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Das leise Sterben (Leseprobe)

2019 Residenz Verlag (Martin Grassberger)

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Schnupfen oder eine Mittelohrentzündung nach Antibiotikagabe. Im

Gegenteil, sie haben die Angewohnheit, im Lauf der Zeit schlimmer zu

werden. Von den Infektionskrankheiten unterscheiden sie sich durch

den Umstand, dass sie keine singuläre Ursache haben, sondern multikausal,

also vielfältig in ihrer Entstehungsursache sind. Und schließlich

haben diese chronischen Krankheitszustände ein komplexes, häufig

mehrere Organsysteme umfassendes, teilweise unspezifisches Symptomenprofil,

was eine frühzeitige und richtige Diagnose erschwert.

Slow Motion Disaster

Ein »Slow Motion Disaster« (Katastrophe in Zeitlupe) nennt es die Weltgesundheitsorganisation

(WHO) in einem 2017 veröffentlicheten Bericht,

der den Anstieg chronischer nichtübertragbarer Krankheiten thematisiert.¹

Herzerkrankungen, Krebs, Diabetes, neurodegenerative Erkrankungen

und chronische Atemwegserkrankungen, Krankheiten also, die

einst nur mit wohlhabenden Gesellschaen in Verbindung gebracht

wurden, sind global massiv im Zunehmen begriffen, wobei die Armen

am meisten leiden. Als Ursache für diese Krankheiten nennt die WHO

in ihrem Bericht vier Hauptrisikofaktoren: Tabakkonsum, übermäßiger

Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung und körperliche Inaktivität.

Nun, dass Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch einen direkten

und längst bewiesenen, ursächlichen Zusammenhang mit zahlreichen

schweren Krankheitsbildern aufweisen, ist seit vielen Jahrzehnten

bekannt. Auch dass sich der moderne Mensch in industrialisierten

Ländern lieber vor den Fernseher begibt, als körperlich aktiv zu sein,

mag durchaus für viele zutreffen, erklärt aber nur einen gewissen

Teil des globalen Anstiegs übergewichtiger und stoffwechselkranker

Menschen. Denn kein körperliches Trainingsprogramm hat es bisher

gescha, bei übergewichtigen Menschen eine signifikante und langfristige

Gewichtsreduktion herbeizuführen.

Außer Zweifel steht, dass regelmäßige angemessene körperliche

Aktivität das Risiko von Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit,

Schlaganfall, Diabetes und einigen Krebsarten, einschließlich Brustund

Darmkrebs, reduziert. Auch altersbedingter Knochenschwund

(Osteopenie und Osteoporose) sowie Depressionen lassen sich durch

regelmäßige körperliche Aktivität positiv beeinflussen. Fest steht allerdings

auch, dass laut WHO weltweit nur etwa 23 Prozent der Erwachsenen

(dafür aber 81 Prozent der Jugendlichen) der von der WHO empfohlenen

Menge an körperlicher Aktivität nachgehen.

Der vierte Faktor im Ursachenquartett der WHO, die ungesunde Ernährung,

überrascht uns zunächst nicht wirklich, da uns seit Jahrzehnten

mitgeteilt wird, wir sollten uns doch gesünderen Nahrungsmitteln

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