Das leise Sterben (Leseprobe)
2019 Residenz Verlag (Martin Grassberger)
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zuwenden. Weg von Burger, Pommes und Co hin zu Gemüse und Vollkorn
ohne Fett, Salz und Zucker. Eigentlich einfach, oder? Allein es gab
noch nie so viele »gesundheitsbewusste« Bürger und Bürgerinnen, und
trotzdem scheint – ein Blick auf die Statistiken gibt Aufschluss – das
Befolgen offizieller Ernährungsempfehlungen nicht viel zu nützen.
Chronische nichtübertragbare Krankheiten führen die Krankheitsund
Todesursachenstatistiken eindrucksvoll an. Bis heute gibt es für
keine dieser Erkrankungen ein dauerhaes Heilmittel oder auch nur
vernünige, weil langfristig umsetzbare Präventionsmaßnahmen.
Obwohl es sich eigentlich nicht um übertragbare Infektionskrankheiten
handelt, weist die zunehmende weltweite Verbreitung dieser
Krankheiten Züge einer Pandemie auf (Pandemie im engeren Sinn als
eine länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Infektionskrankheit).
Mit dem wesentlichen Unterschied, dass als »Krankheitsüberträger«
Faktoren wie Lebensmittel, Getränke, Alkohol und
Tabakwaren, eingeschränkte körperliche Betätigung sowie weitreichende
soziale und umweltbedingte Veränderungen fungieren. Glücklicherweise
gibt es mittlerweile deutliche Hinweise auf die tieferliegenden
Ursachen dieser neuen Pandemie. Was derzeit fehlt, ist die
Bereitscha zur Einsicht und zum Handeln. Denn diese Pandemie ist
vermeidbar. Im Gegensatz zu Infektionskrankheiten, deren Bedeutung
einhergehend mit der Verbesserung des sozioökonomischen Niveaus
abnimmt, verhalten sich zahlreiche der nichtübertragbaren Krankheiten
genau umgekehrt: Sie steigen mit zunehmendem Wohlstand,
Industrialisierung und westlicher Lebensweise an. Geht es wie bisher
weiter, werden viele staatliche Gesundheitssysteme in ihrer derzeitigen
Form über kurz oder lang unfinanzierbar werden.
Interessanterweise scheinen viele dieser nichtübertragbaren chronischen
Krankheiten eine Verbindung mit unserer Ernährung aufzuweisen
oder gehen mit einer diffusen Problematik des Magen-Darm-
Traktes einher. So wird zum Beispiel seit Jahrzehnten postuliert, dass
Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf einen übermäßigen Konsum von gesättigten
Fetten, insbesondere Cholesterin, zurückzuführen seien. Die
im November 2017 in der angesehenen medizinischen Fachzeitschri
e Lancet publizierten Ergebnisse der PURE-Studie sprechen hingegen
eine andere Sprache.² Die Autoren der 135 335 Patienten im Alter
von 35–70 Jahren aus 18 Ländern und fünf Kontinenten umfassenden
prospektiven Kohortenstudie kamen zu dem für viele Experten überraschenden
Schluss: »Eine hohe Kohlenhydrataufnahme war mit einem
erhöhten Risiko für die Gesamtsterblichkeit verbunden, während das
Gesamtfett und die einzelnen Fettarten mit einer niedrigeren Gesamtsterblichkeit
in Zusammenhang standen. Das Gesamtfett und die unterschiedlichen
aufgenommenen Fettarten waren nicht mit Herz-
Kreislauf-Erkrankungen, Myokardinfarkt oder erhöhter Sterblichkeit
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