IFK_Sonderheft_Magazin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ANALYSE<br />
Der Klimawandel und seine<br />
Auswirkungen auf unsere<br />
Sicherheit — S. 4<br />
EXPERTEN<br />
Beiträge von Helga Kromp-Kolb,<br />
v<br />
Vuk Zugic ´ & <strong>IFK</strong>-Leiter Brigadier<br />
Walter Feichtinger — S. 10<br />
DAS NEUE<br />
ÖSTERREICHISCHE<br />
MILITÄRMAGAZIN<br />
SPEZIAL 1|19<br />
EURO 3,80<br />
militär<br />
AKTUELL<br />
KLIMAEXPERTIN HELGA KROMP-KOLB:<br />
„Der Klimawandel stellt eine<br />
der größten Kriegsgefahren<br />
überhaupt dar!“ — S. 10<br />
<strong>IFK</strong>-LEITER<br />
BRIGADIER<br />
WALTER<br />
FEICHTINGER:<br />
„Die Zahl der<br />
Klimaflüchtlinge<br />
wird in den<br />
kommenden<br />
Jahren deutlich<br />
zunehmen!“<br />
— S. 15<br />
Sei es in Syrien, im Jemen,<br />
in Israel, in Afghanistan oder<br />
in Äthiopien: Die globale<br />
Erwärmung befeuert rund um<br />
den Globus gesellschaftliche<br />
Krisen und wird immer öfter<br />
zum alles entscheidenden Faktor<br />
zwischen Krieg und Frieden.<br />
SICHERHEITSRISIKO KLIMAWANDEL<br />
Erst Hitze,<br />
dann Krieg
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />
Was haben Wien und Dakar gemeinsam?<br />
Auf den ersten Blick wenig: Da die<br />
österreichische Hauptstadt, lebenswerteste<br />
Stadt der Welt, knapp 1,9<br />
Millionen Einwohner, mit dem Wienerwald<br />
als riesiges Naherholungsgebiet.<br />
Dort die Kapitale des Senegal, rund 1,2 Millionen<br />
Einwohner, legendärer Endpunkt der Rallye Paris-Dakar<br />
und damit für viele Menschen so etwas wie der Inbegriff<br />
von Hitze, Trockenheit und Staub. Auch auf den<br />
zweiten Blick sind kaum Gemeinsamkeiten der beiden<br />
Metropolen erkennbar und doch könnte Wien im Jahr<br />
2080 klimatisch dem heutigen Dakar zum Verwechseln<br />
ähnlich sein. Dann nämlich, wenn die schlimmsten<br />
Befürchtungen des Weltklimarates IPCC eintreten und<br />
die durch den Klimawandel ausgelöste globale Erwärmung<br />
bis dahin auf 4,2 Grad im Vergleich zum vor -<br />
industriellen Zeitalter ansteigt. Den Modellrechnungen<br />
zufolge (ARD Klimadoppel, www.tagesschau.de/ausland/klimadoppel-101.html)<br />
könnte es dann in Graz im<br />
Jahr 2080 so warm werden wie heute in der südkroatischen<br />
Hafenstadt Dubrovnik. In Innsbruck entspräche<br />
die Tageshöchsttemperatur dann im wärmsten Monat<br />
der aktuellen in der chilenischen Hauptstadt Santiago,<br />
und in Bregenz würden ähnliche klimatische<br />
Bedingungen herrschen wie heute<br />
in Melbourne in Australien.<br />
Was diese Entwicklung für Dakar,<br />
Dubrovnik, Santiago de Chile und<br />
Melbourne bedeutet? Ebenso wie für Wien,<br />
Graz, Innsbruck, Bregenz und praktisch alle<br />
anderen Städte und Regionen der Welt: Wenig<br />
Gutes. Die ohnehin bereits hohen Durchschnittstemperaturen<br />
werden weiter steigen und<br />
die Regenmengen sinken. Wir werden uns immer<br />
öfter mit extremeren Starkwetterereignissen konfrontiert<br />
sehen. Überschwemmungen, Dürreperioden und<br />
Wirbelstürme sorgen für Ernteausfälle und Zerstörungen.<br />
Landrechtsstreitigkeiten werden zunehmen, es ist<br />
mit enormen Migrationsbewegungen zu rechnen,<br />
das globale Konfliktpotenzial steigt.<br />
Damit wären wir mitten im Thema, das wir in bewährter<br />
Manier gemeinsam mit unserem langjährigen Partner,<br />
dem Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement<br />
(<strong>IFK</strong>) an der Landesverteidigungsakademie<br />
aufbereitet und anlässlich des 20-jährigen Jubiläu<br />
ms des <strong>IFK</strong> (siehe auch Infokasten) erstmals in Form<br />
eines Militär Aktuell Spezial herausgegeben haben.<br />
Auf den kommenden Seiten analysieren die <strong>IFK</strong>-<br />
Experten Christoph Bilban, Markus Gauster, Gerald<br />
Hainzl, Harald Müller, Walter Posch und Stephan<br />
Reiner die Auswirkungen des Klimawandels auf die<br />
globale Sicherheitslage. Wo sind dessen Auswirkungen<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
E D I T O R I A L<br />
0 0 3<br />
schon jetzt spürbar? Wo sind in den kommenden<br />
Jahren neue Spannungen und Auseinandersetzungen<br />
zu erwarten? Wo drohen neue Konflikte bis hin zu Kriegen?<br />
Was sind die Ursachen für diese Konflikte und was hat das<br />
alles mit der Osterinsel-Hochkultur des siebzehnten und<br />
achtzehnten Jahrhunderts zu tun?<br />
Wir haben dazu auch die heimische Klimaexpertin<br />
Helga Kromp-Kolb und den OSZE-Koordinator für Wirtschafts-<br />
und Umweltaktivitäten Vuk Zugic um ´ ihre Sicht<br />
´`<br />
der Dinge gebeten und sind abschließend zu einer ganz wesentlichen<br />
Erkenntnis gelangt: Die Folgen des Klimawandels<br />
kennen keine Grenzen und um diese bewältigen zu können,<br />
braucht es daher gesamteuropäische, besser noch globale<br />
Anstrengungen und Lösungsansätze! Nur gemeinsam<br />
kann es gelingen, die Folgen der globalen Erwärmung<br />
zu bewältigen und die Auswirkungen bis hin zu neuen<br />
Spannungen und Konflikten in Grenzen zu halten.<br />
In diesem Sinne wünschen wir eine<br />
interessante Lektüre,<br />
Brigadier Walter Feichtinger (Leiter <strong>IFK</strong>) und<br />
Jürgen Zacharias (Chefredakteur Militär Aktuell)<br />
Impressum<br />
medieninhaber und Herausgeber:<br />
QMM Quality Multi Media GmbH,<br />
Mariahilfer Straße 88a/II/2a, A-1070 Wien,<br />
FN 349501 y, UID:ATU65891526,<br />
Chefredaktion: Jürgen Zacharias,<br />
j.zacharias@qmm.at<br />
Key account management:<br />
Thomas Jusko, t.jusko@qmm.at, René<br />
Niehoff, r.niehoff@qualitymultimedia.ch<br />
artdirektion: Gottfried Halmschlager<br />
textchef: Jakob Hübner<br />
Fotoredaktion: Nati Trimmel<br />
lektorat: Gunther Natter<br />
redaktion, Beirat und textbeiträge:<br />
Christoph Bilban, Walter Feichtinger,<br />
Markus Gauster, Gerald Hainzl,<br />
Harald Müller, Walter Posch,<br />
Stephan Reiner<br />
Hersteller: PrintandSmile<br />
redaktionskontakt:<br />
Brigitte Janko, b.janko@qmm.at,<br />
Tel. 01/342 242-0, Mariahilfer Straße<br />
88a/II/2a, A-1070 Wien, Österreich<br />
Geschäftsführung: Andreas Dressler,<br />
a.dressler@qmm.at<br />
www.qmm.at<br />
20 Jahre <strong>IFK</strong><br />
COV E R FOTO : G E T T Y I M AG E S FOTO S : A D O B E STO C K , S E B AST I A N F R E I L E R<br />
Wir schreiben das Jahr 1999. Die NATO fliegt Luftangriffe auf Ziele in Jugoslawien, um dessen<br />
Sicherheitskräfte im Kosovo zu stoppen, Osama bin Laden bekennt sich zu den Bomben -<br />
anschlägen auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam, in den USA beginnt nach der<br />
Lewinsky-Affäre das Impeachment gegen Präsident Bill Clinton und bei den Nationalratswahlen<br />
in Österreich wird die SPÖ mit Abstand stimmenstärkste Partei, den Bundeskanzler<br />
stellt dann aber trotzdem die ÖVP. Wladimir Putin wird im selben Jahr nach dem Rücktritt<br />
von Boris Jelzin neuer Präsident Russlands und in Österreich wird das Institut für Friedens -<br />
sicherung und Konfliktmanagement (<strong>IFK</strong>) mit dem Ziel gegründet, sich mit komplexen<br />
Konfliktlagen systematisch auseinanderzusetzen.<br />
Über die Jahre entstand im <strong>IFK</strong> durch die Mitwirkung in zahlreichen nationalen und internationalen<br />
Forschungsnetzwerken ein Center of Excellence im Bereich sicherheitspolitische<br />
Analyse. Darüber hinaus findet das Institut im zwanzigsten Jahr seines Bestehens mittlerweile<br />
auch große Anerkennung als gesamtstaatlicher Thinktank. Die allgemein und spezifisch<br />
aufbereiteten Expertisen werden innerhalb und außerhalb des Bundesheeres geschätzt<br />
und fließen bedarfsorientiert in die drei Kernaufgaben des Instituts ein: Politikberatung,<br />
Lehre und Öffentlichkeitsarbeit.<br />
m I l I t ä r a K t u e l l s p e z I a l
0 0 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />
KONFLIKT-<br />
TURBO<br />
Text: GERALD HAINZL & HARALD MÜLLER<br />
KLIMAW<br />
Hitzewellen, Überschwemmungen, Wassermangel<br />
und lang anhaltende Dürreperioden!<br />
Die Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels<br />
werden weltweit immer deutlicher spürbar und<br />
befeuern immer öfter auch regionale und<br />
internationale Konflikte. Mehr Spannungen<br />
und Gewalt sind die Folge, neue<br />
Kriege könnten entstehen.<br />
FOTO : A D O B E STO C K<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
EXTRA<br />
12 SEITEN<br />
D O S S I E R<br />
DAS MILITÄR AKTUELL<br />
SCHWERPUNKT-<br />
THEMA<br />
ANDEL<br />
E<br />
in Blick zurück auf<br />
die Osterinseln des<br />
siebzehnten und achtzehnten<br />
Jahrhunderts<br />
verheißt wenig Gutes:<br />
Getrieben von der<br />
Geltungssucht ihrer Anführer und<br />
den Bedürfnissen der wachsenden<br />
Bevölkerung verlor sich damals eine<br />
blühende Stammesgesellschaft in<br />
Verteilungskämpfen. Mehr noch:<br />
sie ging daran sogar zugrunde. Die<br />
Insulaner zerstörten ihren Lebensraum,<br />
ohne zu erkennen, was sie sich mit<br />
dem Abholzen der Palmwälder selbst<br />
antaten. Der Raubbau führte zu sich<br />
verschärfenden Lebensbedingungen.<br />
Unruhen und Auseinandersetzungen<br />
waren die Folge, das ökologische<br />
Gleichgewicht kam in Schieflage.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
0 0 6 W E L T & S T R A T E G I E<br />
Die hier beschriebene These vom<br />
Niedergang der Osterinsel-Hochkultur<br />
des US-amerikanischen<br />
Evolutionsbiologen Jared Diamond<br />
wurde zwar nie eindeutig bewiesen.<br />
Sie wurde aber auch nie gänzlich<br />
widerlegt und könnte uns daher<br />
nun, rund drei Jahrhunderte später,<br />
im globalen Maßstab einen Blick auf<br />
unser aller Zukunft erlauben. Getrieben<br />
von der Geltungssucht unserer<br />
Anführer und den Bedürfnissen<br />
der wachsenden Bevölkerung wurde<br />
in den vergangenen Jahrhunderten<br />
nämlich eine Entwicklung in Gang<br />
gesetzt, die dem von Jared Diamond<br />
beschriebenen Szenario frappant<br />
ähnelt und heute kaum noch zu<br />
stoppen ist. Die Rede ist vom<br />
Klimawandel, dessen Auswirkungen<br />
in den vergangenen Jahren und<br />
Jahrzehnten immer deutlicher zu<br />
spüren waren und der sich zu einer<br />
immer größeren Bedrohnung für die<br />
Menschheit auswächst. Warum?<br />
Weil Trockenheit und extreme<br />
Wetterereignisse für Ernteausfälle<br />
sorgen. Küstengebiete werden<br />
unbewohnbar, Ressourcen immer<br />
knapper. Das verschlechtert unsere<br />
Lebensbedingungen, verschärft<br />
aber auch bestehende Konflikte und<br />
führt zu neuen Spannungen. Neue<br />
Auseinandersetzungen könnten<br />
dadurch entstehen, regionale<br />
Kriege ausgelöst werden.<br />
Apocalypse now? Ganz so weit ist es<br />
freilich noch nicht. Unbestritten ist<br />
aber, dass die Veränderungen des<br />
Klimas schon jetzt teils dramatische<br />
Auswirkungen auf Flora und Fauna<br />
und damit auch auf unser Zusammenleben<br />
haben. Extreme Wetter -<br />
phänomene beispielsweise sind in<br />
vielen Regionen längst mehr Regel<br />
als Ausnahme und münden nicht<br />
selten in Chaos, Flucht und Konflikte.<br />
Die durch den Klimawandel ausgelösten<br />
steigenden Meeresspiegel<br />
bedrohen wiederum die Zukunft aller<br />
Menschen, die in Küstengebieten<br />
leben – rund 50 Prozent der Weltbevölkerung!<br />
Der Weltklimarat (Intergovernmental<br />
Panel on Climate<br />
Change, kurz IPCC) geht davon aus,<br />
dass bei einer Erderwärmung von<br />
maximal zwei Grad Celsius bis zum<br />
Jahr 2100 allein durch die steigenden<br />
Schon jetzt wirkt der Klimawandel in<br />
vielen Auseinandersetzungen als<br />
Brandbeschleuniger. Anderswo sorgt<br />
er für Destabilisierung, Unruhen<br />
und neues Konfliktpotenzial.<br />
Ein Überblick.<br />
Afghanistan<br />
Der Klimawandel droht Afghanistan ähnlich negativ wie<br />
der Terrorismus zu beinflussen und hat aufgrund der zurückgehenden<br />
Gletscher des Hindukusch-Gebirges und<br />
überdurchschnittlich vielen und langen Dürren bereits<br />
jetzt schwerwiegende sicherheitspolitische und humanitäre<br />
Folgen. In der Hauptstadt Kabul sind durch die Bevölkerungsexplosion<br />
beispielsweise verstärkt Konflikte um<br />
Wasser zu befürchten und im ganzen Land infolge langer<br />
Dürren Kämpfe um fruchtbares Ackerland. Milizen versuchen<br />
die schwindenden Agrargebiete mit guter Wasserversorgung<br />
unter Kontrolle zu bringen und dort Opium<br />
anzubauen. Und auch auf zwischenstaatlicher Ebene drohen<br />
Konflikte um die Nutzung von Flüssen. Geostrategisch<br />
motivierte Staudammprojekte wie der von Indien finanzierte<br />
Shahtoot-Damm könnten die Wasserversorgung in<br />
Afghanistan verbessern, parallel dazu jedoch Pakistans<br />
Wasserversorgung schwächen und damit den schwelenden<br />
Konflikt der beiden Atommächte weiter anheizen.<br />
(Markus Gauster)<br />
Sahelzone<br />
Die Häufigkeit extremer Wetterphänome hat in den<br />
vergangenen Jahren vor allem im südlichen Sahel stark<br />
zugenommen. Dürreperioden und Überschwemmungen<br />
haben Hunger, Migration und gewaltsame Auseinandersetzungen<br />
um Ressourcen zur Folge. Dadurch kommt es<br />
auch immer häufiger zu Konflikten zwischen Viehzüchtern<br />
und Bodenbauern. Immer mehr Menschen übersiedeln<br />
deshalb in größere Städte oder wagen überhaupt den<br />
Schritt in weiter entfernte Regionen und wandern aus –<br />
besonders dramatisch ist diese Entwicklung rund um<br />
den austrocknenden Tschadsee. Durch die zunehmende<br />
Perspektivenlosigkeit junger Menschen ist der Zulauf von<br />
religiös und ideologisch motivierten Gruppierungen wie<br />
Boko Haram in Nigeria anhaltend groß. Das Entstehen<br />
von neuen Gruppen und Konflikte zwischen radikalen<br />
Gruppen mit staatlichen Institutionen scheint nur eine<br />
Frage der Zeit zu sein. (Gerald Hainzl)<br />
KA R T E : 1 2 3 R F<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
Im Brennpunkt<br />
KLIMAKRIEGE<br />
Naher<br />
und Mittlerer Osten<br />
Die bewaffneten Konflikte im Nahen Osten lassen sich vereinfacht in drei Kategorien<br />
zusammenfassen: Identitätskonflikte, Verteilungskonflikte und Wasserkonflikte. Zu<br />
den Identitätskonflikten zählen konfessionelle Auseinandersetzungen (Schiiten-<br />
Sunniten) und Konflikte unter Volksgruppen (Kurden, Balutschen, …). Die Verteilungskonflikte<br />
wiederum drehen sich vor allem um Öl und Gas wie beispielsweise<br />
im Irak oder auch im Jemen. Von steigender Bedeutung ist aufgrund des Klimawandels<br />
die Bedeutung des Wassers als strategische Konstante außenpolitischen und<br />
sicherheitspolitischen Handelns, wenngleich die Bürgerkriege in Syrien und im Irak<br />
dies gerne vergessen machen. Es sind dabei bilaterale und interne Konflikte zu<br />
unterscheiden.<br />
Auf zwischenstaatlicher Ebene wären der israelische Anspruch auf die Sheba-Farmen<br />
zu nennen, die von libanesischer Seite immer wieder als Kriegsgrund angegeben<br />
werden. Häufigste Konfliktursache ist jedoch der Staudammbau am Oberlauf<br />
wichtiger Flüsse wie beispielsweise die ehrgeizigen äthiopischen Pläne und ihre<br />
befürchteten Auswirkungen auf die Wassermengen, die der ägyptische Nil führt.<br />
Afghanischen Projekten, mit denen der Helmand aufgestaut werden sollte, der in<br />
die unter Wassermangel leidende iranische Oasenstadt Zabol entwässert, begegneten<br />
die Iraner mit massiver Einmischung und Drohung. Ähnlich gingen die Syrer<br />
gegen die Türkei vor. Einer der Gründe, warum Damaskus jahrzehntelang die PKK<br />
unterstützte, waren die Staudammprojekte in Südostanatolien.<br />
Innenpolitische Konsequenzen hatte bisher die vom Menschen und Klimawandel<br />
verursachte Wassernot in Syrien, die Hunderttausende Bauern zu landlosen Flüchtlingen<br />
machte, aus denen ein starkes Potenzial Unzufriedener hervorging, die das<br />
Regime bekämpften. Aber auch in der Türkei und im Iran entstanden starke Umweltund<br />
Naturschutzbewegungen, die sich gleichermaßen gegen menschliche Gier<br />
(Bauprojekte und Schürfprojekte in der Türkei) und Inkompetenz (Flut- und Staubkatastrophen<br />
im Iran) wandten. In all diesen Fällen legt die Umweltschutzpolitik der<br />
betroffenen Länder beredtes Zeugnis über ihre politische Reife ab. (Walter Posch &<br />
Stephan Reiner)<br />
Arktis<br />
Unter dem Eisschild der Arktis<br />
schlummern große Vorkommen an<br />
Bodenschätzen (allen voran Erdöl und<br />
Erdgas), die natürlich für alle Anrainerstaaten<br />
von großem Interesse sind.<br />
Da die Grenzen in der Region bis dato<br />
aber noch nicht endgültig festgelegt<br />
wurden und die Konkurrenz der Anrainerstaaten<br />
rein ökonomischer Natur zu<br />
sein scheint, ist eine militärische Konfrontation<br />
vorerst nicht in Sicht.<br />
Im Gegenteil, die Kooperation<br />
aller Akteure in der Region<br />
etwa in der (Umwelt-)Politik im<br />
Arktischen Rat oder im Bereich des<br />
Seerechts über UNCLOS funktioniert<br />
bislang sehr gut. Diesen Zustand unterstrich<br />
auch der russische Präsident Putin<br />
2018 am Rande des internationalen<br />
Arctic Territory Dialogue und merkte<br />
an, dass „die Arktis kein Platz für geopolitische<br />
Spielchen sei.“ Trotzdem<br />
verstärkte vor allem Russland in den<br />
vergangenen Jahren sein militärisches<br />
Auftreten in der Region. Zwar dient<br />
die Aufrüstung wohl in erster Linie der<br />
Abschreckung gegenüber der NATO<br />
(deren Mitglieder die restlichen Arktisküsten<br />
kontrollieren), zugleich sichert<br />
Moskau damit aber auch seine ökonomischen<br />
Interessen ab – und das nicht<br />
nur in Hinblick auf die Ressourcen.<br />
Durch den Klimawandel werden neben<br />
Bodenschätzen nämlich auch zwei<br />
wichtige Schifffahrtsrouten befahrbar:<br />
die Nordwestpassage nach Nordamerika<br />
und die Nördliche Seeroute nach<br />
Europa. Diese neuen Wege sind auch<br />
und vor allem für China von besonderem<br />
Interesse und Peking hat bereits<br />
angekündigt, eine eigene Eisbrecherflotte<br />
aufbauen zu wollen, um Schiffe<br />
auch ohne Hilfe der Anrainerstaaten<br />
über diese Routen schicken zu können.<br />
(Christoph Bilban)<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
0 0 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />
GLOBALE AUSWIRKUNGEN<br />
Die Folgen des Klimawandels<br />
sind längst weltweit zu spüren.<br />
Im Bild rechts sind indische<br />
Soldaten zu sehen, die nach<br />
heftigen Regenfällen in der Nähe<br />
der Stadt Kapurthala Bewohner<br />
retten. Links betreten Soldaten<br />
ein Katastrophengebiet im Bezirk<br />
South Dolo in Indonesien und im<br />
Bild unten sind die Zerstörungen<br />
zu sehen, die ein heftiger<br />
Wirbelsturm im Frühjahr 2019<br />
in Simbabwe verursacht hat.<br />
Meeresspiegel bis zu 250 Millionen<br />
Menschen zu sogenannten Klimaflüchtlingen<br />
werden könnten. Längst<br />
halten Experten aber auch einen<br />
Temperaturanstieg von bis zu vier<br />
oder gar fünf Grad mit noch dramatischeren<br />
Auswirkungen für möglich.<br />
Auch die Hitze wird für viele<br />
Menschen zu einer immer größeren<br />
Belastung: Experten zufolge litten in<br />
den Jahren von 2000 bis 2016 mehr<br />
als 100 Millionen Menschen über<br />
65 Jahren unter den gesundheitlichen<br />
Folgen von Hitzewellen. Mit rund<br />
70.000 Todesopfern und einem<br />
volkswirtschaftlichen Schaden in<br />
Höhe von geschätzten 11,5 Milliarden<br />
Euro gilt die durch das Hoch<br />
„Michaela“ im Sommer 2003 in<br />
Europa ausgelöste Hitzewelle sogar<br />
als eine der opferreichsten Naturkatastrophen<br />
der vergangenen Jahrzehnte.<br />
Die stete Ausbreitung von<br />
Wüsten (Desertifikation) schränkt<br />
zudem die landwirtschaftliche<br />
Produktion in vielen Ländern der<br />
Welt ein und macht große Gebiete<br />
unbewohnbar.<br />
Auswirkungen haben die steigenden<br />
Temperaturen auch auf die Produktion<br />
und Arbeitsleistung körperlich<br />
tätiger Menschen, die im selben Beobachtungszeitraum<br />
um 5,3 Prozent<br />
sank. Einer Studie (Senthold Asseng,<br />
University of Florida, Computer<br />
Model) zufolge soll jedes Grad mehr<br />
an globalem Temperaturanstieg zudem<br />
die weltweiten Weizenerträge<br />
um sechs Prozent und die Erträge<br />
von Reis um zehn Prozent verringern.<br />
Verschärft wird diese Problematik<br />
durch die ohnehin schon sehr<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
KLIMAKRIEGE<br />
intensive Nutzung der Böden, auf<br />
denen immer weniger Nahrungs -<br />
mittel produziert werden können.<br />
Gleichzeitig verlieren sie auch die<br />
Möglichkeit Kohlendioxid (CO 2 )<br />
aufzunehmen. Laut IPCC sind infolgedessen<br />
alle vier Säulen der Nahrungsmittelsicherheit<br />
gefährdet:<br />
Verfügbarkeit, Zugang, Nutzen<br />
und Stabilität der Verfügbarkeit.<br />
Die beschriebenen Auswirkungen<br />
sind allerdings nicht in allen Ländern<br />
und Regionen gleichermaßen<br />
zu beobachten oder zu erwarten.<br />
Dem IPCC zufolge werden die<br />
größten negativen Konsequenzen –<br />
einmal mehr – die ärmeren Staaten<br />
Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und<br />
der Karibik treffen. Zu beobachten<br />
sind Auseinandersetzungen um<br />
knappe Ressourcen in Konflikten<br />
zwischen Viehzüchtern und Ackerbauern<br />
etwa in der Sahelzone. Dort<br />
werden die immer weniger werdenden<br />
Anbauflächen durch einen<br />
gleichzeitigen Anstieg der Bevölkerung<br />
immer stärker nachgefragt.<br />
Das wirft Landrechtsfragen auf.<br />
Nutzungs- und Besitzrechte werden<br />
zum Gegenstand von Konflikten,<br />
die – je nach Intensität und Ausprägung<br />
– lokale bis hin zu größeren<br />
gewaltsamen Auseinandersetzungen<br />
zur Folge haben könnten. Ähnlich<br />
verhält es sich beim Thema Wasser,<br />
das heute schon nicht allen Menschen<br />
in ausreichender Qualität und<br />
Menge zur Verfügung steht. Das<br />
birgt neben negativen Auswirkungen<br />
für die Landwirtschaft auch gesundheitliche<br />
Risiken, die in Zukunft wohl<br />
noch deutlicher messbar werden.<br />
FOTO S : G E T T Y I M AG E S , P I C T U R E D E S K<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
0 1 0 W e l t & s t R A t e g i e<br />
Klimaexperten rechnen damit, dass<br />
in Zukunft auch der Regen unregelmäßiger<br />
fallen wird. Damit steigt<br />
nicht nur die Dürregefahr, sondern<br />
auch die Gefahr von starken Hochwassern.<br />
Außerdem wird laut IPCC<br />
die Bodenerosion durch Starkregen<br />
zunehmen, weshalb nachhaltige<br />
Landnutzung für viele Gemeinschaften<br />
in gefährdeten Gebieten ein<br />
Gebot der Stunde wäre. Für die Menschen<br />
in den betroffenen Regionen ist<br />
aber nicht nur der Verlust von Agrarland<br />
ein Problem, auch Brennholz<br />
wird immer knapper. Im Bundesstaat<br />
Jigawa in Nordnigeria verbrauchen<br />
etwa allein die Bäckereien mehr als<br />
100.000 Bäume pro Jahr, längst hat<br />
Holz damit eine zentrale Bedeutung<br />
in der Klimagleichung.<br />
Sind Klima<br />
unausweichlich?<br />
Der schlechten Nachrichten nicht<br />
genug: Die Erderwärmung hat auch<br />
weitreichende Folgen auf Klima- und<br />
Vegetationszonen. Noch bewohnbare<br />
Gebiete könnten in den nächsten<br />
Jahrzehnten unbewohnbar werden.<br />
Auf einem Drittel der Landflächen<br />
dürften infolge des Klimawandels<br />
neue Klimazonen entstehen. Dramatische<br />
Folgen, wie etwa das Schrumpfen<br />
des Tschad-Sees auf nur zehn<br />
Prozent seiner Größe von 1963, sind<br />
erste Vorboten dessen, was wir in den<br />
kommenden Jahrzehnten zu erwarten<br />
haben. Auch in Afghanistan haben<br />
Wassermangel und der Zugang zu<br />
fruchtbarem Ackerland einen Anteil<br />
an den Konflikten, und ohne den<br />
Blick auf Wasser und dessen Verteilung<br />
kann auch die Gewalt im Nahen<br />
Osten nur sehr schwer verstanden<br />
werden. Wie dort haben auch anderswo<br />
viele Menschen durch die sich<br />
verändernde Situation ihre Lebensgrundlage<br />
oder einen Teil davon<br />
verloren und sind auf Alternativen<br />
angewiesen. Aufgeladen durch religiöse<br />
Ideologien und Ethnonationalismus<br />
ist das ein dankbarer Nährboden<br />
für radikale Gruppen, die in dieser<br />
Zielgruppe rekrutieren und nicht<br />
nur lokal, sondern zunehmend auch<br />
global agieren. Wenn eine geänderte<br />
Ressourcenlage zu Verteilungskämpfen<br />
innerhalb einer Region führt, sind<br />
auch Machtverschiebungen auf regionaler,<br />
staatlicher und sogar überstaatlicher<br />
Ebene wahrscheinlich.<br />
HELGA KROMP-KOLB<br />
ist Meteorologin und Klimaforscherin<br />
und seit 1995<br />
ordentliche Universitätsprofessorin<br />
am Institut für<br />
Meteorologie an der Universität<br />
für Bodenkultur in Wien. Sie<br />
arbeitet seit Jahren zum Thema<br />
Klimawandel, zuletzt erschien im<br />
Vorjahr ihr Buch „Plus zwei Grad:<br />
Warum wir uns für die Rettung<br />
der Welt erwärmen sollten“.<br />
Klimakriege sind nichts Neues – unter den Wurzeln und Ursachen<br />
von Kriegen finden sich häufig klimatische Veränderungen. schon<br />
vor rund 15 Jahren haben Peter schwartz and Doug Randall in<br />
einer studie für das Pentagon darauf hingewiesen, dass der Klimawandel<br />
eine der größten Kriegsgefahren überhaupt darstellt. Die Verknappung<br />
von Ressourcen, allen voran Nahrungsmitteln, werde zunächst zu<br />
grenzstreitigkeiten um Zugang zu fruchtbarem land oder Wasser führen,<br />
dann zu regelrechten Kriegen. selbst unabhängig von konkreten<br />
Ursachen steigt laut dem Journalisten und Autor David Wallace-Wells<br />
die Häufigkeit gewaltsamer Auseinandersetzungen mit zunehmender<br />
temperatur sowohl auf der individuellen aber auch der staatlichen<br />
ebene.<br />
Wenn der Klimawandel weiter fortschreitet, muss man also vermehrt mit<br />
Klimakriegen rechnen. Aber kann der Klimawandel noch gestoppt, das<br />
Klima stabilisiert werden? Die positive botschaft des iPCC-berichtes<br />
sR15 (iPCC et al., 2018) ist, dass es keinen wissenschaftlichen grund<br />
gibt, eine stabilisierung des Klimas bei 1,5 °C nicht erreichen zu können.<br />
Reduktion der treibhausgasemissionen um 50 Prozent bis 2030,<br />
und auf netto null bis 2050 global sind dazu erforderlich. Das ist eine<br />
enorme Herausforderung, deren beantwortung keinen Aufschub<br />
duldet. Aber wenn klug und mit Weitblick umgesetzt, können diese<br />
Reduktionen zugleich zur entschärfung geopolitischer spannungen,<br />
zur Minderung der schere zwischen arm und reich, zu mehr gerechtigkeit<br />
und zu verbesserter lebensqualität der Menschen führen.<br />
Klimaschutz ist daher in mehrfacher Hinsicht ein Friedensprojekt.<br />
Foto s : b e i g e st e l lt<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
kriege in Zukunft<br />
KLIMAKRIEGE<br />
In den kommenden Jahren könnten die Auswirkungen des Klimawandels<br />
auf die globale Sicherheit noch viel deutlicher zu spüren sein, als sie das<br />
jetzt schon sind. Werden damit Klimakriege endgültig unausweichlich?<br />
Wir haben mit Vuk Žugić, OSZE-Koordinator für Wirtschafts- und<br />
Umweltaktivitäten, und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb<br />
zwei absolute Experten um ihre Sicht der Dinge gebeten.<br />
Botschafter VUK ŽUGIC´<br />
ist Koordinator<br />
für Wirtschafts- und Umweltaktivitäten<br />
der OSZE. Davor war der Serbe unter<br />
anderem von 2004 bis 2009 Botschafter<br />
Serbiens in Indien, später ständiger<br />
Vertreter der Republik Serbien bei der<br />
OSZE und anderen internationalen<br />
Organisationen in Wien (2012 bis2017).<br />
Während des serbischen OSZE-Vorsitzes<br />
im Jahr 2015 war Žugić außerdem<br />
Vorsitzender des Ständigen Rates der<br />
OSZE.<br />
Die organisation für sicherheit und Zusammenarbeit in europa (osZe) anerkennt im Rahmen ihres umfassenden sicherheitskonzepts<br />
den Zusammenhang zwischen Umwelt und sicherheit: einerseits die Zusammenarbeit im Umweltbereich als instrument<br />
für gutnachbarliche beziehungen, Vertrauensbildung und Konfliktverhütung und andererseits die Herausforderungen im<br />
Umweltbereich als potenzielle Auslöser von spannungen und Konflikten. Das thema Klimawandel stand 2007 zum ersten Mal auf der<br />
Agenda der osZe – zur selben Zeit, als der sicherheitsrat der Vereinten Nationen begann, sich mit den Auswirkungen des Klimawandels<br />
auf die sicherheit auseinanderzusetzen. seither befasst sich die osZe im Rahmen ihrer Umweltaktivitäten mit dem Klimawandel<br />
und verfolgt dabei einen dualen Ansatz:<br />
Zum einen bietet die osZe eine Plattform für den politischen Dialog über klimabedingte sicherheitsrisiken. Der Zusammenhang zwischen<br />
Klimawandel und sicherheit hat allerdings noch nicht alle bereiche der sicherheitsagenda der osZe durchdrungen. Die treffen<br />
des Ministerrats und des ständigen Rates der osZe, die Wirtschafts- und Umweltforen und die „sicherheitstage“ der osZe waren<br />
und sind eine Möglichkeit, sich mit dem Klimawandel aus dem blickwinkel einer breit gefächerten themenpalette zu befassen, wie<br />
Katastrophenvorsorge, Wasserdiplomatie, grüne Wirtschaft, energie, Migration und nachhaltige städte, ebenso wie im größeren<br />
Zusammenhang mit der Agenda 2030 und den Zielen für nachhaltige entwicklung.<br />
Zum anderen führt die osZe Aktivitäten vor ort durch, um potenzielle, durch den Klimawandel verursachte sicherheitsrisiken einzuschätzen<br />
und sich damit auseinanderzusetzen. Zwischen 2013 und 2017 nahm die osZe zusammen mit ihren Partnern in der eNVseCinitiative<br />
eine bewertung der klimabedingten sicherheitsrisiken in osteuropa, im südkaukasus und in Zentralasien vor. Mehr als 500<br />
nationale interessenträger aus elf ländern beteiligten sich an dieser regionalen bewertung, die eine bestandsaufnahme von 30 brennpunkten<br />
erbrachte. Darüber hinaus wurden eine Anpassungsstrategie und ein implementierungsplan für das auf moldauischem und<br />
ukrainischem staatsgebiet befindliche gemeinsame einzugsgebiet des Dnister-Flusses ausgearbeitet mit dem Ziel, den Nutzen einer<br />
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Umgang mit den Folgen des Klimawandels zu veranschaulichen.<br />
Die osZe wird weiterhin das bewusstsein für potenzielle, durch den Klimawandel verursachte sicherheitsrisiken schärfen und Kapazitäten<br />
aufbauen und ihre teilnehmerstaaten dabei unterstützen, gemeinsam die klimabedingten sicherheitsrisiken abzuschätzen und<br />
Anpassungsmaßnahmen grenzüberschreitend zu entwickeln und umzusetzen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
0 1 2 W E L T & S T R A T E G I E<br />
Ganz grundsätzlich können Konflikte<br />
infolge des Klimawandels in mehrere<br />
Kategorien mit unterschiedlichen<br />
globalen und lokalen Auswirkungen<br />
unterteilt werden: Ideologische<br />
und Systemkonflikte, Territorialkonflikte,<br />
Ressourcen- und Verteilungskonflikte<br />
sowie Identitätskonflikte.<br />
Diese können durch graduell<br />
veränderte Bedingungen ausgelöst<br />
werden, aber auch durch Elementarereignisse.<br />
Während kleinräumige<br />
Konflikte zwischen einzelnen Gruppen<br />
international noch längere Zeit<br />
unterhalb der Wahrnehmungsschwelle<br />
bleiben<br />
(werden), ziehen<br />
international<br />
vernetzte Gruppen<br />
wie al-Kaida<br />
oder der Islamische<br />
Staat<br />
schon seit längerem<br />
die Aufmerksamkeit<br />
der<br />
Staatengemeinschaft<br />
auf sich und längst sind<br />
die Auswirkungen des Klimawandels<br />
auch in Europa spürbar: Sei es durch<br />
extreme Wetterphänomene oder<br />
durch stärkeren Migrationsdruck<br />
aus nicht mehr bewohnbaren Regionen<br />
Richtung Norden. Allerdings<br />
werden in der Auseinandersetzung<br />
sehr oft Ursache und Wirkung verwechselt<br />
und die Gründe für den<br />
Konflikt in einer der oben genannten<br />
Kategorien verortet, während die<br />
tatsächlichen Gründe kaum oder<br />
nicht in ausreichendem Ausmaß<br />
adressiert werden.<br />
Wie sehr klimatische Schwankungen<br />
Auswirkungen auf politische Entwicklungen<br />
haben, lässt sich übrigens<br />
aus den Erfahrungen der Kleinen<br />
Eiszeit in Europa, Nordamerika,<br />
Russland und China vom 15. bis in<br />
das 19. Jahrhundert ableiten. Die<br />
Temperaturen lagen damals global<br />
um bis zu 0,8 Grad niedriger als<br />
während der vorangegangenen<br />
Jahrhunderte, der mittelalterlichen<br />
Warmzeit. Als Hauptursachen gelten<br />
verstärkter Vulkanismus und geringere<br />
Aktivitäten der Sonne, Folgen<br />
waren viele sehr kalte, lang andauernde<br />
Winter und niederschlags -<br />
FOTO:PICTUREDESK<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
GLOBALE MIGRATION: DER KLIMAWANDEL<br />
IST AUCH EINER DER GRÜNDE FÜR DIE<br />
FLUCHT VIELER MENSCHEN AUS AFRIKA<br />
IN RICHTUNG EUROPA. IM BILD ZU SEHEN<br />
IST EIN SCHLAUCHBOOT MIT INSGESAMT<br />
105 MIGRANTEN AUS BANGLADESCH,<br />
ÄGYPTEN, NIGERIA, MAROKKO, GHANA,<br />
PAKISTAN, SUDAN, LIBYEN, ERITREA UND<br />
SENEGAL IN DER NÄHE DER LIBYSCHEN<br />
KÜSTE. SIE WERDEN DORT GERADE VON<br />
MITGLIEDERN DER SPANISCHEN NGO<br />
PROACTIVA OPEN ARMS GERETTET.<br />
Spannende<br />
Diskussionen<br />
rund um die Uhr!<br />
Gehen Sie noch heute online und<br />
drücken Sie auf Gefällt mir!<br />
www.facebook.com/militaeraktuell<br />
JETZT<br />
AUCH AUF<br />
0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />
reiche, kühle Sommer. Das reduzierte<br />
die Vegetationsperioden, die Nahrungsmittelproduktion<br />
ging zurück,<br />
Lebensmittel wurden knapp und teuer,<br />
Hungerkatastrophen sowie Mangelernährung<br />
und Seuchen waren die<br />
Folgen. Aus dieser Gemengelage entwickelten<br />
sich soziale Spannungen.<br />
Minderheiten und Randgruppen wurden<br />
für die Missernten verantwortlich<br />
gemacht und verfolgt. Auch der Dreißigjährige<br />
Krieg und die Französische<br />
Revolution wurden dadurch wenn<br />
schon nicht direkt ausgelöst, so<br />
jedenfalls begünstigt.<br />
Und was be<br />
Wie eine ähnliche Situation in den<br />
kommenden Jahren vermieden werden<br />
kann? Indem Lösungen für die<br />
unterschiedlichen Problematiken<br />
sorgfältig abgewogen werden. Erfahrungen<br />
und Empfehlungen zum Umgang<br />
mit Umweltkonflikten gibt es<br />
bereits zur Genüge. Studien zeigen<br />
zudem, dass in vielen Fällen die Herausforderungen<br />
durch Umweltprobleme<br />
eher zu Kooperationen als zu<br />
Feindseligkeiten führen. Trotzdem<br />
sollten – um Konflikten schon im<br />
Ansatz vorzubeugen – rasch und allen<br />
Wiederständen zum Trotz politische<br />
Lösungsansätze diskutiert und<br />
auch umgesetzt werden. Und dabei ist<br />
eine Zusammenarbeit über Länderund<br />
Kontinentalgrenzen hinweg<br />
das oberste Gebot der Stunde.<br />
BRIGADIER WALTER FEICHTINGER<br />
ist seit 2002 Leiter des Instituts für<br />
Friedenssicherung und<br />
Konfliktmanagement (<strong>IFK</strong>) an<br />
der Landesverteidigungsakademie.<br />
FOTO S : A D O B E STO C K , G E T T Y I M AG E S , S E B AST I A N F R E I L E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
D O S S I E R<br />
deutet das nun für<br />
Österreich?<br />
die Folgen des klimawandels sind bereits in vielen Ländern deutlich spürbar. Sie sorgen<br />
für trockenheit, ernteausfälle und erhöhen die Häufigkeit von Starkwettereignissen. Nicht<br />
zuletzt sorgen sie auch für Unsicherheiten. Inwiefern davon auch Österreich betroffen ist?<br />
ein kommentar von Brigadier Walter Feichtinger vom Institut für Friedenssicherung<br />
und konfliktmanagement (IFk) an der Landesverteidigungsakademie.<br />
In Österreich stöhnen wir unter der Hitze und klagen, dass es<br />
zu wenig regnet. man will hitzeresistente bäume pflanzen und<br />
die begrünung der dächer und Hausfassaden fördern. doch<br />
wir werden die unmittelbaren Folgen des klimawandels<br />
bewältigen können!<br />
das ist aber nicht überall so. In manchen Gegenden außerhalb<br />
europas müssen bevölkerungen um ihre existenz und<br />
ihr Überleben bangen. Sei es in der Sahelzone, im mittleren<br />
osten oder auch im mündungsgebiet des Ganges, wo verheerende<br />
Überflutungen infolge schmelzender Gletscher<br />
bereits an der tagesordnung sind. klimawandel und<br />
bevölkerungszuwachs werden daher schon seit Längerem<br />
als konfliktverstärker eingestuft, es ist auch immer öfter<br />
von klimakriegen die rede.<br />
doch was heißt das für Österreich?<br />
Hier können drei bereiche angeführt werden: erstens gilt es<br />
für Österreich, seine rolle und Gestaltungsmöglichkeiten auf<br />
globaler politischer ebene einzuschätzen. Natürlich können<br />
wir nur einen kleinen beitrag in einem wesentlich größeren<br />
rahmen leisten. Aber wir stehen wie alle westlichen Länder<br />
in der Auslage – wir gelten infolge der Industrialisierung und<br />
unseres aufwendigen Lebensstils als wesentliche Verursacher<br />
des klimawandels. Viele entwicklungsländer pochen daher<br />
darauf, dass der Westen den größten beitrag leisten muss,<br />
weil sie selber ja noch einen großen Aufholbedarf haben.<br />
Auf geopolitischer ebene könnte sich daher etwa unter Führung<br />
chinas eine breite Phalanx bilden, die druck auf den<br />
Westen ausübt und umfangreiche Zugeständnisse fordert.<br />
diese könnten beispielsweise finanzieller Natur sein oder<br />
besondere beschränkungen beim energieverbrauch<br />
bewirken. Auch das wäre eine Form eines „klimakonflikts“.<br />
Zweitens ist Österreichs internationaler beitrag zur bewältigung<br />
der mannigfaltigen Folgen des klimawandels anzuführen.<br />
es steht außer Zweifel, dass besonders betroffene regionen<br />
vermehrt und verstärkt internationaler Hilfe bedürfen<br />
werden. diese reicht vom technologietransfer über entwicklungs-<br />
und humanitäre Hilfe bis zu Sicherheitsmaßnahmen,<br />
etwa um gewaltsame konflikte nicht entstehen lassen oder sie<br />
zumindest eindämmen zu können. An vielen orten findet das<br />
bereits statt, denken wir an mali, Somalia, die demokratische<br />
republik kongo oder auch an den Libanon.<br />
drittens ist zu überlegen, inwieweit die Folgen des klimawandels<br />
die migration richtung europa und Österreich, aber auch<br />
innerhalb europas beeinflussen werden. Wir können davon<br />
ausgehen, dass die Zahl der „klimaflüchtlinge“ zunehmen<br />
wird. dabei handelt es sich um migranten, die entweder in<br />
ihrem bisherigen Umfeld keine Überlebensmöglichkeiten und<br />
Zukunftschancen mehr sehen oder ihre Lebens- und berufsaussichten<br />
verbessern möchten. das können eU-bürger aus<br />
immer heißeren südeuropäischen Gebieten sein, vorrangig<br />
sind aber vermehrt migranten aus dem afrikanischen raum<br />
und dem mittleren osten zu erwarten.<br />
Nachdem sich niemand in europa ähnliche Szenen wie 2015<br />
wünscht geht es darum, entsprechende Vorkehrungen in<br />
politischer, rechtlicher, sozialer Sicht und auch im Sicherheitsbereich<br />
zu treffen. dass es dafür einer gesamteuropäischen<br />
Anstrengung braucht, liegt auf der Hand. denn: die Folgen<br />
des klimawandels kennen keine Grenzen!<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L S P E Z I A L
ABO zum Superpreis!<br />
Das neue<br />
Militärmagazin!<br />
1 ABO<br />
4 Ausgaben +<br />
Victorinox Messer<br />
zum Spezial-Preis<br />
von nur € 12,90<br />
Im Einzelhandel<br />
um € 15,20<br />
2 ABO<br />
4 Ausgaben +<br />
Feuerstarter<br />
zum Spezial-Preis<br />
von nur € 9,90<br />
Im Einzelhandel<br />
um € 15,20<br />
Das neue<br />
Militärmagazin<br />
4 x jährlich<br />
frei Haus!<br />
Abo bestellen: abo@qmm.at<br />
www.militaeraktuell.at<br />
www.facebook.com/militaeraktuell