<br />

wurde Jürgen Fuchs in der DDR verhaftet.<br />

Als Verhaftungsgrund wurde<br />

„staatsfeindliche Hetzte“ angegeben. Zwei<br />

Tage vor seiner Verhaftung wurden<br />

ebenfalls die Mitglieder der Band „Renft“,<br />

Christian Kunert und Gerulf Pannach<br />

verhaftet. Bereits im Jahr 1975 wurde die<br />

Band „Renft“ in der DDR verboten. Auch in<br />

diesem Fall war „staatsfeindliche Hetze“ der<br />

Grund.<br />

Die Öffentlichkeit reagierte mit heftigen,<br />

internationalen Protestaktionen auf die<br />

Verhaftungswelle von Jürgen Fuchs,<br />

Christian Kunert und Gerluf Pannach. Das<br />

Schutzkomitee für Freiheit und Sozialismus<br />

setzte sich gezielt für die Freilassung dieser<br />

Künstler ein. Romy Schneider unterstütze<br />

das Komitee mit finanziellen Mitteln, und<br />

setzte sich zusammen mit den weiteren<br />

Partei-Mitgliedern aktiv für die Freilassung<br />

der Inhaftierten ein. Dem Druck der<br />

Öffentlichkeit hielt die Regierung der DDR<br />

nach 281 Tagen nicht mehr stand. Nach 281<br />

Tagen wurden Kunert, Fuchs und Pannach<br />

1977 zur Ausreise in den Westen<br />

verurteilt. Unter der Androhung einer<br />

langen Haftstrafe willigten sie schließlich<br />

ein und wurden aus dem Gefängnis des<br />

Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin<br />

Hohenschönhausen,


Romy Schneider im Visier der Stasi<br />

nach West Berlin entlassen.<br />

Ihre Freilassung zählte unter anderem zu<br />

den ersten Verdiensten der „Untergrund-<br />

Partei Schutzkomitee für Freiheit und<br />

Sozialismus“. Das Komitee machte es sich<br />

ebenfalls zur Aufgabe, privaten Kontakt zu<br />

den Angehörigen der Inhaftierten zu suchen<br />

und diese zu betreuen.<br />

Da Romy Schneider die DDR- Opposition<br />

unterstütze, sammelte die Staatssicherheit<br />

der DDR Informationen über sie und legte<br />

die Akte Romy Schneider an. Ihr politisches<br />

Engagement missfiel der DDR Obrigkeit,<br />

somit galt Romy als Staatsfeindin der DDR.<br />

Als Romy einen öffentlichen Aufruf zur<br />

Freilassung von Kunert, Pannach und Fuchs<br />

unterschreibt, sieht sich die Stasi gezwungen<br />

Maßnahmen gegen die Person Romy<br />

Schneider zu ergreifen. Das Ministerium für<br />

Staatssicherheit erließ am 28. Dezember 1976<br />

einen „Suchauftrag“ gegen Romy. Auf diesem<br />

Suchauftrag ist ein Sondervermerk notiert:<br />

„Eilt“! Daraus folgt, die Stasi fühlte sich von<br />

Romy und der Partei, welcher sie angehörte<br />

massiv unter Druck gesetzt, um nicht zu<br />

sagen bedroht.<br />

In einem Anlageschreiben notierte das<br />

Ministerium für Staatssicherheit der DDR<br />

die Namen aller bisher bekanntgewordenen<br />

Mitglieder des „Schutzkomitees Freiheit und<br />

Sozialismus“. Neben Romy Schneider<br />

gehörten auch der Schriftsteller Peter<br />

Schneider und die Feministin Alice<br />

Schwarzer zu den Mitgliedern der<br />

Untergrundpartei. Die am 3. 12. 1942 in<br />

Wuppertal geborene Alice Schwarzer übte<br />

während der Zeit der Gründung des<br />

Komitees einen Lehrauftrag an der<br />

Universität in Münster aus.<br />

Wie auch Romy Schneider unterstützte sie<br />

das Komitee mit finanziellen Mitteln. Alice<br />

Schwarzer galt zu dieser Zeit als führende<br />

Vertreterin der Emanzipationsbewegung der<br />

Frauen in der BRD, außerdem war sie die<br />

Herausgeberin der Zeitschrift „Emma“, wie<br />

aus den Akten des Ministeriums für<br />

Staatssicherheit hervorgeht.<br />

Romy Schneider berichtete Tara von ihrer<br />

Tätigkeit im Komitee. Sie betonte dabei<br />

immer wie wichtig es gerade für Künstler<br />

wäre, politisch engagiert zu sein.<br />

Tara erinnert sich: „Als ich eines Tages in<br />

einer Talkrunde im TV die Schauspielerin<br />

Uschi Glas reden hörte, Romy wäre eine<br />

Salonlinke gewesen, drehte sich mir schlicht<br />

und ergreifend der Magen um! Romy war<br />

stets darum bemüht ihre<br />

Öffentlichkeitswirksamkeit als<br />

Schauspielerin zu nutzen, um auch auf<br />

politischer Ebene etwas zu bewegen. Sie war<br />

mit den bestehenden Verhältnissen nicht<br />

zufrieden, sie hatte die Missstände erkannt<br />

und sie wollte etwas verändern.“<br />

Romy wünschte sich, dass auch Tara für<br />

immer in Frankreich bleiben würde, gerne<br />

hätte sie es gesehen, wenn Tara dem<br />

Schutzkomitee ebenfalls beitreten würde. Sie<br />

sollte dann, genau wie Simone Signoret und<br />

Yves Montand als korrespondierendes<br />

Mitglied für das Komitee tätig werden. Tara<br />

hatte wirklich mit dem Gedanken gespielt,<br />

Moskau für immer zu verlassen. Für immer<br />

in Frankreich zu bleiben, von den<br />

Zielsetzungen des Komitees war sie<br />

überzeugt. Romy war in allen Dingen die sie<br />

tat absolut authentisch, wahrhaftig. Oft habe<br />

ich gehört, dass Romy sich nur politisch<br />

engagieren würde um in einem guten Licht in<br />

der Medienwelt zu stehen. .


Romy Schneider im Visier der Stasi<br />

Diese Behauptung weise ich entschieden<br />

zurück, da sie schlicht und ergreifend<br />

unwahr ist. Romy selbst konnte sehr schnell<br />

durchschauen, welche Motivation hinter dem<br />

jeweiligen Tun ihrer prominenten Kollegen<br />

steckt. Natürlich, so berichtete sie mir, gab es<br />

Kollegen, die sich einer Sache die dem<br />

allgemeinen guten Zweck dienen sollte, nur<br />

aus Prestigegründen verpflichtet haben<br />

Das ärgerte sie sehr, weil diese Menschen<br />

automatisch auf all jene, denen es um die<br />

wirkliche Sache geht, ein negatives Licht<br />

werfen. Romy war fest davon überzeugt, dass<br />

die Motivation immer in Zusammenhang mit<br />

dem Zweck der jeweiligen Sache stehen<br />

muss. Beispielsweise sagte sie: „Leute die<br />

scheinbar berühmte Stars sind und sich für<br />

die Kamera als Spender und Helfer<br />

hinstellen, empfinde ich als scheinheilig. Ich<br />

stelle mir immer die Frage, ob sie das Gleiche<br />

auch tun würden, wären die Kameras nicht<br />

da. Ich selbst tue Dinge nur, wenn ich mit<br />

meinem Herzen auch wirklich dazu stehe,<br />

weil ich den Menschen helfen möchte. Ihnen<br />

Freude schenken möchte - aber wie gesagt,<br />

ohne Kameras und ohne die Absicht<br />

öffentlicher PR.“<br />

Als Ende November des <strong>Jahre</strong>s 1976 die erste<br />

Pressekonferenz des Komitees im Westberlin<br />

statt gefunden hatte, war die publizistische<br />

Resonanz sehr groß. Zu dieser Zeit zählte das<br />

Komitee 14 ordentliche (eingeschriebene)<br />

Mitglieder. Zu diesen eingeschriebenen<br />

Mitgliedern gehörten:<br />

− Dr. Hannes Schwenger Vorsitzendender<br />

des Westberliner Schriftstellerverbandes −<br />

Otto Schily Rechtsanwalt − Prof. Helmut<br />

Gollwitzer − Heinrich Böll − Max Frisch<br />

Zürich − Heinrich Alberts ehem. Regierender<br />

Bürgermeister v. Westberlin − Peter Schneider<br />

− Prof. de Vring Uni Bremen − Moneta<br />

Chefredakteur „Metall“ − Romy Schneider −<br />

Yves Montand − Simone Signoret<br />

In einer Akte mit dem Vermerk „Streng<br />

geheim!“ wurden die Namen der 14<br />

ordentlichen Mitglieder des Komitees<br />

schriftlich fixiert: (Originalauszug) „Darüber<br />

hinaus haben bisher etwa 200<br />

Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der<br />

BRD (vorwiegend des kulturellen Bereiches)<br />

schriftlich ihre Übereinstimmung mit den<br />

Zielen des Komitees erklärt.“ Nach Aussagen<br />

von Dr. Hannes Schwenger, dem Vorsitzenden<br />

des Komitees „gibt es sehr wenig<br />

ernstzunehmende Persönlichkeiten, die<br />

gegenüber dem Komitee und dessen Zielen<br />

eine ablehnende Haltung einnehmen würden.“<br />

Dr. Hannes Schwenger war es gelungen, mit<br />

dem von ihm gegründeten Komitee eine Basis<br />

für eine politische Bewegung zu gründen.<br />

„Das Komitee tagt einmal monatlich mit allen<br />

zu dieser Zeit in Westberlin weilenden<br />

ordentlichen Mitgliedern. Die Idee von der<br />

Komiteegründung stammt von Dr. Schwenger,<br />

der nach eigenen Angaben streng darauf<br />

achten will, dass es nicht zu<br />

„antikommunistischen Zwecken“ missbraucht<br />

wird.“ In diesem Zusammenhang wird deutlich<br />

gemacht: „So würden alle des<br />

Antikommunismus verdächtigten Personen<br />

vom Komitee ferngehalten.“ In dem Schreiben<br />

des MfS wird angegeben, das Yaak Karsunke<br />

der Mentor des Vorsitzenden Dr. Hannes<br />

Schwenger gewesen sei, und Otto Schily der<br />

Rechtsberater des Komitees. Diese drei wurden<br />

durch das MfS als „harter Kern“ des Komitees<br />

angegeben. Doch welche Rolle spielte Romy<br />

Schneider im „Schutzkomitee Freiheit und<br />

Sozialismus“?


Romy Schneider im Visier der Stasi


Romy Schneider im Visier der Stasi<br />

„Nur an der Periphere bewegt sich Romy<br />

Schneider, die Yves Montand und Simone<br />

Signoret als Mitglieder für dieses Komitee<br />

gewonnen hat.“ Weiterhin heißt es: „Die<br />

Aktivitäten von Böll, Frisch, und Alberts<br />

halten sich vorerst in Grenzen. Sie geben<br />

ihren Namen, Verbindungen und Spenden.<br />

Da die zur Finanzierung des Komitees<br />

notwendigen spärlich werden, ist daran<br />

gedacht, das Komitee als einen Verein<br />

eintragen zu lassen, „um die Spenden von der<br />

Steuer absetzen zu können.“<br />

Das MfS hegte lange Zeit die Vermutung, das<br />

auch der ehemalige Spiegel Korrespondent<br />

Mettke zu den eingetragenen Mitgliedern des<br />

Komitees gehörte. In ihren Recherchen war<br />

es ihnen nicht gelungen einen Hinweis auf<br />

den Beitritt Mettkes zu finden. „Es gibt<br />

keinen Hinweis darauf, daß auch der<br />

ehemalige „Spiegel“ - Korrespondent Mettke<br />

zu den ordentlichen Mitgliedern des<br />

Komitees gehört.“<br />

Selbst die Tatsache, dass Romy Schneider<br />

das Komitee nur durch finanzielle<br />

Zuwendungen unterstütze, und lediglich<br />

zwei neue ordentliche Mitglieder für das<br />

Komitee gewinnen konnte, beunruhigte das<br />

Ministerium für Staatssicherheit. Akribisch<br />

wurde alles mit Romy Schneider im<br />

Zusammenhang stehende durch das<br />

Ministerium für Staatssicherheit<br />

dokumentiert und archiviert.<br />

Als am 30. September 1976 die BZ ein<br />

Interview mit Romy Schneider<br />

veröffentlichte, wurden die Mitarbeiter des<br />

Staatsicherheitsdienstes darauf aufmerksam.<br />

In jenem Interview berichtete Romy über die<br />

Dreharbeiten ihres Films: „Gruppenbild mit<br />

Dame“.<br />

Romy spielt die Rolle der Leni, - die Rolle der<br />

Dame um die sich die anderen Figuren<br />

gruppierten. Im Verlauf der Dreharbeiten wird<br />

das gesamte Team eine zeitlang in Ostberlin<br />

verweilen, um dort die jeweiligen Schauplätze<br />

abzudrehen. In diesem Interview äußert Romy<br />

erstmals einen Wunsch, mit dem sie<br />

automatisch wieder in das Visier der Stasi<br />

gelangt war. Im Interview verriet sie: „Ich<br />

möchte unbedingt Ulrich Plenzdorf und Wolf<br />

Biermann kennen lernen.“<br />

Die Äußerung ihres Wunsches, diese beiden aus<br />

der DDR stammenden Künstler kennen zu<br />

lernen wurde von der Stasi in einer Kopie des<br />

Berichts unterstrichen. An Hand dieses<br />

Interviews schrieb HA XX/7, Gen. Lohr einen<br />

Informationsbericht mit dem Vermerk<br />

„Vertrauliche Dienstsache“. In dem Bericht,<br />

datiert mit dem 25. Oktober 1976 heißt es: „Wie<br />

weiter berichtet hält sich R. Schneider<br />

gegenwärtig in Westberlin auf, wo sie an<br />

Dreharbeiten zu Bölls „Gruppenbild mit Dame“<br />

teilnimmt. Im obengenannten Zeitungsartikel<br />

äußerte Romy Schneider den Wunsch Wolf<br />

Biermann kennenzulernen. Die Frage ist nun,<br />

ob Biermann Romy Schneider einmal in seiner<br />

Wohnung begrüßen möchte. Biermann wäre<br />

dazu bereit.“<br />

Unterzeichnet wurde dieses Dokument mit<br />

F.d.R.A. : Röbisch .<br />

Romy Schneider war zu diesem Zeitpunkt 38<br />

<strong>Jahre</strong> alt, in der Rolle der Leni, die sie in:<br />

„Gruppenbild mit Dame“ spielte war sie<br />

plötzlich eine Frau von 48 <strong>Jahre</strong>n. Auf die Frage<br />

der BZ wie Romy denn die Nachkriegszeit<br />

erfassen sollte, obwohl sie diese nicht bewusst<br />

miterlebt hatte, antwortete sie: „Die kann ich<br />

gar nicht empfinden mit meinen 38 <strong>Jahre</strong>n. Ich<br />

weiß einiges von meiner Mutter.


Romy Schneider im Visier der Stasi


Romy Schneider im Visier der Stasi


Romy Schneider im Visier der Stasi<br />

Das berührt mich sehr. Sie kannte diese Zeit<br />

und ich habe davon zu lernen.“<br />

Da Romy 1976 bereits seit langem mit ihrem<br />

Mann Daniel Biasini und ihrem Sohn David<br />

in Paris lebte, stand die Frage im Raum, ob<br />

ihre Familie sie nach Berlin begleiten werde.<br />

Romy entschied sich dafür, David bei ihrem<br />

Mann und seinen Großeltern in Paris zu<br />

lassen. „Es hätte keinen Sinn, wenn er mich<br />

hier besucht und ich drei Monate lang täglich<br />

12 Stunden arbeiten muss.“<br />

Selbst ihre beruflichen Pläne, die sie für die<br />

Zukunft hatte, stellten sich für die Mitglieder<br />

der Stasi als wissenswertes Material heraus.<br />

Romy spricht von einem Zukunftsfilm, den<br />

sie nach den beendeten Dreharbeiten von:<br />

„Gruppenbild mit Dame“ in Angriff nehmen<br />

möchte. Sie weiß auch, dass sie nach diesen<br />

arbeitsintensiven drei Monaten zunächst<br />

eine Pause einlegen müsse. Zeit für die<br />

Familie, und auch Zeit für sich selbst. Ihrer<br />

Freundin Tara schrieb sie: „Ich freue mich so<br />

endlich wieder in Berlin zu sein. Ich war im<br />

Gehrhus Hotel, an jenem Ort wo alles begann.<br />

Ich wünschte, du könntest jetzt hier sein.“<br />

Ihre Pause nach „Gruppenbild mit Dame“<br />

wollte Romy auch für ihre weiteren Projekte<br />

mit Tara nutzen. Sie wollte endlich zu einer<br />

Fertigstellung ihres gemeinsamen Konzeptes<br />

kommen und endlich damit beginnen einen<br />

Arbeitsablauf zu fixieren. Ihre Idee von einem<br />

eigenen Theaterstück über das „Leben des<br />

Schauspielers“ sollte endlich Formen<br />

annehmen und möglichst bald zu einem<br />

Ergebnis kommen. Ihre Pause wollte sie<br />

nutzen um endlich wieder die Zeit für ihr<br />

eigenes Projekt zu finden. Nach der<br />

einjährigen Pause schien Romys Zeitplan<br />

deutlich ausgefüllt zu sein. „Nach der Rolle<br />

der Leni mache ich erst mal ein Jahr Pause.<br />

Danach sind vier Filme geplant. Die Geschichte<br />

einer krebskranken Frau, die von einem Mann<br />

mit einer eingebauten Kamera im Kopf verfolgt<br />

wird. Ein Zukunftsfilm. Danach: „Portrait der<br />

Garbo“. Da spiele ich eine blinde Frau, die in<br />

einem verzweifelten Moment zwei Fotos der<br />

Garbo zerschlägt. Danach kommt ein Film mit<br />

Francis Girot, mit dem ich auch schon „Trio<br />

Infernale“ gemacht habe und dann mit Claude<br />

Sautet „Eine ganz einfache Geschichte“.<br />

Mit Berlin verband Romy etwas Einzigartiges. In<br />

Berlin hatte sie in jungen <strong>Jahre</strong>n ihren ersten<br />

Film gedreht und in Berlin spielte sie nun auch<br />

ihre älteste Rollenfigur, die älteste Romy die es<br />

je gab. In „Gruppenbild mit Dame“ spielt sie in<br />

einer Szene die Leni, ihre Rollenfigur, als 48<br />

jährige Frau. Romy liebte das Berliner<br />

Publikum und die Berliner Art zu Leben.<br />

Das war immer ein Publikum das besonders<br />

freundlich zu mir war. In dieser Stadt habe ich<br />

über zwei <strong>Jahre</strong> gelebt. jedoch, ich lebe in<br />

Frankreich normaler als hier. Da werde ich<br />

anders gesehen und deshalb in Ruhe gelassen.<br />

In Frankreich rennt man mir nicht auf der<br />

Straße nach. Wennś das einmal gab, war es sehr<br />

selten. Hier, das muss ich noch mal sagen, ist<br />

seit meinem 15. Lebensjahr ein Image aufgebaut<br />

worden, das sich längst verselbstständigt hat<br />

und an dem ich nicht mehr rütteln kann. Aber<br />

das hat gar nichts mehr mit mir, mit der Person<br />

Romy Schneider zu tun.“<br />

Romy versucht zu erklären, warum es ihr in<br />

Frankreich zu leben leichter fällt als in<br />

Deutschland. Romy versucht Ihre Berliner<br />

Wohnung so weit wie möglich geheim zu halten,<br />

um sich dort in Ruhe auf ihre Rolle vorbereiten<br />

zu können. In Deutschland ist sie auch nach all<br />

den <strong>Jahre</strong>n immer noch die „Sissi“, mit der<br />

Romy längst abgeschlossen hat. Sie fühlt sich<br />

von den Deutschen,


Romy Schneider im Visier der Stasi<br />

einschließlich der deutschen Presse nicht<br />

verstanden. Sie hat sich als Frau und auch als<br />

Künstlerin weiter entwickelt, Sissi das war nur<br />

eine Facette der Romy Schneider.<br />

Doch neben dieser Facette gab es eben noch<br />

viele weitere Facetten, welche die Deutschen<br />

bei ihr nicht sehen wollten, davon war sie<br />

überzeugt. In Deutschland wollte man Romy<br />

Schneider nicht in der Rolle einer<br />

Prostituierten, oder gar der Rolle einer<br />

Mörderin sehen. Es war diese Ablehnung, die<br />

Romy nicht verstehen konnte. In Deutschland<br />

wurde Romy von einem Großteil ihrer Fans<br />

als lebende Legende betrachtet. Der Hype um<br />

ihre Rolle der österreichischen Kaiserin<br />

Elisabeth war der Ursprung zu dieser<br />

Legendenbildung. Ihre Ablehnung für diese<br />

Bezeichnung formulierte Romy deutlich und<br />

akzentuiert: „Allein der Gedanke, als Legende<br />

zu leben wäre mir unerträglich. Um es krasser<br />

zu sagen, man hat versucht, aus mir ein Stück<br />

Fleisch zu machen, was verkauft wird. Die<br />

Anderen, die engagiert werden, sind die<br />

großen Künstler. Aber Frau Schneider bringt<br />

das Geld und ist zu einem Markenartikel wie<br />

Persil geworden. Dies ist oft das ganze<br />

Interesse, das man an mir hat.“ Erstmals<br />

sprach Romy in der deutschen Presse offen an,<br />

was sie kränkte und sehr verletzte. Sie, die<br />

unverkennbar eine große Künstlerin war,<br />

wurde oftmals nicht wegen ihrer<br />

schauspielerischen Fähigkeiten, sondern<br />

wegen dem Marktwert ihres Namens<br />

engagiert. Damit hatte man sie verletzt. Das<br />

empfand sie als ungerecht. Auch ihrer<br />

Freundin Tara verriet Romy: „Ich glaube, dass<br />

viele es gar nicht sehen, sie sehen es einfach<br />

nicht, das heißt sie sehen mich nicht. Sie<br />

sehen den Entwicklungsprozess nicht, den ich<br />

durchschritten habe.<br />

So oft überkommt mich das Gefühl, das den<br />

Produzenten meine schauspielerische Leistung<br />

egal ist. Sie sehen den Marktwert und benutzen<br />

den Namen Romy Schneider als Zugpferd. Die<br />

kleine Schneider bringt eben das Geld. Doch ich<br />

will kein Zugpferd sein und ich will auch keine<br />

Marke sein. Der Starrummel um meine Person<br />

interessiert mich überhaupt nicht, in keiner<br />

Weise interessiert mich der Rummel um meine<br />

Person. Ich bin Künstlerin, eine Schauspielerin -<br />

und als solche möchte ich behandelt und vor<br />

allem gesehen werden.“<br />

Dieselbe Thematik, die Romy Wochen vor ihrem<br />

Interview mit der BZ öffentlich angesprochen<br />

hatte, vertraute sie Tara an. Romy sagte ihr,<br />

dass sie nun endlich all jene Dinge ansprechen<br />

wird, die sie belasten und die sie stören. Aus<br />

diesem Grund etwas an dem Verständnis der<br />

Menschen zu ändern, Ihnen ihre Person, den<br />

Menschen Romy Schneider ein Stück weit näher<br />

zu bringen. Romy wollte sich keineswegs<br />

erklären, gar entschuldigen. Nein! Viel mehr war<br />

es das Bedürfnis, dem Land das sie groß<br />

gemacht hatte, verständlich darzulegen, diesem<br />

Land positiv gegenüber zu treten. Dies wurde<br />

fälschlicher Weise in der deutschen Presse oft<br />

propagiert. „Das Wort „Star“ habe ich immer<br />

gehasst. Vor allem das Getue und Gemache<br />

drum herum. In erster Linie bin ich eine<br />

Schauspielerin, die ihren Beruf so gut wie<br />

möglich macht seit vielen <strong>Jahre</strong>n. Genauso wie<br />

das viele andere in ihrem Beruf auch tun.“<br />

Romy Schneider hat aus ihren Fehlern gelernt,<br />

vor allem hat sie sich vorgenommen alte Fehler<br />

nicht zu wiederholen. Die Dinge die passiert<br />

sind, sind nun mal passiert, und daran lässt sich<br />

nichts mehr ändern. Das ist Romys Standpunkt.<br />

Fehler bereut Romy keineswegs, für sie gilt:<br />

Fehler sind dazu da um gemacht zu werden, aus<br />

Fehlern lernt man am ehesten.


Romy Schneider im Visier der Stasi<br />

Auf die Frage nach Fehlern seitens der<br />

deutschen Presse entgegnet Romy: „Es gibt<br />

eine Art der deutschen Berichterstattung die<br />

ich mir nicht mehr gefallen lasse. Und dagegen<br />

gehe ich vor. Und ich kann nur hoffen, dass<br />

alle Kollegen, und jeder Andere genau so hart<br />

vorgeht. Ich habe einmal gedacht, dass mich<br />

das alles nicht verletzt.“<br />

Romy fühlt sich seitens der deutschen Medien<br />

auf brutalste Art und Weise angegriffen.<br />

Grund dafür war die Hochzeit mit dem damals<br />

28 jährigen Daniel Biasini in Berlin. „Wenn da<br />

mein Mann als Gigolo oder ich wie ein Trottel<br />

hingestellt werden.“<br />

Allerdings waren diese Berichterstattungen<br />

keine Lügengeschichten, sondern basierten<br />

auf existierenden Tatsachen. In diesem<br />

Moment war es Romy, die versuchte, die<br />

Wahrheit ein bisschen schöner zu formulieren<br />

und Daniel Biasini in ein besseres Licht zu<br />

rücken. „Es muss einmal deutlich gesagt<br />

werden, dass Daniel hart arbeitet, in einem<br />

eigenen Beruf. Er ist Fernsehreporter für<br />

politische Reportagen. Hat aus Beirut und<br />

Angola berichtet und dreht zur Zeit in<br />

Argentinien und Paraguay. Das französische,<br />

belgische und schweizer Fernsehen haben<br />

seine Filme bereits gekauft.“<br />

Mit diesem Statement versucht Romy Daniels<br />

Ruf als Pariser Nachtclubvogel zu entkräften.<br />

Sie waren zu diesem Zeitpunkt gerade ein Jahr<br />

verheiratet. Romy, verliebt und positiv<br />

denkend erhofft sich, Daniel und sein<br />

Verhalten zu ändern. Bis zum Erlangen dieses<br />

Ziels versucht sie seine Eskapaden in der<br />

Öffentlichkeit so weit wie möglich zu<br />

beschönigen.<br />

Von großem Interesse für das Ministerium für<br />

Staatssicherheit ist die Tatsache: Warum<br />

Romy Schneider, die zuletzt vor zehn <strong>Jahre</strong>n<br />

in Deutschland gedreht hatte, gerade für das<br />

Projekt „Gruppenbild mit Dame“ zusagte. Romy<br />

formuliert ihre Antwort den Tatsachen<br />

entsprechend ehrlich und dennoch mit<br />

versteckter Kritik an den Produzenten und<br />

Regisseuren. „Die Stoffe, die man mir in den<br />

letzten <strong>Jahre</strong>n in Deutschland angeboten hat,<br />

waren unannehmbar, haben mir einfach nicht<br />

gefallen. Das hatte zu tun mit meinen alten<br />

deutschen Filmen und auch mit dem jungen<br />

deutschen Film. Ich bin für dieses Kino hier<br />

einfach nicht gemacht. Wenn man mir so etwas<br />

anbieten würde wie Wim Wenders ´Falsche<br />

Bewegung´, dann fände ich das einfach schlecht.<br />

Gruppenbild mit Dame´- da hat mir das Buch<br />

gefallen, obwohl es für mich erst sehr schwierig<br />

war den Roman zu lesen.“<br />

Ungerecht erschien ihr, dass 70 Prozent aller<br />

Rollen für Männer geschrieben wurden. „Die<br />

Auswahl der Rollen ist auch für mich nicht mehr<br />

einfach, denn wir haben fast ein Männerkino. 70<br />

Prozent aller guten Rollen sind Männerrollen.“<br />

Romy erklärt in diesem Zusammenhang ihr<br />

Vorgehen bei dem Aussuchen von Rollen und<br />

Filmstoffen. „Für mich funktioniert das so: Erst<br />

der Stoff, dann der Regisseur, dann der<br />

Schauspieler. Bei Böll hat mir erst der Stoff<br />

gefallen. Dann habe ich gesehen, dass Regisseur<br />

Aleksander Petrovic die Gedanken, die Figuren,<br />

die Leni verstanden hat. Also habe ich<br />

unterschrieben. Ich wollte diese Leni spielen,<br />

diese Leni sein, so gut ich kann.“<br />

In dem zeitintensiven Prozess des<br />

Rollenstudiums kristallisiert sich immer<br />

deutlicher heraus, das in Leni wesentliche<br />

Charakterzüge von Romy stecken. Die<br />

Überlebensstrategie ihrer Rollenfigur ist<br />

identisch mit ihrer eigenen.


„Diese Leni geht so wie sie lebt, wie sie fühlt,<br />

wie sie liebt jedes Risiko ein. Nur so konnte sie<br />

überleben. Was nun Romy Schneider betrifft:<br />

Die hat auch überlebt trotz allem, was mit ihr<br />

gemacht wird seit 15 <strong>Jahre</strong>n.“<br />

Ihrer Freundin Tara teilte sie kurze Zeit nach<br />

ihrem Interview mit, wie befreit sie sich fühlte,<br />

gerade in der deutschen Presse diese, für sie,<br />

grundlegenden Inhalte anzusprechen. Ihren<br />

deutschen Fans wollte sie dadurch die<br />

Möglichkeit geben, sich besser begreiflich<br />

machen zu können warum sie diesem Land für<br />

eine lange Zeit den Rücken gedreht hatte.<br />

Sicherlich gab es auch Menschen, gerade in<br />

Romys damaligem Berliner Umfeld, die<br />

glaubten Romy könne in der deutschen<br />

Filmwelt nach ihren damaligen Erfolgen nicht<br />

mehr Fuß fassen. Romy wäre abgeschrieben.<br />

Den Beweis, dass sie dies eben nicht war, den<br />

hat sie selbst erbracht. Romy war eine<br />

Schauspielerin, eine Künstlerin, die sich ihre<br />

Rollen sehr kritisch aussucht. Sie agierte in<br />

diesem Fall nach ihrem Motto: „Willst du<br />

gelten, mach dich selten.“<br />

Das Ministerium für Staatssicherheit<br />

dokumentierte das von Romy in Berlin<br />

gegebene Interview akribisch.<br />

Jede Äußerung Romys wurde genau auf<br />

„Staatsfeindliche Hetze“ überprüft.<br />

Abschließend zu ihrem Interview notiert ein<br />

Stasi Oberstleutnant:<br />

„Abschließend macht ...aufmerksam, daß sie<br />

alles an den Friedensclown nach<br />

Frankfurt/Main abgeschickt hat, ferner sandte<br />

sie an & & einen Brief, Biermann findet das in<br />

Ordnung. 18.03 Uhr“Die in dem Zitat mit &<br />

angedeuteten Namen wurden in ihrer Akte<br />

geschwärzt.<br />

Es handelt sich bei den geschwärzten Namen<br />

um Parteigenossen die heute nicht genannt<br />

werden möchten. Aus einem weiteren<br />

Aktendokument geht hervor, das gegen Romy<br />

Schneider am 20.01.1978 eine<br />

Einreisefahndung beschlossen wurde.<br />

Am 14.06.1982 wurde darunter handschriftlich<br />

ergänzt: „mit Material gelöscht.“<br />

Die Akte Romy Schneider wurde am 29. Mai<br />

1982 mit dem handschriftlichem Vermerk<br />

„verstorben“ geschlossen.<br />

Romy Schneider<br />

im Visier der Stasi


Der Tot überschattet ihr Leben<br />

„Romy ernährte sich unbewusst von dem<br />

Leid, das ihr widerfuhr, und übertrug es auf<br />

ihre Filmrollen. Wenn ihr die Regisseure<br />

diese Rollen gaben, dann deshalb, weil sie<br />

etwas Tragisches an sich hatte. Dabei hatte<br />

sie ganz und gar keine Lust unglücklich zu<br />

sein.“<br />

Jean Claude Brialy<br />

Ihr Leben war überschattet mit tragischen<br />

Ereignissen, die sie maßgeblich prägten.<br />

hatte sie den Mut und die Kraft, dieses Leben<br />

zu leben nie verloren. Romy war verliebt in<br />

das Leben, dieses Leben, was ihr so viel<br />

Freude und Glücksmomente bereitet hatte.<br />

Sie war verliebt in ihre Arbeit, die<br />

Schauspielerei. Dankbar für die Menschen,<br />

die nach und nach in ihr Leben traten und<br />

eines Tages zu einem festen Bestandteil ihres<br />

Lebens wurden.<br />

Ihrer Freundin Tara vertraute sie an: „Ich bin<br />

dem Leben dankbar, für jeden einzelnen<br />

Glücksmoment den ich erleben durfte und es<br />

waren sehr viele, die ich bis jetzt erleben<br />

durfte. Für dieses Glück bin ich gerne bereit,<br />

alle Tragödien, die das Schicksal mir vor die<br />

Füße wirft zu meistern und ich weiß heute<br />

schon, das ich daran wachsen werde.“<br />

Sie war die pure Lebensfreude, ein<br />

Energiebündel, sie liebte es zu lachen und zu<br />

tanzen. Sie lebte im hier und jetzt, schaute<br />

nach vorn, nie zurück. Romy war das genaue<br />

Gegenteil einer melancholischen Frau. Mit<br />

der Geburt ihres Sohnes David Christopher,<br />

am 3. Dezember 1966 und der Geburt von<br />

Tochter Sarah Magdalena am 21. Juli 1977<br />

schien ihr Leben perfekt. Wie glücklich sie<br />

war konnte jeder, der sich in ihrer<br />

unmittelbaren Nähe befand hautnah<br />

miterleben.<br />

Romy lies ihre Umwelt an ihrem Glück<br />

teilhaben, sie wollte jeden einzelnen Moment<br />

genießen, und am Liebsten die Zeit für immer<br />

anhalten. „So wie es jetzt ist, so sollte es immer<br />

sein.“<br />

sagte sie kurz nach der Geburt von Tochter<br />

Sarah Magdalena.<br />

Das Rad der Zeit anhalten, den Lauf der Zeit<br />

stoppen, in einem schönen Moment zu<br />

verharren, ihn für immer beizubehalten... All<br />

das ist in unseren Träumen möglich. Doch ein<br />

jeder Traum endet irgendwann, so dass wir<br />

erwachen und uns der Realität stellen müssen,<br />

und erkennen: Es ist eben nur ein schöner<br />

Traum, eine schöne Phantasie gewesen. Das<br />

Rad der Zeit können wir nicht anhalten, die<br />

Zeit auch nicht zurück drehen. Die Zeit vergeht<br />

und sie bleibt niemals stehen. Unsere Zeit ist<br />

unser Kapital, mitunter ist die Zeit das einzig<br />

Gerechte im Leben, denn die Zeit ist gleich<br />

verteilt. Jeder Tag hat für einen jeden<br />

Menschen die gleiche Anzahl von Stunden.<br />

Dabei ist es einem jeden von uns freigestellt<br />

wie er diese Zeit nutzt. Ob er sie mit<br />

Nichtigkeiten vergeudet und verschwendet, sie<br />

an einen Arbeitgeber verkauft, sie genießt,<br />

allein oder mit anderen, oder ob er sie<br />

investiert, in sich und in andere. Ende der 70er<br />

<strong>Jahre</strong> schlich der Tod um Romy herum. Die<br />

Zeit die sie immer anhalten wollte war<br />

verschollen, das Glück in ungreifbare Ferne<br />

gerückt. Am Ostersonntag des <strong>Jahre</strong>s 1979<br />

begann die private Tragödie im Leben der<br />

Romy Schneider.<br />

Harry Meyen, ihr erster Ehemann und Vater<br />

von David Christopher beendete die Bühne<br />

seines Lebens.<br />

Sinn und Sein des Lebens waren ihm<br />

entglitten,


Der Tot überschattet ihr Leben<br />

die Hoffnung auf ein besseres Leben hatte<br />

ihn verlassen. Harry litt unter seiner<br />

Erfolglosigkeit als Regisseur und<br />

Schauspieler. Durch Romy erhielt er<br />

wenigstens ab und an eine Gastrolle in einem<br />

ihrer Filme. Sie versuchte ihm nach ihren<br />

Möglichkeiten zu helfen, nutze dafür ihre<br />

Kontakte. So erhielt er durch Hilfe von<br />

Romys Kontakten ein Engagement als<br />

Regisseur bei den Salzburger Festspielen.<br />

Seine Inszenierung eines Stückes von<br />

Thomas Bernhard wurde ein Flop, so dass es<br />

Romy fortan nicht mehr gelang ihn weiterhin<br />

zu vermitteln. Die Erwartungen des<br />

Publikums konnte er nur in den seltensten<br />

Fällen erfüllen, neue Engagements fielen<br />

gänzlich aus.<br />

Eine völlige Leere umgab den einstig<br />

erfolgreichen Regisseur und Schauspieler. Er<br />

wurde plötzlich nicht mehr gebraucht, fühlte<br />

sich in allen Punkten des Lebens<br />

unbedeutend und nichtig. Das belastete ihn<br />

sehr, besonders stark litt er unter der<br />

Trennung von seinem Sohn David. Als Romy<br />

zurück nach Paris gezogen war wusste er, das<br />

er seinen Sohn nur noch sehr selten zu<br />

Gesicht bekommen würde. Die Tatsache sein<br />

einziges Kind nicht mehr sehen zu können<br />

zerstörte den ohnehin depressiven Harry<br />

vollends. Wieviel kann ein Mensch ertragen?<br />

Sein ganzes Leben lang litt Harry Meyen an<br />

Migräne und Depressionen. Er nahm<br />

Tabletten in Kombination mit Alkohol,<br />

schluckte unter anderen Staurodorm. Seine<br />

Depressionsschübe nahmen im Laufe der<br />

<strong>Jahre</strong> beträchtlich zu. Nach jedem Misserfolg<br />

verschlimmerte sich der Zustand seiner<br />

psychischen Gesundheit. Die Trennung von<br />

Romy und der Verlust<br />

des Kindes ließen Harry vollends in den<br />

Kreislauf seiner Sucht hineinrutschen. Harry litt<br />

unter besorgniserregenden Angstzuständen und<br />

konnte Zeitweise nicht einmal die Einwirkung<br />

von Tageslicht ertragen. Die Vorstellung und der<br />

Gedanke daran, dem Ganzen ein Ende zu setzen<br />

nahmen immer mehr Raum in seinem Leben ein.<br />

Am 14. April 1979 nahm sich Harry Meyen im<br />

Alter von 54 <strong>Jahre</strong>n in seiner Wohnung in<br />

Hamburg Harvestehude das Leben. Das Leben<br />

fiel ihm zur Last und er hatte keine Kraft mehr<br />

diese Last zu tragen.<br />

Romy erinnerte sich an diesen Tagen zurück an<br />

die Zeit, die sie mit Harry verbrachte. In Harry<br />

hatte sie einen Gleichgesinnten, ihren<br />

Seelenverwandten gefunden. Das Band der<br />

Seelenverwandtschaft entwickelte sich zu einer<br />

großen Liebe, die wenig später in Hass, später in<br />

Hassliebe und schließlich in Gleichgültigkeit<br />

endete. Sie beide waren zwei Süchtige, zwei<br />

Borderliner, die in dem Anderen sich selbst<br />

erkannt und wiedergefunden hatten.<br />

Romy und Harry waren abhängig von Tabletten<br />

wie Optalidon und Staurodorm, dazu viel<br />

Alkohol und zu guter letzt auch Drogen. Doch in<br />

erster Linie waren sie psychisch abhängig von<br />

einander, denn sie bewegten sich im ewigen<br />

Zyklus der Selbstvergötterung und der<br />

Selbstzerstörung. In Zyklen von Hochstimmung<br />

und Angst, Leere und Einsamkeit hielten sie<br />

einander fest und klammerten aneinander. Sie<br />

beide verwechselten seelische Abhängigkeit und<br />

aneinander klammern mit Liebe. Ihre<br />

Beziehung, ein Abhängigkeitsverhältnis zweier<br />

Menschen mit einer deutlich ausgeprägten<br />

narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die<br />

abhängig von Rauschmitteln, doch in erster<br />

Linie abhängig von ihrem Partner waren.<br />

Im Volksmund herrscht die weit verbreitete<br />

Annahme, das eine narzisstische


Der Tot überschattet ihr Leben<br />

Persönlichkeitsstörung das Endresultat eines<br />

Lebens in der Welt des Scheins und des<br />

Ruhmes ist. Doch auch wenn sich viele über<br />

einen Irrtum einig sind, bleibt der Irrtum<br />

doch ein Irrtum.<br />

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist<br />

nicht wie von vielen gedacht das Resultat des<br />

Ruhmes oder einer Welt von mehr Schein als<br />

Sein. Auch die Annahme, das sich die<br />

Persönlichkeitsstörung entwickelt, wenn der<br />

Erfolg den Künstler verlässt, ist falsch. Die<br />

Kreativitätsforschung von heute behauptet,<br />

die narzisstische Störung ist die<br />

hauptsächliche Ursache für das Errichten<br />

eines Fundaments des eigenen Ruhmes.<br />

„Nicht die allgemeine Akklamation macht<br />

verrückt, es ist die Verrücktheit die zur<br />

Akklamation führt.“ Das heißt: Nicht der<br />

Beifall ist es, der den Künstler verrückt<br />

macht, es ist die Verrücktheit die zum Beifall<br />

führt.<br />

Der Psychiater und Autor des Buches<br />

„Celebrities. Vom schwierigen Glück berühmt<br />

zu sein“ - formuliert dieses Phänomen wie folgt:<br />

„Wer es im Showbusiness bis ganz nach oben<br />

schafft, kann kein ganz gesunder Mensch sein.“<br />

Somit ist bewiesen das die narzistische<br />

Persönlichkeitsstörung nicht dem Leben in<br />

Erfolg und Ruhm geschuldet ist.<br />

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist die<br />

Ursache für Erfolg und Ruhm und das Leben im<br />

Filmbusiness.Peter O´Toole, ein Kollege Romys,<br />

beschreibt den Schauspieler wie folgt: „Jenseits<br />

der Leinwand haben Schauspieler überhaupt<br />

kein Ego, sie müssen eine Rolle spielen, um die<br />

Wirklichkeit zu spüren, und sie brauchen<br />

Aufmerksamkeit, um sich lebendig zu fühlen,<br />

sie schwanken ständig zwischen Hochstimmung<br />

und Depression.“


Mein Kind ist tot<br />

„Ich habe den Vater begraben, ich habe den<br />

Sohn begraben, ich habe sie beide nie<br />

verlassen und sie mich auch nicht. Ich will<br />

lernen mit der unendlichen Leere zu leben.“<br />

Der Trümmerhaufen um Romy herum<br />

erreichte am 5. Juli des <strong>Jahre</strong>s 1981 seinen<br />

Zenit. Das Leben hatte Romy alles genommen.<br />

Alles was sie liebte und wofür es sich zu<br />

kämpfen lohnte. Romy war haltlos, das Leben<br />

schien ihr bedeutungslos. Die Narben und der<br />

Schmerz über den Verlust ihres Kindes<br />

werden zeitlebens bleiben. Harry und David<br />

waren ihre Familie. David war der Halt in<br />

ihrem Leben und gleichzeitig ihre größte<br />

Liebe. Das Schönste und zugleich das<br />

tragischste Geschenk in Romys Leben war<br />

David.<br />

Romy konnte nicht fassen was passiert war,<br />

sie konnte es nicht glauben, konnte das<br />

Unfassbare nicht begreifen. David wurde aus<br />

ihrem Leben gerissen, so sinnlos aus dem<br />

Leben gerissen, noch bevor sein Leben<br />

wirklich begonnen hatte.<br />

Die Ereignisse die Romys letzte Lebensjahre<br />

überschatten, könnten der Stoff einer<br />

griechischen Tragödie sein. David<br />

verunglückt tödlich bei dem Versuch die<br />

Speerspitzengitter des Hauses seiner<br />

Großeltern zu überwinden. David konnte<br />

sofort in ein Krankenhaus gebracht werden.<br />

Es war jenes Krankenhaus, in dem Romy einst<br />

das Ende ihres Films „Die Dinge des Lebens“<br />

drehte. Romy hegte Zeit ihres Lebens eine<br />

Aversion gegen Krankenhäuser. Allein schon<br />

der Geruch den ein Krankenhaus umgibt und<br />

das kalte und sterile weiß. Sie hasste das alles.<br />

Und nun betrat sie den einstigen Drehort, das<br />

Krankenhaus im realen Leben und erhält die<br />

Nachricht das die Ärzte für David nichts mehr<br />

tun können – sie ihn verloren haben.<br />

Nächtelang irrte Romy gedankenverloren und<br />

fassungslos durch die Rue de Paris und konnte<br />

keine Ruhe finden, Ihr Leben war plötzlich wie<br />

„zu Ende“!<br />

Auch der Selbstmord von Harry hinterließ in<br />

Romy eine unsagbare Leere. Romy, seit ihrer<br />

Kindheit unglaublich sensibel, leidet psychisch<br />

und physisch unter dem Verlust ihres Kindes<br />

und dem Verlust ihres Mannes. „Wohin ist die<br />

Zeit die unsere war? Die faulen <strong>Jahre</strong>, mit zu viel<br />

Kartoffelsalat und zu viele Glücksmomente sind<br />

dahin geflogen. Was würde ich nicht alles tun um<br />

sie noch einmal zu erleben... mit David... und<br />

auch mit Harry.“<br />

Kurze Zeit nach dem Tot von Harry Meyen<br />

brachte ihr neuer Lebenspartner Laurent Pétin<br />

auch Romy in ein Krankenhaus. Sie litt unter<br />

unerträglichen Schmerzen, die sich von Tag zu<br />

Tag intensivierten. Als der Punkt erreicht war<br />

und Romy die Schmerzen nicht mehr ertragen<br />

konnte, musste sie unweigerlich ins<br />

Krankenhaus. Dort entnahm man ihr sofort ihre<br />

entzündete Niere. Ihr Nierenleiden, und die<br />

daraus folgende Entzündung war das<br />

Endresultat eines jahrelangen Fehlverhaltens<br />

mit Tabletten und Alkoholkonsums.<br />

Mediziner raten an, das Frauen am Tag nicht<br />

mehr als 20 Gramm Alkohol zu sich nehmen<br />

sollen. Das wäre etwa ein Glas Wein pro Tag,<br />

unter der Berücksichtigung der Tatsache, das ein<br />

Glas Wein 20 Gramm reinen Alkohol enthält.<br />

Dieses empfohlene Limit, höchstens 20g Alkohol<br />

am Tag überschritt Romy um ein Vielfaches. Sie<br />

trank täglich bis zu drei Flaschen Wein,<br />

bevorzugt Rotwein. Die Mengenwerte reinen<br />

Alkohols, die in einer Flasche Wein enthalten<br />

sind betragen 85-100g.<br />

Erschwerend hinzu kommt ihr jahrelanger<br />

Tablettenkonsum.


Mein Kind ist tot<br />

So war es nur eine Frage der Zeit, das ihre<br />

Nieren eines Tages nicht mehr fähig waren, die<br />

Giftstoffe, die Romy ihrem Körper permanent<br />

zufügte, zu verarbeiten. Die Ärzte hatten Romy<br />

verboten, nach ihrer Nieren-Operation Alkohol<br />

zu trinken. Doch Romy hielt sich nicht im<br />

Geringsten daran und trank weiter, sie<br />

konsumierte in großen Mengen Rotwein, meist<br />

mehr als eine Flasche am Tag.Hildegard Knef,<br />

die um die Umstände der Nieren-Operation<br />

Bescheid wusste und Romy bei einem Treffen<br />

prüfend betrachtete, während sie eine zweite<br />

Karaffe Wein bestellte: „Ja, die Ärzte haben es<br />

mir verboten! Seit der Operation! Ich dürfte<br />

eigentlich nicht trinken. Ich tue es auch sonst<br />

nicht, aber heute bin ich eben sehr mit den<br />

Nerven runter.“<br />

Romy war nervlich am Ende. Nach dem Tod<br />

Harrys und nach dem Tod Davids lagen ihre<br />

Nerven blank – und Romy war sehr reizbar.<br />

Ihr war es nicht möglich einen einzigen klaren<br />

Gedanken zu fassen. Nach der Operation<br />

verordneten die Ärzte ihr Tabletten, zur<br />

Linderung der Schmerzen. Romy nahm die<br />

Tabletten auch über den Zeitraum der<br />

Verordnung des Arztes heraus ein und<br />

ignorierte die Anweisungen ihrer Ärzte<br />

vollends.<br />

Hildegard Knef schreibt in ihrem Buch „Romy<br />

– Betrachtung eines Lebenswegs“: „Zum ersten<br />

Mal kam mir die Idee, das Romy eine Art von<br />

Selbstzerstörung betrieb, und zwar sicher nicht<br />

eine unbewusste Selbstzerstörung, das sie<br />

bewusst lebensgefährlich lebte und das ihr das<br />

letztlich gleichgültig war.“<br />

Leicht konnte man den Eindruck gewinnen, das<br />

Romy das Leben wie ein Spiel betrachtete.<br />

Ein Spiel, in dem sie bereit ist zu gewinnen und<br />

zu verlieren, unter dem vollen Einsatz ihres<br />

Lebens. Romy betrieb Raubbau mit ihrem<br />

Körper, dessen war sie sich bewusst.<br />

Gedanken an Folgeschäden, die bedingt durch<br />

den Raubbau eines Tages auf sie zu kommen<br />

mussten blendete sie aus. „Ich lebe nur einmal,<br />

und ich lebe jetzt. Ich weiß was ich tue, und ich<br />

weiß auch das ich mit den Konsequenzen leben<br />

kann.“<br />

Über das Leben und Dauer des Lebens sagte<br />

Romy: „Besser kurz und gut - intensiv - als lang<br />

und in Maßen.“<br />

Romy wollte leben, sie lebte impulsiv und<br />

intensiv. Sie musste leiden um sich selbst zu<br />

spüren, um zu spüren, das sie noch am Leben<br />

war. „Wenn ich eines Tages aufhöre zu leiden,<br />

dann weiß ich, dass ich schon tot bin.“<br />

Tara erinnert sich an einen Anruf Romys kurz<br />

nach dem Tot ihres Sohnes. Tara war es kaum<br />

möglich die Worte zu verstehen. Romy<br />

schluchzte und weinte in den ersten drei<br />

Minuten ihres Telefonats von einer so starken<br />

Intensität, das Tara sofort wusste – etwas<br />

Grausames ist passiert. „Neiiin --- Tara --- David<br />

--- mein Kind --- mein Kind ist tot. Das Leben hat<br />

mir das Wertvollste genommen --- was ich habe“<br />

Lange Stille – Romy weinte und konnte ihre<br />

Trauer nur schwer in Worte fassen. Dieser Worte<br />

bedurfte es auch nicht, Tara konnte nur ahnen<br />

wie Romy sich in diesem Moment fühlen musste.<br />

„Ich kann das nicht fassen, ich gehe zu Grunde –<br />

ohne mein Kind.“


...der Sinn des Lebens Sarah<br />

Romy wollte lernen mit dem Unerträglichen<br />

zu leben, sie wollte um jeden Preis weiter<br />

leben, zu keinem Zeitpunkt war es ihr Ziel<br />

sich selbst zu zerstören. Sie wollte da sein für<br />

ihr zweites Kind – für Sarah. Romy wollte<br />

Sarah eine gute Mutter sein. Nie hatte sie<br />

auch nur mit dem Gedanken gespielt, ihre<br />

Tochter, die sie mit der gleichen Intensität<br />

liebte wie ihren Sohn, zu verlassen und ihrem<br />

Schicksal zu überlassen. Ihr Wunsch war es<br />

lediglich die Schmerzen, die der Verlust ihres<br />

Sohnes ihr zugefügt hatte zu betäuben. So<br />

lange zu betäuben, bis sie es gelernt hatte mit<br />

dem Verlust zu leben. In diesen Zeiten weinte<br />

Romy sehr viel, war fahrig und im nächsten<br />

Moment lachte sie unvermittelt.<br />

Sie redete pausenlos, meist aus dem<br />

Zusammenhang heraus.<br />

Die Abstände, von einer emotionalen<br />

Höchstlage in die nächste emotionale Tieflage<br />

zu gelangen wurden immer kürzer. Die Zeit die<br />

vergangen war, um von einer schwer<br />

depressiven zu einer himmelhoch<br />

jauchzenden, emotionalen Haltung zu<br />

gelangen, wurde immer geringer.<br />

Romy musste lachen und weinen, durch reden<br />

so glaubte sie wäre es möglich den Schmerz<br />

lindern zu können. Durch reden könne sie alles<br />

heilen. Die Worte, die das Unerträgliche<br />

beschreiben, sollten ihr helfen, das<br />

Unerträgliche zu verarbeiten.


Das Leben besiegt<br />

„Es war ein Herzstillstand wegen zu viel Leid,<br />

zu viel Unglück, zu vieler Pillen.“<br />

(Jean-Claude Brialy)<br />

„Sie war hoffnungslos einsam. Ich wusste, dass<br />

sie an gebrochenem Herzen sterben würde.<br />

Ich hätte sie nicht Älter an meiner Seite sehen<br />

wollen. Es ist mir lieber, dass sie so gegangen<br />

ist, es ist gut so. Sie hat uns als Schönheit<br />

verlassen. Sie war die große Liebe meines<br />

Lebens, die erste, die Stärkste, aber leider auch<br />

die Traurigste.“<br />

(Alain Delon)<br />

„Glaubst du, es gibt sie wirklich die Zeit? Die<br />

Zeit die uns alt werden lässt, die uns<br />

verbraucht? Die Zeit gibt es schon.<br />

(Romy Schneider in „Die zwei Gesichter einer<br />

Frau“)<br />

Was geschah in dieser Nacht, in der Romy<br />

Schneider ums Leben kam?<br />

Freitag Abend gegen 20 Uhr telefonierte sie<br />

mit dem Fotografen Gérard Schachmes. Sie<br />

fragte ihn: „Gérard, wie geht es Dir?“<br />

Sie unterhielten sich gut eine Stunde und in<br />

diesem Moment, davon war Schachmes<br />

überzeugt, war sie glücklich. „Du wirst schon<br />

sehen, wir machen einen Mix aus bunten und<br />

weißen Kleidern. Du wirst sehen, wir machen<br />

schöne Fotos.“<br />

Gérard Schachmes antwortete: „Ich mache mir<br />

da keine Sorgen, weil ich schon massenhaft<br />

schöne Fotos von Dir gemacht habe... darauf<br />

antwortete sie etwas wundervolles“ „Es wäre<br />

wunderbar, wenn du meine Tochter kennen<br />

lernen würdest. Sie ist so schön, wir könnten<br />

so schöne Fotos machen.“<br />

Für Gérard Schachmes klang es nicht danach<br />

das Romy in diesem Moment verzweifelt wäre.<br />

„Sie sprach über Projekte und über den Mann<br />

den sie liebte. Sie plante ein wundervolles<br />

Fotoshooting mit ihrer geliebten Tochter...<br />

begeisterte sich für diese Fotos – war<br />

überglücklich.“<br />

Am Abend des 28. Mai 1982 waren sie und ihr<br />

Lebenspartner Laurent Pétain zu Gast bei<br />

Pétains Schwester um dort zu Abend zu essen.<br />

Das Souper endete um 1.00 Uhr nachts, sie und<br />

Petin fuhren zurück in ihre gemeinsame<br />

Wohnung. Laurent ging zu Bett, doch Romy<br />

konnte wie so oft nicht einschlafen.<br />

Sie entgegnete ihm: „Geh nur schlafen, ich<br />

bleibe noch ein wenig bei meinem Sohn.“<br />

Das hatte Romy öfter durchlebt, so erinnert<br />

sich Brialy. „Sie legte Musik auf, sie setzte sich<br />

auf ein Sofa und hörte Musik. Und über die<br />

Musik in ihrem Kopf sprach sie zu ihrem Sohn<br />

David. Es war eine Art von zärtlicher,<br />

liebevoller Beziehung zwischen Mutter und<br />

Sohn.“<br />

Dann setzte sie sich an einen kleinen<br />

Schreibtisch um einige Zeilen an einen<br />

Journalisten zu schreiben. In dem Brief<br />

entschuldigte sich Romy dafür, dass sie einen<br />

Interviewtermin nicht wahrnehmen konnte.<br />

Romy hatte sich eine Flasche Wein aufgemacht,<br />

der Aschenbecher neben ihr füllte sich nach<br />

und nach immer mehr. Plötzlich rutschte sie<br />

ab, auf dem Papier war ein langer Strich ihres<br />

Füllhalters zu sehen, der wenige Sekunden<br />

später zu Boden fiel. In dem Moment hörte ihr<br />

Herz auf zu schlagen...


Das Leben besiegt<br />

Zusammengesackt lag sie in ihrem Sessel, die<br />

Flasche Wein war leer, der Aschenbecher voll.<br />

In den frühen Morgenstunden wachte Pétain<br />

auf, er hatte bemerkt das Romy immer noch<br />

nicht zu Bett gegangen war.<br />

In dem Zimmer mit dem kleinen Schreibtisch<br />

brannte noch Licht, die Tür war angelehnt und<br />

eine kleine Lampe auf dem Schreibtisch<br />

beleuchtete den Raum. Romy war wie so oft<br />

eingeschlafen, so schien es. Vorsichtig<br />

versuchte Pétin sie ins Bett zu tragen, doch<br />

bemerkte er schnell das Romy nicht mehr<br />

atmete. “Romy ist tot. Das kann doch nicht<br />

sein, gestern Abend ging es ihr doch noch gut.“<br />

Er läuft durch den Raum, tränenvoll des<br />

Anblickes. Behutsam hebt er Romy von ihrem<br />

Sessel und trägt sie zur Couch, um sie dort<br />

hinzulegen. Als nächstes geht er zum Telefon<br />

und wählt immer wieder die Nummer der<br />

Polizei, bis er sie schließlich erreicht hat. „Hier<br />

ist Laurent Pétin, Rue Barbet-de Jouy 11. Ich<br />

brauche einen Krankenwagen... und einen<br />

Arzt... und dringend... Rue Barbet-de Jouy 11...<br />

ja...“<br />

Er setzt sich neben seine tote Romy und<br />

betrachtet sie, dann fällt ihm auf das sie einen<br />

vergilbten alten Zettel in der Hand hält. Es war<br />

jener Zettel den sie von ihrem Vater, Wolf<br />

Albach- Retty erhalten hatte. Den Zettel, mit<br />

den Worten ihres Vaters trug Romy ein Leben<br />

lang bei sich. Darauf stand geschrieben: „Steck<br />

deine Kindheit in die Tasche und renne davon,<br />

denn das ist alles, was du hast.“<br />

Laurent Pétin verstand nicht, was dieser Satz<br />

zu bedeuten hat. Später fand er den Zettel<br />

beim heraussuchen eines Feuerzeugs in seiner<br />

Hosentasche, und rief Anna Wendtlin an.<br />

Anna Wendtlin war in diesem Moment mit der<br />

Fertigstellung eines Berichtes beschäftigt und<br />

erzählte ihm, dass sie in der Zeitung von einem<br />

neuen Film mit Romy gelesen hatte. Pétin<br />

überbringt die schreckliche Nachricht von<br />

Romys Tot, am anderen Ende der Leitung wurde<br />

es sehr still. Dann fragt er sie was es mit dem<br />

Satz, den Romy bei sich trug auf sich hatte.<br />

„Anna, ich habe einen Zettel bei ihr gefunden.<br />

Ich verstehe ihn nicht. Es ist in deutsch. Ich lese<br />

ihn dir vor.“<br />

Anna Wentlin antwortete: „Das ist ein Satz, den<br />

Romy von ihrem Vater hat. Den hat er ihr<br />

aufgeschrieben, als sie ihren ersten Film drehte.<br />

Den hat sie immer bei sich gehabt. Bezieht sich<br />

auf eine Äußerung von Max Reinhardt. Der war<br />

ein berühmter Theatermann in Deutschland<br />

vor dem Krieg. Und so ähnlich hat er das wohl<br />

gesagt, in seiner Rede an die Schauspieler.<br />

Wir haben oft darüber gesprochen. Warte mal,<br />

ich versuche es möglichst genau zu<br />

übersetzten... es heißt etwa, dass es im Leben nie<br />

wieder so schön ist wie in der Kindheit und dass<br />

man die Erinnerung daran behalten muss und<br />

dass dies etwas ist, was einem Niemand<br />

wegnehmen kann, und... eine Kindheit die Romy<br />

nie hatte... eine Kindheit nach der sie sich<br />

sehnte.“<br />

Laurent verständigte Michel Piccoli, Jean-<br />

Claude Brialy und Alain Delon von dem Tot<br />

Romy Schneiders.<br />

Sie alle trafen in kurzen Zeitintervallen nach<br />

Erhalt seines Anrufes in der Rue Barbet- de<br />

Jouy ein. Brialy erfuhr bereits zuvor von Romy<br />

Schneiders Tot, genau wie Tara hatte auch er es<br />

in den Radionachrichten gehört.


Das Leben besiegt<br />

Durch Laurent wollte er erfahren was wirklich<br />

passiert war, er rief ihn an. „Er schluchzte wie<br />

ein kleines Kind und konnte nicht sprechen. Es<br />

war furchtbar. Ich sagte ihm also: Ich rufe dich<br />

zurück, wenn du dich beruhigt hast. Es ist<br />

normal, das du in diesem Zustand bist.“<br />

Als er ihn zurückrief, bat Laurent ihn in die Rue<br />

Barbet – de Jouy zu fahren um Romy ein letztes<br />

Mal zu sehen.<br />

Am Anfang schlug Brialy Laurent Pétins<br />

Aufforderung, Romy ein letztes Mal zu sehen<br />

aus. Er könne es nicht ertragen Romy tot zu<br />

sehen, so sagte er. Er entgegnete ihm „Ich<br />

verabscheue Tote.“<br />

Schon gar nicht wollte er Romy tot sehen, er<br />

wollte sie lebenslustig, strahlend und vor allem<br />

lebendig in Erinnerung behalten. So wie sie<br />

war – eine Frau die das Leben liebte. Brialy<br />

erinnert sich das bereits Laurent Pétins<br />

Schwester und sein Bruder vor Ort in der Rue<br />

Barbet- de Jouy waren. Laurent bittet ihn ein<br />

zweites Mal: „Komm bitte, ich würde mich sehr<br />

freuen, wenn du da sein könntest.“<br />

Er dachte einen Moment lang nach, hielt kurz<br />

inne, und sagte schließlich: „JA! „Ich werde es<br />

schaffen.“<br />

Er fuhr also los um Romy Schneider ein letztes<br />

Mal zu sehen. Als er sie sah, auf einem Sofa<br />

liegend war er überwältigt von ihrer Schönheit,<br />

ihrer Anmut. „Dann bin ich in ihr Zimmer<br />

gegangen. Und da sah ich ein junges Mädchen<br />

von 20 <strong>Jahre</strong>n, schön, wunderschön, schlafend,<br />

lächelnd. Sie trug ein Kleid von Yves Saint<br />

Laurent, ein wenig indisch, aber schön. Man<br />

hatte Lust, sie in die Arme zu nehmen, sie<br />

tanzen zu lassen, ihr zu sagen, bleib noch ein<br />

wenig... sie war überwältigend“<br />

Ungefähr 15 Minuten später traf Alain Delon<br />

ein, den Laurent Pétin ebenfalls angerufen<br />

hatte. Wie aus dem Nichts war er plötzlich<br />

erschienen und stand tränenüberströmt im<br />

Raum. Alain geht auf Brialy zu, er nimmt seine<br />

Hand, er weint – sie beide trauern um einen<br />

Menschen den sie liebten, jeder auf seine Art<br />

und Weise. Dann sagt Alain einen Satz den<br />

Brialy ein Leben lang nicht vergessen hat. „Lass<br />

uns, lass uns allein, sie und mich. Du hast hier<br />

nichts mehr zu tun.“<br />

Sie alle waren bemüht darum Romy ihren<br />

letzten Wunsch zu erfüllen, der Meute, der<br />

verhassten Presse vorenthalten zu werden. Die<br />

tote Romy sollte die Wohnung verlassen ohne<br />

den gierigen Blicken der Öffentlichkeit<br />

ausgesetzt zu werden. Delon trat vor die unten<br />

stehenden Journalisten und gab ein Statement<br />

zum Tot von Romy Schneider, er sagte das<br />

Romy an gebrochenem Herzen gestorben wäre.<br />

Während er dies verkündete fuhr unbemerkt<br />

ein amerikanischer Kombi aus der<br />

Garageneinfahrt in dem sich Romy Schneider<br />

befand. Die Rose die Jean-Claude Brialy über<br />

die Tote Romy gelegt hatte fiel hinunter,<br />

Pètain hob sie auf und hielt sich an dieser Rose<br />

fest. Über Romy wurde eine Decke gelegt, die<br />

sie vollständig umhüllte. Nach dem der<br />

amerikanische Kombi aus der Sichtweite<br />

verschwunden war bahnten Alains<br />

Leibwächter ihm den Weg zu einem kleinen<br />

Auto, dessen Motor bereits lief. Er stieg in<br />

dieses Auto, trat das Gaspedal und verlies die<br />

Menschenmenge vor Romys Haus.<br />

In einem Interview nach Davids Tot beschrieb<br />

Romy jene Grausamkeit der Presse, vor den<br />

ihre Freunde sie schützen wollten. „Wenn die<br />

Leute nur wüssten, wozu gewisse Fotografen<br />

fähig sind: Ich glaube die Öffentlichkeit hat ein<br />

Recht darauf, es zu erfahren.


Das Leben besiegt<br />

Dass sie sich als Krankenpfleger verkleiden, um<br />

ein totes Kind zu fotografieren. Dass es eine<br />

gewisse Presse gibt, die das auf der Titelseite<br />

abdruckt. Wo bleibt die Moral, wo bleibt der<br />

Takt?“<br />

Romy war zu dieser Zeit Frankreichs<br />

erfolgreichste Filmschauspielerin und die<br />

französische Presse weigerte sich diese Bilder<br />

zu kaufen, sie zu veröffentlichen. In<br />

Deutschland druckte die Bildzeitung jenes<br />

Bildnis ihres toten Kindes auf die Titelseite. Bei<br />

diesem pietätlosem Verhalten stellt sich einem<br />

jeden dieselbe Frage, die sich auch Romy<br />

stellte: Wo bleibt die Moral, wo bleibt der Takt?<br />

Um den gierigen Blicken der Meute zu<br />

entfliehen flüchtete Romy Schneider in den<br />

letzten Monaten ihres Lebens von Hotel zu<br />

Hotel. Sie fühlte sich wie ein gejagtes Tier, jeder<br />

wollte sehen, ist sie traurig, weint sie, wie sieht<br />

sie aus? Und auch hier stellt sich einem jeden<br />

wieder die Frage: Wo bleibt der Takt? Wo bleibt<br />

die Moral? Sind Kommerz und Schlagzeilen in<br />

unserer Gesellschaft wichtiger als jene Fragen<br />

nach Menschlichkeit und Moral?<br />

Der Staatsanwalt Laurent Davenas sagte in<br />

einem Interview über den Tot von Romy<br />

Schneider: „Wir schlossen Gewalteinwirkung<br />

aus. Die Frage war, war es Selbstmord, oder ein<br />

Unfalltod auf Grund der Einnahme von Alkohol<br />

und Schlafmitteln. Ich befürwortete diese<br />

Hypothese, dann entschied ich mich keine<br />

Autopsie zu beantragen. Für mich kam es nicht<br />

in Frage Sissi an ein gerichtsmedizinisches<br />

Institut zu überstellen. Ich wollte, das sie der<br />

Öffentlichkeit im Gedächtnis blieb wie sie war.“<br />

Laurent Davenas unterzeichnete den Bericht<br />

des Gerichtsmediziners und gab den Leichnam<br />

zur Beerdigung frei.<br />

Der Filmagent Jean-Louis Livi, ein guter<br />

Freund von Romy verfasst einige Notizen,<br />

begibt sich vor die versammelte Menge und<br />

verliest seine Nachricht zum Tot von Romy<br />

Schneider. Die ihm entgegengebrachten<br />

Fragen beantwortete er nicht, er verlas<br />

lediglich seine verfassten Zeilen und<br />

dementierte jene Gerüchte die besagen, Romy<br />

Schneider hätte Selbstmord begangen. Die<br />

Journalisten schenken dem von ihm gesagten<br />

wenig Glauben und verwenden trotz seiner<br />

Erklärung das Wort „Selbstmord“ in ihren<br />

Berichten.<br />

Raymond Danon, der Produzent ihres letzten<br />

Films, „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“<br />

verwendet in seinem Statement zum Tot Romy<br />

Schneiders ebenfalls das Wort „Selbstmord“:<br />

„Wenn man Medikamente nimmt und mehr<br />

trinkt als man sollte, dann kann man das schon<br />

Selbstmord nennen.“<br />

Doch schließt auch er absichtlichen<br />

Selbstmord aus! Dieser Meinung schloss sich<br />

auch die Filmproduzentin Albina du<br />

Boisrouvray an: „Sie war niemand der sich<br />

bewusst zerstörte und aufhören wollte zu<br />

leben. Sie hatte ihre Tochter, sie liebte ihre<br />

Tochter.“<br />

Ein Engel dem das Leben auf grausamste Art<br />

und Weise die Flügel genommen, schwebte<br />

leise aus einem laut gelebten Leben.<br />

Das Leben brachte Romy außer Atem... sie<br />

hatte dieses Leben, das ihr den Atem<br />

genommen hatte, verlassen. Es ist, als habe sie<br />

geahnt, dass ihre Zeit auf dieser Welt dem<br />

Ende entgegen gehen würde.


Das Leben besiegt<br />

Neunzehn Tage vor ihrem Tot schrieb sie in<br />

Zürich ihr Testament – in dem es heißt, dass<br />

nach ihrem Tot, all ihr Besitz an Laurent Pétin<br />

und ihre Tochter Sarah aufgeteilt werden soll.<br />

In ihrem letzten Film: „Die Spaziergängerin von<br />

Sans-Souci“ wird am Ende des Films<br />

eingeblendet, das „Lina“, die Rollenfigur die<br />

Romy spielte, sechs Monate später stirbt... Die<br />

Dreharbeiten zu „Die Spaziergängerin von<br />

Sans-Souci“ fanden sechs Monate vor ihrem Tot<br />

statt... Die Idee für dieses Filmprojekt hatte<br />

Romy Schneider. Sie rief den Regisseur Jacques<br />

Rouffio gegen Mitternacht an und fragte ob er<br />

schon mal „Die Spaziergängerin von Sans-<br />

Souci“ gelesen habe. Er verneinte ihre Frage,<br />

Romy bat ihn das Stück zu lesen und stellte die<br />

Bitte sie umgehend anzurufen wenn er es<br />

gelesen hatte.<br />

In einem Interview zu ihrem Film sagte Romy:<br />

„Wir sind uns durchaus bewusst, dass einige<br />

Leute ihn nicht mögen werden, aber spielt das<br />

eine Rolle? Ich habe keine Angst.“<br />

Romy selbst hätte die Dreharbeiten zu dem<br />

Film gerne um einige Monate verschoben,<br />

doch stand sie mit dem Rücken zur Wand, da<br />

sie schon zwei Mal verschoben wurden –<br />

einmal wegen Romy. Als die Dreharbeiten zu<br />

diesem, ihrem 60. Film beendet waren kaufte<br />

Romy ein Haus in Boissy. „Ramatuelle“, so hieß<br />

ihr Haus in Boissy, dort wollte sie zusammen<br />

mit Tochter Sarah und Laurent Pétin „endlich<br />

richtig leben.“ Ihrer Mutter, Magda Schneider<br />

schrieb sie: „Hier will ich mich um meine<br />

Tochter kümmern, hier will ich Konfitüre<br />

einkochen, unter den Bäumen spazieren<br />

gehen, endlich richtig leben.“<br />

In keinem anderen Film arbeitete Romy so<br />

intensiv an Planung und Konzept, wie in<br />

diesem, ihrem letzten Film. Ihr letzter Film<br />

und auch ihr letztes Geschenk an Vater und<br />

Sohn. Die Rolle der „Lina“, das ist Romy. Lina<br />

und Romy starben fast gleichzeitig... sechs<br />

Monate später... und wo sind sie jetzt? Doch<br />

das, was von ihr bleibt ist ein Teil von uns für<br />

alle Zeit!<br />

Sie war die Flamme und sie war das Eis,<br />

sie war die Weisheit und sie war die Torheit,<br />

sie war die Großzügigkeit und sie war die Berechnung,<br />

sie war der Frieden und sie war der Krieg,<br />

die Freude und die Angst.<br />

Jacques Rouffio


Postkarte von Romy und Harry Meyen an eine<br />

Freundin<br />

Telegramm von Romy Schneider an eine<br />

Freundin


Romy in einer Drehpause zu<br />

Monpti


Romy Schneider in der<br />

Fahrschule


Romy Schneider in Schönau


Romy Schneider und Harry<br />

Meyen


Romy und Harry


In der Winklerstr. 22


Mit Michel Piccoli während einer<br />

Drehpause


Brief an eine Freundin


Brief von Romy Schneider


Romy zeichnet...auf einer PK<br />

Brief von Romy Schneider


Filmplakat Wenn der weiße Fleider wieder<br />

blüht


Filmplakat KITTY


Bildnachweis<br />

Cover: Benno Wundshammer<br />

Die Fotografien in der vorliegenden Ausgabe werden Beginnend mit dem ersten Bild wie folgt gelistet<br />

Benno Wundshammer Bild 1-8,25,28<br />

Romy Schneider Archiv / Foto Apis Bild 9,24,30-33<br />

Kurt Will / Romy Schneider Archiv Bild 10<br />

Filmplakat Romy Schneider Archiv Bild 11,37,38<br />

Briefe, Telegramme, Postkarten von R. Schneider<br />

Romy Schneider Archiv Bild 12,21,22,23,26,27,29,34-36,39<br />

Bittler Behörde Berlin / Stasiakte R. Schneider Bild 13-19<br />

Helmut Neuper / Romy Schneider Archiv Bild 20<br />

Quellnachweis<br />

Alle autobiografisch verwendeten Zitate aus Interviews mit/über Romy Schneider, Harry Meyen,<br />

Alain Delon, Hildegard Knef und weiteren im Inhalt genannten Personen werden nicht gesondert<br />

aufgelistet. Die jeweiligen Passagen sind lediglich als Zitat markiert.<br />

Ich Romy, Tagebuch meines Lebens<br />

Henschel Verlag 1990, Herausgegeben von Renate Seidl ISBN: 3-362-00485-7<br />

Der Fall Romy Schneider Herausgegeben von Michael Jürgs, 1. Auflage August 2008 Copyright:<br />

Ulstein Buchverlage GmbH Berlin 2008 ISBN: 978-3-548-37217-4<br />

Romy – Betrachtung eines Lebenswegs Herausgegeben von Hildegard Knef,<br />

Copyright: Albrecht Knaus Verlag, Hamburg Auflage von 1984 ISBN: 3-453-01891-5<br />

Akte des Mfs, Stasi Akte Romy Schneider, Bittler Behörde Berlin<br />

Abgeheftete und zensierte Interviews mit Romy Schneider<br />

Aktenzeichen Nr. BstU 000240 BZ.-WB.30.09.1976<br />

DER SPIEGEL 21/2007 Romy Schneider Die Königin der Schmerzen<br />

von: Matussek, Matthias und Beier, Lars-Olav<br />

Dokumentarfilm: Romy Schneider Eine Nahaufnahme<br />

Dokumentarfilm: Romy Schneider Die letzten Tage einer Legende<br />

DER SPIEGEL Interview mit Jean-Claude Brialy vom 29.05.2007<br />

Interview: Lars-Olav Beier, Stefan Simons<br />

DER SPIEGEL vom 25.05.2007 Robert Lebeck, „Das Tragische ist Interessant“<br />

Interview: Peter Luley<br />

Interview mit Alain Delon/ BUNTE/ 28.10.2009 „Romy Schneiders Tot war eine Erlösung“


Impressum<br />

Romy Schneider Archiv<br />

Ariane Rykov – von Niepello<br />

Uwe Marcus Rykov<br />

<strong>80</strong> <strong>Jahre</strong> Romy Schneider / Sondermagazin Romy Schneider Archiv, <strong>ZeitBlatt</strong> <strong>Magazin</strong><br />

2. Auflage 2019<br />

Idee und Konzept:<br />

Ariane Rykov – von Niepello<br />

Uwe Marcus Rykov<br />

Copyright 2019. Alle Rechte beim Verlag<br />

Uwe Marcus Rykov<br />

Ariane Rykov<br />

<strong>ZeitBlatt</strong> <strong>Magazin</strong><br />

Tomsona Iela 39/ 1-26<br />

LV 1013 Riga / Latvia<br />

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung,<br />

vorbehalten. Kein Teil des vorliegenden Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche<br />

Genehmigung des Verlags sowie des Autoren reproduziert, vervielfältigt oder verbreitet werden.


Diese Ausgabe ist Romy Schneider zum<br />

<strong>80</strong>. Geburtstag gewidmet<br />

Autor Romy Schneider Archiv<br />

Ariane Rykov ( von Niepello )<br />

Uwe Marcus Rykov

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