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In Phase Zwei auf Weltniveau

Beim Bau von Großbiogasanlagen in der DDR betraten die Entwickler oft technologisches Neuland und erzielten trotz widriger Umstände beachtliche Erfolge

Beim Bau von Großbiogasanlagen in der DDR betraten
die Entwickler oft technologisches Neuland
und erzielten trotz widriger Umstände beachtliche Erfolge

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AUS DER PRAXIS<br />

<strong>In</strong> <strong>Phase</strong> <strong>Zwei</strong><br />

<strong>auf</strong> <strong>Weltniveau</strong><br />

Beim Bau von Großbiogasanlagen in der DDR betraten<br />

die Entwickler oft technologisches Neuland<br />

und erzielten trotz widriger Umstände beachtliche Erfolge<br />

Von Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />

Die Biogasanlage Zobes bei Plauen mit<br />

den typischen schrägen Rohrabläufen an den<br />

ersten beiden Fermentern ist weithin sichtbar.<br />

<strong>In</strong> der DDR kursierte folgender Witz:<br />

Erich Honecker erholt sich bei einem<br />

Spaziergang in den Bergen. Sein Begleiter<br />

weist ihn an einer Stelle <strong>auf</strong> ein besonders<br />

schönes Echo hin. Honecker probiert<br />

es gleich aus. „Die DDR hat <strong>Weltniveau</strong>“,<br />

ruft er. „Wo, wo, wo“, hallt es zurück.<br />

Wunsch und Wirklichkeit klafften im real<br />

existierenden Sozialismus eben häufig weit<br />

auseinander. Allerdings ist inzwischen auch<br />

klar: Es gab in der DDR Bereiche, in denen<br />

Wissenschaftler und <strong>In</strong>genieure trotz Mangelwirtschaft<br />

durchaus <strong>Weltniveau</strong> erreichten<br />

oder gar bestimmten. Dazu gehörte<br />

zweifellos die landwirtschaftliche Biogasproduktion.<br />

„Um die Wende herum wurden<br />

immerhin gut 80 Prozent der gesamtdeutschen<br />

Biogasmenge in Thüringen produziert“,<br />

hat Dr. Gerd Reinhold errechnet. Das<br />

habe natürlich auch etwas mit dem Angebot<br />

an Gülle aus den großen Tierproduktionsanlagen<br />

zu tun gehabt. Reinhold hat die<br />

Biogas-Forschung und den Aufbau von<br />

Großanlagen in der DDR als Doktorand<br />

und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

an Thüringer Forschungseinrichtungen<br />

begleitet. Der Entwicklungsprozess der<br />

Biogastechnologie in Deutschland verlief,<br />

ähnlich wie in anderen Ländern Europas,<br />

in zwei deutlich voneinander getrennten<br />

<strong>Phase</strong>n. Der Gedanke, landwirtschaftliche<br />

Reststoffe für die Biogaserzeugung zu nutzen,<br />

entstand erstmals während der Nachkriegszeit.<br />

Vorrangig hatte man dabei die<br />

Substitution von Stadtgas im Blick. Zum<br />

Kochen, Heizen, gegebenenfalls auch für<br />

Leuchtzwecke, könnte so <strong>auf</strong> dem Lande<br />

Biogas zum Einsatz kommen. Prof. Karl<br />

Imhoff weist in einer Veröffentlichung 1947<br />

dar<strong>auf</strong> hin, dass aus dem Stallmist einer einzelnen<br />

Kuh hundert Mal so viel Gas erzeugt<br />

werden kann, wie aus dem Klärschlamm<br />

56<br />

BIOGAS Journal | 1_2012


AUS DER PRAXIS<br />

FOTOS: CARMEN RUDOLPH<br />

Der Trockengasspeicher und die drei Fermenter der Biogasanlage in Zobes<br />

gingen in den 80er Jahren in Betrieb.<br />

eines städtischen Einwohners. <strong>In</strong> der DDR<br />

passte Biogas zudem zur ideologischen Programmatik.<br />

Von Anfang an war ja geplant,<br />

die zum Überleben viel zu klein zugeschnittenen<br />

Neubauernhöfe und später alle weiteren<br />

Einzelbetriebe zu landwirtschaftlichen<br />

Produktionsgenossenschaften (LPG) zu -<br />

sammen zu schließen. Bis Ende 1955 waren<br />

aus 77.392 Bauernwirtschaften 6.047 LPG<br />

gebildet worden, die meisten davon vom Typ<br />

III mit gemeinsamer Viehwirtschaft. <strong>In</strong> einer<br />

durchschnittlichen LPG hätten sich täglich<br />

über 200 Kubikmeter Biogas erzeugen lassen,<br />

die pro Jahr 42.000 Liter Diesel ersetzen<br />

könnten. Das überzeugte die staatliche Plankommission.<br />

Sie stellte finanzielle Mittel<br />

und Material für Gärversuche im Laboratorium<br />

der Akademie für Landwirtschaftswissenschaften<br />

in Jena-Zwätzen bereit, um die<br />

Einflüsse von Temperatur, Druck und TS-<br />

Anteil <strong>auf</strong> die Biogaserzeugung zu ermitteln.<br />

Die Versuchsergebnisse schienen einen thermophilen<br />

Betrieb nahezulegen. Die erste<br />

großtechnische Versuchsanlage der DDR<br />

wurde von 1953 bis 1957 <strong>auf</strong> dem Gut Freienbessingen<br />

in Thüringen folgerichtig im<br />

thermophilen Temperaturbereich betrieben.<br />

Die Berichte klangen zunächst auch vielversprechend.<br />

Aber die Anlage wies zu hohe<br />

Wärmeverluste <strong>auf</strong>, die auch durch bessere<br />

Dämmung nicht in den Griff zu bekommen<br />

waren. Im kalten Winter 1956/57 froren<br />

dann schließlich noch die Wasserbecken der<br />

Gasspeicher ein. Weitere Biogas-Versuchsanlagen<br />

arbeiteten mit besseren Ergebnissen<br />

<strong>auf</strong> dem Gelände der technischen Hochschule<br />

Dresden und in Potsdam-Bornim.<br />

Forschungsarbeiten zur Biogaserzeugung<br />

gab es auch in der Landwirtschaftlichen<br />

Fakultät in Jena.<br />

Mit der 1955 einsetzenden „Erdölschwemme“<br />

fiel die Biogasforschung nach und nach<br />

in eine Art Dornröschenschlaf. Bei Heizölpreisen<br />

von umgerechnet zehn Cent pro<br />

Liter, die sich bis 1970 sogar noch einmal<br />

halbierten, war die Wirtschaftlichkeit von<br />

Biogas kaum noch nachzuweisen. Zudem<br />

hatten technische Pannen einige Kratzer am<br />

Image hinterlassen. Aufgrund dieser Entwicklung<br />

wurden nahezu alle Biogasanlagen<br />

stillgelegt.<br />

Rückbesinnung durch<br />

Ölkrise und Güllestau<br />

Es gab einige Gründe, warum Biogas ab<br />

Mitte der siebziger Jahre in der DDR doch<br />

wieder ein Thema wurde. Einer davon stank<br />

im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel.<br />

Aus den ungefähr 300 typisierten Anlagen<br />

zur Tierhaltung mit je bis zu 190.000 Tieren<br />

in kombinierten Schweinemast- und Zuchtanlagen<br />

oder 2.000 Kuh- und 4.000 Jungrindplätzen<br />

flossen insgesamt jährlich 50<br />

Millionen Tonnen Gülle.<br />

Die Aufbereitung von solchen Mengen, insbesondere<br />

unter dem Aspekt der Nutzung<br />

darin enthaltener Bodennährstoffe, wurde<br />

zum wachsenden Problem. Je größer die<br />

Tierbestände an einem Ort, desto größer war<br />

der Transport<strong>auf</strong>wand zum Ausbringen der<br />

Gülle. Pro Kubikmeter musste ungefähr ein<br />

Liter Diesel eingesetzt werden. So wurde<br />

nicht selten <strong>auf</strong> bequemer erreichbaren Feldern,<br />

Wiesen und sogar im Wald zuviel<br />

Gülle ausgebracht und die Flächen regelrecht<br />

„tot gedüngt“.<br />

Der sprunghafte Anstieg des Erdölpreises<br />

Mitte der 70er führte außerdem zu Engpässen<br />

in der Energieversorgung. Zugleich<br />

eröffneten die dünnflüssigen Güllemengen<br />

aus der industriemäßigen Tierproduktion<br />

neue Möglichkeiten, diese Situation zumindest<br />

teilweise zu entschärfen. Die mögliche<br />

Biogas-Produktion aus dem Gülle<strong>auf</strong>kommen<br />

der Massentierhaltung schätzte man in<br />

der DDR <strong>auf</strong> jährlich etwa 200 Millionen<br />

Kubikmeter mit einem Energieäquivalent<br />

von 4.500 Terajoule. Damit hätten sämtliche<br />

LPG und Volksgüter die Hälfte ihres Ener-<br />

F<br />

BIOGAS Journal | 1_2012<br />

57


AUS DER PRAXIS<br />

FOTO: ARCHIV REINHOLD<br />

Standardmäßig wurde das in den Anlagen<br />

erzeugte Biogas in Heizkesseln verbrannt.<br />

Die LPG <strong>In</strong>dustrielle Schweinezucht in<br />

Frankenförde rüstete 1983 zwei Güllebehälter<br />

zu Biogasreaktoren um.<br />

giebedarfs über Biogas decken können.<br />

Um dieses Potential zu nutzen, beschloss die<br />

DDR-Führung 1973 den Bau von acht<br />

Großanlagen. Davon gingen sieben in<br />

Betrieb und produzierten bis 1990 und darüber<br />

hinaus. Eine ab 1985 errichtete Anlage<br />

in Delitzsch nahm wegen technischer Probleme<br />

den Dauerbetrieb nie <strong>auf</strong>. Es handelte<br />

sich um ein Konzept zur thermophilen<br />

Behandlung von Rindergülle. An den Standorten<br />

Nordhausen und Zobes bei Plauen<br />

wird bis heute mit zum Teil weiter entwickelter<br />

DDR-Technologie Biogas produziert.<br />

Die Anlagen waren als Versuchs- und<br />

Experimentalanlagen konzipiert, wurden<br />

von verschiedenen Forschungseinrichtungen<br />

wissenschaftlich begleitet aber gleichzeitig<br />

für die Produktion genutzt.<br />

Pläne für RGW-Biogasanlage<br />

<strong>auf</strong> der Krim<br />

Ziel war es, entsprechend den spezifischen<br />

örtlichen Bedingungen der großen Tierhaltungsbetriebe<br />

Verfahrenskonzepte und<br />

Reaktorkonfigurationen großtechnisch zu<br />

testen und daraus Musterlösungen zu entwickeln.<br />

„Dabei wurden bald durchaus<br />

beachtenswerte Ergebnisse erzielt, an denen<br />

auch die anderen Ostblockländer großes<br />

<strong>In</strong>teresse hatten“, erinnert sich Prof. Gerd-<br />

Rainer Vollmer. Der heutige <strong>In</strong>haber des<br />

Lehrstuhls Biologische Verfahrenstechnik<br />

an der Fachhochschule Nordhausen vertrat<br />

die DDR im entsprechenden Gremium des<br />

Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe<br />

(RGW). Vor allen die Russen, die zwar über<br />

exzellente Wissenschaftler <strong>auf</strong> dem Gebiet<br />

der Mikrobiologie verfügten, aber Probleme<br />

bei der praktischen Anwendung hatten,<br />

wären an technischen Lösungen interessiert<br />

gewesen. „Sie unterbreiteten sogar den Vorschlag,<br />

<strong>auf</strong> der Halbinsel Krim im Schwarzen<br />

Meer eine große RGW-Gemeinschaftsbiogasanlage<br />

zu errichten.“<br />

Den letzten Kick versprach sich die Parteiund<br />

Staatsführung wohl noch von einer<br />

Prise West-Know-how und lud das Schweizer<br />

Biogas-Urgestein Dr. Arthur Wellinger,<br />

heute Präsident des Europäischen Biogasverbandes,<br />

gegen gutes Honorar in die DDR<br />

ein. Auf seiner Rundreise zu den Biogasstandorten<br />

sollte er Wissen weitergeben.<br />

„Für mich als damals junger Wissenschaftler<br />

war das natürlich eine eindrucksvolle<br />

Begegnung. Aber Lösungen zu konkreten<br />

Verfahrens-Problemen in jener Zeit konnte<br />

er natürlich auch nicht aus dem Ärmel<br />

schütteln“, blickt Reinhold zurück.<br />

Als erste Biogasanlage in der zweiten <strong>Phase</strong><br />

entstand 1982 <strong>auf</strong> dem Gelände der zentralen<br />

Gülle<strong>auf</strong>bereitungsstation zwischen<br />

einer Schweinemast- und einer Milchviehanlage<br />

in Vippachedelhausen (Thüringen)<br />

eine Großversuchsanlage. Dafür wurde das<br />

vorhandene, ins Erdreich eingelassene Güllebecken<br />

mit einem Fassungsvermögen von<br />

500 Kubikmeter mit isolierten Stahlplatten<br />

und einem Dach aus Teerpappe abgedeckt.<br />

Die Pilotanlage war mit einem Gas-<br />

Umwälzsystem, also mit einem Gebläse zum<br />

BIOGAS Journal | 1_2012


AUS DER PRAXIS<br />

FOTOS: ARCHIV VOLLMER, REPRO: RUDOLPH<br />

GAS KÜHLER<br />

Die Anlage in Himmelgarten mit den beiden 350 Kubikmeter fassenden<br />

Reaktoren begann 1986 mit der Biogasproduktion.<br />

Einpressen von Biogas ausgerüstet. <strong>In</strong> der<br />

Regel kam eine Mischung von Rinder- und<br />

Schweinegülle mit einem TS-Gehalt von 3,5<br />

bis fünf Prozent im Verhältnis eins zu eins<br />

zum Einsatz. Die täglich produzierten 1.100<br />

Kubikmeter Biogas mit einem Methangehalt<br />

von 65 bis 72 Prozent gelangten mit dem<br />

Druck aus dem Fermenter und ohne Gasreinigung<br />

über Gasleitungen in die beiden<br />

etwa zwei Kilometer entfernten Tierhaltungsbetriebe<br />

und wurden dort in Heizkesseln<br />

verbrannt.<br />

Legendäre Biogas-Kaffee-Runde<br />

Auf dem Versuchsgelände soll Anfang der<br />

80er Jahre auch die legendäre Kaffeerunde<br />

mit dem ersten Biogaskaffee der DDR stattgefunden<br />

haben. Forschungsleiter Prof. Gerhard<br />

Breitschuh, der zu dieser Zeit noch mit<br />

einem umgebauten Gülletransporter experimentierte,<br />

lud Staatsfunktionäre zu einem<br />

Ortstermin ein und demonstrierte das Kaffeekochen<br />

mit Biogas. Im anschließenden<br />

Kaffeeplausch begeisterte er die Gäste von<br />

seinem Vorhaben. Solche Kontakte erleichterten<br />

in der DDR, wo jede Schraube von<br />

der Plankommission im Voraus bilanziert<br />

werden musste, den Erfolg von Bauprojekten<br />

erheblich. So entstand nicht nur die<br />

Großversuchsanlage. Einige Jahre später<br />

kamen noch drei Beton-Fermenter mit je<br />

1.200 Kubikmetern Faulraumvolumen hin -<br />

zu. Sie waren außen mit Mineralwolle ge -<br />

dämmt und mit Blech ummantelt. <strong>In</strong>nen<br />

dienten glasfaserverstärkte Kunststoffplatten<br />

als passiver Korrosionsschutz für den Beton.<br />

Am Standort Berlstedt fanden auch Untersuchungen<br />

zur Verstromung von Biogas mit<br />

einem umgerüsteten Traktormotor und<br />

angeschlossenem Generator statt. „Eines<br />

unserer größten Probleme war dabei: Wohin<br />

mit dem Strom? Einspeisen gab’s ja noch<br />

nicht“, erzählt Reinhold. Den Stromverbrauch<br />

sicherten dann etliche Bahnheizkörper,<br />

die allerdings in der DDR zur Mangelware<br />

gehörten. 1992 stellte der neue Be -<br />

sitzer den Betrieb der Biogasanlage wegen<br />

zu hoher Kosten ein.<br />

Nach dem Konzept der Anlage in Berlstedt<br />

baute die LPG <strong>In</strong>dustrielle Schweinezucht<br />

in Frankenförde (bei Luckenwalde) 1983<br />

eine Biogas-Anlage in eigener Regie. Dafür<br />

wurden zwei von sechs bereits vorhandenen<br />

Beton-Güllebehältern mit je 500 Kubikmetern<br />

Fassungsvermögen zu Biogas-Fermentern<br />

umgerüstet und mit Hartschaum isoliert.<br />

Eine Besonderheit in Frankenförde<br />

war die Gas-Entschwefelung. Dazu dienten<br />

zwei mit Raseneisenerz gefüllte Behälter.<br />

Größte DDR-Biogasanlage<br />

in Nordhausen<br />

Richtig geklotzt wurde am Rande der thüringischen<br />

Stadt Nordhausen. Hier errichtete<br />

das heute noch in diesem Bereich tätige<br />

Unternehmen Schachtbau Nordhausen<br />

1985 die größte Biogasanlage der DDR. Die<br />

beiden 37 Meter hohen Stahlfermenter mit<br />

einem Durchmesser von 18,80 Metern<br />

haben ein Volumen von je 8.000 Kubik-<br />

F<br />

Für Biogas<br />

C<br />

BIOGAS Journal | 1_2012<br />

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CALORPLAST


AUS DER PRAXIS<br />

FOTO: ARCHIV REINHOLD<br />

Oben: Der <strong>auf</strong> Flüssigbiogasantrieb umgebaute<br />

Traktor ZT 300 in der Biogasanlage Nordhausen.<br />

Unten: Nach dem Flüssigkeitsentzug wird die<br />

feste Fraktion der Gärreste in der Biogasanlage<br />

Zobes sofort abgefahren.<br />

FOTO: CARMEN RUDOLPH<br />

metern. Über einen Bodenkonus können<br />

Ablagerungen abgesaugt werden.<br />

Beim Bau gab es die üblichen Probleme. So<br />

übernahm nach einigem hin und her ein polnischer<br />

Betrieb die Dämmungsarbeiten an<br />

einem der Stahltürme, weil sie das Material<br />

mitbrachten, für das im damaligen Bezirk<br />

Erfurt die Bilanzzuweisungen nicht ausreichten.<br />

Zeitweise ging es nicht weiter, da<br />

Gerüste noch für den Bau der Anlage in<br />

Berlstedt benötigt wurden. Das Substrat<br />

kam und kommt auch heute aus dem<br />

benachbarten Schweinemastbetrieb, der früher<br />

90.000 Tiere hielt.<br />

Technische Besonderheiten der Nordhausener<br />

Anlage waren die Substraterwärmung<br />

und die Aufbereitung der Gärreste. Über<br />

einen vorgelagerten Tauchstrahlreaktor<br />

gelang es, die Gülle mit einem TS-Gehalt<br />

von nur zwei Prozent durch Zuführung von<br />

Luft und damit forciertem, aeroben biologischen<br />

Abbau <strong>auf</strong> eine Temperatur von 26 bis<br />

28 Grad Celsius zu bringen. Anschließend<br />

gelangte die Gülle in den Fermenter und<br />

wurde dort geringfügig nachgeheizt. Der<br />

aerobe Prozess verminderte allerdings die<br />

Gasausbeute.<br />

Für den anschließenden Einsatz als Dünger<br />

erfolgte eine Trennung der Gärprodukte<br />

mittels Schwerkraftsedimentation und<br />

Dekanter in Faulschlamm mit einem TS-<br />

Gehalt von über zwölf Prozent und Faulwasser.<br />

<strong>In</strong> Nordhausen kam nach Berichten<br />

das erste BHKW der DDR mit einem Gasmotor<br />

des Schwermaschinenkombinates<br />

Magdeburg zum Einsatz. Außerdem fuhr<br />

hier ein Traktor ZT 300, den Techniker <strong>auf</strong><br />

den Betrieb mit verflüssigtem Biogas (Kryotechnik)<br />

umgerüstet hatten.<br />

„Nach Erweiterung um zwei Fermenter <strong>auf</strong><br />

eine elektrische Leistung von 2,2 MW verarbeiten<br />

wir hier unter Zugabe von 40 Tonnen<br />

Maissilage täglich 120 Kubikmeter<br />

Schweinegülle des Betriebes Van Asten Tierzucht<br />

Nordhausen, zu dem die Anlage heute<br />

gehört“, berichtet Anlagenfahrer Frank<br />

Hartleb. Nur wenige Kilometer von Nordhausen<br />

entfernt nahm 1986 neben einer<br />

Jungrinderanlage mit 2.600 Tieren in Himmelgarten<br />

eine weitere kleinere Biogasanlage<br />

den Betrieb <strong>auf</strong>. <strong>In</strong> den beiden Fermentern<br />

mit einem Volumen von je 360F<br />

60<br />

BIOGAS Journal | 1_2012


AUS DER PRAXIS<br />

Die Biogasanlage in Nordhausen war mit ihren 37 Meter hohen Fermentern<br />

die größte Biogasanlage der DDR. Daneben das neue Foliengaslager.<br />

FOTO: CARMEN RUDOLPH<br />

Kubikmetern gärte Rindergülle mit einem<br />

TS-Gehalt von über acht Prozent, was für<br />

damalige Verhältnisse hoch war.<br />

Weltweit einmalige<br />

Pfropfenstromanlage<br />

Weltweit einzigartig dürfte die 1985 errichtete<br />

Biogasanlage in Rippershausen gewesen<br />

sein. Sie war als horizontale Pfropfenströmungsanlage<br />

mit vier mal 1.500 Kubikmetern<br />

Faulraumvolumen konzipiert und<br />

arbeitete mit der Gülle von 34.000 Tieren<br />

einer Schweinemastanlage. Aus Fertigbauelementen<br />

wurden dafür 22 Meter lange<br />

rechteckige, nach oben offene Kanäle mit<br />

einer Breite und Höhe von 3,5 Metern<br />

gebaut und gedämmt.<br />

Jeweils fünf dieser Kammern mit einem Fassungsvermögen<br />

von 300 Kubikmetern bildeten<br />

eine der vier Reaktoreinheiten, die<br />

von der zuvor in Wärmetauschern <strong>auf</strong> 40<br />

Grad Celsius erwärmten Gülle, vorbei an<br />

wechselnd halbseitig offenen Zwischenwänden,<br />

mäanderförmig durchflossen wurde.<br />

Jede Kammer war <strong>auf</strong> einer durchgehenden,<br />

hohlen Welle mit einem sehr langsam drehenden<br />

Paddelrührwerk ausgestattet. Die<br />

Luft in der Hohlwelle sorgte für Auftrieb<br />

Ihr Sprung in<br />

die Unabhängigkeit.<br />

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AUS DER PRAXIS<br />

und verhinderte ein sonst unvermeidliches<br />

Durchhängen und den Bruch der nur an den<br />

äußeren Reaktorwänden gelagerten Welle.<br />

Das Gas sammelte sich unter erstmals eingesetzten<br />

Folien, die den gesamten Baukörper<br />

überspannten. Bei einem Gülle<strong>auf</strong>kommen<br />

von 150 Kubikmetern pro Tag lieferte<br />

die Rippershausener Anlage 4.000 Kubikmeter<br />

Biogas zum Heizen der Schweineställe.<br />

Die Anlage arbeitete noch bis 2004<br />

und setzte als Kosubstrat organische Abfälle<br />

ein.<br />

Hühnerkot von<br />

250.000 Legehennen<br />

Die letzte in der DDR-Zeit errichtete Biogasanlage<br />

steht seit 1987 bis heute in Zobes<br />

bei Plauen (Sachsen). Als Substrat diente<br />

zunächst ausschließlich Hühnergülle von<br />

dem benachbarten Geflügelbetrieb „Vogtland“<br />

mit über einer Viertelmillion Legehennen.<br />

„Sie arbeitete als einzige in einem zweistufigen<br />

Verfahren“, erläutert Dipl.-<strong>In</strong>g. Lars<br />

Klinkmüller, der die Technologie der Zobeser<br />

Anlage, das sogenannte „Plauener Verfahren“,<br />

mit entwickelt hat. Die vorgelagerte<br />

Hydrolyse und Säuerungsstufe erfolgte in<br />

einem Erdbecken. Anschließend gelangte<br />

Die Typenschilder an den in den 80er Jahren<br />

errichteten Fermentern in Zobes sind schon<br />

etwas verblichen.<br />

die Gülle in zwei identische Stahlfermenter<br />

mit jeweils 1.500 Kubikmetern Volumen.<br />

Hier fällt eine weitere Besonderheit ins<br />

Auge. Zwischen den Reaktoren sind zwei<br />

schräge Rohre zu erkennen. Sie sind der<br />

Ausl<strong>auf</strong> des Reaktors und bewirken mit<br />

ihrem relativ großen Durchmesser, dass die<br />

Feststoffe im langsam <strong>auf</strong>steigenden Gärsubstrat<br />

sedimentieren können und dadurch<br />

wieder in den Faulraum zurückrutschen und<br />

weiter vergasen. Sich absetzender Schlamm<br />

FOTO: CARMEN RUDOLPH<br />

kann, wie bei der Nordhausener Anlage,<br />

über den trichterförmigen Behälterboden<br />

abgepumpt werden.<br />

Wegen Wegfall der Hühnergülle erfolgte<br />

durch Lars Klinkmüller (heute <strong>In</strong>genieurbüro<br />

CarboCycle) die Umstellung der später<br />

durch einen dritten Fermenter erweiterten<br />

Anlage <strong>auf</strong> die Verarbeitung organischer<br />

Abfälle. Sie ist bis heute in Betrieb und vergärt<br />

unter anderem Lebensmittelabfälle aus<br />

Haushalten, für die es in Plauen als Nachfolger<br />

zur DDR-„Specki“-Tonne weiterhin<br />

ein Sammelsystem gibt. D<br />

Autor<br />

Dipl.-Journ. Wolfgang Rudolph<br />

Freier Journalist<br />

Rudolph Reportagen – Das Medienbüro<br />

Kirchweg 10 · 04651 Bad Lausick<br />

Tel. 03 43 45/26 90 40<br />

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