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recke:in - Das Magazin der Graf Recke Stiftung Ausgabe 1/2018

Harun und Chinonso flüchteten als Minderjährige ohne Begleitung nach Deutschland. 2015 haben wir sie erstmals getroffen. Jetzt haben wir sie wieder besucht. Wie es ihnen ergangen ist, erzählen sie in dieser recke:in.

Harun und Chinonso flüchteten als Minderjährige ohne Begleitung nach Deutschland. 2015 haben wir sie erstmals getroffen. Jetzt haben wir sie wieder besucht. Wie es ihnen ergangen ist, erzählen sie in dieser recke:in.

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10 Erziehung & Bildung<br />

»Ich habe<br />

hier gelernt,<br />

selbstständig<br />

zu leben.«<br />

Harun<br />

HHarun sitzt auf dem selben Platz wie damals<br />

beim ersten Gespräch für die <strong>recke</strong>:<strong>in</strong>, 2015.<br />

Er war gerade aus <strong>der</strong> Wohngruppe Duisburg-Huck<strong>in</strong>gen<br />

<strong>der</strong> <strong>Graf</strong> <strong>Recke</strong> Erziehung<br />

& Bildung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e eigene Wohnung <strong>in</strong> Krefeld<br />

gezogen. Neben ihm saß damals Ch<strong>in</strong>onso.<br />

Er lebte noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohngruppe<br />

und hatte gerade e<strong>in</strong>e Ausbildung als Kfz-<br />

Mechatroniker <strong>in</strong> Düsseldorf angetreten.<br />

Beide waren als unbegleitete M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige<br />

aus ihren Heimatlän<strong>der</strong>n nach Deutschland<br />

geflohen.<br />

Inzwischen s<strong>in</strong>d sie volljährig und leben<br />

beide <strong>in</strong> eigenen Apartments. Beide haben<br />

e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz. Beide haben ihren<br />

Führersche<strong>in</strong> gemacht. Beide s<strong>in</strong>d voll des<br />

Lobes für »die Gruppe«, wie sie sagen – für<br />

Markus Kaiser und se<strong>in</strong> Team <strong>der</strong> Wohngruppe<br />

Duisburg-Huck<strong>in</strong>gen. »Ich habe hier<br />

gelernt, selbstständig zu leben«, sagt Harun.<br />

»Sie haben mir geholfen, e<strong>in</strong>e Wohnung zu<br />

f<strong>in</strong>den und e<strong>in</strong>e Ausbildung.« Und Ch<strong>in</strong>onso<br />

sagt sogar: »Die Gruppe gibt mir das Gefühl,<br />

me<strong>in</strong>e Familie wie<strong>der</strong>gefunden zu haben.«<br />

Beide nehmen den typischen Weg durch das<br />

Duisburger Betreuungsnetzwerk <strong>der</strong> <strong>Graf</strong><br />

<strong>Recke</strong> Erziehung & Bildung, <strong>der</strong> nicht nur<br />

für unbegleitete m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige Geflüchtete,<br />

son<strong>der</strong>n generell für Verselbstständigungsprozesse<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugendhilfe vorgesehen ist:<br />

Nach <strong>der</strong> Wohngruppe Duisburg-Huck<strong>in</strong>gen<br />

wechselten Harun und Ch<strong>in</strong>onso <strong>in</strong>s<br />

Sozialpädagogisch Betreute Wohnen (SBW),<br />

sie leben im eigenen Apartment und werden<br />

von den Gruppenmitarbeitenden je<br />

nach Bedarf begleitet. Harun wird noch<br />

im Rahmen von so genannten Fachleistungsstunden<br />

unterstützt, also nur noch<br />

ambulant betreut. »Unser flexibles Betreuungssett<strong>in</strong>g<br />

ermöglicht gleitende Übergänge<br />

und vermeidet Beziehungsabbrüche«,<br />

erklärt Markus Kaiser, Leiter des Netzwerks<br />

<strong>in</strong> Duisburg. Für Ch<strong>in</strong>onso, letztes Jahr <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Wohnung im benachbarten Stadtteil<br />

Großenbaum gezogen, ist dieses Konzept<br />

von großer Bedeutung: Der 22-Jährige hat <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Heimat Schlimmes erlebt, wie Gruppenmitarbeiter<strong>in</strong><br />

Laura Werner erzählt,<br />

über das Ch<strong>in</strong>onso aber im Interview nicht<br />

sprechen möchte. Diese Erlebnisse holen<br />

ihn an manchen Tagen e<strong>in</strong>, so sehr, dass<br />

Ch<strong>in</strong>onso an diesen Tagen immer noch<br />

Begleitung braucht. Laura Werner und<br />

das Team bemühen sich <strong>der</strong>zeit um e<strong>in</strong>e<br />

Anschlussbetreuung für Ch<strong>in</strong>onso, wenn<br />

dieser aus <strong>der</strong> Jugendhilfemaßnahme herausgewachsen<br />

ist.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund se<strong>in</strong>er sehr belastenden<br />

Vergangenheit ist Laura Werner umso<br />

bee<strong>in</strong>druckter von dem, was Ch<strong>in</strong>onso leistet:<br />

»H<strong>in</strong>ter dem, was er macht, steckt so viel<br />

Fleiß! Es ist toll, wie er sich jeden Tag neu<br />

motivieren kann.« In se<strong>in</strong>er Berufsschulklasse<br />

ist Ch<strong>in</strong>onso <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Schüler, <strong>der</strong><br />

neu nach Deutschland gekommen ist. Zu<br />

den fachlichen Inhalten kommt also die<br />

sprachliche Herausfor<strong>der</strong>ung. Aber Ch<strong>in</strong>onso<br />

sagt: »<strong>Das</strong> ist gut für mich, dass ich da nur<br />

deutsch sprechen kann!«<br />

Harun hat bei se<strong>in</strong>er heutigen Ausbildungsfirma,<br />

e<strong>in</strong>er Sanitär- und Heizungsfirma<br />

<strong>in</strong> Krefeld, im Rahmen <strong>der</strong> »E<strong>in</strong>stiegsqualifizierung«<br />

begonnen, e<strong>in</strong>em Angebot<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft, um im Tätigkeitsfeld e<strong>in</strong>es<br />

Ausbildungsberufs erste berufliche Orientierung<br />

zu f<strong>in</strong>den. »Als das gut geklappt<br />

hat, hat mir die Firma e<strong>in</strong>e Ausbildung<br />

angeboten«, erzählt <strong>der</strong> 23-Jährige. Beim<br />

ersten Treffen 2015 hatte Harun von se<strong>in</strong>em<br />

Berufswunsch »Triebfahrzeugführer«<br />

erzählt – früher hätte man »Lokomotivführer«<br />

gesagt. Doch e<strong>in</strong>e Bewerbung bei <strong>der</strong><br />

Bahn blieb unbeantwortet. Nicht schlimm,<br />

f<strong>in</strong>det Harun. Jetzt wird er zum Anlagenbauer<br />

ausgebildet. »Hauptsache Handwerk«,<br />

sagt er. Und nach e<strong>in</strong> paar Monaten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

heutigen Firma ist er sich schon sicher: »Ich<br />

habe mich für das Richtige entschieden.«<br />

Info<br />

Zum Betreuungsnetzwerk des<br />

SBW (Sozialpädagogisch Betreutes<br />

Wohnen) Nord gehören<br />

die Wohngruppe Huck<strong>in</strong>gen als<br />

stationäres Angebot mit sechs<br />

Plätzen, die Wohngeme<strong>in</strong>schaft<br />

SBW Nord <strong>in</strong> Duisburg-Marxloh<br />

als teilstationäres Angebot mit<br />

fünf Plätzen und das Sozialpädagogisch<br />

Betreute Wohnen im<br />

Raum Duisburg. Hier werden<br />

junge volljährige Männer <strong>in</strong><br />

Apartments durch aufsuchende<br />

Betreuung weiter auf ihr Leben<br />

<strong>in</strong> Eigenständigkeit vorbereitet.<br />

Ergänzend bietet das SBW Nord<br />

noch flexible Betreuung durch<br />

Fachleistungsstunden an. E<strong>in</strong><br />

Team, das die jungen Männer<br />

durch alle Phasen begleitet,<br />

gewährt Betreuungskont<strong>in</strong>uität<br />

bei allen Verselbstständigungsschritten.<br />

<strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 1/<strong>2018</strong>

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